BT-Drucksache 17/5368

Klimaschutz in der Stadt

Vom 6. April 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5368
17. Wahlperiode 06. 04. 2011

Antrag
der Abgeordneten Bettina Herlitzius, Daniela Wagner, Stephan Kühn,
Winfried Hermann, Dr. Anton Hofreiter, Ingrid Nestle, Dr. Valerie Wilms,
Kai Gehring, Cornelia Behm, Hans-Josef Fell, Britta Haßelmann, Bärbel Höhn,
Oliver Krischer, Undine Kurth (Quedlinburg), Friedrich Ostendorff,
Dr. Hermann Ott, Dorothea Steiner, Markus Tressel und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Klimaschutz in der Stadt

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Auf dem Weg zu einer grünen Stadt der Zukunft spielen sowohl die Umsetzung
von Klimaschutz als auch die Anpassung an die Folgen des Klimawandels eine
große Rolle. Der Umbau unserer Städte muss neue Wege beschreiten und zu-
kunftsweisende Ziele verfolgen.

Städte tragen weltweit mit ihren Gesamtemissionen erheblich zum Klimawan-
del bei. Bereits heute liegt der Anteil der städtischen Bevölkerung in Deutsch-
land bei 85 Prozent. Dieser Trend zur Verstädterung wird sich in Deutschland
bis 2025 weiter verstärken. Der urbane Raum ist für 75 Prozent der gesamten
CO2-Emissionen verantwortlich, davon entfallen allein 40 Prozent auf den ge-
samten Endenergieverbrauch des Gebäudesektors. Erfolgreicher Klimaschutz
ist deshalb maßgeblich an den Energieverbrauch in unseren Städten gekoppelt.
Städte haben viele Möglichkeiten mittels Bebauungsplänen und Vorgaben für
die Versorgungsinfrastruktur die Rahmenbedingungen für energieeffiziente
Städte vorzugeben und können so zum Dreh- und Angelpunkt vieler Energie-
effizienzmaßnahmen werden.

Gleichzeitig sind Städte in besonderem Maße von den Folgen des Klimawandels
betroffen. Aufgrund ihrer hohen Bevölkerungsdichte und der Ballung techni-
scher Infrastrukturen haben Städte eine erhöhte Anfälligkeit gegenüber den Fol-
gen des Klimawandels. Daher müssen frühzeitig Anpassungsstrategien ent-
wickelt werden. Besonders werden Städte in Zukunft durch Hitze, Dürre oder
Starkregenereignisse, Städte, die am Meer oder an Flüssen liegen, werden von
Hochwasser und Sturmfluten bedroht. Neben gebäudebezogenen Ansätzen bei
den Fördermaßnahmen des Bundes sollten auch siedlungs- beziehungsweise
quartiersbezogene Ansätze in den Blickpunkt rücken. Die Vorschriften zur städ-

tebaulichen Sanierung – und hieran anknüpfend die Städtebauförderung – sind
daher im Hinblick auf Steuerungseffekte für den klimagerechten Stadtumbau zu
überprüfen.

Dabei gilt es auch die „Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt“ um-
zusetzen und insbesondere ihre Forderungen nach einer integrierten Stadtent-
wicklungspolitik, einer höheren Energieeffizienz im Gebäudebereich und in der

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Infrastruktur, einer nachhaltigen Nutzung von Ressourcen und einer kompakten
Siedlungsstruktur einzubeziehen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. Klimaschutz im Baurecht verankern

a) lokalen und globalen Klimaschutz als ausdrückliches Ziel und als Anlass
für konkrete Maßnahmen im Rahmen der städtebaulichen Sanierung im
Baugesetzbuch (BauGB) zu stärken und im BauGB klarzustellen, dass
Festsetzungen in Bebauungsplänen auch aus allgemeinen Gründen des
Klimaschutzes erfolgen können;

b) im BauGB die Möglichkeit zur Ausweisung städtebaulicher Sanierungs-
gebiete für Klimaschutzmaßnahmen, z. B. quartiersbezogene energetische
Sanierung zu schaffen; als wesentliche Indikatoren für die Auswahl bzw.
Ausweisung von Prioritätsgebieten für die energetische Quartierserneue-
rung müssen u. a. Gebäudetyp und -alter, Kompaktheit der Baukörper,
Bebauungsdichte, Stellung der Gebäude, Verschattung, Windschutz,
Nachverdichtungspotenziale, Potenziale für Fern- oder Nahversorgung,
Potenziale für regenerative Energien sowie Synergieeffekte mit anderen
städtebaulichen Zielen berücksichtigt werden;

c) entsprechend den Änderungen am BauGB auch die Baunutzungsverord-
nung so zu verändern, dass klimagerechte Siedlungsstrukturen entstehen;

d) über die Einführung von verbindlichen Energieplänen die Möglichkeit
zur Festlegung von energetischen Standards in Bebauungsplänen (u. a.
solare Bauleitplanung, Anschlusszwang an bestehende Nah- und Fern-
wärmenetze, Nutzung von anderen regenerativen Energien, Heizwärme-
bedarf von Neubaugebieten) zu schaffen;

e) auf die Länder einzuwirken, dass auf lokaler/regionaler Ebene Wärme-
nutzungspläne erstellt werden;

f) im Rahmen der Gesetzgebung für die Raumordnung oder als eigenstän-
diges Gesetz den Ländern nach Maßgabe flächensparender Entwicklung
aufzuerlegen, Flächen für die Erzeugung erneuerbarer Energien auszu-
weisen;

g) in die Bestimmungen zur Aufstellung eines Flächennutzungsplans (FNP)
die Einführung eines ergänzenden Klimablattes verbindlich zu integrie-
ren, in dem Flächen nach Klimaschutzkriterien bewertet und eingestuft
werden, Potenziale zur Energieeinsparung festgestellt und Defizite aufge-
zeigt werden und analog dazu in die Bestimmungen zur Umweltprüfung im
Rahmen der Aufstellung eines Bauleitplanes den Aspekt eines flächen-
bezogenen Klimaschutzes zu integrieren sowie sein Monitoring zu sichern;

h) die Umweltverträglichkeitsprüfung in der Bauleitplanung zu stärken und
um ein verbindliches Climate Proofing (systematische Überprüfung aller
Vorhaben auf Klimaverträglichkeit und Klimafolgen) zu ergänzen;

2. Förderung zielsicher gestalten

a) in den bestehenden Förderprogrammen das Entwicklungsleitbild „Stadt
der kurzen Wege“ zugrunde zu legen, um Verkehr und Bodenversiegelung
durch kompakte Siedlungsstrukturen weiter zu reduzieren;

b) Klimaschutz in der bestehenden Städtebauförderung stärker zu veran-
kern;

c) die Städtebauförderung perspektivisch auf den tatsächlichen jährlichen

Bedarf von rund 700 Mio. Euro aufzustocken und keine weiteren Kür-

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zungen in diesem Bereich vorzunehmen, damit eine verlässliche Finanz-
grundlage und Planungssicherheit ermöglicht wird;

d) im Rahmen der städtebaulichen Fördervorschriften Standards bzw. Indi-
katoren für gesamtstädtische und quartiersbezogene Bedarfsanalysen und
Maßnahmenpakete zu erarbeiten sowie ein verpflichtendes Monitoring
für den klimagerechten Stadtumbau einzuführen;

e) einen Energiesparfonds aufzulegen und jährlich mit 3 Mrd. Euro auszu-
statten. Daraus sollen Maßnahmen der Stromeffizienz mit 1 Mrd. Euro
jährlich sowie Maßnahmen der – Wärmeeffizienz vor allem in Stadtvier-
teln mit einem hohen Anteil einkommensschwacher Haushalte mit jähr-
lich 2 Mrd. Euro gefördert werden, darunter folgende Maßnahmen:

– die Kommunen bei der Erstellung von gesamtstädtischen und quar-
tiersbezogenen Energie- und Klimaschutzkonzepten zu fördern und in
die Vorschriften zur Erstellung der Konzepte die Belange des Klima-
schutzes und Aussagen zu Gebäudesanierung, Städtebau, Wohnungs-
markt und Einkommensindikatoren sowie über die Energieeinspar-
potenziale der technischen Infrastruktur zu integrieren,

– die energetische Quartierserneuerung zu fördern und dabei auch die
energetische Sanierung von sozialer Infrastruktur und öffentlichen Ge-
bäuden, Kultureinrichtungen, Bildungseinrichtungen wie Schulen,
Hochschulen und Kindertagesstätten zu berücksichtigen;

f) den Ausbau klimaverträglicher Nahwärmenetze in bestehenden Stadtge-
bieten stärker aus der bestehenden Förderung der Kraft-Wärme-Kopp-
lung zu finanzieren und so die kommunale Nahversorgung zu sichern;

g) das KfW-Programm zur CO2-Gebäudesanierung jährlich bei 2 Mrd. Euro
zu verstetigen und eine Qualitätssicherung einzuführen;

h) in der nationalen Rahmenstrategie vorzugeben, dass die Finanzmittel des
Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), wie von der EU
vorgesehen, auch für energetische Modernisierung einzusetzen sind und
die Länder entsprechend aufzufordern, die operationellen Programme des
EFRE in Zukunft stärker an Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung
anzupassen;

i) die Förderprogramme von Bund und Ländern auf der Basis einer verläss-
lichen Bundesförderung in Bezug auf Energieeffizienz und Klimaschutz
inhaltlich aufeinander abzustimmen und eine aufeinander aufbauende
Förderung zu ermöglichen;

j) bei der Weiterentwicklung der Förderprogramme (z. B. die Städtebauför-
derung) die Erkenntnisse aus dem Programm Kommunaler Klimaschutz
der Nationalen Klimaschutzinitiative sowie dem CONCERTO-Programm
(Europäische Kommission) und Energetische Stadterneuerung (BBSR)
zu berücksichtigen;

k) ein Modellprojekt „100 Städte mit klimaneutralem ÖPNV“ aufzulegen;

3. Klimaschutz in den Kommunen stärken

a) den Leitfaden für den kommunalen Klimaschutz weiterzuentwickeln und
umzusetzen;

b) die Länder und Kommunen anzuregen, die individuellen Maßnahmen
und Instrumente zum Klimaschutz im Kontext übergreifender Entwick-
lungsziele als Querschnittsaufgabe zu formulieren und in diesem Zuge
auch entsprechende personelle Zuständigkeiten, z. B. Klimaschutzbeauf-
tragte als Querschnittsbeauftragte mit weitreichenden Kompetenzen aus-

zustatten, um die Belange des Klimaschutzes besser in die Verwaltungs-
strukturen zu integrieren;

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c) kommunale Strategien zur Verbesserung des Mikroklimas und zur An-
passung an Auswirkungen des Klimawandels, z. B. Frischluftschneisen
und Durchgrünung, weiter zu erforschen;

d) die Bundeshaushaltsordnung (BHO) und das Gesetz gegen Wettbewerbs-
beschränkungen (GWB) so zu ändern, dass in der öffentlichen Beschaf-
fung im Baubereich sowohl für Neubauten als auch für Gebäudesanierun-
gen in Anlehnung an den Leitfaden nachhaltiges Bauen für Bundesbauten
eine Lebenszyklusanalyse in die Kostenbetrachtung integriert und nach-
haltigere Vergaben ermöglicht werden;

4. Energetische Stadterneuerung ausbauen

a) die Kommunen dabei zu unterstützen, bei der energetischen Sanierung
den Fokus auf eine gesamtstädtische und stadtquartiersbezogene Betrach-
tung zu legen und dabei gesamtstädtische bzw. stadtquartiersbezogene
Energie- und Klimaschutzkonzepte als verpflichtende Voraussetzung der
Förderung von energetischer Stadterneuerung vorzusehen;

b) dezentrale innovative Ver- und Entsorgungssysteme, die aufgrund ihrer
höheren Flexibilität energieeffizienter den künftigen Anforderungen ge-
recht werden können, zu erforschen (zum Beispiel Wärmerückgewin-
nung in Abwasserkanälen);

c) in der Energieeinsparverordnung (EnEV) die verbindliche Vorlage der
Gebäudeenergieausweise bei den kommunalen Bauämtern vorzuschrei-
ben, um sowohl die Einhaltung der EnEV als auch die Qualität der Aus-
weise zu sichern. Gleichzeitig erhalten die kommunalen Bauämter eine
aussagekräftige Grundlage für die Gebäudestatistik, die integrierten En-
ergie- und Klimaschutzkonzepte sowie die Umsetzung der energetischen
Quartierserneuerung (z. B. für die Festlegung der energetischen Sanie-
rungsgebiete);

5. Flächenverbrauch vermeiden

a) unter Maßgabe des Leitbilds „Stadt der kurzen Wege“ bundesweite Vor-
gaben für die Integration der Verkehrs- und Siedlungsplanung zu machen
(verkehrsreduzierte und flächensparende Siedlungs- und Nutzungsstruk-
turen);

b) auf die Länder hinzuwirken, um die Raumordnung an der Vermeidung in-
duzierter Verkehrsflüsse zu orientieren und verpflichtende Planungsvor-
gaben in die Landes- und Regionalplanung mit Bezug auf das Leitbild
„Stadt der kurzen Wege“ zu integrieren;

c) gesetzliche Grundlagen für eine Flächenkreislaufwirtschaft zu schaffen
und insbesondere das Brachflächenrecycling zu stärken;

d) durch gesetzliche Rahmenbedingungen im Bauplanungsrecht, wie die
Wiedereinführung der Revisionspflicht für Flächennutzungspläne, die
Einführung eines verbindlichen Flächenmonitorings sowie einer Nach-
weispflicht fehlender Innenentwicklungspotenziale, Flächenverbrauch zu
vermeiden;

e) durch eine Reform der Grundsteuer, die mehr Steuergerechtigkeit schafft,
Anreize für Flächenverbrauch zu vermeiden;

f) im Rahmen der Klimaflächenplanung planerische Konzepte zur Klima-
folgenanpassung zu berücksichtigen, um Hochwasser und Starkregen-
ereignissen zu begegnen (u. a. Nutzungsbeschränkungen, Freiraumkon-
zepte);

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6. Umwelt- und klimafreundlichen Stadtverkehr fördern

a) die Kommunen beim Ausbau eines attraktiven öffentlichen Nahverkehrs-
angebots durch eine Nachfolgeregelung für die auslaufende Mitfinanzie-
rung des Bundes nach dem Entflechtungsgesetz zu unterstützen;

b) bei der Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes (für den ÖSPV)
und des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (für den SPNV) die Rolle der
Aufgabenträger zu stärken, um für die öffentlichen Zuschüsse das best-
mögliche Nahverkehrsangebot zu erhalten;

c) bei der Fortschreibung des Nationalen Radverkehrsplans Förderprojekte
für den Radverkehr in Kommunen aufzulegen;

d) einen Masterplan Fußverkehr aufzulegen;

e) die rechtlichen (u. a. in der Straßenverkehrsordnung) und finanziellen
Rahmenbedingungen für den Fuß- und Radverkehr zu verbessern;

f) die Aufhebung der Radverkehrsbenutzungspflicht aus dem Jahr 2009
nicht rückgängig zu machen;

g) ein zukunftsweisendes Verkehrssicherheitskonzept mit ambitionierten
Verkehrssicherheitszielen (Vision Zero) zu schaffen, das international
kompatibel ist;

h) Tempo 30 als stadtverträgliche Regelgeschwindigkeit innerorts einzufüh-
ren, so wie es u. a. auch der wissenschaftliche Beirat des Bundesministe-
riums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung fordert;

i) im Rahmen der Stadtentwicklungskonzepte auch die Verkehrsplanung
mitzubedenken und in den bestehenden Programmen der Städtebauförde-
rung und der Straßenbauprogramme des Bundes die Ausweisung und
Umsetzung von Shared-Space-Bereichen zu ermöglichen;

j) sich auf europäischer Ebene für die Einrichtung eines EU-weiten Erhe-
bungsstandards für eine Citymaut einzusetzen und die rechtlichen Mög-
lichkeiten für Kommunen, eine solche Citymaut einzuführen, zu verbes-
sern;

k) im Straßenverkehrsgesetz und in der Straßenverkehrsordnung die Mög-
lichkeit einzuführen, dass Kommunen für Car Sharing und Elektrofahr-
zeuge rechtssicher Stellplätze im öffentlichen Straßenraum ausweisen
können;

l) ein Verkehrslärmschutzgesetz vorzulegen, mit dem Ziel, die Werte für
Lärmvorsorge und Lärmsanierung anzugleichen;

m) für eine konsequente Einhaltung der Emissionsgrenzwerte für Luftschad-
stoffe in Städten zu sorgen;

7. Öffentlichkeitsarbeit und Energieberatung verbessern

a) die Einrichtung von regionalen bzw. kommunalen Energiekompetenzzen-
tren aus dem Energiesparfonds zu fördern, um niederschwellige Bera-
tungsangebote für Gewerbe, Handel, Mieter, Vermieter, selbstnutzende
Eigentümer in Bezug auf Energieeffizienz und Energieeinsparung zu ver-
bessern und eine unabhängige Beratung zu gewährleisten (auch für Son-
derfälle in der energetischen Sanierung wie z. B. denkmalgeschützte Ge-
bäude oder Gebäude mit einer erhaltenswerten Bausubstanz) und die
Bevölkerung im Rahmen von Projekten und Kampagnen einzubeziehen.
Diese regionalen bzw. kommunalen Energieberatungen sollen eine not-
wendige Lotsenfunktion in der Beratung zu den Förderprogrammen über-

nehmen;

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8. Aus- und Weiterbildung von Bauleuten weiterentwickeln

a) die entsprechenden Fachgemeinschaften anzuregen, energieeffizientes
Bauen und Sanieren bzw. energieeffiziente Siedlungsstrukturen in den
Studiengängen Architektur und Bauingenieurwesen sowie Stadt- und
Verkehrsplanung zu einem Pflicht- und Prüfungsfach zu machen, damit
die Aus- und Fortbildung in energetischen Bau- und Energietechnologien
verbessert und nachhaltig verankert wird;

b) entsprechend die Länder anzuhalten, die Schulung und Aus- und Weiter-
bildung von Handwerkern in den Bereichen Energieeffizientes Bauen
und Sanieren sowie Verwendung entsprechender Baumaterialien zu ver-
bessern;

c) Weiterbildungsmaßnahmen für Bauleute und Handwerker mit Mitteln aus
dem Energiesparfonds zu initiieren.

Berlin, den 5. April 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Begründung

Klimaschutz ist ein zentrales Thema für Städte und Kommunen. Vorsorgender
Klimaschutz trägt wesentlich dazu bei, zukünftige Schäden und Folgekosten zu
minimieren. Langfristig entlasten insbesondere Energieeffizienzmaßnahmen
kommunale Haushalte erheblich. Die Integration des Klimaschutzes in die
Stadtentwicklung fördert zudem zusätzlich die lokalen Wirtschaftszusammen-
hänge und ihre Innovationspotenziale. Mit der klimagerechten Modernisierung
von Stadtquartieren kommt es zu einer Aufwertung derselben. Aber auch die
Bürgerinnen und Bürger profitieren von den Nebeneffekten durch Klima-
schutzmaßnahmen und Klimafolgenanpassung in Städten: Energetische Quar-
tierssanierung führt zu optisch aufgewerteten Städten, neue Fenster beispiels-
weise führen zu einer Reduzierung des Lärms, Innenentwicklung zur Vermei-
dung des Flächenverbrauchs, kürzere Wege führen zu mehr Lebenszeit, eine
Reduzierung des Verkehrs vermindert Feinstaubbelastung, Lärm und Unfälle.
Kurz: Klimaschutz bringt menschenfreundliche und lebenswerte Städte.

Integrierte Stadtentwicklung ist somit ein wichtiger Erfolgsfaktor für das Errei-
chen der Klimaschutzziele. Hier muss der Bund die Kommunen unterstützen,
wenn der Bund die selbst gesetzten Klimaziele erreichen will. Dabei gilt es,
beide Aspekte des Klimaschutzes zu berücksichtigen; Einsparung und Effi-
zienzsteigerung zur Abmilderung des Klimawandels und rechtzeitige Vorberei-
tung auf die Folgen der Klimaveränderung. Die Rolle der Kommunen als Kli-
maschutzakteure ist bislang weitgehend durch freiwilliges Engagement ge-
prägt. Entsprechend unterschiedlich sind Ziele und Maßnahmen vor Ort. So
gibt es in einigen Kommunen sehr konkrete Klimaschutzprogramme, während
im Regelfall kommunaler Klimaschutz de facto kaum wahrnehmbar ist. In den
Kommunen fehlt es häufig an finanziellen Mitteln, etwa um öffentliche Ge-
bäude energetisch zu sanieren oder den öffentlichen Personennahverkehr auszu-
bauen. Die restriktive Praxis der Haushaltsaufsicht durch die Länder führt oft-
mals dazu, dass lohnende Energiesparmaßnahmen nicht getätigt werden dürfen.

Die Gründe für mangelnden kommunalen Klimaschutz sind auch auf der Bun-
desebene zu suchen. Zahlreiche Gesetze des Bundes behindern die klimapoliti-

schen Handlungsspielräume der Kommunen. Beispiele finden sich etwa in der

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/5368

Bauleitplanung, im Vergaberecht und im kommunalen Haushaltsrecht. Wenn
wir die Klimaschutzziele ernst nehmen, dann kann es nicht sein, dass entschlos-
senes kommunales Handeln für den Klimaschutz durch einen rückständigen
oder unzureichenden Rechtsrahmen behindert wird. Auch die KfW-Programme
sind noch zu wenig auf kommunalen Klimaschutz ausgerichtet. Der Bund hat
die Verpflichtung, wichtige Rahmenbedingungen für die Umsetzung von Ener-
gieeffizienzmaßnahmen vorzugeben.

Zu Nummer 1

Kommunaler Klimaschutz zugunsten des allgemeinen Klimaschutzes ist bis-
lang nicht stark genug im BauGB verankert. Das führt dazu, dass Kommunen
sich für lokalen, aber nicht oder kaum für globalen Klimaschutz einsetzen (dür-
fen) bzw. eine erhebliche Rechtsunsicherheit besteht. Hier gilt es durch entspre-
chende Nachbesserungen Rechtssicherheit zu schaffen und sicherzustellen,
dass die Berücksichtigung des globalen Klimaschutzes ebenfalls zu den kom-
munalen Aufgaben gehört.

Dem Bund ist es zwar nicht möglich, den Gemeinden etwa die Verpflichtung
zum Erlass von Wärmenutzungsplänen mit verbindlichen Versorgungsgebieten
für Fern-/Nahwärme aufzuerlegen. Denkbar ist jedoch, die Länder zu verpflich-
ten, auf lokaler/regionaler Ebene Wärmenutzungspläne zu erstellen. Einer Zu-
stimmung im Bundesrat bedürfte ein solches Gesetz grundsätzlich nicht (sofern
sich die Zustimmungsbedürftigkeit nicht aus spezifischen Einzelregelungen
ergibt). Von dieser Möglichkeit könnte der Bund z. B. auch im Rahmen der
Gesetzgebung für die Raumordnung oder eines eigenständigen Gesetzes für
klimafreundliche Energieträger Gebrauch machen, indem er den Ländern auf-
erlegt, in bestimmtem Umfang Flächen für die Windenergienutzung oder für
andere Arten der Energieerzeugung zur Verfügung zu stellen.

Zu Nummer 2

In vielen Kommunen sind die freiwilligen Aufgaben den klammen Kommunal-
haushalten bzw. der Finanzkrise zum Opfer gefallen. Die bestehenden Förder-
programme des Bundes können diese Ausfälle in keinster Weise auffangen, zu-
mal die Aufgabe Klimaschutz in den Programmen der Städtebauförderung
nachrangig ist. Außerdem wurden mit dem Bundeshaushalt 2011 sowohl die
Finanzmittel für die Städtebauförderung als auch für die CO2-Gebäudesanie-
rungsprogramme der KfW Bankengruppe deutlich gekürzt. Mit diesen gekürz-
ten Mitteln ist es nicht möglich, die angestrebten Einsparziele und die dafür be-
nötigte Erhöhung der Sanierungsquote auf 3 Prozent zu erreichen. Zwar wird
die Erstellung von integrierten Klimaschutzkonzepten über die Nationale Kli-
maschutzinitiative in Modellkommunen gefördert, aber nicht die ungleich teu-
rere Umsetzung. Da der Bund ein enormes Interesse an den Zielen Klimaschutz
und Energieeinsparung hat, muss er Sorge tragen, dass die Umsetzung dieser
Ziele von den Kommunen finanziell gestemmt werden kann. Die Bundesförde-
rung muss also entsprechend den Zielen umfassend überarbeitet und weiterent-
wickelt werden. Die Förderung muss über Modellprojekte hinausgehen, damit
eine Breitenwirkung erzielt werden kann.

Außerdem soll ein Energiesparfonds aufgelegt und jährlich mit 3 Mrd. Euro aus-
gestattet werden. Daraus sollen vornehmlich Sanierungs- und Stromsparmaß-
nahmen in Stadtteilen mit hohem Anteil einkommensschwacher Haushalte so-
wie Moderation und Beratung im energetischen Sanierungsgebiet gefördert wer-
den. Auch die Weiterbildung von Baufachleuten in den Bereichen energetische
Sanierung und ökologische Baustoffe wird aus dem Energiesparfonds gefördert.
Bezüglich der Verwaltungsvereinbarung und der Kofinanzierung soll sich der
Fonds am Vorbild des Investitionspakts Bund-Länder-Kommunen zur Sanie-
rung der sozialen Infrastruktur orientieren. Der Fonds soll aus der Reduktion

umweltschädlicher Subventionen, wie etwa die Abschaffung des Dienstwagen-
privilegs, finanziert werden.

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Zu Nummer 3

Die Zuständigkeiten für den kommunalen Klimaschutz befinden sich auf den
Ebenen des Bundes, der Länder und der Kommunen. Um einen möglichst gro-
ßen Klimaschutzerfolg zu erzielen, ist es wichtig, dass sich der Bund auch bei
den Ländern und Kommunen für das Erreichen der Ziele einsetzt.

Unbedingt erforderlich ist in diesem Zusammenhang die Betrachtung des städ-
tischen Klimaschutzes als Querschnittsaufgabe sowie der Einsatz von Personal,
das entsprechend der Querschnittsaufgabe Klimaschutz mit entsprechenden
Kompetenzen ausgestattet wird.

Gleichzeitig muss der Bund gemeinsam mit den Ländern für eine aufgaben-
gerechte Finanzausstattung der Kommunen Sorge tragen, ihre Einnahmen sta-
bilisieren und auf weitere Steuersenkungen verzichten. Nur dann ist auch eine
Umsetzung der Klimaschutzaufgaben von den Kommunen zu gewährleisten.

Im Bereich der öffentlichen Beschaffung hat der Bund keine Möglichkeit der
Einflussnahme auf die Haushalte von Ländern und Kommunen; ihm obliegt je-
doch, mit entsprechenden Änderungen der Bundeshaushaltsordnung (BHO) und
des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) eine Vorbildfunktion
für die öffentlichen Haushalte zu übernehmen und im Baubereich bei Gebäude-
sanierungen nachhaltigere Vergaben zu ermöglichen.

Zu Nummer 4

Die energetische Quartierserneuerung stellt das größte Energieeinsparpotenzial
der Kommunen dar. Dies bestätigen erste Forschungsergebnisse der energeti-
schen Stadtteilsanierung im CONCERTO-Programm der Europäischen Kom-
mission, Generaldirektion Energie. Bei den Maßnahmen der energetischen
Stadtteilsanierung ist die Amortisationsdauer drei- bis viermal kürzer als bei
Einzelmaßnahmen im Gebäudebereich. Denn je nach Siedlungstypologie lassen
sich Förderprioritätsgebiete ausweisen, in denen die Effizienz des Fördermittel-
einsatzes aufgrund der Bau- und Siedlungsstruktur höher liegt als in anderen Ge-
bieten. Eine intelligente Kombination von Gebäudesanierung, Aufstockung,
Nachverdichtung, ergänzendem Neubau und Effizienzsteigerung in der Wärme-
versorgung führt zu höheren Energie- und CO2-Einspareffekten als Einzelmaß-
nahmen. Die demografische Entwicklung und die soziale Lage in den Stadtteilen
und Wohnungsmarktsegmenten stellen weitere wichtige Rahmenbedingungen
für effektive und zugleich sozial ausgewogene energetische Strategien dar.

In die energetische Quartierserneuerung ist unbedingt auch die technische In-
frastruktur einzubeziehen und an den Bedarf nach der Erneuerung anzupassen.

Zu Nummer 5

Zunehmende Siedlungsfläche durch eine weitere Zersiedelung unserer Land-
schaft bedeutet unmittelbaren und dauerhaften Verlust der ökologischen Funk-
tionen der Böden. Denn unversiegelter Boden stellt einen enormen CO2-Spei-
cher dar, dies gilt es zu berücksichtigen. Intakte Böden müssen mit ihren viel-
fältigen Schnittstellen zu Wasser, Luft und Klima sowie als Standort für Le-
bens- und Futtermittel im Zentrum einer vorsorgenden Umweltpolitik stehen.
Zunehmend werden früher zusammenhängende Lebensräume für Flora und
Fauna durch Siedlungstätigkeit zerschnitten. Neue Wohn- und Gewerbegebiete
in dezentralen Lagen erzeugen mehr Verkehr und tragen somit zu einer höheren
Umwelt- und Klimabelastung bei. Die Vermeidung weiteren Flächenver-
brauchs trägt unmittelbar zu mehr Klimaschutz in Städten und Kommunen bei.
Leitbild hierfür ist die kompakte Stadt der kurzen Wege, Vorrang hat die Innen-
entwicklung vor der Außenentwicklung.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9 – Drucksache 17/5368

Zu Nummer 6

Der Verkehrsbereich hat großen Einfluss auf das Erreichen der Klimaschutzziele
in unseren Städten. Im Gegensatz zu vielen anderen Bereichen, in denen seit
1990 bereits zum Teil erhebliche Mengen CO2 eingespart werden konnten, hat
der Verkehrsbereich bisher nur eine geringfügige CO2-Minderung zu verzeich-
nen. Hauptursache dafür ist in erster Linie die weitere Zunahme des Verkehrs-
aufkommens. Laut einer Studie des Umweltbundesamtes zur „CO2-Emissions-
minderung im Verkehr in Deutschland“ aus 2010 birgt der Verkehrssektor ein
Einsparpotenzial bis 2030 von bis zu 103 Mio. t CO2 pro Jahr. Ein Großteil da-
von wirkt sich durch das enorme Einsparpotenzial einer verkehrsvermeidenden
Siedlungsplanung (Einsparpotenzial bei mindestens 10 Millionen Tonnen CO2
pro Jahr) unmittelbar im städtischen Umfeld aus. Hier gilt es, endlich die ökolo-
gische Verkehrswende auf den Weg zu bringen. Zumal eine Reduzierung des
motorisierten Individualverkehrs nicht nur dem Klimaschutz dient, sondern
gleichzeitig eine Vielzahl weiterer positiver Effekte mit sich bringt: eine Redu-
zierung von Lärm und Feinstaub, weniger Unfälle, mehr Bewegungsfreiheit für
andere Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer. Daraus kann ein deut-
licher Gewinn an Lebensqualität erzielt werden.

Zu Nummer 7

Klimaschutz geht uns alle an. Eine Akzeptanz für Klimaschutzmaßnahmen bei
Bürgerinnen und Bürgern, Immobilienbesitzern, Verbänden und Unternehmen
kann es aber nur geben, wenn diese adäquat und umfassend beteiligt, informiert
und unterstützt werden. Dazu werden unabhängig beratende kommunale Ener-
gieberatungszentren benötigt. Auch für das vielfach diskutiere Nutzerverhalten
in sanierten Gebäuden kann hier gezielte Beratung angeboten werden.

Zu Nummer 8

Oft durchlaufen Architektinnen und Architekten in ihrer Ausbildung nur ein
einziges Seminar, bei dem ein energieeffizientes Bau- oder Umbauprojekt be-
gleitet wird. Zu wenige Architektinnen und Architekten und Bauträger beschäf-
tigen sich überhaupt mit energetischen Sanierungen, dem klimaschützenden
Stadtumbau und energieeffizienten Siedlungsstrukturen. Gleiches gilt für Inge-
nieure, Stadt- und Verkehrsplaner sowie Handwerker. Hier bedarf es einer
Neustrukturierung der Studien- bzw. Ausbildungsgänge bzw. einer groß ange-
legten Weiterbildungsoffensive. Nur wenn die Fachleute gut ausgebildet wer-
den, können entsprechend gute Ergebnisse beim energetischen und ökologi-
schen Umbau erzielt werden.

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