BT-Drucksache 17/4570

Berufshaftpflichtversicherung für ärztliche und nichtärztliche Gesundheitsberufe

Vom 26. Januar 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4570
17. Wahlperiode 26. 01. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Stefan Schwartze, Mechthild Rawert, Bärbel Bas, Klaus Brandner,
Petra Crone, Petra Ernstberger, Elke Ferner, Dr. Edgar Franke, Iris Gleicke,
Angelika Graf (Rosenheim), Klaus Hagemann, Dr. Barbara Hendricks, Petra Hinz
(Essen), Christel Humme, Oliver Kaczmarek, Ute Kumpf, Dr. Karl Lauterbach,
Steffen-Claudio Lemme, Caren Marks, Katja Mast, Hilde Mattheis, Franz
Müntefering, Aydan Özog˘uz, Thomas Oppermann, Dr. Carola Reimann, Sönke Rix,
Marlene Rupprecht (Tuchenbach), Ewald Schurer, Sonja Steffen, Dr. Marlies
Volkmer, Manfred Zöllmer, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Berufshaftpflichtversicherung für ärztliche und nichtärztliche Gesundheitsberufe

Die freiberuflichen Hebammen und Entbindungspfleger haben sich mit einer
Petition an den Deutschen Bundestag gewandt, in der sie den Gesetzgeber im
Hinblick auf die stark gestiegenen Prämien zur Berufshaftpflichtversicherung
um Hilfe bitten. Sollte der Prämienanstieg nicht umgehend gestoppt werden, sei
der Berufsstand der freiberuflichen Hebammen und Entbindungspfleger in
seiner Existenz bedroht. Auch die Einigung des Deutschen Hebammenverban-
des e. V. (DHV) und des Bundes freiberuflicher Hebammen Deutschlands e. V.
(BfHD) mit dem GKV-Spitzenverband (Spitzenverband Bund der Kranken-
kassen), die infolge der Schiedsstellenverhandlung vom 5. Juli 2010 zustande
kam, hat die Situation nicht nachhaltig entschärft.

Das Problem der steigenden Prämien zur Berufshaftpflichtversicherung betrifft
mittlerweile nicht mehr nur freiberufliche Hebammen und Entbindungspfleger,
sondern auch andere ärztliche und nichtärztliche Gesundheitsberufe. Nach
Informationen von „aerzteblatt.de“ betrifft die Kostenentwicklung in der Be-
rufshaftpflichtversicherung besonders Ärztinnen und Ärzte der Fachbereiche
Gynäkologie, Orthopädie, Chirurgie und Anästhesie. Eine Gynäkologin oder ein
Gynäkologe müsse für eine Belegarzttätigkeit mit Geburtshilfe bei einer
Deckungssumme von 5 Mio. Euro jährlich zwischen 25 350 und 47 986 Euro
zahlen, sofern bisher Schadensfreiheit besteht. Laut Berufsverband der Frauen-
ärzte e. V. muss eine Gynäkologin oder ein Gynäkologe rund 200 Geburten im
Jahr erbringen, nur um die Versicherungssumme abzudecken. Vor diesem
Hintergrund hatte der Bewertungsausschuss Ärzte für Ärztinnen und Ärzte, die
Geburten betreuen und leiten, eine Honorarerhöhung mit Wirkung zum 1. Ok-
tober 2010 beschlossen.
Die stark gestiegenen Haftpflichtversicherungsprämien der letzten Jahre sind
vor allem Folge gewachsener Schadenshöhen, die Patientinnen und Patienten
von Gerichten in der Vergangenheit zugesprochen worden sind. Durch den me-
dizinisch-technischen Fortschritt haben auch Schwer- und Schwerstgeschädigte
eine verbesserte Lebenserwartung. Diese an sich positive Entwicklung bedeutet
in der Frage der Haftung, dass die Absicherung der Heilbehandlungs-, Pflege-

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und Alterssicherungskosten sowie von Schmerzensgeldern bzw. (potentiellen)
Verdienstausfällen zu höheren finanziellen Summen als noch vor einigen Jahren
führt. Nach einer Untersuchung des Gesamtverbands der deutschen Versiche-
rungswirtschaft e. V. (GDV) zur „Schadenteuerung bei schweren Personenschä-
den im Heilwesen“ sind die Schadenshöhen im Schnitt um 6 Prozent pro Jahr
gestiegen.

Vor diesem Hintergrund muss grundsätzlich über Gegenwart und Zukunft der
Haftpflichtversicherung von ärztlichen und nichtärztlichen Gesundheitsberufen
diskutiert werden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie bewertet die Bundesregierung das Ergebnis der Honorarverhandlungen
zwischen dem GKV-Spitzenverband und den Hebammenverbänden vor dem
Hintergrund der Ankündigung des Bundesministers für Gesundheit, den
Hebammen Unterstützung zukommen zu lassen?

2. Ist die Bundesregierung der Meinung, dass das Ergebnis der Honorarver-
handlungen den gestiegenen Haftpflichtversicherungsprämien hinreichend
Rechnung trägt?
Wenn ja, warum?
Wenn nein, warum nicht?

3. Ist die Bundesregierung grundsätzlich der Auffassung, dass die gesetzliche
Regelung, nach der der GKV-Spitzenverband mit den maßgeblichen Berufs-
verbänden der Hebammen und den Verbänden der von Hebammen geleiteten
Einrichtungen Verträge unter anderem über die Höhe der Vergütung mit den
Krankenkassen schließt, Lösungen ermöglicht, die steigenden Haftpflicht-
versicherungsprämien nachhaltig Rechnung trägt?
Wenn ja, warum?
Wenn nein, warum nicht?

4. Welchen Stellenwert misst die Bundesregierung der Wahlfreiheit der Frauen
in Bezug auf die Art der Entbindung ihrer Kinder (in der Klinik, im Geburts-
haus oder zu Hause) zu?

5. Trägt das Ergebnis der Honorarverhandlungen dazu bei, dass die freiberuf-
liche Ausübung der Tätigkeit der Hebamme bzw. des Entbindungspflegers
und damit auch die Wahlfreiheit der Frauen in Bezug auf den Geburtsort ihrer
Kinder zukünftig gesichert ist?

6. Wie bewertet die Bundesregierung die steigenden Prämien zur Berufshaft-
pflichtversicherung bei den Hebammen sowie anderen nichtärztlichen
Gesundheitsberufen, z. B. den Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten?
Sieht die Bundesregierung die Ausübung der nichtärztlichen Gesundheits-
berufe als gefährdet an?

7. Wie bewertet die Bundesregierung die steigenden Prämien zur Berufshaft-
pflichtversicherung im ärztlichen Bereich – z. B. bei den
– Gynäkologinnen und Gynäkologen,
– Orthopädinnen und Orthopäden,
– Chirurginnen und Chirurgen,
– Anästhesistinnen und Anästhesisten,
– Dermatologinnen und Dermatologen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4570

8. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Honorarerhöhung für
Ärztinnen und Ärzte, die Geburten betreuen und leiten, den Steigerungen
der Haftpflichtversicherungsprämien in diesem Bereich hinreichend Rech-
nung trägt?

9. Welche Ursachen für die Prämienanstiege sind der Bundesregierung für die
genannten ärztlichen Fachrichtungen sowie die Hebammen und Entbin-
dungspfleger bekannt?

Wie bewertet die Bundesregierung die damit verbundenen differenzierten
Haftungsbedingungen?

10. Wie beurteilt die Bundesregierung die Entwicklung, dass – obwohl die
Zahl der Schadensfälle relativ konstant geblieben sind – marktführende
Versicherungsunternehmen in diesem Jahr zehntausenden Ärztinnen und
Ärzten die laufende Berufshaftpflichtversicherung gekündigt haben und die
Prämien in der Arzthaftpflichtversicherung je nach Risikoprofil des Arztes
um bis zu 100 Prozent erhöht worden sind?

Welche Schlussfolgerungen wird sie daraus ziehen?

11. Wie viele Versicherungsunternehmen bieten eine Berufshaftpflichtver-
sicherung für ärztliche und nichtärztliche Gesundheitsberufe an, und be-
trachtet die Bundesregierung dieses Angebot als ausreichend?

12. Sind der Bundesregierung Zahlen bekannt, wie viele Ärztinnen und Ärzte
der Verpflichtung aus der Musterberufsordnung zur Versicherung gegen
Haftpflichtansprüche im Zusammenhang mit der Ausübung ihrer beruf-
lichen Tätigkeit nicht oder nicht hinreichend nachkommen?

13. Von welchen Möglichkeiten der Sanktionierung haben die Ärztekammern
in wie vielen Fällen in den letzten zehn Jahren Gebrauch gemacht?

14. Welche Handlungsmöglichkeiten sieht die Bundesregierung in Schadens-
fällen, in denen Patienten und Patientinnen erst mit Schadenseintritt fest-
stellen mussten, dass keine Berufshaftpflichtversicherung bestanden hat?

15. Hält die Bundesregierung den Vorschlag eines Haftpflichtversicherungs-
zwangs für Ärztinnen und Ärzte bei Erteilung der Approbation für geeignet,
zur Lösung des Problems beizutragen, und falls nein, warum nicht?

16. Wie beurteilt die Bundesregierung Forderungen nach einem Haftpflichtver-
sicherungszwang für alle im Gesundheitswesen Tätigen?

17. Wie beurteilt die Bundesregierung die Forderung, eine verpflichtende um-
lagefinanzierte Versicherungslösung entsprechend der gesetzlichen Unfall-
versicherung im Bereich der Arzthaftung einzuführen?

18. Wie beurteilt die Bundesregierung grundsätzlich verpflichtende umlage-
finanzierte Versicherungslösungen?

19. Wie beurteilt die Bundesregierung das Modell der verschuldensunabhängi-
gen Haftung in der Berufshaftpflichtversicherung für Gesundheitsberufe,
wie es in Skandinavien praktiziert wird?

20. Welche Schritte plant die Bundesregierung, um verlässliche Daten über die
Kosten der Berufsausübung, die Anzahl, die Arbeitsbedingungen und die
Vergütung der freiberuflichen Hebammen zu erheben?

21. Welche Auswirkungen wird das im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU
und FDP angekündigte Patientenschutzgesetz auf die Arbeit der Hebam-
men und Entbindungspfleger haben?

Berlin, den 26. Januar 2011
Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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