BT-Drucksache 17/5931

Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes (Beendigung der Nutzung von Atomkraftwerken zur kommerziellen Energieerzeugung in Deutschland)

Vom 25. Mai 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5931
17. Wahlperiode 25. 05. 2011

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Jürgen Trittin, Renate Künast, Sylvia Kotting-Uhl, Hans-Josef
Fell, Bärbel Höhn, Oliver Krischer, Undine Kurth (Quedlinburg), Nicole Maisch,
Dr. Hermann Ott, Dorothea Steiner, Cornelia Behm, Bettina Herlitzius, Dr. Anton
Hofreiter, Ingrid Nestle, Friedrich Ostendorff, Markus Tressel, Daniela Wagner,
Dr. Valerie Wilms und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes (Beendigung
der Nutzung von Atomkraftwerken zur kommerziellen Energieerzeugung in
Deutschland)

A. Problem

Die Atomkatstrophe von Fukushima hat auch bei der Bundesregierung zu der
Erkenntnis geführt, dass die Gefahren und Risiken der Nutzung der Atomener-
gie grundlegend neu bewertet werden müssen. Selbstverständlich ist dabei, dass
die verfassungswidrige und die Grundrechte der Bürger gefährdende Laufzeit-
verlängerung zurückzunehmen ist. Ebenso ist klar, dass der Betrieb der ältesten
und unsichersten Kraftwerke umgehend zu beenden ist. Darüber hinaus hat sich
gezeigt, dass die bisherige Regelung der Laufzeitverkürzung Probleme aufwirft.
Die jetzt nur mittelbar durch produzierte Strommengen bestimmte Länge der
Laufzeiten ist nicht die optimale Lösung, auch weil sich gezeigt hat, dass wegen
vieler Abschaltungen der Betrieb der Kraftwerke bei einer solchen Lösung deut-
lich länger dauern kann, als damals vom Gesetzgeber prognostiziert. Sowohl
unter Sicherheitsgesichtspunkten als auch in Hinblick auf eine zuverlässige
Planungsgrundlage für alle Beteiligten für die Energiewende ist eine zeitnahe
und hinsichtlich des Zeitpunktes eindeutige Festlegung des Ende des Betriebs
erforderlich.

B. Lösung

Inhaltlich aufbauend auf die bereits vorgeschlagenen Elemente – Rücknahme
der Laufzeitverlängerung (Bundestagsdrucksache 17/5035) und Abschalten der
unsichersten Atomkraftwerke (AKW) (Bundestagsdrucksache 17/5180) – wird
für alle Kraftwerke ein fester Endzeitpunkt für den Betrieb festgelegt. Das
letzte Atomkraftwerk wird seinen Betrieb 2017 beenden.
C. Alternativen

Keine.

Drucksache 17/5931 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

D. Kosten

Der Entwurf verursacht keine unmittelbaren Kosten, da die Kraftwerke ohnehin
abzuschalten gewesen wären. Soweit es mittelbar durch die Abschaltung zu
Steuermindereinahmen kommen könnte (Brennelementesteuer), dürften diese
ebenso mittelbar durch Steuermehreinnahmen an anderer Stelle – insbesondere
in der Erneuerbare-Energien-Wirtschaft – ausgeglichen werden.

Grohnde 01.02.1985 01.02.2013

Philippsburg 2 18.04.1985 18.04.2013

Brokdorf 22.12.1986 22.12.2014

Isar 2 09.04.1988 09.04.2016
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5931

Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes (Beendigung
der Nutzung von Atomkraftwerken zur kommerziellen Energieerzeugung in
Deutschland)

Vom …

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderung des Atomgesetzes

Das Atomgesetz in der Fassung der Bekanntmachung
vom 15. Juli 1985 (BGBl. I S. 1565), das zuletzt durch …
geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. § 7 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 1a wird wie folgt gefasst:

„(1a) Die Berechtigung zum Leistungsbetrieb einer
Anlage zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur ge-

werblichen Erzeugung von Elektrizität erlischt zum in
Anlage 3 Spalte 3 genannten Zeitpunkt.“

b) Die Absätze 1b bis 1e werden aufgehoben.

2. § 7d wird aufgehoben.

3. In § 9a Absatz 1a wird die Angabe „und 1b“ gestrichen.

4. Die §§ 9d bis 9f werden aufgehoben.

5. In § 21 Absatz 1 Nummer 4a wird die Angabe „§§ 9d
bis 9g“ durch die Angabe „§ 9g“ ersetzt.

6. In § 23a werden die Wörter „den §§ 9d bis 9g“ durch die
Angabe „§ 9g“ ersetzt.

7. Anlage 3 wird wie folgt gefasst:

„Anlage 3 (zu § 7 Absatz 1a)

Atomkraftwerk Beginn des kommerziellen
Leistungsbetriebs

Betriebsgenehmigung nach § 7
erlischt am

Biblis A 26.02.1975 [Einsetzen: Datum zwei Wochen nach
Inkrafttreten dieses Gesetzes]

Neckarwestheim 1 01.12.1976 [Einsetzen: Datum zwei Wochen nach
Inkrafttreten dieses Gesetzes]

Biblis B 31.01.1977 [Einsetzen: Datum zwei Wochen nach
Inkrafttreten dieses Gesetzes]

Brunsbüttel 09.02.1977 [Einsetzen: Datum zwei Wochen nach
Inkrafttreten dieses Gesetzes]

Isar 1 21.03.1979 [Einsetzen: Datum zwei Wochen nach
Inkrafttreten dieses Gesetzes]

Unterweser 06.09.1979 [Einsetzen: Datum zwei Wochen nach
Inkrafttreten dieses Gesetzes]

Philippsburg 1 26.03.1980 [Einsetzen: Datum zwei Wochen nach
Inkrafttreten dieses Gesetzes]

Grafenrheinfeld 17.06.1982 [Einsetzen: Datum zwei Wochen nach
Inkrafttreten dieses Gesetzes]

Krümmel 28.03.1984 [Einsetzen: Datum zwei Wochen nach
Inkrafttreten dieses Gesetzes]

Gundremmingen B 19.07.1984 19.07.2012

Gundremmingen C 18.01.1985 18.01.2013
Emsland 20.06.1988 20.06.2016

Neckarwestheim 2 15.04.1989 15.04.2017

Drucksache 17/5931 destag – 17. Wahlperiode
– 4 – Deutscher Bun

Artikel 2

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Berlin, den 25. Mai 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Urteil vom 15. Februar 2006, 1 BvR 357/05; zur Untauglich- Zu Nummer 2

keit der Vernebelung siehe Bundestagsdrucksache 16/3960).
Diese Einschätzung, die die antragsstellende Fraktion bereits
auf Bundestagsdrucksache 17/5180 vorgetragen hat, ist nun-

Folge des im Zuge der Verlängerungen der Laufzeiten ein-
fügten § 7d ist ein Absenken der Sicherheitsstandards unter
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/5931

Begründung

A. Allgemeines

Nach dem Gesetzentwurf wird der Betrieb des letzten kom-
merziellen Atomkraftwerks 2017 enden. Der Betrieb der
ältesten und gefährlichsten Kraftwerke wird sofort beendet.
Im Übrigen endet der Betrieb der Anlagen spätestens nach
28 Jahre nach Beginn des kommerziellen Leistungsbetrie-
bes.

Ein festes Datum für das Ende des Betriebs jedes Kraftwerks
hat sich aus den im folgenden genannten Gründen als not-
wendig erwiesen. Die jetzt nur mittelbar durch produzierte
Strommengen bestimmte Länge der Laufzeiten war nicht die
optimale Lösung. Auch wegen vieler Abschaltungen (zu
möglichen Motiven der Betreiber, vgl. Deutsche Umwelt-
hilfe, „Wie ein schneller Atomausstieg rechtlich zu regeln
ist“, April 2011) drohte der Betrieb der Kraftwerke deutlich
länger dauern, als es beim Atomausstieg vom Gesetzgeber
prognostiziert wurde. Unter Sicherheitsgesichtspunkten ist
dies nicht hinnehmbar, weil die Atomaufsicht wissen muss,
wie lange das Kraftwerk noch läuft, wenn sie aus sicherheits-
technischen Gründen Verbesserungen fordern will. Denn
sind solche in der Laufzeit nicht mehr zu realisieren, kann sie
diese auch grundsätzlich nicht verlangen. Darüber hinaus
müssen die Atomaufsichtsbehörden auch sicher planen kön-
nen, für wie lange und welche Standorte sie noch Personal zu
Aufsicht benötigen. Schließlich bedarf es einer zuverlässi-
gen Planungsgrundlage für alle Beteiligten der Ener-
giewende. Andere Marktteilnehmer werden substituierende
Anlagen nur planen und bauen, wenn klar ist, ab wann sie
nötig sind. Für den Ausbau der Stromtrassen werden wie-
derum die Entscheidungen dieser Markteilnehmer benötigt.
Insgesamt sprechen daher zahlreiche Gründe für das Bestim-
men fester Ausstiegstermine. Ein solches Regelungskonzept
ist daher sachgerecht und damit auch verfassungsrechtlich
zulässig (Roßnagel/Roller, Die Beendigung der Kernenergie
durch Gesetz, S. 17 f., 76, 122 f.).

Die sofortige Einstellung des Betriebs der ältesten AKWs ist
in Hinblick auf die Sicherheit der Bürger zwingend. Die alten
AKWs sind nicht oder besonders unzureichend (und damit
noch schlechter als andere AKWs) gegen den Fall eines Flug-
zeugabsturzes oder eines terroristischen Angriffs mit einem
Flugzeug gesichert. Die Atomkraftwerke Brunsbüttel, Isar 1,
Philippsburg1, Biblis A haben überhaupt keine Sicherung ge-
gen einen Flugzeugabsturz. Die AKWs Biblis B, Neckar-
westheim 1 und Unterweser haben nur einen heute völlig un-
zureichenden Schutz (Auslegung nur gegen Starfighter-Ab-
stürze). Dies gilt insbesondere, weil Angriffe mit Passagier-
flugzeugen nach dem 11. September 2001 eine reale Gefahr
und kein tolerables Restrisiko sind (vgl. Bundesverwaltungs-
gericht Urteil vom 10. April 2008, 7 C 39/07) und diese
Angriffe auch nicht auf anderem Wege abgewehrt werden
können (siehe auch Bundesverfassungsgericht – BVerfG –,

Im Übrigen ist auch bei Abschaltung der ältesten Kraftwerke
grundsätzlich die dem Entwurf allgemein zu Grunde lie-
gende Frist von 28 Jahren seit Aufnahme des kommerziellen
Leistungsbetriebs gewahrt. Diese Frist reicht aus um bei ver-
ständiger verfassungsrechtlicher Würdigung einen Entschä-
digungsanspruch auszuschließen (Roßnagel/Roller, Die Be-
endigung der Kernenergie durch Gesetz, S. 17 f., 76, 121 f.).
Nach älteren Berechnungen wären bei dieser Laufzeitlänge
den Betreibern sogar erhebliche Gewinne aus der – ohnehin
staatlich geförderten – Nutzung der Atomenergie zugeflos-
sen (Deutsche Umwelthilfe, „Wie ein schneller Atomaus-
steig rechtlich zu regeln ist“, April 2011). Weitere staatliche
Wohltaten können die Unternehmen vernünftigerweise nicht
erwarten, zumal Gewinnerwartungen nach der Rechtspre-
chung des BVerfG üblicherweise keinen Schutz genießen
(Roßnagel/Roller, Die Beendigung der Kernenergie durch
Gesetz, S. 114).

B. Zu den einzelnen Vorschriften

Zu Artikel 1

Zu Nummer 1 Buchstabe a und Nummer 7

Die Regelung setzt entsprechend der oben dargestellten
Grundsätze (A.) Endtermine für den Betrieb der Kraftwerke.
Hinzuweisen ist insoweit nur auf den Sonderfall Krümmel.
Dieses Kraftwerk hätte die Laufzeit von 28 Jahren erst am
28. März 2012 erreicht. Ein umgehendes Abschalten ist je-
doch geboten, weil diese Anlage hinsichtlich der grund-
legenden Konzeption der Anlage mit den ältesten Kraftwer-
ken vergleichbar ist. Insbesondere verfügt Krümmel nur
über eine einfach abgesicherte Notstromversorgung. Über-
dies konnte der Betreiber gerade dieses Kraftwerkes nicht
damit rechnen, den Betrieb je wieder aufnehmen zu können.
Über Jahre ist es nicht gelungen, die Voraussetzungen für
den Betrieb wieder herzustellen. Zudem hatte das Kraftwerk
zuvor eine höhere Quote an kritischen Ereignissen als selbst
viele der ältesten Anlagen (vgl. Bundestagsdrucksache 17/
3394). Schließlich würde sich ein „Hochfahren“ dieser
Schrottanlage für einen derartig kurzen Zeitraum voraus-
sichtlich auch für die Betreiber nicht rechnen.

Zu Nummer 1 Buchstabe b

Die für das System der begrenzten Laufzeiten durch Rest-
strommengen erforderlichen Vorschriften werden aufgeho-
ben. Dies betrifft u. a. Vorschriften zur Übertragung von
Elektrizitätsmengen und deren Messung. Durch die Befris-
tung der Berechtigungen zum Leistungsbetrieb mit Endda-
tum sind diese obsolet geworden.
mehr auch durch den aktuellen Bericht der Reaktor-Sicher-
heitskommission bestätigt.

Beschränkung der Rechtsschutzmöglichkeiten für Bürger.
Die Vorschrift ist zudem unklar. Sie ist daher aufzuheben.

Drucksache 17/5931 destag – 17. Wahlperiode
– 6 – Deutscher Bun

Zu Nummer 3

Folgeänderung.

Zu Nummer 4

Die im Zuge der Verlängerungen der Laufzeiten eingefügten
Vorschriften zur Enteignung zur Endlagerung werden aufge-
hoben.

Zu den Nummern 5 und 6

Folgeänderungen.

Zu Artikel 2

Inkrafttreten.

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