BT-Drucksache 17/5561

Todesopfer unter Flüchtlingen in die Bundesrepublik Deutschland und die Europäische Union im Jahr 2010

Vom 13. April 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5561
17. Wahlperiode 13. 04. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Sevim Dag˘delen, Wolfgang Neskovic,
Petra Pau und der Fraktion DIE LINKE.

Todesopfer unter Flüchtlingen in die Bundesrepublik Deutschland
und die Europäische Union im Jahr 2010

Seit 1990 gab es zahlreiche Fälle, in denen Flüchtlinge an den Außengrenzen der
Bundesrepublik Deutschland tot oder verletzt aufgefunden wurden, teilweise in-
folge von Unfällen, infolge der Umstände der Flucht oder mittel- oder unmittel-
bar bedingt durch Grenzkontrollmaßnahmen. Diese Fälle haben in den vergan-
genen Jahren, insbesondere durch den Ausbau der Grenzüberwachung in den
süd- und osteuropäischen Nachbarländern, deutlich abgenommen.

Die Wege in die EU, vor allem über die Seegrenzen, bedeuten für Flüchtlinge
regelmäßig hohe Lebensgefahr. Da die Überfahrt über das Mittelmeer nicht nur
lebensgefährlich, sondern durch die effizientere Abschottung der Seegrenzen
und die Kollaboration der südlichen Mittelmeeranrainer auch weniger erfolgver-
sprechend ist, sind im vergangenen Jahr die meisten Versuche zum Grenzüber-
tritt an der türkisch-griechischen Landgrenze verbucht worden. Durch die dort
vorhandenen Minenfelder und den Grenzfluss ist aber auch dies kein ungefähr-
licher Transitpunkt.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Personen sind nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2010
a) an den Landesgrenzen, Küsten, Seehäfen, Flughäfen bzw. im Grenzgebiet

der Bundesrepublik Deutschland,
b) an den Grenzen der Europäischen Union insgesamt
tot aufgefunden worden (bitte nach Datum und Ort des Auffindens, Nationa-
lität des Opfers und Todesart bzw. Umständen des Todes aufschlüsseln)?

2. Wie viele Personen sind nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2010
mit körperlichen Verletzungen durch Erfrierungen, Unterkühlungen, Hunger/
Durst oder Ähnlichem aufgegriffen worden, die sie sich im Zuge ihres gege-
benenfalls unerlaubten Grenzübertritts
a) in die Bundesrepublik Deutschland,
b) in die Europäische Union

zugezogen hatten (bitte nach Datum und Ort, Nationalität des Opfers, Kör-
perverletzungsart aufschlüsseln)?

3. Wie viele Personen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2010
im Zuge ihres gegebenenfalls unerlaubten Grenzübertritts
a) durch die Bundespolizei oder Zollbeamte in Deutschland,
b) durch die Polizei- oder Zollbeamte in der Europäischen Union

Drucksache 17/5561 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
durch die Anwendung unmittelbaren Zwangs bzw. im Zuge einer entspre-
chenden Nacheile körperlich verletzt?
c) Wie viele Ermittlungs- und Disziplinarverfahren wurden diesbezüglich

eingeleitet und mit welchem Ergebnis abgeschlossen (bitte aufschlüs-
seln)?

4. Wie viele Personen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2010
a) in der Bundesrepublik Deutschland,
b) in der Europäischen Union
im Zuge ihrer gegebenenfalls unerlaubten Grenzübertritte durch Privatperso-
nen (z. B. Jäger, Angehörige so genannter Bürgerwehren, rechtsextremer
Gruppierungen) körperlich verletzt bzw. getötet (bitte nach Datum und Ort,
Nationalität des Opfers und Todes- bzw. Verletzungsart aufschlüsseln)?
c) Wie viele Ermittlungsverfahren wurden diesbezüglich eingeleitet und mit

welchem Ergebnis abgeschlossen (bitte aufschlüsseln)?

5. Wie viele Personen sind nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2010
a) in der Bundesrepublik Deutschland,
b) in der Europäischen Union

– tot aufgefunden worden, nachdem sie im Zuge ihres Versuchs der ge-
gebenenfalls unerlaubten Einreise in die Bundesrepublik Deutschland
bzw. EU in ihrem Transportmittel Sauerstoffmangel, Hunger, Durst,
Kälte, Überhitzung oder Ähnlichem ausgesetzt waren (bitte nach
Datum und Ort, Nationalität der Opfer, Transportmittel und Todesart
aufschlüsseln);

– verletzt aufgefunden worden, nachdem sie im Zuge ihres Versuchs der
gegebenenfalls unerlaubten Einreise in die Bundesrepublik Deutsch-
land bzw. EU in ihrem Transportmittel Sauerstoffmangel, Hunger,
Durst, Kälte, Überhitzung oder Ähnlichem ausgesetzt waren (bitte nach
Datum und Ort, Nationalität der Opfer, Transportmittel und Verlet-
zungsart aufschlüsseln)?

6. Falls zu den Fragen 1 bis 5b, insbesondere im Hinblick auf die EU-Außen-
grenzen, keine auf amtlichen Daten basierende Antwort gegeben werden
kann,
a) welche Daten und sonstigen Erkenntnisse liegen der Bundesregierung

dazu ansonsten vor, z. B. aus den Berichten der bei FRONTEX eingesetz-
ten Bundesbeamten oder entsprechende Daten, mit denen etwa Einrich-
tungen wie das „Gemeinsame Analyse- und Strategiezentrum illegale Mi-
gration“ (GASIM) arbeiten;

b) welche Daten von Nichtregierungsorganisationen hat die Bundesregie-
rung zur Kenntnis genommen, und welche Schlüsse zieht sie daraus;

c) wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass im Rahmen der Tä-
tigkeit der Europäischen Grenzschutzagentur FRONTEX solche Daten
systematisch erhoben und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden,
und wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 13. April 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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