BT-Drucksache 17/5735

Konsequenzen des Börsenganges des Evonik-Konzerns für die Wohnungsbestände von Evonik Immobilien GmbH und THS Wohnen GmbH

Vom 4. Mai 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5735
17. Wahlperiode 04. 05. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Lötzer, Andrej Hunko, Ulla Jelpke, Niema Movassat,
Paul Schäfer (Köln), Ingrid Remmers, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Konsequenzen des Börsenganges des Evonik-Konzerns für die
Wohnungsbestände von Evonik Immobilien GmbH und THS Wohnen GmbH

Mit 60 000 Wohnungen im eigenen Bestand und der Beteiligung an der THS
Wohnen GmbH mit weiteren 70 000 Wohnungen ist die Immobiliensparte der
Evonik Industries AG von hoher Bedeutung für den Wohnungsmarkt in Nord-
rhein-Westfalen, insbesondere im Ruhrgebiet.

Finanzinvestoren haben aufgrund der Verkäufe großer öffentlicher bzw. regio-
nal verankerter und bestandsorientiert bewirtschafteter Wohnungsunternehmen
(VITERRA AG mit 138 000 Wohnungen, GAGFAH Immobilien-Management
GmbH mit 82 000 Wohnungen sowie der landeseigenen LEG NRW GmbH mit
rund 100 000 Wohnungen durch die schwarz-gelbe Landesregierung im Jahr
2008) prägenden Einfluss auf die Wohnungssituation in Nordrhein-Westfalen
erlangt.

Der einstimmige Beschluss des nordrhein-westfälischen Landtages zur Einset-
zung einer Enquete-Kommission „Wohnungswirtschaftlicher Wandel und neue
Finanzinvestoren“ (Drucksache 15/477 vom 2. November 2010) stellt dazu
fest: „Wohnungen werden zur Handelsware, über den mehrfachen Eigentümer-
wechsel drohen den Mietern und Mieterinnen Mieterhöhungen und Verluste
eines Teils ihrer Rechte“. Denn deren auf die kurzfristige hohe Renditen in einer
Größenordnung von 18 bis 25 Prozent orientierte Geschäftspolitik geht zu Las-
ten der Mieter und eines Substanzverlustes der Bestände.

„Der Umgang mit den negativen Auswirkungen der Wohnungsverkäufe an
internationale Finanzinvestoren ist mittlerweile eines der zentralen Themen in
den kommunalen Wohnungsämtern des Landes,“ heißt es dort weiter. Denn mit
der Entstehung von „Schrottimmobilien“ im Ergebnis der von den Rendite-
erwartungen der Finanzinvestoren ausgelösten typischen Verwertungskette ist
eine Abwärtsspirale ausgelöst worden, die über die unmittelbar betroffenen
Wohnungsbestände ganze Quartiere erfasst hat.

Die Mietervertretungen im Ruhrgebiet warnen deshalb vor einer Verschärfung
dieser Entwicklung für den Fall eines Verkaufs der Wohnungsbestände von
THS und Evonik an private Finanzinvestoren im Zusammenhang des vom

Kuratorium der RAG-Stiftung am 12. April 2011 eingeleiteten Börsengangs
der Evonik. Sie fordern eine dauerhafte Bewirtschaftung der Wohnungs-
bestände in einem sozial verantwortlichen und regional verankerten Wohnungs-
unternehmen.

Drucksache 17/5735 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Hält die Bundesregierung an der im „Bericht über die Wohnungs- und
Immobilienwirtschaft in Deutschland“ vom 4. Juni 2009 vertretenen Be-
wertung fest, die Veränderung der Eigentümerstruktur durch die Verkäufe
von 1,9 Millionen Wohnungen zwischen 2004 und 2009 habe „keine negati-
ven Auswirkungen auf Wohnungsversorgung und Stadtentwicklung“ gehabt
(Bundestagsdrucksache 16/13325, S. 6), und wie begründet sie ihre Hal-
tung?

2. Teilt die Bundesregierung die in der Einleitung zitierte kritische Sicht des
nordrhein-westfälischen Landtages auf die wohnungspolitischen, sozialen
und stadtplanerischen Folgen der für Finanzinvestoren als typisch beschrie-
benen wohnungswirtschaftlichen Verwertungsketten, wie begründet sie ihre
Haltung, und welche Konsequenzen zieht sie daraus insbesondere im
Hinblick auf die zukünftige Eigentümerstruktur der Immobiliensparte der
Evonik?

3. Wie bewertet die Bundesregierung die wohnungspolitischen, sozialen und
städtebaulichen Folgen eines möglichen Verkaufs der Immobiliensparte der
Evonik für die betroffenen Mieter, Kommunen und Regionen, wie begründet
sie ihre Haltung, und welche Konsequenzen zieht sie daraus?

4. Ergeben sich nach Auffassung der Bundesregierung aus der Satzung der
RAG-Stiftung Festlegungen im Hinblick auf die zukünftige Eigentümer-
struktur der Immobiliensparte der Evonik, und wenn ja, welche?

5. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die in § 3 Buchstabe b der
Satzung der RAG-Stiftung ausdrücklich enthaltene Berechtigung der Stif-
tung, „Stiftungsmittel zur Aufrechterhaltung einer Beteiligung zu verwen-
den“, die Möglichkeit einschließt, die Immobiliensparte der Evonik bzw.
eine Beteiligung an einem aus der Zusammenführung mit der THS hervor-
gehenden Wohnungsunternehmen unabhängig von einem Börsengang der
Industriesparte im Eigentum der Stiftung zu behalten?

6. Wurde bei der Sitzung des Kuratoriums der RAG-Stiftung am 12. April
2011 die Möglichkeit einer eigentumsrechtlichen Abspaltung der Immo-
biliensparte vor der Einleitung des dort beschlossenen Börsengangs erörtert,
wenn ja, mit welchem Ergebnis, und welche Haltung hat die Bundesregie-
rung dazu eingenommen?

7. Wurden bei der Sitzung des Kuratoriums der RAG-Stiftung am 12. April
2011 Entscheidungen oder sonstige Verabredungen zum Fortgang der
Zusammenführung der Immobiliensparte der Evonik mit der THS Wohnen
GmbH getroffen, wenn ja, welche, und welche Haltung haben die Vertreter
der Bundesregierung dazu eingenommen?

8. Wurden bei der Sitzung des Kuratoriums der RAG-Stiftung am 12. April
2011 Entscheidungen oder sonstige Verabredungen im Hinblick auf die
Frage getroffen, ob die Immobiliensparte der Evonik zu den für einen Bör-
sengang vorgesehenen Unternehmensteilen des Evonik-Konzerns gehören
soll oder nicht, wenn ja, welche, und welche Haltung haben die Vertreter der
Bundesregierung dazu eingenommen?

9. Wurden bei der Entscheidung für die Einleitung des Börsenganges von Evo-
nik weitere, für die Zukunft und Eigentümerstruktur der Immobiliensparte
der Evonik relevante Beschlüsse gefasst, wenn ja, welche, und welche Hal-
tung haben die Vertreter der Bundesregierung dazu eingenommen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5735

10. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die Wohnungsbestände
von THS und Evonik unabhängig von einem Börsengang der Industrie-
sparte zukünftig dauerhaft in einem sozial verantwortlichen und regional
verankerten eigenständigen Wohnungsunternehmen zu erhalten, und wie
begründet sie ihre Haltung?

Berlin, den 4. Mai 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.