BT-Drucksache 17/5608

Zielrichtung, Ausgestaltung und Auswirkungen der durch die Bundesregierung angestrebten Angleichung der vertragsärztlichen Honorare (Konvergenz)

Vom 18. April 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5608
17. Wahlperiode 18. 04. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Harald Terpe, Birgitt Bender, Maria Klein-Schmeink,
Elisabeth Scharfenberg, Katrin Göring-Eckardt, Sven-Christian Kindler,
Beate Müller-Gemmeke und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zielrichtung, Ausgestaltung und Auswirkungen der durch die Bundesregierung
angestrebten Angleichung der vertragsärztlichen Honorare (Konvergenz)

Mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz 2007 (GKV-WSG) (GKV = gesetz-
liche Krankenversicherung) bzw. der Honorarreform 2009 wurde durch den
bundesweit einheitlichen Eurocent-Orientierungswert je EBM-Punkt (EBM =
Einheitlicher Bewertungsmaßstab) und der daraus resultierenden bundesweiten
rechnerischen Euro-Gebührenordnung die wesentliche Grundlage für bundes-
weit einheitliche Preise geschaffen.

Dennoch beauftragt das GKV-Finanzierungsgesetz von 2010 (GKV-FinG) in
§ 87 Absatz 9 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) den Bewertungs-
ausschuss aus Krankenkassen und Kassenärztlicher Bundesvereinigung, dem
Bundesministerium für Gesundheit bis zum 30. April 2011 ein „Konzept für eine
schrittweise Konvergenz der Vergütungen“ vorzulegen. Eine Erklärung, mit
welchem Inhalt und welchem Ziel eine Konvergenz herbeigeführt werden soll,
findet sich weder im Gesetzestext noch in der Begründung des Gesetzentwurfs.
Vor dem Hintergrund der erheblichen Steigerungsraten bei den vertragsärzt-
lichen Vergütungen in den Jahren 2008 bis 2010 stellt sich zudem die Frage,
welche Auswirkungen eine solche erneute Reform auf die ambulant-ärztlichen
Ausgaben der GKV haben würde.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welchen über den bundesweiten einheitlichen Eurocent-Orientierungswert
hinausgehenden wesentlichen Bedarf zur Konvergenz der Vergütungen sieht
die Bundesregierung, und wie begründet sie diesen?

2. Strebt die Bundesregierung eine ausgabenneutrale Umsetzung der Konver-
genz der Vergütungen an?

Wenn nein, welche Steigerungen bei den ambulant-vertragsärztlichen Aus-
gaben der gesetzlichen Krankenversicherungen erwartet die Bundesregierung
durch die angestrebte Konvergenz, und wie wird diese Steigerung begründet,

da das GKV-FinG für das Jahr 2012 ausschließlich eine Ausgabensteigerung
der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung gemäß § 87d Absatz 2 SGB V
vorsieht?

3. a) Wie definiert die Bundesregierung den Behandlungsbedarf?

b) Trifft es zu, dass die Bundesregierung eine Konvergenz der derzeitigen
rechnerischen Behandlungsbedarfe anstrebt?

Drucksache 17/5608 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wenn ja, warum, und in welcher Weise?

Wenn ja, stünde eine Konvergenz des rechnerischen Behandlungsbedarfs
nicht im Widerspruch zu der mit den bisherigen Maßnahmen verfolgten
Angleichung des Preises den Ärztinnen und Ärzte je erbrachter Leistung/
Punkt (einheitlicher Orientierungswert) erhalten?

c) Wenn nein, welche anderen für die Vergütung relevanten Maßstäbe sollten
nach dem Willen der Bundesregierung zusätzlich zum bereits vereinheit-
lichten Eurocent-Orientierungswert bundesweit angeglichen werden?

4. a) Trifft es zu, dass der rechnerische Behandlungsbedarf bislang eine teil-
weise morbiditätsadjustierte Fortschreibung historischer Leistungsmen-
gen in den Bezirken der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) ist?

b) Trifft es zu, dass der Behandlungsbedarf bzw. die ausgehandelte Leis-
tungsmenge wesentlich von strukturellen Gegebenheiten in den KV-Be-
zirken wie Arztdichte, Anteil der Fachärzte, Anzahl der PKV-Versicherten
(PKV = private Krankenversicherung) in der Region, Krankenhausdichte,
Leistungsmenge außerhalb des Kollektivvertrages (z. B. Hausarztver-
träge) bestimmt wird?

Wenn ja, welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus bei
einer Konvergenz der Behandlungsbedarfe?

5. a) Welche Angleichungen sind bei den Honorarverteilungsquoten (bis zu
denen Leistungen ohne Abschläge honoriert werden) zwischen den Kas-
senärztlichen Vereinigungen in den letzten drei Jahren zu erkennen?

b) Welche Haltung hat die Bundesregierung zu einer Angleichung der regio-
nal abweichenden Honorarverteilungsquoten?

c) Wie könnte diese umgesetzt werden?

d) Welche Ursachen haben die in der Vergangenheit regional unterschied-
lichen Honorarverteilungsquoten und Leistungsmengen?

6. Welchen Stand haben die Verhandlungen innerhalb der Selbstverwaltung
über das im GKV-FinG beauftragte Konvergenzkonzept, und rechnet die
Bundesregierung mit einem gemeinsamen Konzept der Selbstverwaltung?

7. Inwieweit sind aus Sicht der Bundesregierung die diagnoseorientierten Ver-
fahren nach §87a Absatz 5 SGB V zur Morbiditätsmessung eine manipula-
tionssichere Methode zur Bestimmung der honorarrelevanten Morbiditäts-
steigerung?

Wenn nein, welche anderen Verfahren sind aus Sicht der Bundesregierung
besser geeignet?

8. a) Welches sind die „regionalen Besonderheiten“, die ausweislich der Be-
gründung des GKV-FinG zu § 87 Absatz 9 SGB V bei der angestrebten
Honorarreform Berücksichtigung finden sollen?

b) Trifft es zu, dass das Institut des Bewertungsausschusses bislang keine
geeigneten Indikatoren für das Vorhandensein wesentlicher regionaler
Besonderheiten gemäß § 87 Absatz 2f Satz 4 SGB V ermitteln konnte?

Wenn ja, welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus?

9. Führt eine Berücksichtigung „regionaler Besonderheiten“ in den Bundeslän-
dern zu überdurchschnittlichen nicht morbiditätsbezogenen Leistungsausga-
ben der Kassen in den jeweiligen Ländern?

Wenn ja, in welcher Weise müssten diese nicht morbiditätsbezogenen Aus-
gabensteigerungen bei den Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds berück-

sichtigt werden?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5608

10. a) Trifft es zu, dass die im GKV-FinG enthaltene asymmetrische Honorar-
verteilung laut Begründung des Gesetzentwurfs dazu dienen soll, eine
nach Auffassung der Bundesregierung „gerechtere Gestaltung der Hono-
rarverteilung“ herbeizuführen?

b) Trifft es zu, dass die durch einen Änderungsantrag der Koalitionsfrak-
tionen der CDU/CSU und FDP zum Entwurf des GKV-FinG eingefügte
nochmalige Erhöhung der linearen Honorarsteigerung von 0,75 Prozent
auf 1,25 Prozent damit gerechtfertigt wurde, dass dadurch, laut Begrün-
dung, die Versorgung in jenen Regionen gesichert werde, die nicht von
der asymmetrischen Honorarverteilung profitieren würden?

c) Inwiefern sieht die Bundesregierung einen Widerspruch zwischen diesen
beiden Begründungen, bei der die eine eine Honorarerhöhung jeweils die
Begründung für die andere Honorarerhöhung liefert?

11. Auf welche Weise will die Bundesregierung sicherstellen, dass Honorar-
steigerungen mit (Qualitäts-)Verbesserungen für die Patientinnen und Pa-
tienten verbunden sind und nicht ausschließlich deshalb vorgenommen
werden, weil sie mögliche Verteilungswirkungen vorangegangener Honorar-
erhöhungen wieder ausgleichen sollen?

12. a) Aus welchen Gründen ist nach Auffassung der Bundesregierung die mit
dem GKV-FinG bis 2012 ausgesetzte Regelung zu Zu- und Abschlägen
bei Unter- oder Überversorgung nach § 87a Absatz 2 SGB V weniger für
die Versorgungssteuerung geeignet als die zum 31. Dezember 2009 aus-
gelaufenen und mit dem GKV-FinG wieder eingeführten Sicherstel-
lungszuschläge?

b) Trifft aus Sicht der Bundesregierung die Feststellung zu, dass aus Grün-
den der Beitragssatzstabilität der Abbau der Unterversorgung mit einer
Reduzierung der Überversorgung zwingend einhergehen muss?

Wenn ja, auf welche Weise will die Bundesregierung einen Abbau der
Überversorgung erreichen?

13. a) In wie vielen Regionen (bitte genaue Zahl angeben) käme die in den
Eckpunkten der Koalitionsfraktionen vom 8. April 2011 für ein Versor-
gungsgesetz vorgesehene Abschaffung der Abstaffelung in unterver-
sorgten Regionen effektiv zur Anwendung?

b) Wie viele Ärzte (bitte konkrete Zahl angeben) und welche Arztgruppen
in unterversorgten oder von Unterversorgung bedrohten Regionen sind
bislang von der Abstaffelung betroffen?

Berlin, den 15. April 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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