BT-Drucksache 17/4998

Vergangenheitsaufarbeitung des Bundesamtes für Verfassungsschutz

Vom 9. März 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4998
17. Wahlperiode 09. 03. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Ulla Jelpke, Petra Pau, Jens Petermann,
Raju Sharma, Frank Tempel, Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Vergangenheitsaufarbeitung des Bundesamtes für Verfassungsschutz

Nachdem der Bundesnachrichtendienst (BND) nach langem Anlauf sich zur
wissenschaftlichen Aufarbeitung seiner Frühgeschichte und der damit einher-
gehenden Verstrickungen in die NS-Vergangenheit entschieden hat, will auch
das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) seine Frühgeschichte wissenschaft-
lich erforschen lassen und dabei vor allem die personellen Kontinuitäten zu
Funktionsträgern des NS-Regimes untersuchen. Zu diesem Zweck wurde über
das Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern (BMI) ein dreijähri-
ges Forschungsprojekt ausgeschrieben, auf das sich Wissenschaftler und Wis-
senschaftlerinnen bewerben können. An der Form der Ausschreibung und an
den interessierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zugänglich ge-
machten „Leistungsanforderungen“ gab es massive Kritik, die sich vor allem auf
die befürchtete Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit durch zu restriktive
Vorgaben seitens des Auftraggebers bezogen (vgl. FAZ vom 11. Januar 2011).
Der Präsident des BfV, Heinz Fromm, sah sich aufgrund dieser Vorwürfe veran-
lasst, eine Entgegnung zu publizieren und die Erwartungen des BfV an das For-
schungsvorhaben zu skizzieren (vgl. FAZ vom 24. Januar 2011).

Streitpunkt in der Auseinandersetzung ist, wie schon beim Forschungsprojekt
zur Geschichte des BND, die Frage, inwieweit Akten eines arbeitenden Geheim-
dienstes für die Forschung zur Verfügung stehen, bzw. inwieweit eine unab-
hängige und freie Forschung mit den von den Diensten vorgegebenen Bedingun-
gen möglich ist.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche inhaltlichen Vorgaben werden in den Leistungsbeschreibungen zur
Untersuchung der Frühgeschichte des BfV genau formuliert, und wurden
diese Vorgaben im BfV oder im BMI erarbeitet?

2. Wurden die von den potenziellen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen
geforderten Sicherheitsüberprüfungen auch für andere vergleichbare Pro-
jekte angewandt, wenn ja für welche, und muss die Historikerkommission
zur Aufarbeitung der Geschichte des BND die gleichen Sicherheitsüberprü-

fungen über sich ergehen lassen?

3. Wie sieht die genaue gesetzliche Grundlage für diese Sicherheitsüberprüfun-
gen aus?

4. Wie wird vonseiten des BMI bzw. des BfV die wissenschaftliche Unabhän-
gigkeit der noch zu bestimmenden Historikerkommission zur Erforschung
der Frühgeschichte des BfV gewahrt?

Drucksache 17/4998 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
a) Wem obliegt die Entscheidung darüber, welche Themen im Rahmen des
Forschungsvorhabens vonseiten der Wissenschaftlerinnen und Wissen-
schaftler bearbeitet werden sollen, und wer entscheidet im Falle von
inhaltlichen Divergenzen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer?

b) Wie wird der Zugang zu Akten und Dokumenten des BfV für die Wissen-
schaftlerinnen und Wissenschaftler geregelt, und wie verhält es sich mit
Verschlusssachen bzw. als geheim eingestufte Akten?

c) Werden die auszuwählenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
eine Gesamtübersicht über die Aktenbestände inklusive klassifizierter
Akten des BfV erhalten, und werden sie selbst eine Auswahl der für ihre
Arbeit wichtigen Akten treffen können?

d) Wer entscheidet im Rahmen der halbjährigen Workshops zum Fortgang
der Arbeit über die weitere Ausrichtung dieser Arbeit, und bei wem liegt
die letztendliche Entscheidung darüber im Falle divergierender Auffas-
sungen?

e) Wer wählt die vom Präsidenten des BfV, Heinz Fromm, in einem Beitrag
in der „FAZ“ vom 24. Januar 2011 erwähnten wissenschaftlichen Berater,
die als „neutrale Aufsichtsinstanz“ vorgesehen sind, aus, und hat das BMI
bzw. das BfV schon Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dafür an-
gesprochen, und wenn ja, wen?

5. Wie viele laufende Meter umfasst der für das geplante Forschungsvorhaben
des BfV notwendige Aktenbestand nach Einschätzung der Bundesregierung,
und wie viele dieser laufenden Meter sind im Bundesarchiv bzw. in den Be-
ständen des BfV zu finden?

6. Hat das BfV die von ihm verwahrten und bisher nicht an das Bundesarchiv
abgegebenen Akten vollständig erschlossen, liegen die entsprechenden archi-
valischen Findmittel vor, und werden die auszuwählenden Wissenschaftle-
rinnen und Wissenschaftler den gesamten für das Forschungsvorhaben wich-
tigen Aktenbestand des BfV einsehen und auswerten können?

7. Wer entscheidet darüber, welche Akten für das Forschungsvorhaben als rele-
vant zu betrachten sind, und welche nicht?

8. Werden die Ergebnisse des Forschungsvorhabens in jedem Fall publiziert,
und wie verhält es sich mit den Angaben zu Personen, die als ehemalige Mit-
arbeiter des BfV Gegenstand der Untersuchung sein könnten?

9. Wie viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben sich bis zum
1. Februar 2011 auf die Ausschreibung zur Erforschung der Frühgeschichte
des BfV beworben, und wie viele Personen soll die auszuwählende Forscher-
gruppe umfassen, und bis wann wird vonseiten der Bundesregierung eine
Entscheidung über die Zusammensetzung der Forschergruppe getroffen?

Berlin, den 4. März 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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