BT-Drucksache 17/5237

Flagge zeigen für die maritime Wirtschaft

Vom 23. März 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5237
17. Wahlperiode 23. 03. 2011

Antrag
der Abgeordneten Uwe Beckmeyer, Garrelt Duin, Hubertus Heil (Peine), Florian
Pronold, Heinz-Joachim Barchmann, Dr. Hans-Peter Bartels, Sören Bartol,
Bernhard Brinkmann (Hildesheim), Edelgard Bulmahn, Martin Burkert,
Sebastian Edathy, Ingo Egloff, Petra Ernstberger, Karin Evers-Meyer, Iris Gleicke,
Ulrike Gottschalck, Michael Groß, Hans-Joachim Hacker, Bettina Hagedorn,
Gustav Herzog, Gabriele Hiller-Ohm, Johannes Kahrs, Lars Klingbeil, Ute Kumpf,
Gabriele Lösekrug-Möller, Kirsten Lühmann, Caren Marks, Dr. Matthias Miersch,
Thomas Oppermann, Holger Ortel, Sönke Rix, Dr. Ernst Dieter Rossmann,
Frank Schwabe, Dr. Carsten Sieling, Sonja Steffen, Kerstin Tack, Franz Thönnes,
Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Flagge zeigen für die maritime Wirtschaft

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Schifffahrt und maritime Wirtschaft gehören zu den wichtigsten Wirtschafts-
zweigen in unserem Land und haben wesentlich zu Deutschlands Position im
Exportbereich beigetragen. Damit liefern sie einen wichtigen Beitrag zu Wachs-
tum und Beschäftigung im ganzen Land. Rund 400 000 Menschen waren im
Jahr 2009 in der Branche beschäftigt.

Doch auch die maritime Wirtschaft hat die Folgen der Finanz- und Wirtschafts-
krise zu spüren bekommen, die zudem wie kaum ein anderer Sektor im globalen
Wettbewerb steht. Aufgabe der Politik muss es in dieser Situation sein, die Rah-
menbedingungen für eine positive Entwicklung zu schaffen, Innovationen an-
zustoßen und strukturelle Verbesserungen zu fördern, um die Spitzenstellung
Deutschlands in der maritimen Wirtschaft dauerhaft zu sichern und auszubauen.
Im Vorfeld der Siebten Nationalen Maritimen Konferenz in Wilhelmshaven gilt
es, die Anforderungen an eine zukunftsfähige maritime Politik zu formulieren.

Notwendig ist ein klarer strukturpolitischer Ansatz, der die verschiedenen Auf-
gabenfelder wie Finanzierung, Ordnungspolitik und Infrastrukturpolitik, Um-
weltschutz sowie Forschung und Entwicklung miteinander verbindet. Ziel muss
es sein, eine Exzellenzstrategie zu entwickeln und das vorhandene Potential auf
allen Ebenen gezielt zu fördern. Im Sinne einer Weiterentwicklung des mariti-

men Clusters ist die Entwicklung strategischer Ziele vonnöten. Sie sind der
Schlüssel für die Sicherung der Zukunftsfähigkeit der Branche.

Drucksache 17/5237 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

1. Schiffbau

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der deutsche Schiffbau ist eine Schlüsselindustrie, die Wachstumsimpulse für
viele andere Branchen in Deutschland liefert. Doch die aktuelle Situation der
Schiffbauindustrie ist angespannt. Die Auftragslage stellt sich weiterhin als
schwierig dar. Der Anteil an der Weltschiffbauproduktion der deutschen Werften
beträgt nunmehr 1 Prozent.

Die Branche steht vor einem grundlegenden Strukturwandel. Der Markt für
Handelsschiffe ist gekennzeichnet durch eine Konzentration der Fertigung in
Fernost, vor allem in Korea, China und Japan, die mittlerweile einen großen
Kompetenzvorsprung insbesondere beim Bau von Massengutfrachtern und Tan-
kern haben. Gerade Korea dringt inzwischen zunehmend in den Spezialschiff-
bau vor. Um die deutsche Position auf dem Weltmarkt zu sichern, ist die strate-
gische Neuausrichtung der Geschäftsfelder und die Erschließung neuer Märkte
notwendig. Dies gilt auch für den Marineschiffbau, der von einer sinkenden
staatlichen Binnennachfrage bei gleichzeitigem Nachfragerückgang im Han-
delsschiffbau betroffen ist.

II. Der Deutsche Bundestag begrüßt:

● die Anstrengungen der deutschen Werftunternehmen zur strukturellen Neu-
ausrichtung ihrer Geschäftstätigkeit;

● das Zusammenwirken von Industrie und Sozialpartnern, um die Wettbe-
werbsfähigkeit des deutschen Schiffbaus zu sichern.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● die Schiffbaupolitik stärker an der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation
und den Erfordernissen der Werftindustrie auszurichten;

● die Hilfen für deutsche Werftbetriebe im Rahmen eines Kredit- und Bürg-
schaftsprogramms des Bundes in Fortentwicklung des „Wirtschaftsfonds
Deutschland“ weiterzuführen;

● die weiteren Unterstützungsmaßnahmen zugunsten der deutschen Werft-
industrie fortzusetzen;

● eine industriepolitische Strategie vorzulegen, die diese Maßnahmen vor dem
Hintergrund der besonderen Anforderungen der Schiffbauindustrie fortent-
wickelt und der KfW Bankengruppe eine aktive Rolle bei der Schiffsfinan-
zierung einräumt;

● bei der Formulierung eines solchen strukturpolitischen Ansatzes die beson-
dere Situation des Marineschiffbaus zu berücksichtigen;

● zur zielgenauen Ausgestaltung der verschiedenen Instrumente die Strukturen
der Schiffsfinanzierung bei den Bestellungen deutscher bzw. ausländischer
Reeder bei in- bzw. ausländischen Werften zu erfassen und zu dokumentie-
ren;

● ferner die schiffbaubezogenen Hilfsmaßnahmen im Rahmen des „Wirt-
schaftsfonds Deutschland“ und ihre Wirkung für die Sicherung von Betrieb
und Arbeitsplätzen in der deutschen Werftindustrie zu evaluieren und zu do-
kumentieren;

● durch Investitionsanreize etwa im Bereich der Steuerpolitik den Schiffbau in
Deutschland zu fördern;
● eine Übersicht der bestehenden „tax lease-Modelle“ in anderen Ländern zu
erstellen;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5237

● ein europaweites Benchmarking von Teilbereichen der Werftenförderung
durchzuführen, um die Möglichkeiten einer weiteren politischen Flankierung
der Schiffbauaktivitäten in Deutschland mit Hilfe von Finanzierungsinstru-
menten des Bundes zu prüfen;

● sich vor dem Hintergrund der fortbestehenden Finanzkrise in Europa gegen-
über der Europäischen Kommission weiter für eine Beibehaltung der Mög-
lichkeit einer erhöhten Bürgschaftsquote befristet bis Ende 2012 einzusetzen;

● an der Erhöhung der zulässigen Obligo-Grenze für Avalgarantien festzuhal-
ten und die Möglichkeiten der Einführung eines Avalrahmens für Inlands-
geschäfte zu prüfen;

● das Instrument der Zinszuschüsse für Exportkredite auf CIRR-Basis (CIRR =
Commercial Interest Reference Rate) fortzuführen;

● die politische Unterstützung für die Exportaktivitäten der deutschen Marine-
schiffbauindustrie zu intensivieren;

● Marineschiffsneubauten als Referenzprojekte für den Export zu fördern, ins-
besondere durch eine intensive Betreuung der Kunden durch die Bundes-
wehr;

● im Bereich des Marineschiffbaus eine Plattform für den Informationsaus-
tausch und die Abstimmung über Exportprojekte zwischen Bundeseinrich-
tungen und Privatwirtschaft zu schaffen und die bestehenden Strukturen zur
Unterstützung von Exporten der deutschen Industrie zu optimieren und aus-
zubauen;

● sich auf europäischer Ebene für verbindliche gemeinsame Exportrichtlinien
einzusetzen;

● sich auf europäischer Ebene für einheitliche Rahmenbedingungen in der Be-
schaffungspolitik einzusetzen;

● sich auch nach dem Scheitern der Verhandlungen über ein OECD-Schiffbau-
abkommen (OECD = Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung) in den internationalen Gremien weiter für eine Beseitigung der
bestehenden Wettbewerbsverzerrungen auf dem internationalen Markt einzu-
setzen;

● sich auf der EU-Ebene für neue gemeinsame Rahmenbestimmungen über
staatliche Beihilfen für den Schiffbausektor einzusetzen;

● sich auf EU-Ebene für eine Stärkung der Rolle der Europäischen Investi-
tionsbank einzusetzen und eine bevorzugte Kreditbereitstellung zum Bau
technologisch hochwertiger umweltfreundlicher Schiffe auf europäischen
Werften zu erreichen;

● eine Exzellenzstrategie zu entwickeln, um eine stärkere Positionierung der
deutschen Werftindustrie im Hightech-Segment zu ermöglichen;

● die Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation in der Schiffs-
technologie konsequent fortzusetzen und einen besonderen Schwerpunkt auf
anwendungsbezogene Forschung zu legen;

● die Förderprogramme in den Bereichen Forschung, Entwicklung und Innova-
tion auf alle maritimen Zukunftsmärkte, insbesondere auch die Offshore-
Windenergie, auszuweiten;

● sich gegenüber der Industrie für eine weitere Erhöhung ihres FuE-Finanzie-
rungsanteils (FuE = Forschung und Entwicklung) einzusetzen;

● den deutschen Marineschiffbausektor bei seinen Exportanstrengungen durch

die Förderung von Referenzprojekten mittelbar und unmittelbar zu unterstüt-
zen;

Drucksache 17/5237 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

● die laufenden Anpassungsprozesse des Marineschiffbausektors an die struk-
turellen Veränderungen im nationalen und internationalen Markt aktiv zu
unterstützen und Arbeitsplatzverluste durch eine Förderung der zivilen Um-
nutzung von Werftstandorten, etwa für den Windenergiebereich, zu kompen-
sieren;

● den europäischen Rahmen zur Förderung von Forschung, Entwicklung und
Innovationen konsequent auszuschöpfen;

● den bewährten Dialog zwischen den Sozialpartnern, Bund und Ländern im
Rahmen des Programms „LeaderSHIP Deutschland“ fortzuentwickeln;

● auf der Basis der Empfehlungen der länderübergreifenden Arbeitsgruppe
„Schiffbauliche Hochschulausbildung und Forschung“ konkrete Maßnah-
men zur Sicherung des Ingenieurnachwuchses der Schiffbauindustrie zu ent-
wickeln.

2. Seeschifffahrt

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Deutschland hat sich als Schifffahrtsstandort trotz globaler Krise behauptet.
Deutsche Reeder disponieren vom deutschen Standort aus derzeit rund 570 Han-
delsschiffe unter deutscher Flagge mit rund 15,1 Millionen Bruttoraumzahl mo-
dernster Tonnage. Hinzu kommen rund 3 000 Schiffe, die derzeit befristet unter
fremder Flagge fahren.

Mit der Tonnagesteuer, dem Lohnsteuereinbehalt, den Fördermitteln zur Sen-
kung der Lohnnebenkosten, der Ausbildungsplatzförderung und der Schiffsbe-
setzungsverordnung hat der Bund in den vergangenen Jahren wichtige Weichen
gestellt, um den Schifffahrtsstandort zu stärken. Einen wichtigen Beitrag für die
internationale Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Standortes leistet auch das
„Bündnis für Ausbildung und Beschäftigung in der Seeschifffahrt“ (Maritimes
Bündnis). Im Jahr 2009 hatten rund 30 000 Beschäftigten an Bord und bei Land-
betrieben der Seeschifffahrt in Deutschland einen Arbeitsplatz.

II. Der Deutsche Bundestag begrüßt:

● die Zusage der Küstenländer auf der Sechsten Nationalen Maritimen Konfe-
renz in Rostock, die notwendigen Ausbildungskapazitäten an Fachhochschu-
len und Fachschulen zur Verfügung zu stellen;

● die Zusage der Reeder auf der Sechsten Nationalen Maritimen Konferenz in
Rostock, alle Absolventen der entsprechenden Ausbildungsgänge zu über-
nehmen;

● den Schutz der Schifffahrt im Rahmen der EU-Mission Atalanta vor Piraterie.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● die Vereinbarungen der Partner im „Bündnis für Ausbildung und Beschäfti-
gung in der Seeschifffahrt“ weiterhin zu einem Schwerpunktthema ihrer
Schifffahrtspolitik zu machen;

● die Bündnisinitiativen fortzuentwickeln;

● mit einer konsequenten Förderung der Seeschifffahrtsbranche dazu beizutra-
gen, dass die deutsche Handelsflotte auch in Zukunft wettbewerbs- und leis-
tungsfähig bleibt;

● die Kürzung der Fördermittel für die Seeschifffahrt im Bundeshaushalt zu-

rückzunehmen und die Zusagen zur Senkung der Lohnnebenkosten für den
Betrieb deutscher Handelsschiffe im internationalen Verkehr einzuhalten;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/5237

● an den Instrumenten Tonnagesteuer und Lohnsteuereinbehalt festzuhalten,
sofern die deutschen Reeder ihre Zusage einhalten, einer weiteren Ausflag-
gung deutscher Handelsschiffe entgegenwirken und auch einer Verstärkung
ihrer Ausbildungsanstrengungen für seemännische Berufe in dem verabrede-
ten Maße nachkommen;

● die Effekte von Bündnisanstrengungen und Tonnagesteuersystem auf die
Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Handelsflotte zu dokumentieren;

● die Modelle politischer Flankierung für die Seeschifffahrt in anderen Län-
dern im Sinne eines Benchmarking zu erfassen;

● einer weiteren Ausflaggung deutscher Schiffe entgegenzuwirken und auf der
Siebten Nationalen Maritimen Konferenz in Wilhelmshaven neue Ziele zur
Rückflaggung des Schiffsbestandes unter deutscher Flagge zu vereinbaren,
um den Anteil von Handelsschiffen unter deutscher Flagge gegenüber Nicht-
EU-Flaggen zu erhöhen und damit einen weiteren Verlust von Arbeitsplätzen
in Deutschland zu verhindern;

● die Ausbildungsplatzförderung in der Seeschifffahrt konsequent fortzuset-
zen;

● gemeinsam mit den Küstenländern die Entwicklung der Absolventenzahlen
an seefahrtbezogenen Fach- und Fachhochschulen zu dokumentieren, um vor
dem Hintergrund der demographischen Entwicklung in Deutschland und der
Altersstruktur der derzeit beschäftigten Seeleute ein bedarfsgerechtes Ausbil-
dungsangebot vorhalten zu können;

● dafür Sorge zu tragen, dass die zugesagten Ausbildungskapazitäten und die
finanziellen Beiträge zur Ausbildung deutscher Seeleute durch die Küsten-
länder und die Seeschifffahrtsunternehmen zur Verfügung gestellt werden;

● sich dafür einzusetzen, dass die Anzahl der ausbildenden Schifffahrtsunter-
nehmen zunimmt;

● sich gegenüber den Reedereien und Verbänden dafür einzusetzen, dass die
Auszubildenden in der Seeschifffahrt in sozialversicherungspflichtige Be-
schäftigungsverhältnisse übernommen werden;

● im Einvernehmen mit den Sozialpartnern an der Anwendung der vereinbar-
ten zeitlich befristeten Ausnahmeregelungen zur Schiffsbesetzungsverord-
nung und der Möglichkeit der Ausbildung auf ausgeflaggten Schiffen festzu-
halten;

● dafür Sorge zu tragen, dass Seeleute aus EU-Mitgliedstaaten den vorge-
schriebenen Rechtslehrgang für Kapitäne auf Schiffen unter deutscher Flagge
absolvieren, der Teil der Vereinbarungen zur Öffnung der Schiffsbesetzungs-
verordnung ist;

● die Auswirkungen der vollen EU-Freizügigkeit ab dem 1. Mai 2011 auf den
deutschen Arbeitsmarkt zu untersuchen und zu dokumentieren;

● die gemeinsamen Anstrengungen von Bund, Ländern, Sozialpartnern und der
Bundesagentur für Arbeit zur Imagebildung weiterzuführen, um die seemän-
nischen Berufe attraktiver zu machen;

● den Entwurf eines neuen Seearbeitsgesetzes vorzulegen, um das internatio-
nale Seearbeitsübereinkommen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen
von Seeleuten zeitnah zu ratifizieren;

● den Rahmen der „EU-Beihilfeleitlinien im Seeverkehr“ vollständig auszu-
schöpfen;

Drucksache 17/5237 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

● sich innerhalb der EU für die Herstellung einheitlicher Wettbewerbsbedin-
gungen unter Ausnutzung der Spielräume der europäischen Beihilfeleitlinien
einzusetzen;

● gemeinsam mit den deutschen Reedern und ihren Arbeitnehmervertretungen
einen wirksamen Beitrag zur Abwehr internationaler Piraterie, insbesondere
am Horn von Afrika, zügig zu entwickeln und sich auf internationaler Ebene
für deren Umsetzung einzusetzen.

3. Häfen

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die deutschen Häfen sind ein wichtiger Garant für die Wettbewerbsfähigkeit des
Standortes Deutschland im globalen Wettbewerb. Sie haben als logistische
Dienstleistungszentren und Industriestandorte große Bedeutung für den Wirt-
schaftsstandort Deutschland. Auch aufgrund der gut ausgebauten Hafenstand-
orte in Deutschland hat sich die Transportleistung der deutschen Seeschifffahrt
in den vergangenen 20 Jahren mehr als vervierfacht. Die Seehäfen dienen nicht
nur als Drehscheibe bei der Abwicklung des deutschen Außenhandels, sondern
erbringen eine Vielzahl an Dienstleistungen. Von den Seehäfen profitiert daher
ganz Deutschland mit einer Vielzahl von komplementären Industrie- und
Dienstleistungsbereichen, die in allen Regionen und Wirtschaftssektoren ange-
siedelt sind.

Als Teil des „Masterplans Güterverkehr und Logistik“ hat das Bundesministe-
rium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung in der vergangenen Wahlperiode
ein „Nationales Hafenkonzept“ vorgelegt. Es trägt dem verkehrspolitischen Ziel
Rechnung, die einzelnen Verkehrsträger im Rahmen eines integrierten Verkehrs-
systems besser miteinander zu verknüpfen. Ziel muss es sein, Wirtschaftswachs-
tum und die Schaffung von Arbeitsplätzen nicht durch Engpässe in den Häfen
und bei den Hinterlandanbindungen zu behindern. Der Masterplan versteht die
Hafenpolitik als nationale Aufgabe in gemeinsamer Verantwortung des Bundes,
der Länder und der Wirtschaft und zielt auf eine noch bessere Koordinierung der
nationalen Hafenpolitik, eine enge Vernetzung der See- und Binnenhäfen sowie
eine verstärkte Kooperation der Häfen im kartellrechtlich zulässigen Rahmen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● die im Nationalen Hafenkonzept formulierten Maßnahmen zügig umzuset-
zen, stetig weiterzuentwickeln und anzupassen;

● sich auf EU-Ebene nachdrücklich für die Umsetzung des EU-Konzepts
„From Road to Sea“ einzusetzen;

● ein nationales Konzept zur Förderung des Kurzstreckenseeverkehrs zu ent-
wickeln und mit den Ländern abzustimmen;

● sich zur Verwirklichung gleicher Wettbewerbsbedingungen auf europäischer
Ebene für eine Harmonisierung der Beihilferichtlinien und Transparenz-
regelungen einzusetzen;

● Modelle zu prüfen, mit denen sich die Ausnutzung der Hafenkapazitäten op-
timieren lässt und Spitzen im Verkehrsaufkommen besser reguliert werden
können;

● durch den Ausbau des Kombinierten Verkehrs (KV) und eine Aufstockung
der finanziellen Mittel die Verlagerung von Straßengüterverkehr auf die um-
weltfreundlichen Verkehrsträger Wasserstraße und Schienenweg zu unter-
stützen;

● zu prüfen, ob Umschlaganlagen für den Stückgut- und Massengutverkehr in

Analogie zur KV-Förderung gefördert werden können;

● die Hafensicherheit und die Sicherheit des Seeverkehrs zu koordinieren.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/5237

4. Hafenhinterlandanbindungen

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Deutschland verfügt über eine der besten und modernsten Verkehrsinfrastruktur-
systeme weltweit, mit einem dichten und leistungsfähigen Netz an Straßen,
Schienenwegen und Wasserstraßen. Gleichwohl wird die vorhandene Infra-
struktur nicht ausreichen, um das zu erwartende Güterverkehrswachstum zu be-
wältigen. Laut ProgTrans AG wird das Güterverkehrsaufkommen bis 2050 auf
nahezu 5,5 Milliarden Tonnen ansteigen. Besonders stark wird der Seehafen-
hinterlandverkehr zunehmen: Das Aufkommen wird voraussichtlich bis 2025
um rund 130 Prozent von 195 Millionen auf rund 450 Millionen Tonnen steigen.

Vor diesem Hintergrund muss es das Ziel sein, die Spitzenstellung Deutschlands
sowohl in den Bereichen Güterverkehr und Logistik als auch bei der Vorhaltung
der Verkehrsinfrastruktur dauerhaft zu sichern. Den damit verbundenen wirt-
schaftlichen, sozialen und ökologischen Herausforderungen müssen sich Politik
und Wirtschaft gleichermaßen stellen. Vor allem in den großen deutschen Con-
tainerhäfen Hamburg und Bremerhaven werden nach dem Abflauen der Finanz-
krise bereits jetzt erneut Kapazitätsengpässe sichtbar.

Die aktuelle Bundesregierung hat es in dieser Legislaturperiode bisher ver-
säumt, an den „Masterplan Güterverkehr und Logistik“ der Vorgängerregierung
anzuknüpfen. Im nun vorliegenden „Aktionsplan Güterverkehr“ werden wich-
tige Maßnahmen nicht weiter verfolgt. Ausgerechnet das Ziel einer Verlagerung
des Gütertransports von der Straße auf den Schienenweg ist im Aktionsplan ge-
strichen. Mit der von der Bundesregierung geplanten Einführung der reinen ver-
kehrsträgerbezogenen Nutzerfinanzierung müssten langfristig alle Aus- und
Neubauprojekte im Bereich der Wasserstraßen gestoppt werden. Beim Schie-
nenverkehr reichen die Trassenpreise allein nicht aus, um einen zukunftsfähigen
Ausbau der Hinterlandverkehre zu garantieren. Notwendig ist stattdessen eine
integrierte Verkehrspolitik, die auf einer vernünftigen Kombination der Ver-
kehrsträger basiert. Hier ist insbesondere die überragende Bedeutung leistungs-
fähiger Schienenverbindungen von den industriellen Zentren im Binnenland zu
den deutschen Seehäfen zu nennen, die einen wesentlichen Erfolgsfaktor für den
Wirtschaftsstandort darstellen.

Gleichzeitig ist eine stärkere Beteiligung der Binnenschifffahrt am steigenden
Verkehrswachstum anzustreben. Zu nennen ist hier insbesondere die Transport-
leistung durch die Binnenschifffahrt, deren Anteil in Deutschland rund 12,8 Pro-
zent beträgt und damit deutlich über dem EU-Durchschnitt liegt. Die Binnen-
schifffahrt stellt gegenüber Straßen- und Schienenverkehr beim Energiever-
brauch den wirtschaftlichsten Verkehrsträger dar. Zu einem effizienten und um-
weltfreundlichen Ausbau der Hafenhinterlandanbindungen gehört es daher
auch, dass die Binnenwasserstraßen schiffbar bleiben und ihre ökologischen
Funktionen erfüllen können. Dies ist und bleibt Aufgabe der Wasser- und Schiff-
fahrtsverwaltung des Bundes (WSV). Nach dem Willen der Koalitionsfraktio-
nen der CDU/CSU und FDP sollen jedoch rund 80 Prozent der bisherigen Auf-
gaben der WSV künftig privatisiert werden. Damit besteht die Gefahr, dass die
WSV die ihr zugedachten Aufgaben wie Wartung von Anlagen, Lotswesen und
Havariemanagement nicht mehr optimal erledigen kann. Diese Politik gefährdet
nicht nur Arbeitsplätze, sondern provoziert Kostensteigerungen. Dabei beweist
die WSV seit Jahrzehnten, dass sie ihre Aufgaben gut bewältigt. Das bundes-
deutsche Wasserstraßennetz gehört zu den besten der Welt und die WSV unter-
liegt, wie alle Behörden, einer stetigen Überprüfung und sorgt in einem konti-
nuierlichen Optimierungsprozess für zunehmende Effektivität.

Drucksache 17/5237 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● im Aktionsplan Güterverkehr der Verlagerung des Güterverkehrs von der
Straße auf die umweltfreundlichen Verkehrsträger Schienenweg und Wasser-
straßen absolute Priorität einzuräumen und beim Ausbau der Hinterland-
anbindung der Seehäfen entsprechend anzuwenden;

● die Hinterlandanbindungen und seewärtigen Zufahrten zu den deutschen
Seehäfen unverzüglich unter Beachtung ökologischer Kriterien zielgerichtet,
leistungs- und bedarfsgerecht auszubauen und dazu ein glaubwürdiges Fi-
nanzierungskonzept für den chronisch unterfinanzierten Schienenverkehr bis
2025 vorzulegen;

● zur Sicherung der Infrastruktur für die Schienenwege und Wasserstraßen an
der bewährten Verteilung der Mittel aus der Lkw-Maut festzuhalten und von
einer reinen verkehrsträgerbezogenen Nutzerfinanzierung abzusehen;

● Maßnahmen zu ergreifen, um eine effizientere Nutzung der vorhandenen In-
frastruktur mittels intelligenter Verkehrslenkungsmaßnahmen sicherzustel-
len;

● sich auf europäischer Ebene für einen schrankenlosen europäischen See-
verkehrsraum ohne Grenzen einzusetzen und damit zu einer Verlagerung des
Güterverkehrs von der Straße auf die Wasserstraße und somit zur Reduzie-
rung der Transportkosten innerhalb der EU beizutragen;

● Maßnahmen zu ergreifen, um wettbewerbsfähige und transparente Trassen-
preise im Seehafenhinterlandverkehr zu gewährleisten;

● an der bewährten Struktur der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bun-
des festzuhalten und sicherzustellen, dass die WSV auch in Zukunft die Res-
sourcen erhält, die für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben zwingend notwen-
dig sind;

● von der geplanten Kategorisierung des Netzes der Bundeswasserstraßen Ab-
stand zu nehmen, die mit der vorgesehenen Einstufung der Seewasserstraßen
und Seehafenzufahrten in Vorrang-, Haupt- und sonstige Wasserstraßen
allein nach dem wertfreien Kriterium der Jahrestonnage den Faktor der
Wertschöpfung vollkommen unberücksichtigt ließe und damit die Realität
der Hafen- und Logistikwirtschaft nur unzureichend abbildet.

5. Offshore-Windenergie

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Angesichts weltweit steigender Nachfrage nach endlichen fossilen Ressourcen
stellt der Ausbau der erneuerbaren Energien eine nachhaltige Antwort auf die
Herausforderungen der Zukunft dar. Die junge, hightechorientierte Windkraft-
branche macht bereits heute rund 6 Prozent der Stromversorgung in unserem
Land aus. Sie bietet ein erhebliches Potenzial in den Bereichen Arbeitsplätze,
Energieversorgungssicherheit und Klimaschutz. Allerdings liegt Deutschland in
der Nutzung der Offshore-Windenergie deutlich hinter anderen Ländern zurück.

Aktuell zeichnet sich ab, dass für den geplanten zügigen Ausbau der Offshore-
Windenergie an der deutschen Nordseeküste in nicht ausreichendem Maße
Hafenstrukturen zur Verfügung stehen, die auf die spezifischen Bedarfe der
Offshore-Windenergie angepasst sind. Ohne die zeitnahe Realisierung solcher
Hafeninfrastrukturen können die Ausbauziele der Offshore-Windenergie weder
auf nationaler noch auf europäischer Ebene erreicht werden.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9 – Drucksache 17/5237

II. Der Deutsche Bundestag begrüßt:

● dass der Bund in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone im Jahr
2010 bereits 29 Offshore-Windparks genehmigt hat;

● die Verbesserung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Offshore-
Windenergie durch das Gesetz zur Beschleunigung von Planungsverfahren
für Infrastrukturvorhaben im Bereich des Netzausbaus;

● die Ausbaupläne der Bundesregierung für die Branche mit dem Sonderpro-
gramm „Offshore-Windenergie“ der KfW Bankengruppe.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● ein Gesamtkonzept zur Offshore-Windenergie in Zusammenarbeit mit den
Küstenländern zu erarbeiten;

● die Raumordnungsplanung des Bundes zügig zu überarbeiten und so fortzu-
schreiben, dass die Offshore-Entwicklung langfristig sichergestellt ist;

● einen Stand der Technik für den Bau und Betrieb von Offshore-Windenergie-
anlagen zu formulieren;

● die Rechtsgrundlagen für die Genehmigung von Offshore-Windparks weiter-
zuentwickeln und die Seeanlagenverordnung zu novellieren;

● in die Evaluation der Abläufe und Zuständigkeiten im Genehmigungsverfah-
ren insbesondere die neuen Kompetenzen des Bundesamtes für Naturschutz
(BfN) einzubeziehen;

● sich in enger Zusammenarbeit mit den norddeutschen Küstenländern und den
EU-Nachbarländern für eine Beschleunigung der Genehmigungsverfahren
von Offshore-Windparks einzusetzen;

● sich für eine Harmonisierung der internationalen Regelungen zur Errichtung
von Offshore-Windparks einzusetzen;

● die Zuständigkeit für die Durchführung von Gefahrenabwehrmaßnahmen im
Bereich der Offshore-Windenergieanlagen klar zu definieren;

● die bestehenden Sicherheitskonzepte im Hinblick auf die besonderen Erfor-
dernisse von Offshore-Windparks zu überprüfen und gegebenenfalls weiter-
zuentwickeln;

● für eine ständige Anpassung der Notfallpläne für die deutschen Küsten an
Nord- und Ostsee entsprechend der aktuellen technischen Anforderungen zu
sorgen;

● für klare Zuständigkeiten und ausreichende Kapazitäten bei der Notfallver-
sorgung und -rettung bei Offshore-Anlagen zu sorgen;

● sich dafür einzusetzen, dass die nationalen Sicherheitskonzepte auf europä-
ischer Ebene stärker abgestimmt werden;

● für eine angemessene Personalzuweisung bei den Genehmigungs- und Auf-
sichtsbehörden Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie und BfN so-
wie den maritimen Sicherheitsbehörden zu sorgen und vor dem Hintergrund
der gestiegenen Anforderungen im Bereich der Sicherheit von Offshore-
Windenergieanlagen eine bundesgesetzliche Regelung der Aus- und Weiter-
bildung zu prüfen;

● sich für harmonisierte Standards beim Arbeitsschutz auf Offshore-Wind-
energieanlagen einzusetzen und auf europäischer und internationaler Ebene
entsprechende Initiativen zu ergreifen;

Drucksache 17/5237 – 10 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

● dafür Sorge zu tragen, dass die für den Arbeitsschutz zuständigen Berufsge-
nossenschaften im Rahmen der Selbstverwaltung ausreichend Personal für
die zusätzlichen Anforderungen bereitstellen;

● gemeinsam mit den Küstenländern den Ausbau einer zukunfts- und leistungs-
fähigen Netzinfrastruktur für die Offshore-Windparks voranzutreiben und die
notwendigen leistungsfähigen Anbindungen der Offshore-Windparks an das
deutsche Energienetz mit hoher Priorität abzuschließen;

● die durch verschiedene Netzstudien identifizierten Netzengpässe zu beseiti-
gen;

● Investitionshemmnisse zu beseitigen, um die Entwicklung der Windenergie-
nutzung zu beschleunigen;

● eine koordinierte Strategie zur Entwicklung der Infrastruktur im Offshore-
Bereich vorzulegen;

● sich gemeinsam mit den norddeutschen Küstenländern für den Ausbau einer
an den spezifischen Bedarfen der Offshore-Windindustrie angepassten Ha-
feninfrastruktur einzusetzen;

● beim Ausbau der nationalen Hafeninfrastruktur die besonderen Erfordernisse
der Offshore-Windenergiebranche zu berücksichtigen;

● die weitere Vernetzung der maritimen Wirtschaft mit der Offshore-Wind-
energiebranche politisch zu flankieren;

● weitere flankierende politischen Maßnahmen zum Ausbau der Offshore-
Windenergie zu prüfen, etwa die Förderung von Spezialschiffen im Rahmen
des Sonderprogramms „Offshore-Windenergie“ der KfW Bankengruppe;

● die Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation im Bereich Off-
shore-Windenergieanlagen umfassend auszubauen und entsprechende För-
dermittel im Bundeshaushalt vorzusehen;

● einen Schwerpunkt der Förderaktivitäten auf die Forschungsthemen Netz-
integration der Windenergie sowie Weiterentwicklung und Anpassung von
Windenergieanlagenkomponenten an Offshore-Bedingungen zu legen;

● die Entwicklung des Offshore-Ausbaus im Rahmen eines Monitoringprozes-
ses zu begleiten;

● die ökologische Begleitforschung unter Gesichtspunkten des Naturschutzes
und der Auswirkungen auf die Wasserkreisläufe auszubauen;

● ein Monitoring für die Umweltauswirkungen beim Bau und Betrieb von Off-
shore-Windanlagen aufzulegen.

6. Maritimer Umweltschutz

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Lebensraum Meer ist das größte zusammenhängende Ökosystem der Erde
und ein wichtiger Nahrungs- und Rohstofflieferant. Zugleich stellen die Meere
– gerade für eine Exportnation wie Deutschland – einen bedeutenden Wirt-
schaftsraum mit großen Perspektiven und Chancen dar.

Jedoch wurden die Meere in einem Irrglauben an die Unerschöpflichkeit der
Ressourcen und eine grenzenlose Regenerationsfähigkeit genutzt und übernutzt.
Die für die Meeresökosysteme derzeit wichtigsten globalen Probleme sind: die
Überfischung, der Eintrag gefährlicher Stoffe, die Überdüngung (Eutrophie-
rung), Verschmutzung durch Öl, das Einschleppen invasiver Arten sowie Ef-
fekte von Lärmquellen, die z. B. Meeressäuger stören und schädigen können. In

zunehmendem Maße wächst die Bedrohung der Meere durch den Klimawandel.
Wenn die globale Erwärmung nicht unterhalb der 2-Grad-Grenze bleibt, drohen

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11 – Drucksache 17/5237

ganze marine Ökosysteme zu verschwinden. Plastikmüll ist ein weltweites Pro-
blem und gefährdet in zunehmendem Maße unsere Meere und Küsten: Von den
jährlich bis zu 240 Millionen Tonnen produziertem Plastik landen nach Schät-
zungen des Umweltprogramms der Vereinten Nationen mehr als 6,4 Millionen
Tonnen Müll in den Ozeanen.

Einer der wesentlichen Nutzer der Meere ist die Seeschifffahrt, die rund 95 Pro-
zent des interkontinentalen Güterverkehrs bewältigt. Mit dem Wachstum des
Seeverkehrs nehmen auch die Umweltbelastungen durch Emissionen von Treib-
hausgasen und anderen Luftschadstoffen zu. Angesichts dieser Entwicklung
muss die Ökobilanz der Seeschifffahrt verbessert werden. Im Rahmen interna-
tionaler Gremien wie der International Maritime Organization hat sich Deutsch-
land bereits sehr erfolgreich für den Umwelt- und Klimaschutz in der Seeschiff-
fahrt eingesetzt und war maßgeblich an der Überarbeitung der Anlage VI des In-
ternationalen Übereinkommens zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch
Schiffe (MARPOL) beteiligt. Weitere Anstrengungen sind notwendig, um die
unterschiedlichen Nutzungsinteressen am Meer miteinander in Einklang zu
bringen.

II. Der Deutsche Bundestag begrüßt:

● den Beschluss des Umweltausschusses der UN-Seeschifffahrts-Organisation
IMO (IMO = International Maritime Organization), den Ausstoß von Stick-
oxiden für Schiffsneubauten weltweit ab 2011 zu senken;

● die Etablierung besonders strenger Grenzwerte in Stickstoffemissions-Über-
wachungsgebieten ab 2015.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● sektorspezifische Minderungsziele für die Treibhausgase bezogen auf die
Seeschifffahrt zu benennen, die einen signifikanten Beitrag des Schiffsver-
kehrs zum 2-Grad-Ziel bedeuten;

● sich im Rahmen internationaler Gremien wie der IMO für die Durchsetzung
der bereits verabredeten Regelungen zur Verbesserung des Umweltschutzes
in der Seeschifffahrt einzusetzen;

● sich auf internationaler Ebene für die Entwicklung weiterer marktbasierter
Maßnahmen als Bestandteil der umweltpolitischen Strategie einzusetzen, um
eine Reduzierung der schiffsbedingten Schadstoffemissionen zu erreichen;

● aktiv darauf hinzuwirken, im Rahmen der EU zu einer abgestimmten Position
hinsichtlich der Einbeziehung des Schiffsverkehrs in die Emissionsreduzie-
rungsverpflichtungen zu kommen, sollten die IMO bzw. die Klimarahmen-
konferenz bis Ende 2011 keine verbindlichen Klimaschutzmaßnahmen vor-
legen;

● dafür Sorge zu tragen, dass die verpflichtenden Maßnahmen nicht zu Aus-
weicheffekten wie der Ausflaggung aus deutschen Flaggen führen;

● sich für eine kontinuierliche Fortschreibung der Abgasgesetzgebung einzu-
setzen, insbesondere eine schrittweise Absenkung des weltweit höchstzuläs-
sigen Schwefelgehalts im Schiffskraftstoff und eine spürbare Senkung von
Stickoxiden und Partikeln;

● sich im Rahmen der EU bzw. der IMO dafür einzusetzen, dass in den Mee-
resgebieten der EU-Staaten weitere Schwefelemissionsüberwachungsgebiete
für die Schifffahrt (SECA) verbindlich eingerichtet werden;

● die Erweiterung der bisherigen SECA in ECA-Gebiete (ECA = Emission

Control Area) zu unterstützen;

Drucksache 17/5237 – 12 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

● sich für die Einführung regionaler Grenzwerte für Schadstoffemissionen in
EU-Gewässern einzusetzen;

● durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass es durch die Einrichtung
der SECA nicht zu weiteren Verkehrsverlagerungen vom See- auf den Land-
weg und damit zu einer Schwächung der Wettbewerbsposition der Kurz-
streckenseeverkehre kommt;

● sich für die Einführung von emissionsbezogenen Befahrungsabgaben für alle
europäischen Gewässer einzusetzen;

● darauf hinzuwirken, dass die Möglichkeiten für eine internationale Normung
von landseitigen Anschlüssen für die Stromversorgung der Schiffe in Häfen
unter wirtschaftlichen und ökologischen Aspekten geprüft werden;

● dafür Sorge zu tragen, dass nach der erfolgten Revision die Energiebesteue-
rungsrichtlinie der Europäischen Kommission möglichst rasch in nationales
Recht umgesetzt wird, um eine Befreiung des Landstroms von der Strom-
steuer zu ermöglichen;

● sich für eine internationale Standardisierung von bordseitigen Anschlüssen
an die Energieversorgung in Häfen einzusetzen;

● sich für die Klärung der Rahmenbedingungen für den Einsatz von Flüssig-
erdgas (LNG) stark zu machen;

● sich für die Etablierung eines international anwendbaren Umweltindexes ein-
zusetzen, der die Umweltverträglichkeit von Schiffen bewertet;

● sich für die Entwicklung von Zertifizierungsstandards auf EU-Ebene für ein
ökologisches und effizientes Clean Shipping einzusetzen;

● sich auf internationaler Ebene für die verbindliche Einführung des Energie-
effizienz-Index für Schiffsneubauten (Energy Efficiency Design Index –
EEDI) und der Energieeffizienz-Managementsplan (Ship Energy Efficiency
Management Plan – SEEMP) einzusetzen;

● sich für die Fortentwicklung von Maßnahmen zur Steigerung der Energieef-
fizienz von Schiffsneubauten und im Schiffsbetrieb einzusetzen;

● die Thematik alternativer Kraftstoffe bzw. Energieträger und innovativer An-
triebe in der Schifffahrt zu einem Schwerpunkt der Forschungs- und Förder-
politik des Bundes zu machen;

● das Förderprogramm „Schifffahrt und Meerestechnik für das 21. Jahrhun-
dert“ fortzusetzen und die Förderaktivitäten des Bundes mittels neuer Pro-
gramme zu intensivieren, um weitere Innovationspotentiale zu erschließen;

● sich für die Entwicklung praxisgerechter Lösungen für eine emissionsarme
Seeschifffahrt einzusetzen;

● die seeschifffahrtsbezogenen Umwelt- und Klimaschutzziele im Nationalen
Masterplan Maritime Technologien zu berücksichtigen;

● die Arbeiten für eine maritime Raumordnung auf europäischer Ebene aktiv
voranzubringen, um die unterschiedlichen Nutzungsinteressen in den Mee-
res- und Küstengebieten auszugleichen.

7. Maritime Technologien

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die deutsche Meerestechnik ist eine Hightech-Branche mit großem Wachstums-
potenzial. Vor dem Hintergrund der Ausbaupläne für die Offshore-Windenergie

und der zunehmenden Bedeutung von Sicherheit im Schiffsverkehr steht die
Branche vor wachsenden Anforderungen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13 – Drucksache 17/5237

Ihre Spitzenposition am Weltmarkt kann sie nur mit innovativen Systemtechno-
logien behaupten. Bereits in der vergangenen Legislaturperiode hat der Deut-
sche Bundestag eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um die Zukunftschancen
und Potenziale in der Meerestechnik besser zu nutzen. Diesen Weg gilt es fort-
zusetzen. Die Regierungsfraktionen haben es jedoch versäumt, in ihrem Koali-
tionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP konkrete Initiativen zur Förderung
der maritimen Meerestechnik vorzuschlagen.

II. Der Deutsche Bundestag begrüßt:

● die Förderung der Meeresforschung und -technologie im Rahmen der High-
tech-Strategie der Bundesregierung;

● die Bündelung aller Kräfte in Leuchtturmprojekten mit dem Ziel, die System-
fähigkeit deutscher Entwicklung voranzutreiben.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● den „Nationalen Masterplan Maritime Technologien“ zur Unterstützung der
meerestechnischen Industrie bis zur Siebten Nationalen Maritimen Konfe-
renz in Wilhelmshaven vorzulegen;

● sich für eine abgestimmte Politik von Bund und Ländern im Bereich der ma-
ritimen Technologien einzusetzen;

● die Bereiche Forschung, Entwicklung und Innovation stärker in die maritime
Koordinierung der Bundesregierung einzubeziehen;

● die Mittel im Rahmen des Förderprogramms „Schifffahrt und Meerestechnik
im 21. Jahrhundert“ aufzustocken;

● die Förderprogramme in Deutschland stärker zu koordinieren, um einen Bei-
trag zur Erhöhung der Innovations- und Leistungsfähigkeit des maritimen
Standortes Deutschland zu leisten;

● verstärkt „Leuchtturmprojekte“ zu fördern, die zur Entwicklung von De-
monstrationsprojekten und zum Technologietransfer zwischen Wissenschaft
und Wirtschaft beitragen; zum Beispiel in der Entwicklung von Versorgungs-
und Sicherungssystemen für Offshore-Windparks, von Geräten zum Meeres-
bergbau etc.;

● sich auf europäischer Ebene für die Entwicklung einer gemeinsamen For-
schungs- und Förderstrategie für den maritimen Bereich einzusetzen;

● die Einbringung der deutschen Interessen in Bezug auf die EU-Förderpro-
gramme besser zu koordinieren;

● die Forschungskooperation, insbesondere mit den Anrainerstaaten der Nord-
und Ostsee, zu verstärken;

● die Finanzierungsinstrumente für die mittelständische Wirtschaft zu überprü-
fen und im Rahmen von Förderzielen ggf. neue Perspektiven zu eröffnen;

● in Zusammenarbeit mit den Küstenländern und der Wirtschaft die gezielte
Entwicklung neuer Ausbildungs- und Weiterbildungsangebote zu unterstüt-
zen, um das System der dualen Berufsausbildung zu stärken;

● den Ausbau von Bildung und Ausbildung im Ingenieurbereich der maritimen
Industrie zu fördern;

● die Exportunterstützung des Bundes fortzusetzen, um die wirtschaftliche Ver-
wertung und internationale Vermarktbarkeit maritimer Technologien und die
Erschließung ausländischer Märkte zu unterstützen;

Drucksache 17/5237 – 14 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

● das Engagement des Bundes bei der öffentlichen Präsentation maritimer
Technologien, insbesondere im Ausland und bei Messen, auszuweiten.

8. Fischerei

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Fischerei ist die älteste maritime Wirtschaftsform. Sie hat in den Küsten-
regionen einen erheblichen Anteil an der Wertschöpfung und ist darüber hinaus
von enormer Bedeutung für andere Wirtschaftszweige, so z. B. für die Werft-
industrie und den Tourismus. Fischkutter sind gerade in kleineren Häfen ein un-
verzichtbarer und prägender Bestandteil.

Daneben ist die Fischwirtschaft ein wichtiger Bestandteil der maritimen Wirt-
schaft. Die norddeutsche fischverarbeitende Industrie gehört innerhalb der EU
zu der größten und leistungsfähigsten Industrie und bietet vor allem in den struk-
turschwachen Küstenregionen Arbeitsplätze und Zukunftsperspektiven.

In der Vergangenheit musste die Fischerei immer öfter anderen Wirtschaftsfor-
men weichen. Ob Sand- und Kiesabbau, Offshore-Windkraftanlagen, Flussver-
tiefungen oder Ölbohrinseln – durch all diese Nutzungen gingen Fanggründe
verloren. Diese Tendenz wird sich in Zukunft deutlich verstärken. Vor allem
durch den Bau von Offshore-Windparks werden die Flächenkonkurrenzen in
Nord- und Ostsee zunehmen.

Die Fischerei soll aber weiterhin integraler Bestandteil vitaler Küstenregionen
sein. Daher muss die Fischerei als gleichberechtigte maritime Wirtschaftsform
betrachtet werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● die Fischereiwirtschaft an der Siebten Nationalen Maritimen Konferenz zu
beteiligen;

● den Verlust von Fanggründen soweit wie möglich zu verhindern oder andern-
falls einen finanziellen Ausgleich für erlittene Flächenverluste vorzusehen;

● die Berufsausübung der Fischer sicherzustellen und deren Perspektiven zu
verbessern;

● sich für den Bestand der geltenden Relativen Stabilität (Quoten) einzusetzen;

● die nachhaltige Nutzung der Meeresressourcen zu fördern;

● finanzielle Unterstützung bei der Entwicklung alternativer Fischereimetho-
den bereitzustellen;

● den Ausbau der marinen Aquakultur zu unterstützen und zu fördern;

● die deutsche Fischereiforschung zu intensivieren und international wettbe-
werbsfähig zu halten;

● sich für die Reduzierung des bürokratischen Aufwandes bei der Umsetzung
der Gemeinsamen Fischereipolitik der Europäischen Union einzusetzen.

Berlin, den 23. März 2011

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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