BT-Drucksache 17/5779

Klima- und Umweltschutz im und durch den Sport stärken - Für eine verantwortungsvolle Sportentwicklung in Deutschland

Vom 11. Mai 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5779
17. Wahlperiode 11. 05. 2011

Antrag
der Abgeordneten Klaus Riegert, Eberhard Gienger, Stephan Mayer (Altötting),
Peter Altmaier, Alexander Dobrindt, Mechthild Heil, Dirk Fischer (Hamburg),
Reinhard Grindel, Axel Knoerig, Stefan Müller (Erlangen), Dr. Frank Steffel,
Manfred Kolbe, Dieter Stier, Christian Freiherr von Stetten, Karin Strenz,
Peter Wichtel, Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Joachim Günther (Plauen), Dr. Lutz Knopek,
Gisela Piltz, Oliver Luksic, Dr. Birgit Reinemund, Dr. Daniel Volk, Rainer Brüderle
und der Fraktion der FDP

Klima- und Umweltschutz im und durch den Sport stärken – Für eine
verantwortungsvolle Sportentwicklung in Deutschland

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Umwelt ist für den Sport nicht bloßer Raum für Bewegung, sondern gestal-
terische Lebenswelt. Insbesondere beim Natursport stellt der Mensch eine enge
Verbindung zur Natur her – sei es beim Wandern und Klettern zu Land, beim Ru-
dern und Schwimmen zu Wasser oder beim Segelfliegen in der Luft. In Zeiten
der Urbanisierung kann die Verbindung von Mensch und Natur mitunter stark
abgenommen haben. Dennoch erfährt die wohl natürlichste Fortbewegung des
Menschen mit dem Laufen oder Joggen im Wald, wie auch oder vor allem in
deutschen Großstädten mit unzähligen Lauf- und Marathonwettbewerben einen
schon seit mehreren Jahren anhaltenden Boom. Der sporttreibende Mensch
wirkt, wie bei anderen Formen seines Handelns, aktiv und bewusst auf die Natur
als einen Gestaltungsraum ein. Dabei hat der aktive Sport (z. B. der Leistungs-
sport), aber auch der passive Sport (z. B. als Sportzuschauer im Stadion) einen
Einfluss auf die Umwelt.

Vor allem in Blick auf den Sport als Wirtschaftsfaktor, z. B. hinsichtlich des
Freizeit- und Massensports, wird dieser häufig monokausal in ein Spannungs-
verhältnis zum Umweltschutz gestellt, was der Komplexität mit diversen Zu-
sammenhängen und Wechselwirkungen meist nicht gerecht wird. In Analogie
hierzu beschäftigt sich in einem übergeordneten Zusammenhang die Enquete-
Kommission „Wachstum, Wohlstand und Lebensqualität“ des Deutschen Bun-
destages mit möglichen Wegen zu einem nachhaltigen Wirtschaften und gesell-

schaftlichen Fortschritt. Auch im Sport sowie angrenzenden Bereichen gilt es,
gestiegene Ansprüche, eine nachhaltige Leistungsfähigkeit und gesellschaft-
liches Wohlergehen miteinander zu vereinbaren. Die Umwelt ist für den Sport
nicht Ressource, sondern vor allem Partner. Ein umweltbewusster Sport begrün-
det sich in dem rationalen Interesse an einer nachhaltigen Nutzung und Nutzbar-
keit des Raumes für das Sporttreiben. Ein umweltbewusster Sport begründet
sich zudem auch in der normativen Idee von gegenseitiger Achtung und Fair

Drucksache 17/5779 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Play als Werte zwischen Sportlern sowie der eigenen Person in dessen Lebens-
welt. Damit man einander im Sport begegnen kann, bedarf es eines nachhaltigen
Gleichgewichtes zwischen Nutzung und Schutz von Natur und Umwelt. In die-
sem Sinne werden schon seit langem zahlreiche Anstrengungen durch die Bun-
desregierung in Kooperation mit den Sportverbänden, den Vereinen und den
Sporttreibenden unternommen – diese Anstrengungen heißt es weiter zu unter-
stützen und voranzubringen.

Im Zusammenhang mit Sport spielt auch das Thema Lärm eine wichtige Rolle.
Sport ohne Geräusche und in Grenzen zu haltenden Lärm ist kaum denkbar. Or-
ganisierter Sport, der in Sportanlagen stattfindet, wird nach der Sportanlagen-
lärmschutzverordnung (18. BImSchV) bewertet. Unklar ist die Beurteilung von
sog. freien Jugendeinrichtungen wie Bolzplätzen, Skate- und Basketballanlagen
hinsichtlich des Lärms, der im Rahmen der sportlichen Betätigung von Jugend-
lichen ab 14 Jahren ausgeht. In der Bewertung stehen diese Anlagen zwischen
Spiel- und Sportplätzen. Hierfür sollten neue Grenzwerte und Öffnungszeiten
festgelegt werden.

Ein verantwortungsvoller, nachhaltiger Umgang mit der Umwelt und dem
Klima ist auch für den Sport unerlässlich, bildet die Natur doch gerade die
Grundlage hierfür. Auch der Natursport ist nicht gleich belastender Umweltfak-
tor oder vermeidbarer Wohlstand. Im Gegenteil: Der Sport kann einen unge-
zwungenen Zugang zur Natur – vor allem für junge Menschen – bedeuten. Mit
Blick auf das viel konstatierte, abnehmende Bewegungsverhalten von Kindern
und Jugendlichen bietet die Natur einen beinah unerschöpflichen Bewegungs-,
Bildungs-, Erholungs- und Erlebnisraum. Die etwa 91 000 Sportvereine mit
ca. 27,5 Millionen Mitgliedern bieten in dieser Hinsicht eine breite Kommu-
nikations- und Multiplikationsplattform, um Sport im Einklang mit der Natur
und in Verbindung zu einem aktiven Umwelt- und Klimaschutz zu erleben.

Mit verschiedenen Leitprojekten wird der organisierte Sport in Kooperation mit
dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit sowie
weiteren wichtigen Partnern schon jetzt in vielen Bereichen seiner Verantwor-
tung gerecht. Der 12. Sportbericht der Bundesregierung dokumentiert dies
anschaulich im Kapitel „Sport und Umwelt“. Der Sport kann in den Handlungs-
feldern Umweltbildung und Umweltkommunikation, energieeffiziente Sportan-
lagen, alternative Mobilitätskonzepte und umweltfreundliche Verkehrssteue-
rung sowie klimaverträgliche Sportveranstaltungen wichtige Beiträge für einen
zeitgemäßen Umwelt-, Natur- und Klimaschutz leisten.

Der Klima- und Umweltschutz ist weltweit eine der bedeutendsten Herausforde-
rungen unserer Zeit. Dabei kann der Sport einen wichtigen Beitrag leisten. Das
Treffen, der Kontakt und Austausch von Menschen und Gesellschaften durch
den Sport auf lokaler, regionaler, nationaler, europäischer und internationaler
Ebene kann als eine große Chance zur Förderung des Gedankens des Umwelt-
und Klimaschutzes gesehen werden. Die Umwelt macht an keinen Landesgren-
zen halt, wie auch der Sport als gesellschaftliche Bewegung diese längst über-
wunden hat. Bei internationalen Sportbegegnungen wird indes umso deutlicher,
dass etwaige Umweltbelastungen und Schäden durch das Sporttreiben (externe
Effekte) dem Verursacherprinzip nach einbezogen (internalisiert) werden müs-
sen und eine Abwälzung auf Dritte nicht mehr möglich ist. Der organisierte
Sport in Deutschland setzt mit seinen Programmen zu Umwelt- und Klima-
schutz und mit seinem Engagement zu internationalen Sportgroßveranstaltun-
gen zukunftsweisende Maßstäbe, um einen Sport im Einklang mit der Natur zu
ermöglichen. Dies wird insbesondere bei der Bewerbung Münchens um die
Austragung der Olympischen und Paralympischen Winterspiele 2018 mit dem
umfangreichen Umwelt- und Nachhaltigkeitskonzept deutlich. Mit insgesamt

18 Leitprojekten zu den Bereichen „Schutz des Klimas und der natürlichen
Lebensgrundlagen“, „nachhaltige Sport- und Regionalentwicklung“ sowie „Bil-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5779

dung für eine nachhaltige Entwicklung“ kann bei Zuschlag eine positive, öko-
logische Bilanz zu den Winterspielen erreicht werden, die mit einem „grünen
Erbe“ über die Sportgroßveranstaltung selbst weit hinausreicht.

Der organisierte Sport ist beim Umwelt- und Klimaschutz auf die Unterstützung
und aktive Begleitung durch die Politik angewiesen. Eine nachhaltige Sportent-
wicklung in Deutschland kann nur zusammen mit allen Beteiligten gemeinsam
verfolgt werden. Eine dem Grundsatz der Wahrung des Naturerbes folgende,
christlich-liberale Sportpolitik unterstützt den organisierten Sport auch künftig
kraftvoll bei den gemeinsamen Herausforderungen, um den Klima- und Um-
weltschutz im und durch den Sport weiter voranzubringen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

– die Umweltbildung und Umweltkommunikation bei Kindern und Jugend-
lichen, z. B. im Rahmen von nationalen, europäischen und internationalen
Sportveranstaltungen und Austauschprogrammen sowie zu den Olympischen
Jugendspielen, zu verstärken sowie das Verständnis der Vereinbarkeit von
Sport und Natur zu fördern,

– das Beratungsangebot für Sportvereine zum Bau, Erhalt und zur Sanierung
von Sportanlagen bezüglich der Umweltsituation (Anlagenbedarf und Natur-
verträglichkeit), mit Blick auf Öko-Checks und sportartspezifische Hand-
lungsempfehlungen weiter zu unterstützen,

– den Sport als wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ökologischen Faktor
wissenschaftlich weiter zu untersuchen und dabei an die durch das Bundes-
institut für Sportwissenschaft (Bisp) geförderten Projekte, z. B. zum Satelli-
tenkontosport oder zur Impactforschung von Sportevents, anzuschließen,

– nach dem durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reak-
torsicherheit (BMU) erfolgreich geförderten Projekt „Klimaschutz im Sport“
das Engagement des Sports im Bereich des Erhalts der biologischen Vielfalt
zu unterstützen und zu bestärken,

– das von den Vereinten Nationen ausgerufene „Internationale Jahr der Wäl-
der“ im Sinne des Erhalts der Biodiversität, des Bodenschutzes sowie des
Erhalts einer gesunden Waldstruktur als Chance zu begreifen und eine direkte
Verbindung zum naturfreundlichen Sport herzustellen,

– den organisierten Sport und die Tourismuswirtschaft bei der vom Bundesmi-
nisterium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV)
verfolgten „Waldstrategie 2020“ einzubinden bzw. zu beteiligen, um fachspe-
zifische Kenntnisse im Breiten- und Freizeitsport und im Tourismus zu nut-
zen,

– angesichts diverser nationaler und internationaler Sportveranstaltungen und
dessen touristischer Vermarktung sowie angesichts vieler sportlich motivier-
ter Reisen einen Preis für besonders gute Beispiele auszuloben, die umwelt-
freundliche Sportangebote mit dem Tourismus verbinden,

– das bürgerschaftliche Engagement im Sport, unter anderem mit Blick auf
ökologische Aspekte und Tätigkeitsbereiche, zu bewerben bzw. zu fördern,

– bei der Förderung von Sportanlagen durch den Bund die Faktoren des Um-
welt- und Klimaschutzes entsprechend neuen Standards weiter zu berück-
sichtigen und damit zu einem nachhaltigen Sportstättenbau in Deutschland
beizutragen,

– Rechtssicherheit zu schaffen bei der Lärmbeurteilung von sogenannten freien
Jugendeinrichtungen, wie z. B. Bolzplätzen, Skate- und Basketballanlagen,

durch die Aufnahme von neuen, nicht zu engen Immissionsrichtwerten und
Öffnungszeiten in die Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV),

Drucksache 17/5779 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
– bei der Sensibilisierung zum Thema „Mobilität“ den organisierten Sport zu
unterstützen und dabei auf die Vorzüge von klimafreundlichen Verkehrsmit-
teln sowie Möglichkeiten der Kompensation von CO2-Emissionen aufmerk-
sam zu machen,

– sich bei der Bewerbung um Sportgroßveranstaltungen in Deutschland, wie
z. B. bei der Bewerbung Münchens um die Olympischen und Paralympi-
schen Winterspiele 2018, für analoge Konzepte zum Schutz der natürlichen
Lebensgrundlagen, des Klimas sowie für eine nachhaltige Sport- und Regio-
nalentwicklung einzusetzen,

– sich bei Sportgroßveranstaltungen in Deutschland entsprechend den Umwelt-
konzepten „Green Goal“ der Fußballweltmeisterschaft 2006 oder der FIFA
Frauen-WM 2011 für eine Vermeidung und Kompensation von CO2-Emis-
sionen stark zu machen sowie öffentlichkeitswirksam für eine stärkere
Akzeptanz und Sensibilisierung der Bevölkerung einzutreten,

– den Dialog zwischen der Bundesregierung, den Bundesländern, den Bun-
dessportfachverbänden, den Verbänden der Eigentümer und Nutzer wie auch
den beteiligten Sport- und Umweltorganisationen weiter konstruktiv fort-
zuführen, um unter anderem Konzepte zum Abbau des Sanierungsstaus bei
Sportanlagen zu entwickeln.

Berlin, den 11. Mai 2011

Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und Fraktion
Rainer Brüderle und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.