BT-Drucksache 17/575

Die Bundespolizei und Korruptionsverdacht bei der Passbeschaffung durch Ausländerbehörden

Vom 27. Januar 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/575
17. Wahlperiode 27. 01. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Sevim Dag˘delen, Petra Pau,
Jens Petermann und der Fraktion DIE LINKE.

Die Bundespolizei und Korruptionsverdacht bei der Passbeschaffung
durch Ausländerbehörden

In der regionalen Presse Bremens sorgte in den vergangenen Wochen ein be-
sonders rühriger Versuch der Bremer Ausländerbehörde, einen Ausländer außer
Landes zu schaffen, für Aufsehen. Ila B. war von der Behörde den Auslands-
vertretern von drei afrikanischen Staaten vorgeführt worden, die jeweils seine
Staatsangehörigkeit feststellen sollten. Den letzten Versuch, ihn erneut einer
Delegation aus Sierra Leone vorzuführen, untersagte nun das Verwaltungsge-
richt Bremen. In seinem Beschluss (4 V 1306/09) weist das Verwaltungsgericht
unter anderem darauf hin, es bleibe gemäß der Anweisung an Ila B., sich zur
Identitätsfeststellung in einem Berliner Ordnungsamt einzufinden, „unklar,
welchen Personen der Antragsteller hier vorgestellt werden“ solle. Nach Erfah-
rung der Fragestellerin werden die Betroffenen im Falle von Sammelanhörun-
gen vor Delegationen fremder Staaten zur Identitätsfeststellung regelmäßig im
Unklaren darüber gelassen, wem sie nun eigentlich gegenübersitzen. Vor allem
kam es dem Gericht aber darauf an, dass in anderen Fällen für die Passbeschaf-
fung an ausländische Delegationen Zahlungen vorgenommen wurden und „je-
denfalls die Zusammenhänge dieser Zahlungen nicht recht plausibel sind“, so
dass „demnach das gesamte Verfahren zur Passersatzpapierbeschaffung aus
Sierra Leone undurchsichtig und zweifelhaft“ sei. Dabei geht es auch um die
Beschaffung von 100 „Emergency Travel Certificates“ (ETC) durch die Bun-
despolizeidirektion in Koblenz, eine Art Blankopasspapier für die einmalige
Einreise nach Sierra Leone.

Zweifel in Bezug auf die Rechtmäßigkeit und Rechtsstaatlichkeit bestanden in
der Vergangenheit vor allem bei der Vorführung von mutmaßlichen guineischen
Staatsangehörigen vor Delegationen aus ihrem vermeintlichen Herkunftsstaat
(vgl. Bundestagsdrucksachen 16/6528 und 16/4723). Wegen des Anfangsver-
dachts der Korruption hat die zuständige Abteilung der Polizei in Hamburg ent-
sprechende Vorermittlungen gegen die Ausländerbehörde aufgenommen (der
Fragestellerin liegt dazu eine Sachanfrage der Hamburger Polizei vor).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele Personen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit wurden 2008 und
2009 nach Kenntnis der Bundesregierung im Rahmen von Verfahren zur
Identitätsfeststellung zur (zwangsweisen) Vorsprache vor Vertretern oder er-
mächtigten Bediensteten ihres mutmaßlichen Herkunftsstaates nach § 82
Absatz 4 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) verpflichtet (bitte nach Jahren
und mutmaßlichen Herkunftsstaaten auflisten)?

Drucksache 17/575 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
2. Welche Anhörungen im Rahmen von Verfahren zur Identitätsfeststellung
sind 2008 und 2009 in Deutschland durchgeführt worden (bitte nach betei-
ligten Staaten, Ort der Anhörung und Anzahl der geladenen Personen auf-
listen)?

3. Wie viele Personen nahmen an diesen Anhörungen teil, und wie viele
konnten im Rahmen dieser Anhörungen identifiziert werden (bitte den Da-
ten zu Frage 2 zuordnen)?

4. Ist der Bundesregierung bekannt, aus welcher Quelle die Bundespolizeidi-
rektion Koblenz besagte 100 „Emergency Travel Certificates“ besorgt hat,
und wenn ja, aus welcher Quelle, und welche Kosten in diesem Zusam-
menhang entstanden sind (bitte einzeln aufführen)?

5. Ist der Bundesregierung bekannt, ob noch in weiteren Fällen solche
„Emergency Travel Certificates“ durch die Bundespolizei besorgt wurden
(bitte die zuständige Bundespolizeidirektion, Anzahl der beschafften
Dokumente und Kosten aufführen)?

6. Ist der Bundesregierung bekannt, ob auch von anderen Herkunftsstaaten
ausreisepflichtiger Ausländer solche „Emergency Travel Certificates“ aus-
gestellt werden, und wenn ja, von welchen?

7. Werden solche „Emergency Travel Certificates“ oder ähnliche Ad-hoc-
Reisepapiere durch die Bundespolizei oder andere Behörden auch bei den
Botschaften oder Behörden anderer mutmaßlicher Herkunftsstaaten von
ausreisepflichtigen Ausländern angefordert, und wenn ja, von welchen und
welche Staaten haben in der Vergangenheit solche Zertifikate ausgestellt,
welche davon als Blankopapiere?

8. Welche Kosten fallen für die Ausstellung solcher Ad-hoc-Reisepapiere
üblicherweise an (bitte nach ausstellenden Staaten auflisten)?

9. Wie viel wurde von der Bundespolizei für Tagegelder für die Angehörigen
von ausländischen Delegationen oder Vertretern 2008 und 2009 aufgewen-
det (bitte einzeln auflisten)?

10. Ist der Bundesregierung bekannt, wie viele Ermittlungsverfahren wegen
des Verdachts der Korruption in Zusammenhang mit diesen Tagegeld-
zahlungen bzw. dem Kauf von „Emergency Travel Certificates“ oder ande-
ren „Dienstleistungen“/Identifizierungsmaßnahmen usw. durch Strafver-
folgungsbehörden oder interne Ermittlungs-/Antikorruptionsabteilungen
eingeleitet worden sind (bitte im Einzelnen benennen)?

11. Welche Konsequenzen ergeben sich aus Sicht der Bundesregierung aus
dem Umfang dieser Ermittlungsverfahren hinsichtlich der Vorführung von
Ausländern mit ungeklärter Staatsangehörigkeit vor ausländischen Dele-
gationen (statt in der Botschaft) durch Ausländerbehörden und Bundes-
polizei?

12. In wie vielen Fällen sind nach Kenntnis der Bundesregierung gegen aus-
reisepflichtige Personen Sanktionen verhängt worden, weil sie sich der
Vorführung vor einer ausländischen Delegation oder in einer ausländischen
Botschaft im Rahmen der Identitätsfeststellung verweigert haben (bitte
aufführen nach sozialrechtlichen Sanktionen, Geldstrafen und Haftstrafen)?

Berlin, den 27. Januar 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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