BT-Drucksache 17/5739

Einbindung deutscher Polizisten in die Sicherheitsplanung anlässlich des G8-Gipfels in Deauville

Vom 5. Mai 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5739
17. Wahlperiode 05. 05. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Andrej Hunko, Harald Koch, Niema Movassat,
Kathrin Vogler, Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Einbindung deutscher Polizisten in die Sicherheitsplanung anlässlich des
G8-Gipfels in Deauville

Am 26. und 27. Mai 2011 findet im französischen Seebad Deauville der
nächste G8-Gipfel statt. Gegen diese Treffen der Mächtigen mobilisiert seit
Jahren ein breites Netzwerk aus globalisierungskritischen Bewegungen zu Pro-
testaktionen.

In diesem Jahr ist unter anderem geplant, eine Großkundgebung am 21. Mai
2011 in Le Havre sowie ein Protestcamp im Wald von Montgeon vom 20. bis
29. Mai 2011 durchzuführen. Dabei soll dagegen protestiert werden, dass die
G8-Staaten „die Bürger die Krise bezahlen lassen, für die ihr Kapitalismus ver-
antwortlich ist“, wie es im Aufruf eines „Collectif du Havre“ heißt, dem sich
Gewerkschaftsorganisationen, einige soziale Bewegungen und linke Parteien
angeschlossen haben (www.france.attac.org).

Insbesondere aus dem libertären Spektrum der Protestbewegung wird außer-
dem zu dezentralen Aktivitäten in ganz Frankreich aufgerufen: „Wir möchten
nicht genau dahin gehen, wo uns die repressiven Kräfte erwarten, an einen Ort,
den sie gewählt haben und an dem sie sich schon lange vorher vorbereiten“,
heißt es im „Appel de Dijon“ (http://dissent-fr.eu/spip.php?article42&lang=fr).
Dessen Unterzeichner verbinden die Gegenaktivitäten zum G8-Gipfel mit
jenen gegen den G20-Gipfel, der im November ebenfalls in Frankreich stattfin-
den soll.

Der „Appel de Dijon“ richtet sich ebenfalls gegen die Art und Weise der vor-
herrschenden Krisenbewältigung: „Nachdem die Regierungen den Banken und
Großunternehmen Milliarden hinterhergeworfen haben, sagen sie nun, sie
könnten ihre Schulden nicht mehr auf sich nehmen und organisieren mit Hilfe
internationaler Institutionen (IWF, Europäische Zentralbank) Sparprogramme:
Kürzungen von Gehältern, sozialen Unterstützungen und Renten, massive Ent-
lassungen, Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen, Zerschlagung sozialer
Rechte …“.

Der Aufruf zu dezentralen Aktionen ist auch eine taktische Reaktion auf die
starke polizeiliche Repression, die es in den letzten Jahren gegen die Protest-

bewegung gegeben hat, wie beispielsweise in Strasbourg (Nato-Gipfel) oder
Kopenhagen (Klimagipfel). Beihilfe zu solcher Repression leisten regelmäßig
auch deutsche Sicherheitsbehörden, unter anderem in Form von Übermittlung
personengebundener Daten, Entsendung von Verbindungsbeamten und teil-
weise Präsenz von Polizisten an Demonstrationen.

Drucksache 17/5739 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Sicherheitskonzeption in Zu-
sammenhang mit dem G8-Gipfel in Frankreich ausgestaltet (bitte Gremien,
Strukturen, ihre jeweilige Zusammensetzung und Aufgaben nennen und bei
nur temporären Gremien angeben, wann sie gegründet worden sind bzw.
noch gegründet werden sollen und bis wann ihre Auflösung beabsichtigt ist)?

Inwieweit werden der G8-Gipfel und der G20-Gipfel hinsichtlich des
Sicherheitskonzepts gemeinsam behandelt?

2. Inwieweit sind nach Kenntnis der Bundesregierung internationale und/oder
nichtstaatliche, von der EU initiierte oder finanzierte Organisationen und
Forschungsprogramme (incl. Interpol und Europol) in die Sicherheitskon-
zeption eingebunden bzw. an ihr beteiligt, bzw. inwiefern liegen die Grund-
lagen für die Sicherheitskonzeption?

3. Hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, inwiefern die französischen
Behörden Satellitenbilder und Überwachungsdrohnen einsetzen werden,
und wenn ja, welche Angaben kann sie hierzu machen (unter anderem: wel-
che Satelliten werden genutzt, welche Behörden erhalten Zugriff auf die
Bilder, welche Rolle hat das SATCEN in Torrejón)?

4. Welche französischen Sicherheitsbehörden haben bei welchen deutschen
Sicherheitsbehörden um die Mitteilung von Erfahrungen aus vergleichbaren
Gipfeltreffen in der Vergangenheit gebeten, um welche Gipfel handelte es
sich dabei, und welchen Aspekten galt das besondere Interesse der franzö-
sischen Behörden?

5. Inwieweit haben sich internationale sowie nichtstaatliche Organisationen,
Interpol, Europol u. a. an deutsche Sicherheitsbehörden in Zusammenhang
mit dem G8-Gipfel oder dem G20-Gipfel gewandt, und mit welchen Anlie-
gen?

Wie haben die angesprochenen Behörden hierauf reagiert?

6. Wann haben die französischen Behörden erstmals Kontakt zu deutschen
Sicherheitsbehörden hinsichtlich einer Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen
aufgenommen?

Welche Besprechungen fanden in diesem Zusammenhang statt (bitte jeweils
die konkreten Dienststellen, Referate, Abteilungen, die Teilnehmerzahl, Be-
sprechungsort, -datum und besprochene Themen nennen)?

7. Inwiefern ist von Frankreich oder von Institutionen der EU ein Fragebogen
versandt worden, und um was für einen Fragebogen handelt es sich dabei?

a) Wer hat den Fragebogen entwickelt?

b) Welche Behörde bzw. Dienstelle genau hat den Fragebogen versandt, und
welche hat ihn beantwortet?

c) Welche Angaben kann die Bundesregierung zu den konkreten Fragen und
Inhalten machen?

8. Welche Rolle spielte in der bisherigen Sicherheitszusammenarbeit der Infor-
mationsaustausch über bevorstehende bzw. erwartete Proteste gegen die
Gipfel?

Wurden hierbei konkrete Proteste, Daten, Organisationen oder Personen
(wie Anmelder usw.) angesprochen bzw. Informationen hierüber ausge-
tauscht, und wenn ja, welche?

9. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung welchen Behörden in Frank-

reich unaufgefordert bezüglich der Mobilisierung in Deutschland gegen die
Gipfel mitgeteilt, und auf welche Vereinbarung stützte sich diese Praxis?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5739

10. Inwieweit haben sich deutsche Sicherheitsbehörden (welche) mit dem an-
gekündigten Strategiewechsel von Globalisierungskritikern hin zu dezent-
ralen Aktionen befasst, und inwieweit standen bzw. stehen sie diesbezüg-
lich in Kontakt mit welchen ausländischen Sicherheitsbehörden?

11. Welche Unterstützungsersuchen an welche deutsche Sicherheitsbehörden
sind bislang formuliert bzw. von deutschen Behörden unaufgefordert ange-
boten worden, und welche Entscheidungen hat es diesbezüglich bislang ge-
geben (bitte detailliert angeben und ausführen, welche Behörde konkret das
Ersuchen ausgesprochen hat)?

12. Inwieweit sind Bundesbehörden vermittelnd tätig geworden, etwa um die
Sicherheitszusammenarbeit mit den an Frankreich grenzenden Bundeslän-
dern zu synchronisieren oder Erfahrungen früherer Gipfeltreffen weiterzu-
geben?

13. Haben deutsche Sicherheitsbehörden im Vorfeld des Gipfels französischen
Behörden personenbezogene Daten übermittelt, bzw. ist eine solche Über-
mittlung noch angestrebt (bitte jeweils übermittelnde und empfangende
Behörde nennen)?

a) Über wie viele Personen wurden entsprechende Daten übermittelt?

b) Aus welchen Dateien stammen die Daten?

c) Auf welcher Rechtsgrundlage basiert die Übermittlung?

d) Welcher Zweck wurde mit der Datenweitergabe verfolgt?

e) Erfolgte die Datenübermittlung auf Ersuchen der französischen Behör-
den oder auf eigene Initiative der jeweiligen deutschen Behörde?

f) Welche französischen Behörden haben lesenden oder schreibenden Zu-
griff auf die Daten?

g) Welche Regelungen zum Umgang mit den Daten, ihrer Speicherung und
Löschung gelten hierbei für die französischen Behörden?

h) Inwiefern haben deutsche Sicherheitsbehörden in Zusammenhang mit
dem Gipfel personenbezogene Daten von ausländischen Sicherheitsbe-
hörden (welche jeweils?) erhalten, in welchem Umfang, zu welchem
Zweck, und in welcher Datei sind diese Daten gespeichert?

An wen wurden sie seither weitergegeben, und bis wann werden sie auf-
bewahrt?

14. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis davon, dass bestimmten Per-
sonen die Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland nach Frankreich
oder von Seiten der französischen Behörden die Einreise nach Frankreich
verwehrt werden soll?

15. Inwieweit wird derzeit erwogen, das Schengener Abkommen zu suspendie-
ren und Grenzkontrollen wieder einzuführen?

16. Wie viele Angehörige deutscher Sicherheitsbehörden (bitte genau angeben)
werden nach Frankreich entsandt, und bei welcher Behörde, Dienststelle,
welchem Planungs-, Lage-, Analyse-, Entscheidungs-, Koordinierungs-
oder sonstigem, auch nur temporär existierendem Gremium (bitte die ge-
naue Bezeichnung angeben) werden sie dort arbeiten?

a) Welche Aufgabe haben die entsprechenden Dienststellen bzw. Gremien,
und welche Aufgaben kommen in diesem Rahmen den eingesetzten
deutschen Kräften zu?

Drucksache 17/5739 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

b) Bei nur temporär existierenden Gremien: Wann wurden die Gremien
eingerichtet bzw. wann sollen sie noch eingerichtet werden, und bis
wann ist ihre Auflösung vorgesehen?

Wo sind diese Gremien örtlich und institutionell angebunden?

c) Auf welcher Rechtsgrundlage erfolgen die Einsätze?

d) Wie lange (Beginn, Ende) wird der Einsatz voraussichtlich dauern?

e) Welche Kompetenzen haben die deutschen Kräfte hierbei?

f) Inwieweit hatten oder haben deutsche Behörden Einfluss auf die Zu-
sammensetzung oder die Kompetenzen des Gremiums bzw. überhaupt
auf die Sicherheitskonzeption des Gipfels?

g) Welche anderen, französischen und von dritten Staaten entsandten, Be-
hörden sind in diesen Gremien außerdem vertreten bzw. stehen in stän-
digem Kontakt zu diesen?

h) Welche nichtstaatlichen, internationalen Organisationen sind in diesen
Gremien vertreten bzw. stehen in ständigem Kontakt zu diesen?

i) Ist ausgeschlossen oder womöglich explizit vereinbart, dass deutsche
Polizisten auch im Rahmen von Demonstrationen eingesetzt werden?

j) Welche Kosten entstehen hierbei, und wer kommt für diese auf?

17. Inwieweit wird hinsichtlich der bevorstehenden Gipfel von verdeckten Er-
mittlern bzw. sog. Vertrauenspersonen Gebrauch gemacht?

a) Operieren verdeckte Ermittler deutscher Bundesbehörden bzw. nach
Kenntnis der Bundesregierung auch von Landesbehörden anlässlich der
Gipfel in Frankreich?

b) Haben Bundesbehörden oder nach Kenntnis der Bundesregierung Lan-
desbehörden oder ausländische Behörden verdeckte Ermittler bzw. sog.
Vertrauenspersonen in Personenzusammenschlüssen, die in Deutschland
zu Protesten gegen die Gipfel mobilisieren?

c) Welche Behörden in Frankreich haben in der Vergangenheit deutsche
verdeckte Ermittler geführt und führen sie gegenwärtig (bitte komplett
auflisten)?

d) Welche dieser Behörden sind nach Kenntnis der Bundesregierung an-
lässlich der bevorstehenden Gipfel mit dem Führen von verdeckten
Ermittlern betraut?

e) Wie werden solche Einsätze in der Regel bzw. in konkreten Fällen ange-
bahnt, vermittelt und finanziert?

f) Welche Agenturen oder Institutionen der Europäischen Union sind in
die Vermittlung, Durchführung oder Auswertung von Einsätzen ver-
deckter Ermittler anlässlich der Gipfel involviert?

18. Welche materielle Unterstützung gewähren welche deutschen Sicherheits-
behörden?

a) Welches polizeiliche Gerät und welche Fahrzeuge werden von deutschen
Polizisten zur eigenen Verwendung mitgeführt?

b) Welches polizeiliche Gerät und welche Fahrzeuge werden französischen
Kräften überlassen?

c) Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob von Seiten deutscher
Länderpolizeien weitere Unterstützung angefordert oder bereits ent-

schieden wurden, und wenn ja, welche Angaben kann sie hierzu
machen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/5739

d) Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, inwieweit deutsche Sicher-
heitsbehörden mobile Gewahrsamräume (d. h. Zellen, wie sie etwa wäh-
rend des G8-Gipfels in Heiligendamm 2007 eingesetzt waren) zur Ver-
fügung gestellt haben bzw. angekündigt haben, dies zu tun?

19. Inwieweit gewähren andere deutsche Behörden oder Einrichtungen, z. B.
Bundesanstalt Technisches Hilfswerk, Unterstützungsleistungen (bitte
detaillierte Angaben machen zu Umfang, Zweck und Aufgabe, Gerät,
Leistungen, Personal, Einsatzort und -zeit sowie Rechtsgrundlagen)?

Berlin, den 3. Mai 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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