BT-Drucksache 17/5825

Haltung der Bundesregierung zur Tötung von Osama bin Laden

Vom 13. Mai 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5825
17. Wahlperiode 13. 05. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Christine Buchholz, Sevim Dag˘delen, Wolfgang
Gehrcke, Annette Groth, Inge Höger, Andrej Hunko, Harald Koch, Niema Movassat,
Jens Petermann, Alexander Ulrich und der Fraktion DIE LINKE.

Haltung der Bundesregierung zur Tötung von Osama bin Laden

Am 1. Mai 2011 teilte US-Präsident Barack Obama in einer Rede an die Nation
mit, dass der wegen Terrorismus weltweit gesuchte Gründer des al-Qaida-Netz-
werkes Osama bin Laden durch ein US-Spezialkommando in einem Haus im
pakistanischen Abbotabad getötet worden sei. Später erklärten US-Vertreter,
Osama bin Laden sei unbewaffnet gewesen, habe aber Widerstand geleistet und
sei daher von den Kommandosoldaten erschossen worden. Bei der Aktion sollen
nach US-Angaben drei weitere Männer und eine Frau getötet worden sein. Die
Leiche Osama bin Ladens sei anschließend von einem Flugzeugträger ins Meer
geworfen worden.

Gegenüber der Presse erklärte die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel am
2. Mai 2011 in einer persönlichen Stellungnahme, sie habe dem US-Präsidenten
ihren „Respekt für diesen Erfolg und für diese gelungene Kommandoaktion mit-
geteilt“. Auf Nachfrage eines Reporters, ob auch deutsche Sicherheitskräfte in
der Lage sein sollten, mit gezielten Tötungen gegen „Terrorhäupter“ vorzuge-
hen, antwortete die Bundeskanzlerin: „Ich bin heute erst einmal hier, um zu
sagen: Ich freue mich darüber, dass es gelungen ist, bin Laden zu töten.“
(www.bundesregierung.de/nn_1272/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/
2011/05/2011-05-02-merkel-osama-bin-laden.html).

Diese Äußerung wurde nicht nur von Seiten des Koalitionspartners FDP und der
Opposition, sondern auch aus den Reihen der CDU/CSU, von Juristenverbänden
und aus den Kirchen scharf kritisiert. „Das sind Rachegedanken, die man nicht
hegen sollte, das ist Mittelalter“, erklärte CDU-Rechtsexperte Siegfried Kauder.
„Aus christlicher Sicht ist es sicher nicht angemessen, Freude über die gezielte
Tötung eines Menschen und dessen Tod zu äußern“, erklärte Unions-Fraktions-
vize Ingrid Fischbach, die dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken ange-
hört (www.abendblatt.de/politik/article1877675/Freude-ueber-bin-Ladens- Tod-
Was-Angela-Merkel-wirklich-sagte.html). Zuvor hatte ein Sprecher von Papst
Benedikt XVI bereits erklärt, der Tod eines Menschen sei für einen Christen nie-
mals ein Grund zur Freude (www.taz.de/1/debatte/sonntazstreit/artikel/1/darf-
man-seine-feinde-toeten/).
Die Neue Richtervereinigung in Berlin verurteilte „die beschämende, ausdrück-
lich und öffentlich ausgesprochene Freude“ seitens der Bundeskanzlerin, des
Bundespräsidenten und des Bundesministers des Innern. „Osama bin Laden war
einer der gewalttätigsten Verbrecher nach den Weltkriegen. Die Erklärung eines
schmutzigen Krieges durch Terrororganisationen vermag es aber nicht zu legiti-
mieren, auf derselben Ebene zu agieren. Wie jeder Verbrecher hätte er vor Ge-

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richt gestellt werden müssen. Dies ist ein Eckstein der Zivilisation“, so die
Neue Richtervereinigung am 3. Mai 2011. (www.nrv-net.de/downloads_presse/
135.pdf).

Die Bundeskanzlerin erklärte in ihrem Pressestatement „am 11. September
2001, als Tausende von unschuldigen Menschen ihr Leben verloren haben“
habe „der Kopf des Terrornetzwerks Al-Quaida“ gehandelt. Die US-Bundes-
polizei FBI fahndete nach Osama bin Laden auf ihrer Liste „Most wanted
terrorists“ allerdings nur wegen der Anschläge auf US-Botschaften in Tanza-
nia und Kenia im Jahr 1998, bei denen über 200 Menschen getötet wurden
(www.fbi.gov/wanted/wanted_terrorists/usama-bin-laden/).

Laut FBI-Pressesprecher Rex Cob gäbe es keine Beweise für Osama bin Ladens
Beteiligung an den Anschlägen vom 11. September 2001 in Washington und
New York. So war Osama bin Laden wegen dieser Anschläge vom 11. Septem-
ber 2001 niemals angeklagt oder verurteilt worden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wann und auf welche Weise hat die Bundesregierung vom Tod Osama bin
Ladens erfahren?

a) Hat die Bundesregierung nachgeprüft oder Beweise vorgelegt bekom-
men, dass bei der US-Kommandoaktion in Abbotabad/Pakistan tatsäch-
lich Osama bin Laden getötet wurde, und wenn ja, welche?

b) Wie verlief die Kommandokation Osama bin Ladens nach Kenntnis der
Bundesregierung im Einzelnen?

c) Unter welchen Umständen wurde Osama bin Laden nach Kenntnis der
Bundesregierung getötet?

d) Inwieweit war nach Kenntnis der Bundesregierung eine Verhaftung
Osama bin Ladens überhaupt eine Option der Kommandoaktion?

e) Inwieweit handelt es sich nach Einschätzung der Bundesregierung um
eine gezielte Tötung von Osama bin Laden?

f) Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den Status (Zivilisten,
Militärs, „Kombattanten“), derzeitigen Verbleib und die Situation der an-
deren Personen, die sich während der Kommandoaktion in dem Gebäude
aufhielten?

2. Inwieweit steht die Bundesregierung weiterhin hinter der Äußerung von
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel „Ich freue mich, dass es gelungen ist,
bin Laden zu töten“?

a) Inwieweit sieht die Bundesregierung diese Äußerung im Einklang mit
dem Grundgesetz, das die Würde des Menschen für unantastbar erklärt?

b) Inwieweit sieht die Bundesregierung diese Äußerung im Einklang mit
dem geltenden deutschen Recht?

c) Inwieweit sieht die Bundesregierung in dieser Äußerung einen Wider-
spruch zu den Anstrengungen der Bundesregierung zur weltweiten
Ächtung und Abschaffung der Todesstrafe?

d) Inwieweit sieht die Bundesregierung die Äußerung von Dr. Angela
Merkel im Einklang mit einem christlichen Selbstverständnis?

e) In welchen Fällen ist nach Meinung der Bundesregierung Freude über
den Tod eines Menschen gerechtfertigt?

3. Sieht die Bundesregierung das Vorgehen des US-Kommandos, das ohne

Prozess oder Verurteilung zur Erschießung Osama bin Ladens und vier wei-

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terer Personen auf pakistanischem Territorium führte, im Einklang mit dem
internationalen Recht und dem Recht der USA sowie dem Recht Pakistans?

a) Wenn ja, wie und aufgrund welcher rechtlichen Grundlagen und Auffas-
sungen begründet die Bundesregierung die (völker-)rechtliche Legitimi-
tät der Tötung Osama bin Ladens?

b) Wenn nein, wie begründet die Bundesregierung ihre Gratulation gegen-
über der US-Regierung für die „gelungene Kommandoaktion“ und die
Freude der Bundeskanzlerin über den Tod Osama bin Ladens?

c) Wenn nein, welche Konsequenzen gedenkt die Bundesregierung in ihrem
Verhältnis zu den USA zu ziehen?

d) Inwieweit schätzte die Bundesregierung Osama bin Laden als militäri-
schen Gegner ein, dessen Erschießung als kriegerischer Akt legitim ist?

e) Falls die Bundesregierung eine rechtliche Würdigung der Tötung Osama
bin Ladens nicht vornehmen will, weil sie womöglich keine detaillierten
Kenntnisse über den genauen Handlungsablauf hat, wie rechtfertigt sie
dann, dennoch Freude über die Tötung Osama bin Ladens zu äußern?

4. Liegen der Bundesregierung Beweise für eine Beteiligung Osama bin Ladens
an Anstiftung, Vorbereitung, Planung oder Durchführung der Anschlägen vom
11. September 2001 in New York und Washington vor?

a) Wenn ja, um welche Beweise handelt es sich im Einzelnen?

b) Wenn ja, warum wurde Osama bin Laden nach Kenntnis der Bundes-
regierung für diese Anschläge bislang weder angeklagt noch verurteilt?

c) Wenn nein, wie erklärt die Bundesregierung dann Dr. Angela Merkels
Behauptung, Osama bin Laden habe als „Kopf des Terrornetzwerks“ am
11. September 2001 gehandelt?

d) Welche Anschläge mit wie vielen Opfern liegen nach Kenntnis der Bun-
desregierung in der Verantwortung von Osama bin Laden (bitte einzeln
aufzählen)?

5. Ist die Bundesregierung der Meinung, die gezielte Tötung von wegen Terro-
rismus gesuchten Personen sollte auch deutschen Sicherheitskräften im In-
und Ausland ermöglicht werden?

a) Wenn ja, welche Rechtsgrundlage besteht für ein solches Vorgehen, bzw.
welche Gesetze müssten dafür geändert werden?

b) Wenn ja, in welchen Fällen befürwortet die Bundesregierung ein solches
Vorgehen deutscher Sicherheitskräfte?

c) Wenn nein, wie begründet die Bundesregierung ihre Zustimmung zur
Tötung Osama bin Ladens?

6. Inwieweit ist die Bundesregierung der Meinung, US-Sicherheitskräfte soll-
ten auch in Deutschland gegen Terrorverdächtige bzw. wegen Terrorismus
gesuchte Personen mit gezielten Tötungen vorgehen?

Berlin, den 13. Mai 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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