BT-Drucksache 17/4637

Zusammenarbeit der Spezialeinheiten von Bundespolizei und Bundeswehr

Vom 3. Februar 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4637
17. Wahlperiode 03. 02. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Inge Höger, Christine Buchholz, Petra Pau,
Jens Petermann und der Fraktion DIE LINKE.

Zusammenarbeit der Spezialeinheiten von Bundespolizei und Bundeswehr

Einem Bericht von „SPIEGEL ONLINE“ vom 15. Januar 2011 zufolge strebt
die Bundesregierung eine enge Zusammenarbeit der Spezialeinheiten von
Bundespolizei und Bundeswehr an. Ein entsprechendes Konzept werde derzeit
erstellt. Ziel solle es sein, Entführungen im Ausland „möglichst schnell und
ohne fremde Hilfe“ zu beenden. „Grundsätzlich wird nun die Bundespolizei für
solche Einsätze verantwortlich sein, unterstützt von der Bundeswehr mit Mate-
rial und Spezialkräften“, berichtet „SPIEGEL ONLINE“. Weiter wird ein Spre-
cher des Bundesministeriums des Innern mit den Worten zitiert: „Bundespolizei
und Bundeswehr erarbeiten zurzeit die Grundlagen für das Zusammenwirken
ihrer Spezialeinheiten.“ Als mögliche Szenarien beschreibt der Artikel aus-
schließlich Fälle von Piraterie.

Seit Jahren ist zu beobachten, dass die Grenzen zwischen Polizei und Militär auf-
geweicht werden. Im Inland unterstützt die Bundeswehr auf dem Wege soge-
nannter Amtshilfemaßnahmen häufig polizeiliche Einsätze – in der Regel aller-
dings, ohne dass Soldaten selbst hoheitliche Aufgaben wahrnehmen. Im Ausland
bringt sich die Bundeswehr wiederum in polizeiliche Aufgaben ein, wie im Falle
der Pirateriebekämpfung oder der Polizeiausbildung in Afghanistan.

Ein koordiniertes Zusammenwirken von GSG 9 der Bundespolizei und KSK
(Kommando Spezialkräfte) würde den Trend zur Militarisierung der Polizei
und zugleich zur Aufgabenerweiterung des Militärs fortsetzen. Damit wird der
verfassungsrechtliche Grundsatz der Trennung von Polizei und Militär einmal
mehr in Frage gestellt. Kriminalitätsbekämpfung ist eine Aufgabe der Polizei.
Die Bundeswehr ist hierzu nicht befugt.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Inwiefern trifft der Bericht von „SPIEGEL ONLINE“ zu?

2. Wird derzeit tatsächlich an einem Dokument zur Zusammenarbeit von
Spezialeinheiten der Bundespolizei und der Bundeswehr gearbeitet, und
wenn ja, was sind die darin beschriebenen Leitlinien und Grundzüge?

3. Wer genau hat die Erstellung des Dokuments angefordert, und wer ist mit

der Erstellung beauftragt?

a) Was war Anlass dafür?

b) Welche bisherigen Mängel bei der polizeilichen Bearbeitung von Geisel-
nahmen führen zur Annahme, die Hinzuziehung der Bundeswehr sei not-
wendig?

Drucksache 17/4637 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

c) Welche Stellen wurden bislang und werden noch zur Erarbeitung des
Dokuments hinzugezogen?

d) Inwiefern sind diesbezüglich bereits militärische oder polizeiliche Be-
hörden kontaktiert worden (welche)?

e) Inwiefern sind diesbezüglich weitere Sicherheitsbehörden, Berater oder
Einrichtungen (welche) kontaktiert worden?

f) Ist beabsichtigt, einen Kabinettsbeschluss hierüber zu erzielen, und wenn
ja, bis wann?

g) Inwiefern ist beabsichtigt, den Deutschen Bundestag damit zu befassen?

Sollte das Dokument bereits fertiggestellt sein, ist die Bundesregierung be-
reit, es dem Deutschen Bundestag im Wortlaut zu übermitteln, und wenn
nein, warum nicht?

4. In welchen Fällen sollen welche Kräfte der Bundeswehr mit welchen
Kräften der Polizei zusammenwirken?

a) Um welche Spezialeinheiten genau geht es?

b) Inwiefern ist beabsichtigt, das Zusammenwirken der Spezialkräfte auf
Einsätze im Inland bzw. Ausland zu beschränken?

c) Inwiefern ist beabsichtigt, ein solches Zusammenwirken auf Befreiung
von Geiseln bzw. Bekämpfung von Geiselnehmern zu beschränken oder
auch auf andere Formen der Kriminalitätsbekämpfung anzuwenden?

d) Wer soll die Befugnis zur Anordnung bzw. Entscheidung haben, und wie
soll diese Befugnis zwischen Bundeswehr und Bundespolizei aufgeteilt
werden?

5. Welcher Stellenwert kommt bei den Überlegungen bzw. Absichten der
Bundesregierung dem Grundsatz der Trennung von Militär und Polizei zu?

a) Inwiefern sollen sich die in Frage stehenden Einsätze auf ein hoheitliches
Vorgehen gegen mutmaßliche Geiselnehmer beschränken oder auch auf
andere mutmaßliche Straftäter erstrecken?

b) Welcher Art sollen die Beiträge der Bundeswehr sein, und inwiefern
können diese nur von Spezialkräften geleistet werden?

c) Inwiefern ist beabsichtigt, die Beiträge der Bundeswehr auf ein Maß zu
begrenzen, dass sie nicht einsatzrelevant im Sinne hoheitlicher Maß-
nahmen sind, bzw. falls dies nicht beabsichtigt ist, auf welcher Rechts-
grundlage sollte die Bundeswehr zu solchen Maßnahmen berechtigt sein?

d) Inwiefern sollen die Unterstützungsmaßnahmen der Bundeswehr solche
sein, die ein Handeln der Polizeikräfte erst möglich machen, und auf
welcher Rechtsgrundlage könnte ein solcher mittelbar obrigkeitlicher
Einsatz erfolgen?

6. Wie will die Bundesregierung die parlamentarische Beteiligung regeln?

a) Inwiefern hält es die Bundesregierung für geboten, den Deutschen Bundes-
tag im Vorfeld solcher Einsätze zu benachrichtigen bzw. eine konstitutive
Zustimmung hierfür einzuholen?

b) Inwiefern hält die Bundesregierung es für geboten, den Deutschen Bundes-
tag nach Abschluss solcher Einsätze über deren Verlauf zu informieren?

c) Hält die Bundesregierung zur Umsetzung der vorgesehenen Zusammen-
arbeit die Schaffung einer Rechtsgrundlage für erforderlich?

Wenn ja, was sollen deren Grundzüge sein, und wenn nein, auf welcher

vorhandenen Rechtsgrundlage sollen solche Einsätze stattfinden?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4637

d) Ist vorgesehen, solche Einsätze von Mandaten der UNO, der EU, der
NATO oder anderer sogenannter Systeme kollektiver Sicherheit abhängig
zu machen?

7. Welche Formen und konkrete Praxen der Zusammenarbeit zwischen
Spezialkräften der Polizei und der Bundeswehr hat es in der Vergangenheit
gegeben (bitte soweit möglich vollständig auflisten)?

Berlin, den 1. Februar 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.