BT-Drucksache 17/4892

zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Birgitt Bender, Cornelia Behm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 17/4015 - Umsetzung der EU-Health-Claims-Verordnung voranbringen

Vom 23. Februar 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4892
17. Wahlperiode 23. 02. 2011

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
(10. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Birgitt Bender, Cornelia Behm,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 17/4015 –

Umsetzung der EU-Health-Claims-Verordnung voranbringen

A. Problem

Mit der zum 1. Juli 2007 in Kraft getretenen Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert-
und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel, der so genannten Health-
Claims-Verordnung, soll sichergestellt werden, dass künftig Nahrungsergän-
zungsmittel und Lebensmittel nur dann mit gesundheitsbezogenen Angaben ver-
sehen und beworben werden dürfen, wenn diese Angaben auch wissenschaftlich
belegt sind. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bemängelt, dass die er-
forderliche Festlegung der Nährwertprofile für die einzelnen Lebensmittelgrup-
pen im Rahmen der so genannten Health-Claims-Verordnung bisher nicht von
der EU-Kommission vorgenommen worden ist. Mit dem Antrag auf Drucksache
17/4015 der Fraktion BÜNDINS 90/DIE GRÜNEN soll die Bundesregierung
insbesondere aufgefordert werden, sich zügig für eine Umsetzung der Nährwert-
profile einzusetzen, die sich an ernährungswissenschaftlichen Kriterien orien-
tiert und nur diejenigen Lebensmittel für eine gesundheitsbezogene Werbung
qualifiziert, die in ihrer Gesamtzusammensetzung einer gesunden Ernährung för-
derlich sind.

B. Lösung

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
C. Alternativen

Annahme des Antrags auf Drucksache 17/4015.

D. Kosten

Wurden nicht erörtert.

Drucksache 17/4892 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 17/4015 abzulehnen.

Berlin, den 15. Dezember 2010

Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

Hans-Michael Goldmann
Vorsitzender

Carola Stauche
Berichterstatterin

Kerstin Tack
Berichterstatterin

Dr. Christel Happach-Kasan
Berichterstatterin

Karin Binder
Berichterstatterin

Ulrike Höfken
Berichterstatterin

lung von Nährwertprofilen verzichtet werden, da diese
allgemein bekannt sind bzw. geringen Schwankungen be- – Dr. Petra-Alina Unland.
züglich der Inhaltsstoffe unterworfen sind. Zudem ist de-
ren Zusammensetzung vom Hersteller kaum beeinfluss-
bar. Anders als Süßwaren sollen landwirtschaftliche Pri-
märprodukte jedoch nicht von einer möglichen Quali-

Die Ergebnisse sind in die Beratungen des Ausschusses ein-
geflossen. Die schriftlichen Stellungnahmen der geladenen
Sachverständigen und Einzelsachverständigen – Ausschuss-
drucksachen 17(10)253-A neu, 17(10)253-B neu,
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4892

Bericht der Abgeordneten Carola Stauche, Kerstin Tack,
Dr. Christel Happach-Kasan, Karin Binder und Ulrike Höfken

I. Überweisung

Der Antrag auf Drucksache 17/4015 wurde in der 78. Sit-
zung des Deutschen Bundestages am 2. Dezember 2010 dem
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucher-
schutz zur federführenden Beratung überwiesen und dem
Ausschuss für Gesundheit sowie dem Ausschuss für die An-
gelegenheiten der Europäischen Union zur Mitberatung
überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Mit der zum 1. Juli 2007 in Kraft getretenen Verordnung
(EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesund-
heitsbezogene Angaben über Lebensmittel, der so genannten
Health-Claims-Verordnung, soll sicher gestellt werden, dass
künftig Nahrungsergänzungsmittel und Lebensmittel nur
dann mit gesundheitsbezogenen Angaben versehen und be-
worben werden dürfen, wenn diese Angaben auch wissen-
schaftlich belegt sind. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN bemängelt, dass die erforderliche Festlegung der
Nährwertprofile für die einzelnen Lebensmittelgruppen im
Rahmen der so genannten Health-Claims-Verordnung bisher
nicht von der EU-Kommission durchgeführt worden ist. Die
Nährwertprofile hätten bis Januar 2009 erstellt werden müs-
sen. Nach ihrer Ansicht unterläuft der Verzug den angestreb-
ten Schutz der so genannten Health-Claims-Verordnung. Bis
zur Festlegung der Profile dürfen Lebensmittel mit nährwert-
und gesundheitsbezogenen Angaben gemäß Artikel 28 der
Verordnung weiterhin in Verkehr gebracht werden.

Mit dem Antrag auf Drucksache 17/4015 der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN soll die Bundesregierung ins-
besondere aufgefordert werden,

– sich im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher für
eine zügige Umsetzung der Nährwertprofile einzusetzen,
die sich an ernährungswissenschaftlichen Kriterien orien-
tiert und nur diejenigen Lebensmittel für eine gesund-
heitsbezogene Werbung qualifiziert, die in ihrer Gesamt-
zusammensetzung einer gesunden Ernährung förderlich
sind. Der Ansatz der Nährwertprofile muss wissen-
schafts-, nicht wirtschaftsbasiert sein;

– dafür einzutreten, dass die Kategorie der Süßwaren von
der Erstellung von Nährwertprofilen ausgenommen
bleibt, da diese aufgrund ihrer Zusammensetzung per se
für Gesundheitswerbung ungeeignet sind. Für landwirt-
schaftliche Primärprodukte soll ebenfalls auf die Erstel-

– sich gegen geplante Ausnahmen von den Nährwertpro-
filen, zum Beispiel für so genannte traditionelle Lebens-
mittel einzusetzen. Die Voraussetzungen für die Quali-
fizierung für gesundheitsbezogene Angaben müssen nach
Lebensmittelgruppen (Milchprodukte, Backwaren, nicht-
alkoholische Getränke etc.) getroffen werden, die dem
Stellenwert des Lebensmittels in der Gesamternährung
Rechnung tragen, und nicht anhand von Herstellungswei-
sen.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Ausschuss für Gesundheit hat in seiner 27. Sitzung am
15. Dezember 2010 den Antrag auf Drucksache 17/4015 be-
raten und mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den
Antrag auf Drucksache 17/4015 abzulehnen.

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union hat in seiner 28. Sitzung am 15. Dezember 2010 den
Antrag auf Drucksache 17/4015 beraten und mit den Stim-
men der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stim-
men der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion der SPD emp-
fohlen, den Antrag auf Drucksache 17/4015 abzulehnen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im
federführenden Ausschuss

1. Öffentliche Anhörung

Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
cherschutz hat in seiner 22. Sitzung am 6. Oktober 2010 eine
öffentliche Anhörung zu dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 17/4015 durchgeführt.

Folgende Sachverständige sowie Einzelsachverständige hat-
ten Gelegenheit zur Stellungnahme:

Sachverständige

– Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e. V.
(BLL)

– Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)

– Bundesverband für Lebensmittelkontrolleure e. V.

– Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE)

– Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. (vzbv).

Einzelsachverständige

– Sofie Krogh Holm
fizierung für so genannte Health Claims ausgeschlossen
werden;

17(10)253-C, 17(10)253-D, 17(10)253-E, 17(10)253-F und
17(10)243-G – sowie nicht angeforderte Stellungnahmen –

Drucksache 17/4892 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Ausschussdrucksachen 17(10)250neu, 17(10)259 und
17(10)281 – als auch das Wortprotokoll der öffentlichen An-

basiert und sei nicht ideologisch beeinflussbar. Die Tatsache,
dass fast allen Menschen Süßigkeiten gut schmeckten, solle
hörung vom 6. Oktober 2010 sind der Öffentlichkeit über die
Webseite des Deutschen Bundestages www.bundestag.de zu-
gänglich.

2. Abschließende Beratung

In seiner 27. Sitzung am 15. Dezember 2010 hat der Aus-
schuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf
Drucksache 17/4015 abschließend beraten.

Die Fraktion der CDU/CSU betonte, für die Umsetzung der
so genannten Health-Claims-Verordnung bedarf es eines
Verordnungsentwurfes der EU-Kommission, welcher zu-
nächst den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament
vorgelegt werden müsse. Daher seien die derzeitigen Ein-
flussmöglichkeiten begrenzt. Der Verordnungsentwurf kön-
ne erst dann beraten werden, wenn er tatsächlich vorliege.
Die Bundesregierung und insbesondere die Bundes-
ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucher-
schutz sei mit der EU-Kommission bei der Umsetzung der so
genannten Health-Claims-Verordnung im ständigen Ge-
spräch. Die Fraktion der CDU/CSU setze sich für eine
vernünftige und wissenschaftsbasierte Kennzeichnung von
Lebensmitteln ein. Unübersichtliche, zu lange und nicht wis-
senschaftliche Angaben bei der Kennzeichnung von Lebens-
mitteln seien abzulehnen. Die Fraktion halte den Bürger für
mündig. Er könne selbst entscheiden, welches ordentlich ge-
kennzeichnete Lebensmittel er kaufen möchte. Die Fraktion
der CDU/CSU lehne vor diesem Hintergrund den Antrag auf
Drucksache 17/4015 ab.

Die Fraktion der SPD sprach sich für eine wissenschaftsba-
sierte Regulierung von gesundheitsbezogener Werbung aus.
Deswegen unterstütze sie die so genannte Health-Claims-
Verordnung, auch wenn ihre Umsetzung bei der verantwort-
lichen Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit
(EFSA) derzeit nicht reibungslos verlaufe. Gerade im Be-
reich der Nährwertprofile sei die bisherige Umsetzung nicht
ausreichend und müsse dringend nachgebessert werden.
Deswegen werde die Fraktion der SPD den Antrag, der in die
richtige Richtung gehe, unterstützen. Die Bundesregierung
solle nochmals darlegen, wie ihre derzeitige Verhandlungs-
strategie sei und wie sich Deutschland auf europäischer
Ebene weiter positionieren werde. Bei der Umsetzung der so
genannten Health-Claims-Verordnung sei es aus Sicht der
Fraktion der SPD dringend notwendig, deutlich Stellung zu
beziehen. Besonderes Augenmerk müsse der Abgrenzung
der so genannten Claims zwischen dem Lebensmittel- und
dem Arzneimittelbereich gelten.

Die Fraktion der FDP erklärte, ein Verordnungsentwurf lie-
ge noch nicht vor. Daher sei die intensive Befassung mit der
Umsetzung der so genannten Health-Claims-Verordnung
zum jetzigen Zeitpunkt verfrüht. Die Vorhaltungen, bei der
EFSA gebe es ein Defizit an Transparenz und Wissenschaft-
lichkeit, seien substanzlos. Die EFSA arbeite wissenschafts-

nicht zu der generellen Feststellung führen, Süßigkeiten sei-
en in jedem Fall ungesund. Dieser Feldzug gegen Süßigkei-
ten sei nicht richtig. Kinder würden essen, was ihnen schme-
cke, vor allem Süßes. Die Vorliebe für Süßes sei angeboren.
Ihr entgegenzuwirken, dass sei wissenschaftsbasierte Er-
kenntnis, sei falsch. Dies führe letztendlich dazu, dass mehr
Süßigkeiten gegessen würden als notwendig. Die Fraktion
der FDP plädiere ebenfalls für eine klare Trennung von
Lebens- und Arzneimitteln, in diesem Punkt sei man sich mit
den Antragstellern einig. Die Fraktion der FDP werde den
Antrag ablehnen.

Die Fraktion DIE LINKE. führte aus, Nährwertprofile sei-
en eine Voraussetzung dafür, ungesunde Lebensmittel nicht
mit gesundheitsbezogener Werbung versehen zu können.
Süßwaren seien immer ungesund. Daran ändere auch eine
Anreicherung mit Vitamin C nichts. Die Nährwertprofile hät-
ten umgehend bis Anfang 2009 von Seiten der EU beschlos-
sen werden müssen. Nach ihrer Auffassung übe die Lebens-
mittellobby Druck auf die EU-Kommission, den zuständigen
EU-Kommissar und die EFSA aus. So würden erste Ausnah-
men bei den Nährwertprofilen gemacht und die Werte für die
so genannten Claims erhöht. Die Fraktion DIE LINKE. be-
werte die gesundheitsbezogene Werbung von Lebensmitteln
grundsätzlich kritisch. Lebensmittel seien keine Arzneimit-
tel, sonst müssten sie in der Apotheke verkauft werden und
hätten neutral zu sein. Gesundheitsbezogene Angaben dien-
ten vor allem der Absatzförderung eines übersättigten
Lebensmittelmarktes. Aus ihrer Sicht sei die so genannte
Health-Claims-Verordnung ein Kompromiss, der die gesund-
heitsbezogene Werbung in Bahnen lenken und die Verbrau-
cherinnen und Verbraucher vor Irreführungen schützen solle.
Die Fraktion DIE LINKE. unterstütze den Antrag.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wies darauf
hin, dass es bei der so genannten Health-Claims-Verordnung
darum gehe, die Verbraucherinnen und Verbraucher vor irre-
führender Werbung, insbesondere im Bereich der Gesund-
heitswerbung, zu schützen. Wer den beworbenen Nutzen
nicht nachweisen könne, der sollte damit auch nicht mehr
werben dürfen. Dann seien unter anderen gesundheitsför-
dernden Werbeaussagen, wie sie zum Beispiel auf einer
Schokolade erschienen sei, nicht mehr möglich. Von 44 000
beantragten so genannten Claims seien jetzt 4 600 übrig ge-
blieben. Voraussetzung für die Umsetzung der Verordnung
sei die Festlegung auf Nährwertprofile für bestimmte Le-
bensmittelgruppen. Die bis heute von der EU-Kommission
gemachten Vorschläge bewerte die Fraktion negativ. Es sei
auch zu befürchten, dass von Seiten der Lebensmittelwirt-
schaft Druck ausgeübt und der ganzen Verordnung dann ihre
Grundlage entzogen werde. Die Fraktion fordere eine rasche
Verabschiedung von ernährungswissenschaftlich fundierten
Nährwertprofilen und spreche sich gegen die tranchenweise
Freigabe von so genannten Claims aus. Eine effektive
Kontrolle sei unmöglich, wenn sich auf dem Markt Parallel-
systeme befänden.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/4892

Als Ergebnis der Beratungen empfiehlt der Ausschuss für
Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz dem
Deutschen Bundestag:

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 17/4015 mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die
Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN.

Berlin, den 15. Dezember 2010

Carola Stauche
Berichterstatterin

Kerstin Tack
Berichterstatterin

Dr. Christel Happach-Kasan
Berichterstatterin

Karin Binder
Berichterstatterin

Ulrike Höfken
Berichterstatterin

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