BT-Drucksache 17/5584

Entwicklung der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit

Vom 15. April 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5584
17. Wahlperiode 15. 04. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Petra Pau, Jens Petermann
und der Fraktion DIE LINKE.

Entwicklung der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit

Mit der Struktur der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit (ZMZ) Inland haben
innenpolitisch relevante Tätigkeiten der Bundeswehr ihren Ausnahmestatus ver-
loren. Der Einfluss des Militärs auf kommunale und regionale zivile Behörden
wurde institutionalisiert. Bundesweit wurden in sämtlichen Regierungspräsi-
dien, Landkreisen und kreisfreien Städten jeweils zwölf Dienstposten für Reser-
visten eingerichtet, die in kurzer Zeit mobilisierbar sein und als Berater den Be-
hörden zur Seite stehen sollen. Damit, so heißt es, solle der Katastrophenschutz
effektiver gestaltet werden. Eine sachliche Notwendigkeit für diese neue Struk-
tur ist den bisherigen Ausführungen der Bundesregierung (insbesondere die
Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. vom 28. August
2009, Bundestagsdrucksache 16/13970) allerdings genauso wenig zu entneh-
men wie ein Beleg dafür, dass der proklamierte Zweck auch tatsächlich erreicht
wurde. Somit drängt sich der Verdacht auf, dass hier Militärstrukturen aufgebaut
werden, die eher einem anderen Zweck dienlich sind, wie etwa einer Militarisie-
rung der Innenpolitik.

Denn eine der Funktionen der Reservistenkommandos ist offenbar diejenige von
Repressionsberatern. Deutlich wurde dies etwa dadurch, dass die ZMZ-Struktu-
ren auch anlässlich von Polizeieinsätzen gegen Globalisierungsgegner und An-
timilitaristinnen und Antimilitaristen eingesetzt wurden und die Polizei über die
Einsatzpotentiale der Bundeswehr beraten haben. Beim NATO-Gipfel 2009 in
Strasbourg/Baden-Baden und noch deutlicher beim G8-Gipfel 2007 in Heiligen-
damm haben sich die ZMZ-Kommandos als Teil repressiver Herrschaftspraxis
erwiesen. Nur in rund der Hälfte der Fälle, bei denen die ZMZ-Kommandos tätig
wurden, handelte es sich um klassische Katastrophenabwehr wie etwa bei Hoch-
wasser, heftigem Schneefall usw. Die anderen Einsätze erfolgten anlässlich grö-
ßerer Menschenansammlungen, bei denen eine Präsenz der Bundeswehr nach
Einschätzung der Fragesteller nicht erforderlich ist und auch nicht erforderlich
werden sollte. Sollte es tatsächlich Defizite beim zivilen Katastrophenschutz ge-
ben, müssten diese abgestellt werden, schon weil die Kapazitäten der Bundes-
wehr nicht verlässlich einplanbar sind.

Der Verdacht, die ZMZ-Kommandos hätten eine wichtige Funktion gleichsam

als Vorposten langfristig geplanter (und vom Weißbuch der Bundeswehr gefor-
derter) Inlandseinsätze des Militärs, wird weiterhin durch einige Antworten der
Bundesregierung bestätigt, die die Einsätze anlässlich von Streiks und Demons-
trationen nicht ausschließen will. Der Kontext der ZMZ zur Kriegspolitik wurde
von der Bundesregierung implizit eingeräumt, indem sie unter Berufung auf das
Weißbuch 2006 ausführte, „effiziente Landesverteidigung“ erfordere die ZMZ.

Drucksache 17/5584 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. An welchen Übungen sowie Einsätzen zur Bewältigung von Naturkatastro-
phen, Großereignissen, Demonstrationen und anderen Ereignissen haben
sich die Bezirksverbindungskommandos (BVK)/Kreisverbindungskom-
mandos (KVK) seit Erstellung der auf Bundestagsdrucksache 16/13970
erschienen Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. betei-
ligt (bitte vollständig und einzeln unter Angabe von Anlass, Ort und Datum
auflisten)?

2. Wie viele Dienstposten sind derzeit in den einzelnen Landeskommandos so-
wie im Standortkommando Berlin für Aufgaben in Zusammenhang mit der
ZMZ eingerichtet, und wie viele hiervon sind derzeit besetzt (bitte jeweils
einzeln angeben)?

3. Wie viele und welche Bezirks- und wie viele Kreisverbindungskommandos
sind derzeit eingerichtet, und wie viele der beabsichtigten zwölf Dienst-
posten sind jeweils besetzt (bitte jeweils einzeln angeben)?

4. Wie viele und welche ZMZ-Stützpunkte mit welchen Schwerpunktfähig-
keiten sind derzeit aufgestellt, und wie viele Dienstposten sind hierfür aus-
geplant und besetzt?

5. Wie viele mobile ZMZ-Kommandos sind derzeit aufgestellt, und wie viele
Dienstposten sind hierfür ausgeplant und besetzt?

6. Wie hoch ist dabei durchschnittlich die Bedarfsdeckung bei den Offizieren,
und wie bewertet die Bundesregierung diesen Wert?

7. Welche Angaben kann die Bundesregierung zur Zusammensetzung und den
Aufgaben der Koordinierungsgremien machen, die in manchen Bundes-
ländern zur Begleitung der ZMZ eingerichtet worden sind (bitte einzeln an-
geben)?

8. Über welche Arbeitsmittel verfügen die KVK und BVK bzw. die jeweiligen
Beauftragten der Bundeswehr, und wer kommt für die damit verbundenen
Kosten auf, und wie hoch sind diese?

9. Welche KVK und BVK verfügen über Büroinfrastruktur, bei welchen steht
ständig ein Büroraum zur Verfügung, handelt es sich dabei um eigene oder
gemeinschaftlich mit zivilen Kräften genutzte Räume, und wer kommt für
dabei anfallende Kosten auf?

10. Wie beurteilt die Bundesregierung die Bereitschaft der kommunalen Ver-
waltungen, die ZMZ-Kommandos zu Zusammenkünften und Besprechun-
gen sowie zur Teilnahme an Übungen einzuladen?

a) In welchen Kommunen war dies bislang nicht der Fall, und worauf führt
die Bundesregierung dies zurück?

b) Welche Kommunen haben explizit eine ständige Zusammenarbeit mit
den ZMZ-Kommandos abgelehnt, und wie wurde diese begründet?

11. Wie viele Reservisten aus den BVK und KVK haben

a) zwischen dem 1. August und dem 31. Dezember 2009,

b) im Jahr 2010

an Ausbildungen und Lehrgängen an der Akademie für Krisenmanagement,
Notfallplanung und Zivilschutz (AKNZ) teilgenommen, und inwiefern
haben sich die Ausbildungsinhalte dort seit August 2009 verändert?

Wie lauten die entsprechenden Zahlangaben für zivile Kräfte des Katastro-
phenschutzes?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5584

12. Warum ist es nach Ansicht der Bundesregierung erforderlich, dass zivile
Katastrophenschutzkräfte aus den Kommunen die „neue Sicherheitsstrate-
gie“ Deutschland kennenlernen, und handelt es sich hierbei um jene Strate-
gie, wie sie unter anderem im Weißbuch 2006 der Bundeswehr beschrieben
ist, und die u. a. zur Legitimierung militärischer Auslandseinsätze sowie der
Forderung nach Inlandseinsätzen dient?

13. Welches sind nach Kenntnis der Bundesregierung die „verschiedenen Ar-
beitsweisen, Definitionen und Sprachregelungen der ZMZ im Inland“ (An-
lage 5 zu Bundestagsdrucksache 16/13970), die in den AKNZ-Kursen
vermittelt werden sollen (bitte soweit möglich vollständig wiedergeben,
alternativ die wesentlichen Unterschiede nennen)?

14. Welche Angaben kann die Bundesregierung darüber machen, wie viele der
gegenwärtigen Mitglieder von BVK/KVK und wie viele der Beauftragten
der Bundeswehr für die Zivil-Militärische Zusammenarbeit (BeaBwZMZ)
solche Lehrgänge besucht haben?

15. Wie viele Reservisten aus BVK/KVK haben bislang an Ausbildungen bzw.
Lehrgängen/Kursen an der Feldjägerschule der Bundeswehr teilgenommen,
und was sind gegenwärtig die Ausbildungsinhalte?

Welche Angaben kann die Bundesregierung darüber machen, wie viele der
Angehörigen von BVK/KVK und wie viele der BeaBwZMZ solche Lehr-
gänge besucht haben?

16. Was war Inhalt und Ziel des Pilotprojektes, das für 60 Teilnehmer an der
Führungsakademie der Bundeswehr eingerichtet worden war?

a) Welche Ergebnisse brachte das Projekt?

b) Inwiefern wurden Nachfolgeprojekte begonnen oder sind noch vorgese-
hen (bitte Angaben zum Inhalt, Dauer, Ziel, Häufigkeit des Angebots
und vorgesehenen Teilnehmerzahlen machen)?

17. Welche weiteren Kurse/Lehrgänge oder Projekte werden von Seiten des
Bundes oder, soweit bekannt, anderer Seite für Angehörige der BVK/KVK
unterbreitet (zumindest bei Bundeskursen bitte detaillierte Angaben zu
Inhalt, Dauer, Ziel, Häufigkeit des Angebots und Teilnehmerzahlen)?

18. Inwiefern werden in Eigenregie durchgeführte Veranstaltungen der BVK/
KVK an die Landeskommandos gemeldet, und welche Angaben kann die
Bundesregierung zu solchen Veranstaltungen machen (bitte, soweit möglich,
vollständig angeben unter Nennung des jeweiligen BVK/KVK, des Charak-
ters, Datums, Inhaltes der Veranstaltungen, der Referenten und Teilnehmer-
zahl)?

19. Auf welche Literatur stützt sich in den Kursen an der Feldjägerschule der
Bundeswehr sowie der AKNZ die Darstellung der rechtlichen Grundlagen
der ZMZ sowie der Regelungen des Grundgesetzes zu Inlandseinsätzen
(bitte detailliert angeben)?

Welche weiteren Materialien werden zur Vermittlung der Rechtsgrundlagen
verwendet?

20. Wie bewertet die Bundesregierung das womöglich gerade in Zeiten knapper
Kassen zunehmende Risiko, dass die Kapazitäten der Bundeswehr, insbe-
sondere Personal und Gerät, von Ländern und Kommunen, die an Ausgaben
für eigene Katastrophenschutzfähigkeiten sparen wollen, ausgenutzt wer-
den und die Kommunen dafür an eigenen Ausgaben für Katastrophen-
schutzfähigkeiten sparen, und welche Möglichkeiten nutzt sie, um dieses
Risiko zu minimieren?

Drucksache 17/5584 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
21. Bleibt die Bundesregierung bei ihrer Aussage, der zivile Katastrophen-
schutz sei in Deutschland gut aufgestellt, und wenn ja, worin genau soll
dann die Notwendigkeit der ZMZ liegen, angesichts der Tatsache, dass die
ausnahmsweise Bereitstellung von Gerät oder Personal auch schon nach
den früheren Verfahrensweisen nach Artikel 35 des Grundgesetzes möglich
war?

Berlin, den 15. April 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.