BT-Drucksache 17/5045

Rechtsextremistische Einstellungen im Sport konsequent bekämpfen - Toleranz und Demokratie nachhaltig fördern

Vom 16. März 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5045
17. Wahlperiode 16. 03. 2011

Antrag
der Abgeordneten Martin Gerster, Sönke Rix, Sabine Bätzing-Lichtenthäler,
Petra Ernstberger, Iris Gleicke, Gabriele Fograscher, Dagmar Freitag,
Daniela Kolbe (Leipzig), Ute Kumpf, Steffen-Claudio Lemme, Caren Marks,
Thomas Oppermann, Mechthild Rawert, Axel Schäfer (Bochum), Brigitte Zypries,
Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Rechtsextremistische Einstellungen im Sport konsequent bekämpfen –
Toleranz und Demokratie nachhaltig fördern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Zu den herausragenden gesellschaftlichen Leistungen des Sports gehört seine
Fähigkeit, Brücken zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft zu bauen,
nationale und kulturelle Grenzen zu überwinden und Werte wie Respekt,
Fairness und wechselseitige Anerkennung zu vermitteln. Der Sport kann das Er-
scheinungsbild eines Landes nach innen und außen positiv beeinflussen und zu
einem besseren Miteinander in unserem demokratischen Gemeinwesen bei-
tragen. Das hat im Bereich des Spitzensports die Fußballweltmeisterschaft 2006
in Deutschland als international vielbeachtetes Großereignis gezeigt. Auch
abseits der Medienöffentlichkeit leistet gerade der Breitensport tagtäglich
unschätzbare Beiträge, indem er die unterschiedlichsten Menschen erreicht,
zusammenbringt und hierdurch gelebte gesellschaftliche Integration ermöglicht.

In jüngerer Vergangenheit hat auch das politische Spektrum der extremen
Rechten den Sport als Mittel entdeckt, um Rassismus, Nationalismus, Anti-
semitismus und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in die
Gesellschaft hineinzutragen. Rechtsextremisten versuchen gezielt, Sportvereine
als Plattform für die Verbreitung ihrer Ansichten zu instrumentalisieren und
Sportveranstaltungen als Bühne für ihre öffentliche Selbstdarstellung zu miss-
brauchen. Dabei treten sie zum Teil als aktive Sportlerinnen und Sportler in Er-
scheinung, streben im organisierten Sport Positionen als Trainer, Vorstandsmit-
glieder oder Sponsoren an oder versuchen, ihre menschenverachtende Ideologie
vom Zuschauerbereich aus zu verbreiten. Wie sozialwissenschaftliche Studien
immer wieder bestätigen, machen rechtsextreme Wertemuster und Einstellun-
gen vor Milieu- und Altersgrenzen keinen Halt. Folglich betreffen sie auch den
Amateur- und den Profisport, wo sie in den unterschiedlichsten Klassen und
Ligen anzutreffen sind. Es steht zu befürchten, dass die Aktivitäten der extremen

Rechten gerade im angeblich politikfernen Feld des Sports auf fruchtbaren
Boden fallen könnten.

Es gilt deshalb, unsere Verbände und Vereine, Funktionärinnen und Funktionäre
und vor allem die dort aktiven Sportlerinnen und Sportler für diese Problematik
zu sensibilisieren und sie im Kampf gegen die entsprechenden Tendenzen zu
unterstützen. So hat der Sportausschuss des Deutschen Bundestages in der ver-

Drucksache 17/5045 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

gangenen Legislaturperiode erste wichtige Schritte unternommen, um diesem
Thema die notwendige öffentliche Aufmerksamkeit zu sichern. Im November
2008 war die Problematik Gegenstand einer Anhörung des Sportausschusses.
Wie sich damals zeigte, bietet insbesondere die Arbeit von Fanprojekten große
Chancen, erfolgreich gegen die Verbreitung rassistischer, antisemitischer und
anderer menschenverachtender Werte- und Einstellungsmuster, wie Sexismus
oder Homophobie, im Sport anzugehen. Im Bereich des Fußballs konnten zeit-
lich befristete Modellprojekte – wie die bei der Deutschen Sportjugend angesie-
delte Initiative „am Ball bleiben“ – wichtige Beiträge leisten, Gefährdungen
durch Rassismus und Diskriminierung im Sport zu analysieren und konkrete
Gegenmaßnahmen zu entwickeln. Wie im gesamten Bereich der Rechts-
extremismusbekämpfung steht auch hier die Befristung der entsprechenden
Maßnahmen der – für eine erfolgreiche Arbeit notwendigen – Kontinuität des
Engagements entgegen.

Insofern ist prinzipiell zu begrüßen, dass die Bundesregierung die entspre-
chende Thematik mit der Initiative „Verein(t) gegen Rechtsextremismus –
Handlungskonzept von Sport und Politik zur Förderung von Toleranz, Respekt
und Achtung der Menschenwürde“ wieder aufgegriffen hat. Um einen nach-
haltigen Erfolg der darin vorgesehenen Sensibilisierungs-, Präventions- und
Interventionsmaßnahmen zu gewährleisten, gilt es jedoch, von Regierungsseite
die optimale Unterstützung der Vereine und Verbände, denen die Umsetzung
des Handlungskonzeptes letztendlich obliegt, dauerhaft sicherzustellen. Dabei
ist es unabdingbar, die Belastungsgrenzen der ehrenamtlich im Verein Aktiven
zu berücksichtigen und den Einsatz der im Kampf gegen extremistische
Umtriebe engagierten Menschen angemessen zu würdigen. Um die Zivil-
gesellschaft allgemein zu stärken, zu sensibilisieren und unverzichtbares Sach-
wissen zu vermitteln, ist es überdies notwendig, die Auseinandersetzung mit
dem Thema Sport und Rechtsextremismus sowohl in der wissenschaftlichen
Forschung als auch in der politischen Bildungsarbeit kontinuierlich voranzu-
treiben.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. zeitnah einen Bericht vorzulegen, der detailliert darlegt, wo extremistische
bzw. verfassungsfeindliche Bestrebungen im Sport bzw. in dessen Umfeld
existieren. Dazu ist eine Erhebung konkreter Fallzahlen, aufgeschlüsselt
nach Bundesländern, betroffenen Sportarten und den jeweils zu beobachten-
den Formen des Extremismus, notwendig;

2. den Entwicklungen im Bereich „Extremismus und Sport“ (über die Vor-
stellung von Einzelinitiativen und Institutionen hinaus) in künftigen Sport-
berichten ein eigenes, ausführliches Kapitel zu widmen, das auch die oben
genannten Fragestellungen regelmäßig aufgreift;

3. Verbände und Vereine bei der Umsetzung der Handlungsempfehlungen
dauerhaft zu unterstützen. Das schließt die Schaffung dauerhafter Förder-
strukturen ein, auf die Initiativen im Bereich der Rechtsextremismus-
bekämpfung zurückgreifen zu können, um dem Sport bei der Bekämpfung
rechtsextremer Einstellungsmuster zu assistieren;

4. davon unabhängig weiterhin und verstärkt Modellprojekte zu initiieren und
zu fördern, die sich dem Themenfeld der Rechtsextremismusprävention im
Sportbereich widmen;

5. die Einführung des in dem Handlungskonzept vorgeschlagenen Gütesiegels,
das der notwendigen Stärkung und Sensibilisierung der Vereine dienen soll,
zügig voranzutreiben. Im Dialog mit dem organisierten Sport muss sicher-

gestellt werden, dass die im Kontext des Gütesiegels vereinbarten Regelun-
gen bei so vielen Vereinen wie möglich umgesetzt werden;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5045

6. in enger Kooperation mit dem organisierten Sport dafür Sorge zu tragen,
dass alle Landessportbünde ihren Mitgliedern Ansprechpartner und Hilfe-
stellungen bei der Umsetzung des Handlungskonzeptes zur Verfügung
stellen. Die ehrenamtlichen Strukturen, speziell im Falle kleinerer Vereine,
dürfen durch die Umsetzungen der Handlungsempfehlungen nicht über-
fordert werden;

7. zusätzliche Mittel für die wissenschaftliche Erforschung des „Problemfeldes
Rechtsextremismus und Sport“ bereitzustellen und die politische Bildungs-
arbeit in diesem Bereich stärker zu fördern;

8. im Dialog mit dem Bundesrat darauf hinzuwirken, dass antiextremistische
Fanprojektarbeit und andere zivilgesellschaftliche Initiativen, die sich gegen
Rechtsextremismus engagieren, auch von Seiten der Länder und Kommunen
angemessen unterstützt werden. Das schließt die faire Beteiligung aller
Seiten bei gemeinsamen Finanzierungsmodellen ein.

Berlin, den 15. März 2011

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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