BT-Drucksache 17/5279

Ausländische Streitkräfte in Deutschland

Vom 24. März 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5279
17. Wahlperiode 24. 03. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Paul Schäfer (Köln), Inge Höger, Jan van Aken, Christine
Buchholz, Dr. Diether Dehm, Andrej Hunko, Niema Movassat, Kathrin Vogler
und der Fraktion DIE LINKE.

Ausländische Streitkräfte in Deutschland

Mit dem Aufenthaltsabkommen von 1954 und dem NATO-Truppenstatut von
1951 wurde die Grundlage für den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in
Deutschland geschaffen. Seitdem wurden zusätzliche Vereinbarungen wie das
Zusatzprotokoll zum NATO-Truppenstatut, die deutsch-amerikanische Verein-
barung über die Stationierung von Atomwaffen oder das Streitkräfteaufent-
haltsgesetz beschlossen, die die Rechte und Pflichten der ausländischen Streit-
kräfte und der Bundesregierung festlegen. Bis heute gibt es keine umfassende
regelmäßige Unterrichtung der Bundesregierung über den Aufenthalt und die
Tätigkeiten ausländischer Streitkräfte in Deutschland sowie über die gewährten
Sonderrechte. Diese Unterrichtung fehlt, obwohl davon weite Teile der Bevöl-
kerung in der Umgebung der Liegenschaften und Übungsgebiete direkt betrof-
fen sind – wie die zahlreichen Klagen von Anwohnerinnen und Anwohner von
US-amerikanischen und britischen Militärstandorten über massive Lärmbelas-
tung und Umweltschäden belegen. Zudem wird durch diese Abmachungen der
Bundeshaushalt belastet und werden zentrale Fragen zur Durchsetzung des
Grundgesetzes, der Einhaltung des Völkerrechts und der Souveränität Deutsch-
lands unmittelbar davon berührt.

In den letzten 10 Jahren wurde insbesondere durch die US-Streitkräfte deutlich
vor Augen geführt, wie groß die Defizite in der Transparenz und Kontrolle der
Aktivitäten der ausländischen Streitkräfte sind. Die Nutzung des deutschen
Luftraums durch die USA für illegale Verschleppungen mutmaßlicher Terroris-
ten sowie die Verschiebung von Truppen für den Angriff auf den Irak ohne
Mandat der Vereinten Nationen, die Unklarheiten bezüglich der Menge der in
Deutschland stationierten Atomwaffen, die Einrichtung und der Betrieb von
Führungsstäben für unilaterale US-Militärinterventionen, wie z. B. United States
African Command (AFRICOM) bei Stuttgart für Afrika, und nicht zuletzt die
Sonderrechte für militärische Übungen unterstreichen die Notwendigkeit, die
Öffentlichkeit regelmäßig hierüber zu informieren und darüber Auskunft zu ge-
ben, wie die rechtlichen Vorgaben umgesetzt werden.
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Truppen aus welchen Staaten waren zwischen 2001 und 2011 in
welchen Bundesländern dauerhaft stationiert, und welchen Umfang hatte
jeweils das zivile Gefolge (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren, ausländischen
Streitkräften und Bundesland)?

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2. Wie viele dieser Truppen waren zum Zeitpunkt ihrer Stationierung der
NATO zugewiesen und hielten sich auf Grundlage des NATO-Truppen-
statuts in Deutschland auf?

3. Wie viele Truppen aus welchen Staaten hielten sich zwischen 2001 und
2010 für militärische Übungen in welchen Bundesländern auf (bitte jeweils
nach Jahren aufgeschlüsselt)?

4. Wie viele Truppen aus welchen Staaten nutzten zwischen 2001 und 2010
Deutschland als Zwischenstopp bzw. Transitland?

5. Wie erfasst und kontrolliert die Bundesregierung die Aktivitäten und Per-
sonalstärke ausländischer Streitkräfte in Deutschland, und welche regel-
mäßigen Berichtspflichten gibt es seitens der ausländischen Streitkräfte
über ihre in Deutschland stationierten Truppen?

6. Welche Liegenschaften (Übungsplätze, Kasernen, Testgelände, Wohnare-
ale, etc.) werden welchen ausländischen Streitkräften mit Stand 1. Januar
2011 dauerhaft zur Verfügung gestellt (bitte mit Angabe der Größe der Lie-
genschaften)?

7. Welche Übungsplätze wurden seit 2001 von ausländischen Streitkräften in
Deutschland genutzt (bitte jeweils aufgeschlüsselt nach den Nutzerstaaten
und der Häufigkeit der Nutzung)?

8. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die zukünftigen Planun-
gen der NATO-Staaten für ihre militärische Präsenz in Deutschland?

a) Welche Liegenschaften sollen von welchen NATO-Streitkräften in den
nächsten 10 Jahren abgegeben werden?

b) Wie wird sich die Personalstärke der NATO-Streitkräften in Deutschland
in den nächsten 10 Jahren entwickeln?

9. Welche Kosten sind der Bundesregierung, ihren untergeordneten Behör-
den, den Bundesländern sowie den Kommunen jeweils zwischen 2001 und
2010 für die Stationierung ausländischer Soldaten in Deutschland angefal-
len

a) für Baumaßnahmen,

b) für Infrastrukturmaßnahmen außerhalb der genutzten Liegenschaften,

c) für die Wasser- und Energieversorgung,

d) für die Beseitigung von Schäden,

e) für sonstige Verwendungen

(bitte aufgeschlüsselt nach Jahren und Streitkräften)?

10. In welcher Höhe wurden die in Frage 9 zwischen 2001 und 2010 angefalle-
nen Kosten mit anderen Leistungen der NATO-Staaten für die Bundeswehr
verrechnet?

11. Wie vielen ausländischen Unternehmen wurden seit 2005 Vergünstigungen
auf Grundlage des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut, u. a. durch
Artikel 72 Absatz 4 des Nato-Truppenstatut-Zusatzabkommens (ZA-NTS)
eingeräumt (bitte jeweils unter Angabe der Tätigkeiten in Deutschland und
der Dauer und Art der gewährten Vergünstigung)?

12. Wie kontrolliert die Bundesregierung, dass die Tätigkeiten dieser Unter-
nehmen sich nicht auf militärische Dienstleistungen erstrecken, die mit
dem Auftrag der NATO in Deutschland nichts zu tun haben?

13. In wie vielen Fällen wurden dabei Verstöße festgestellt?

14. Dürfen sich in Deutschland aufgrund des NATO-Truppenstatutes statio-

nierte Einheiten an militärischen Interventionen beteiligen, die nicht von
der NATO beschlossen worden sind,

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5279

a) und wenn ja, aufgrund welcher Rechtsgrundlage und unter welchen Be-
dingungen?

b) und wenn nein, welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, eine
Beteiligung dieser Einheiten auszuschließen?

15. Dürfen sich in Deutschland stationierte Einheiten an militärischen Inter-
ventionen beteiligen, die nicht auf Grundlage eines Mandates der Vereinten
Nationen erfolgen,

a) und wenn ja, aufgrund welcher Rechtsgrundlage und unter welchen Be-
dingungen?

b) und wenn nein, welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, eine
Beteiligung dieser Einheiten auszuschließen?

16. Unter welchen Bedingungen ist die Vorbereitung und Durchführung militä-
rischer Operationen, die außerhalb der NATO stattfinden, durch in
Deutschland stationierte ausländische Streitkräfte mit dem Grundgesetz
vereinbar?

17. Über welche rechtlichen, politischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten
verfügt die Bundesregierung, um die Vorbereitung und Durchführung von
Angriffskriegen von deutschem Territorium aus oder unter Nutzung des
deutschen Luftraums zu unterbinden?

18. Wie will die Bundesregierung in Zukunft gewährleisten, dass die im Rah-
men des NATO-Truppenstatutes und der Zusatzabkommen in Deutschland
stationierten Streitkräfte sich nicht an völkerrechtswidrigen Angriffs-
kriegen und anderen militärischen Interventionen außerhalb der NATO be-
teiligen und auch nicht die vorhandene Infrastruktur für die Vorbereitung
und Durchführung nutzen?

19. Trifft es zu, dass die nach NATO-Truppenstatut und Zusatzprotokoll ge-
währten Rechte für ausländische Streitkräfte nur dann gelten, wenn deren
Anwesenheit und Auftrag der Erfüllung der NATO-Doktrin dienen?

20. Wie ist das Aufgabenspektrum der rein US-amerikanischen Führungskom-
mandos United States European Command (EUCOM) und AFRICOM in
Stuttgart, die der Koordination von unilateral durchgeführten militärischen
Interventionen der USA in Europa und Afrika dienen und keinen NATO
Auftrag haben, vereinbar mit den Bestimmungen des NATO-Truppensta-
tuts?

21. Wie gewährleistet die Bundesregierung, dass die im NATO-Truppenstatut
und den Zusatzprotokollen eingeräumten Rechte für die ausländischen
NATO-Streitkräfte in Deutschland nicht missbraucht werden?

22. In wie vielen Fällen ist die Bundesregierung seit 2000 aufgrund von Ver-
stößen gegen diese Vereinbarungen aktiv geworden (bitte unter Nennung
des Anlasses)?

23. Gelten für die ausländischen Streitkräfte, die sich auf Grundlage des
NATO-Truppenstatuts und der Zusatzabkommen in Deutschland dauerhaft
oder temporär aufhalten die gleichen Umwelt- und Lärmschutzauflagen
bzw. die gleichen Gesetze wie für die Bundeswehr, und wenn nicht, warum
nicht (bitte jeweils unter Angabe der Abweichungen von den Auflagen für
die Bundeswehr)?

24. Wie kontrolliert die Bundesregierung die Einhaltung der Umwelt- und
Lärmschutzbestimmungen in und um die Standorte und Truppenübungs-
plätze der NATO-Truppen?

25. Welche Möglichkeiten hat die Bundesregierung, haben die Bundesländer

und Kommunen, die Einhaltung der vereinbarten Umwelt- und Lärm-
schutzbestimmungen durchzusetzen?

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26. Wie häufig wurden zwischen 2001 und 2010 umweltrelevante Unter-
suchungen/Messungen an den von ausländischen Streitkräften genutzten
Liegenschaften durchgeführt?

a) In wie vielen Fällen wurde eine Überschreitung der zulässigen Grenz-
werte festgestellt?

b) In wie vielen Fällen erfolgte eine Beseitigung der Ursache bzw. Behe-
bung der Missstände?

27. In wie vielen Fällen wurden gegen Angehörige ausländischer Streitkräfte
in Deutschland Strafermittlungen aufgenommen und Anzeige erstattet
(bitte aufgeschlüsselt nach Jahren und betroffenen Streitkräften)?

28. In wie vielen Fällen hat die Bundesregierung nach Artikel VII und VIII
NATO-Truppenstatut sowie den entsprechenden Ausführungsbestimmungen
im Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut, u. a. Artikel 19 ZA-NTS,
darauf verzichtet, das Verfahren vor ein deutsches Gericht zu bringen?

29. Welche Vorgaben gibt es für die Nutzung des deutschen Luftraumes durch
Drohnen anderer NATO-Staaten bzw. des deutschen Territoriums für deren
Bodenstationen, und welche Genehmigungen sind hierfür erforderlich?

30. Welche Drohnen welcher NATO-Staaten haben seit 2001 den deutschen
Luftraum für Flugbewegungen genutzt, und lag dafür jeweils immer eine
Genehmigung vor?

31. Welche zivilen deutschen Flughäfen werden von NATO-Staaten für den
Transport von Material und Personen für ihre Streitkräfte genutzt?

32. In welchem Umfang wurden diese Flughäfen seit 2001 von welchen Staa-
ten für den Transport von Material und Personal genutzt?

33. Welche NATO-Staaten sind im Besitz einer Dauergenehmigung für die
Nutzung des deutschen Luftraums?

34. In wie vielen Fällen hat die Bundesregierung seit 2001 welchen Unterneh-
men, die im Auftrag von NATO-Staaten für den militärischen Personal-
und Materialtransport den deutschen Luftraum durchqueren und Flughäfen
nutzen, eine Einzelgenehmigung erteilt (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren)?

35. Wie wird von Seiten der Bundesrepublik Deutschland sichergestellt, dass
völkerrechtlich geächtete Waffen (z. B. Minen, Streumunition), bei denen
sich Deutschland verpflichtet hat, selbst die Lagerung und den Transfer
nicht zuzulassen, nicht von ausländischen Streitkräften hier gelagert wer-
den oder durch Deutschland transportiert werden?

36. Welche Abkommen und Verträge regeln die Stationierung US-amerika-
nischer Atomwaffen auf deutschem Territorium und wann wurden diese
zwischen wem vereinbart?

37. Zu welchen Leistungen hat sich die Bundesregierung verpflichtet, um die
Sicherheit der US-Atomwaffen in Deutschland zu gewährleisten und die
Vertragsvereinbarungen zu erfüllen?

38. Ist es möglich, diese Abkommen und Verträge zu beenden, und wenn ja,
unter welchen Bedingungen und in welchem Zeitrahmen?

Berlin, den 24. März 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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