BT-Drucksache 17/578

Geldpolitik und Regulation der Finanzbranche

Vom 27. Januar 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/578
17. Wahlperiode 27. 01. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Herbert Schui, Harald Koch, Ralph Lenkert, Michael
Schlecht, Sahra Wagenknecht und der Fraktion DIE LINKE.

Geldpolitik und Regulation der Finanzbranche

Um die Liquidität im Bankensektor nach dem Ausbruch der Finanzkrise zu ge-
währleisten, hat die Europäische Zentralbank (EZB) gemeinsam mit anderen No-
tenbanken die Leitzinsen auf ein historisches Tief gesenkt. Die EZB ist, ebenso
wie der Internationale Währungsfonds, angesichts des schwachen Wirtschafts-
wachstums offenbar der Auffassung, dass die Konjunktur weiter durch eine Poli-
tik niedriger Zinsen gestützt werden muss. Folglich werden die Zinsen in diesem
Jahr weiter niedrig bleiben. Überdies wird die EZB bei ihrer Entscheidung die
Politik der US-Fed berücksichtigen müssen: Wegen der hohen Arbeitslosigkeit in
den USA ist in diesem Jahr dort nicht mit steigenden Leitzinsen zu rechnen
(FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND – FTD – vom 14. Januar 2010).

Aus Gründen einer angemessenen Konjunkturpolitik sind niedrige Zentralbank-
zinsen zweifellos notwendig. Es besteht allerdings das Risiko unerwünschter
Nebenwirkungen. Die nicht begrenzte Refinanzierungsmöglichkeit der Banken
zu sehr niedrigen Zinsen ermöglicht aufgrund der Marktlage hohe Zinsspannen
und damit hohe Gewinne je ausgereichtem Kredit. Überdies steigen die Erträge
im Investmentbanking. (Die Deutsche Bank meldet im 3. Quartal 2009 nach
Steuern einen Gewinn von 1,4 Mrd. Euro; für 2010 und 2011 erwartet sie wei-
tere, kräftige Gewinnsteigerungen.) In den USA fordert die Regierung wegen
einer ähnlichen Entwicklung bei den Gewinnen eine Sonderabgabe. Außerdem
bringt sie eine Beschränkung des Eigenhandels für die Finanzbranche ins Ge-
spräch (FTD vom 21. Januar 2010).

Die hohen Mittelzuflüsse in das Investmentbanking haben in den letzten neun
Monaten des letzten Jahres die Vermögenspreise stark steigen lassen (z. B. Dax
+46 Prozent, Rohöl +67 Prozent oder Kupfer +84 Prozent). Kommentar des
Rohstoff-Experten Eugen Weinberg von der Commerzbank zur aktuellen Öl-
preisentwicklung: „Der Grund ist ausschließlich das verstärkte Engagement der
Anleger“ (DIE WELT vom 6. Januar 2010). Die stark gestiegenen Rohstoff-
preise werden über die Kostenseite zu Preissteigerungen Anlass sein.

Um die expansive Geldpolitik aus konjunktureller Sicht so lange wie nötig
durchhalten zu können, müssen durch den Gesetzgeber die Risiken der Niedrig-
zinspolitik durch eine straffere Regulierung des Finanzsektors begrenzt werden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Sieht die Bundesregierung die Gefahr, dass es durch die noch länger not-
wendige expansive Geldpolitik zu überbewerteten Vermögenspreisen kom-
men könnte?

a) Wenn nein, warum nicht?

Drucksache 17/578 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
b) Wenn ja, welche Regulierungen plant die Bundesregierung, um diese
Gefahr zu verringern?

2. Sieht die Bundesregierung einen Zusammenhang zwischen den 2009 erheb-
lich gestiegenen Preisen für Rohstoffe und Aktien auf der einen und der ex-
pansiven Geldpolitik auf der anderen Seite?

a) Wenn nein, warum nicht?

b) Wenn ja, sieht die Bundesregierung darin über die Kostenseite eine Ge-
fahr für das Preisniveau, und welche Maßnahmen plant die Bundesregie-
rung bei der Bankenregulierung, um diese Gefahr zu verringern?

3. Sieht die Bundesregierung einen Zusammenhang zwischen den 2009 erneut
hohen Gewinnen aus dem Investmentbanking und der expansiven Geldpoli-
tik?

a) Wenn nein, warum nicht?

b) Wenn ja, welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um Teile dieses
Gewinns dem Finanzmarktstabilisierungsfonds zuzuführen?

4. Wie schätzt die Bundesregierung das Risiko der Finanzierung langfristiger
Staatsanleihen seitens der Banken mit kurzfristigen Krediten bei der Zentral-
bank ein?

Wenn Risiken gesehen werden: Welche Maßnahmen plant die Bundesregie-
rung, um dieser Gefahr entgegenzutreten?

5. Ist es nach Meinung der Bundesregierung wünschenswert, wenn die hohen
Gewinne der Banken, die durch das hohe Emissionsvolumen der Finanz-
agentur der Bundesrepublik Deutschland (geplantes Volumen 2010: 343 Mrd.
Euro) und die Zinsdifferenz zwischen Kurz- und Langfristzinsen entstehen,
steuerlich abgeschöpft werden würden?

Was plant die Bundesregierung, um diese Gewinne steuerlich abzuschöp-
fen?

6. Unter welchen makroökonomischen Bedingungen im Euroraum wird die
Bundesregierung eine Leitzinserhöhung der EZB in diesem Jahr als ange-
messen bewerten?

7. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, damit der Anspruch des
Bundesministers der Finanzen, Dr. Wolfgang Schäuble, den „Finanzsektor
angemessen an den Kosten der aktuellen Krise und auch zukünftiger Krisen
zu beteiligen“, umgesetzt wird (WELT am SONNTAG vom 24. Januar
2010)?

Welche Maßnahmen hält die Bundesregierung in diesem Zusammenhang für
angemessen?

8. Plant die Bundesregierung Maßnahmen zur Förderung des Marktes für Kre-
ditverbriefungen?

Welche sind das im Einzelnen?

Welche Vorgaben plant die Bundesregierung gegebenenfalls, um die
Verheimlichung von Risiken bei solchen Geschäften zu verhindern?

Wie soll die Risikoausbreitung im Rahmen dieser Geschäfte verhindert wer-
den?

Berlin, den 27. Januar 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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