BT-Drucksache 17/5349

Schlussfolgerungen für den Katastrophenschutz aus dem atomaren Unfall im Atomkraftwerk Fukushima

Vom 4. April 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5349
17. Wahlperiode 04. 04. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Frank Tempel, Jan Korte, Ulla Jelpke, Dorothee
Menzner, Petra Pau, Jens Petermann, Raju Sharma, Halina Wawzyniak
und der Fraktion DIE LINKE.

Schlussfolgerungen für den Katastrophenschutz aus dem atomaren Unfall
im Atomkraftwerk Fukushima

Die Bundesregierung ging in der Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Bundestagsdrucksache 17/2662) von der Un-
möglichkeit eines mit Tschernobyl vergleichbaren Nuklearunfalles an einem
deutschen Atomkraftwerk aus. Die Ereignisse in Japan zeigen, dass auch un-
wahrscheinlichste Ereignisse eintreten können und Technologien, im Falle des
Versagens, in den Auswirkungen auf Mensch und Natur beherrschbar bleiben
müssen.

Bezüglich der Gesetzgebungskompetenzen und der unmittelbaren Gefahrenab-
wehr hat der Bund keine Zuständigkeiten, sondern die Bundesländer. Anderer-
seits ist der Bund über das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastro-
phenhilfe (BBK) gemäß §13 des Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetzes
(ZSKG) ergänzend wirksam. 2007 wurde ein Ausstattungskonzept bezüglich
chemischen, biologischen, radiologischen und nuklearen (CBRN-Lagen) Lagen
zwischen Bund und Ländern vereinbart. Weiterhin ist der Bund über das Ge-
meinsame Melde- und Lagezentrum des Bundes und der Länder (GMLZ) sowie
über das Technische Hilfswerk in die Katastrophenschutzplanung in der Bun-
desrepublik Deutschland involviert.

In der Antwort der Bundesregierung auf die Kleinen Anfragen auf Bundestags-
drucksachen 17/2662 und 17/2871 wird nahegelegt, dass Gefahrenabwehr und
Risikovorsorge nicht an einem Maßstab ausgerichtet sein könne, der sich an
Schadensereignissen misst, welche die Bundesregierung für ausgeschlossen
hielt. Viele Analysen und Gutachten der letzten Jahre belegten die Möglichkeit
von atomaren Katastrophen auch in hochentwickelten Industrieländern, wurden
aber von der Bundesregierung ignoriert.

Der zivile Katastrophenschutz in der Bundesrepublik Deutschland war bisher
nicht auf ein Schadensereignis im Ausmaße des Unfalls im Atomkraftwerk
Fukushima ausgerichtet. Die Frage ist, welche Mittel nötig sind, um bis zur voll-
ständigen Abschaltung aller Atomkraftwerke in und um Deutschland auf solche
Großschadensfälle optimal vorbereitet zu sein.
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Ist nach Ansicht der Bundesregierung die Katastrophenvorsorge in der Bun-
desrepublik Deutschland vor dem Hintergrund des atomaren Unfalls im
Atomkraftwerk Fukushima ausreichend, und welche Schlussfolgerungen
zieht sie in Bezug auf den Katastrophenschutz?

Drucksache 17/5349 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2. Wie bewertet die Bundesregierung vor dem Hintergrund der atomaren
Katastrophe in Japan die Gefährlichkeit der Atomenergie?

3. Wie bewertet die Bundesregierung die Kapazitäten des Katastrophenschut-
zes in der Bundesrepublik Deutschland bei der Bewältigung einer poten-
tiellen atomaren Katastrophe im Ausmaße des Unfalls im Atomkraftwerk
Fukushima?

4. Welche Kapazitäten sind laut Bundesregierung zur Schließung eines ge-
borstenen Reaktordruckbehälters notwendig?

5. Haben die für die Bewältigung von nuklearen Unfällen zuständigen Betrei-
ber der Atomkraftwerke in der Bundesrepublik Deutschland, nach Ansicht
der Bundesregierung, die notwendigen Kapazitäten zur Schließung von
Lecks eines Reaktordruckbehälters?

6. Welche gesetzlichen Vorschriften verpflichten die Betreiber der Atomkraft-
werke die notwendigen Kapazitäten vorzuhalten, und wie werden die Be-
treiber daraufhin kontrolliert?

7. Wer wird die Rettung und Versorgung der Bevölkerung in kontaminierten
Gebieten übernehmen, in denen die Dosisrichtwerte der Feuerwehr-Dienst-
vorschrift 500 überschritten sind?

8. Welche Regeln gelten in der Bundesrepublik Deutschland bei einem ver-
gleichbaren atomaren Unfall wie dem im Atomkraftwerk Fukushima für die
Einrichtung von Evakuierungszonen?

9. Welche Transportkapazitäten zur Evakuierung der Bevölkerung um ein ver-
unglücktes Atomkraftwerk werden in der Bundesrepublik Deutschland bei
Stufe 6 der internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse (INES-
Skala) vorgehalten bzw. geplant, und sind diese angesichts der Ereignisse in
Japan ausreichend?

10. Welche Kapazitäten an Notunterkünften für evakuierte Personen um ein
verunglückten Atomkraftwerk werden in der Bundesrepublik Deutschland
bei Stufe 6 der INES-Skala vorgehalten bzw. geplant, und sind diese ange-
sichts der Ereignisse in Japan ausreichend?

11. Welche Kapazitäten an Krankenhausbetten zur Behandlung von radioaktiv
kontaminierten Patienten werden in der Bundesrepublik Deutschland vorge-
halten bzw. geplant, und sind diese angesichts der Ereignisse in Japan aus-
reichend?

12. Welche Vorräte an Trinkwasser, Lebensmitteln, Treibstoffen, Jodtabletten
und Krankenhausmaterialien werden in der Bundesrepublik Deutschland
vorgehalten bzw. geplant, um eine atomare Katastrophe zu bewältigen, und
sind diese angesichts der Ereignisse in Japan ausreichend?

13. Welche Transportkapazitäten und wie viele Helfer werden vorgehalten bzw.
geplant zur Verteilung von Trinkwasser, Lebensmitteln, Treibstoffen, Jod-
tabletten und Krankenhausmaterialien, und sind diese angesichts der Ereig-
nisse in Japan ausreichend?

14. Welche Kapazitäten zur radiologischen Analyse und zur Dekontamination
radioaktiv verseuchter Personen und verseuchter Flächen werden in der
Bundesrepublik Deutschland vorgehalten bzw. geplant, um eine atomare
Katastrophe zu bewältigen, und sind diese angesichts der Ereignisse in
Japan ausreichend?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5349

15. Welche Zeiträume bezüglich der Versorgung mit Trinkwasser, Lebensmit-
teln, Treibstoffen, Jodtabletten und Krankenhausmaterialien, der Bereitstel-
lung von Unterkünften für Evakuierungen, der Bereitstellung von Helfern
zur Verteilung lebenswichtiger Güter werden in den Bundesrepublik
Deutschland angesetzt bzw. geplant, um eine atomare Katastrophe zu be-
wältigen?

16. Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um mög-
liche Lücken im Katastrophenschutz bezüglich der Bewältigung einer ato-
maren Katastrophe im Ausmaße des Unfalls im Atomkraftwerk Fukushima
zu schließen?

Berlin, den 1. April 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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