BT-Drucksache 17/4466

zu dem Antrag der Abgeordneten Jan van Aken, Christine Buchholz, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 17/3672 - Beziehungen der Europäischen Union mit Afrika solidarisch und gerecht gestalten

Vom 19. Januar 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4466
17. Wahlperiode 19. 01. 2011

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(19. Ausschuss)

Antrag der Abgeordneten Jan van Aken, Christine Buchholz, Dr. Dietmar Bartsch,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 17/3672 –

Beziehungen der Europäischen Union mit Afrika solidarisch und gerecht gestalten

A. Problem

Mit dem dritten Gipfeltreffen der Europäischen Union (EU) mit den afrikani-
schen Staaten am 29. und 30. November 2010 in Tripolis/Libyen verbindet sich
die Hoffnung auf eine Neuausrichtung der deutschen und europäischen Bezie-
hungen zu Afrika. Die bisher verfolgten Strategien haben nicht dazu geführt,
dass die soziale und ökologisch nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung in
Afrika wesentlich verbessert werden konnte. Die Verhandlungen über Wirt-
schaftspartnerschaftsabkommen (WPA) mit den AKP-Staaten (Staaten Afrikas,
der Karibik und des Pazifik) laufen Gefahr, stark in die ordnungspolitischen
Handlungsspielräume der Partnerländer einzugreifen; unterschiedliche Inte-
rimsabkommen mit Einzelstaaten können möglicherweise die regionale Integra-
tion in Afrika gefährden. Mit sogenannten Rohstoffpartnerschaften, bei denen
Entwicklungshilfe an den Zugang zu Rohstoffen gekoppelt ist, drohen die so-
zialen Herausforderungen aus dem Mittelpunkt der Entwicklungszusammenar-
beit gedrängt zu werden. Eine Verknüpfung der zivilen Hilfe mit militärischen
Strukturen kann eine Beeinträchtigung der Arbeit der Nichtregierungsorganisa-
tionen und eine Gefährdung des Lebens ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
zur Folge haben. Einer Lösung muss auch die bisherige Zusammenarbeit in der
Migrations- und Flüchtlingspolitik zugeführt werden, bei der insbesondere die
Fluchtursachen beseitigt werden müssen.

B. Lösung

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD,
FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion
DIE LINKE.
C. Alternativen

Annahme des Antrags.

D. Kosten

Kosten wurden nicht erörtert.

Drucksache 17/4466 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 17/3672 abzulehnen.

Berlin, den 19. Januar 2011

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Dagmar Wöhrl
Vorsitzende

Hartwig Fischer (Göttingen)
Berichterstatter

Karin Roth (Esslingen)
Berichterstatterin

Joachim Günther (Plauen)
Berichterstatter

Niema Movassat
Berichterstatter

Ute Koczy
Berichterstatterin

Antrag in seiner 29. Sitzung am 19. Januar 2011 beraten. Die len Politikbereichen zu fördern und nachhaltig zu stärken.
Deshalb gelte es, den als wichtige strategische Initiative be-
Ausschüsse empfehlen mit den Stimmen der Fraktionen

CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE., den Antrag
abzulehnen.

stehenden EU-Afrika-Aktionsplan, der über den Antrag der
Fraktion DIE LINKE. hinausgehe, weiterzuentwickeln. Es
gehe um die Unterstützung von Good Governance und die
Einhaltung von sozialen und ökologischen Mindeststan-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4466

Bericht der Abgeordneten Hartwig Fischer (Göttingen), Karin Roth (Esslingen),
Joachim Günther (Plauen), Niema Movassat und Ute Koczy

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache
17/3672 in seiner 71. Sitzung am 11. November 2010 zur
Federführung an den Ausschuss für wirtschaftliche Zusam-
menarbeit und Entwicklung und zur Mitberatung an den
Auswärtigen Ausschuss, den Ausschuss für Wirtschaft und
Technologie, den Verteidigungsausschuss, den Ausschuss
für Menschenrechte und humanitäre Hilfe und den Aus-
schuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Mit dem Antrag wird gefordert, von der Verknüpfung der
Entwicklungszusammenarbeit mit den afrikanischen Part-
nerländern mit Rohstofflieferungen und deutschen wirt-
schaftspolitischen Interessen abzusehen. Insbesondere soll
eine Freihandelspolitik, die ausschließlich auf Deregulie-
rung und Privatisierung abzielt, unverzüglich eingestellt
werden. Entsprechend sollen die Verhandlungen über WPA
vorübergehend ausgesetzt und stattdessen wirksame Schutz-
mechanismen für die lokalen und regionalen Märkte ent-
wickelt werden. Dabei sind die nationalen Parlamente der
EU-Mitgliedstaaten und der AKP-Staaten zu beteiligen. Um
die regionale Integration in Afrika zu fördern, fordern die
Antragsteller, dass keine Abkommen mit einzelnen Staaten
und Teilen der Regionalgruppen abgeschlossen werden. Die
Strategie der zivil-militärischen Zusammenarbeit soll aufge-
geben werden; hierfür dürfen keine Mittel des Europäischen
Entwicklungsfonds (EEF) verwendet werden. Im Kontext
einer neuen Flüchtlings- und Migrationspolitik fordern die
Antragsteller die Abschaffung der EU-Grenzschutzagentur
FRONTEX und die Einrichtung einer Koordinierungsstelle,
die für rechtsstaatliche und menschenwürdige Aufnahme-
bedingungen für Flüchtlinge sorgt. Mit Rücksicht darauf,
dass Libyen weder die Genfer Flüchtlingskonvention noch
den Kooperationsvertrag mit dem Büro des Hohen Flücht-
lingskommissars der Vereinten Nationen unterzeichnet hat
soll sich die EU deutlich gegen das geplante Kooperations-
und Partnerschaftsabkommen mit Libyen aussprechen.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Auswärtige Ausschuss hat den Antrag in seiner 26. Sit-
zung am 19. Januar 2011, der Ausschuss für Wirtschaft
und Technologie hat den Antrag in seiner 34. Sitzung am
19. Januar 2011, der Verteidigungsausschuss hat den An-
trag in seiner 71. Sitzung am 19. Januar 2011, der Ausschuss
für die Angelegenheiten der Europäischen Union hat den

raten. Er empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktion DIE
LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN, den Antrag abzulehnen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im
federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung hat den Antrag in seiner 24. Sitzung am 19. Ja-
nuar 2011 beraten. Er empfiehlt mit den Stimmen der
Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE.,
den Antrag abzulehnen.

Von Seiten der Fraktion DIE LINKE. wird noch einmal
hervorgehoben, dass es bei den Wirtschaftsabkommen nicht
darum gehen könne, im Sinne der Wirtschaftsinteressen gro-
ßer Konzerne eine Marktöffnung herbeizuführen. Damit
würden regionale Märkte und Handelsstrukturen in Afrika
zerstört, weil die lokalen Anbieter mit den subventionierten
und preiswerter produzierenden europäischen Anbietern
nicht konkurrieren könnten. Es gehe umgekehrt darum, eine
faire und gerechte Partnerschaft aufzubauen und damit die
Armut wirksam zu bekämpfen. Ein nicht weniger wichtiges
Thema für die Partnerschaft zwischen Afrika und der EU
müsse die Frage des Umgangs mit afrikanischen Flüchtlin-
gen sein. Die militarisierte Abwehr von Armutsflüchtlingen
durch die EU-Grenzagentur FRONTEX müsse durch eine
humane Flüchtlingspolitik ersetzt werden.

Die Fraktion der CDU/CSU lehnt den Antrag grundsätz-
lich ab. Er stelle keinen produktiven Beitrag für eine kon-
struktive Gesprächsführung mit den afrikanischen Staaten
dar. Wenn auf afrikanischer Seite eine stärkere Berücksichti-
gung landwirtschaftlicher Fragen gefordert werde, dann ge-
he es hierbei immer auch um eine ganzheitliche Betrachtung,
also um Exportaspekte jenseits der Herstellung wie bei-
spielsweise Fragen der Weiterverarbeitung und der Haltbar-
keit. Und wenn Europa mit Afrika auf gleicher Augenhöhe
verhandeln wolle, dann müsse man dies auch in der Praxis
unter Beweis stellen, indem man beispielsweise nicht nur
Wahlbeobachter nach Afrika entsende, sondern auch umge-
kehrt solche aus Afrika bei Wahlen in Europa zulasse.

Die Fraktion der SPD betont, der Antrag der Fraktion DIE
LINKE. fordere eine EU-Afrika-Partnerschaft auf Augenhö-
he. Allerdings beschränkten sich die inhaltlichen Forderun-
gen im Wesentlichen auf wirtschaftspolitische Aspekte und
blieben somit unvollständig. Vielmehr müsse es darum ge-
hen, die Entwicklung der afrikanischen Partnerländer in al-
Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
hat den Antrag in seiner 28. Sitzung am 19. Januar 2011 be-

dards. Es gehe um die Förderung und Gleichstellung von
Frauen in den afrikanischen Ländern. Und es gehe um Bil-

Drucksache 17/4466 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

dung als Grundvoraussetzung für ein selbstbestimmtes Le-
ben ohne Armut. Die Forderungen der Fraktion DIE LINKE.
beschreibe vor allem die künftige Wirtschaftspartnerschaft,
zahlreiche andere Aspekte würden ausgeblendet. Deshalb
lehne die SPD-Fraktion den Antrag ab.

Die Fraktion der FDP weist den Antrag als überzogen und
einseitig zurück. Man dürfe sich nicht mit der Erstellung von
Aktionsplänen zufriedengeben. Bei Wirtschaftsfragen müsse
man auch, die anderen Verhandlungspartner wie China im
Auge behaltend, die eigenen Interessen in Rechnung stellen,
beispielsweise bei der Frage der Übertragungsleitungen von

Energie, die durch erneuerbare Energien im Norden Afrikas
gewonnen werden solle. Das gelte auch für Projekte im Stra-
ßen- und Abwasserbau in den Metropolen Afrikas.

Viele Aspekte bezüglich der Verhandlungen zu den Wirt-
schaftspartnerschaftsabkommen und zu den Rohstofffragen
könnten aus Sicht der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN mitgetragen werden, jedoch sei zu kritisieren,
dass in dem Antrag jegliche polizeiliche und militärische
Kooperation mit afrikanischen Partnerstaaten abgelehnt
werde. Damit wäre unter anderem auch humanitäre Unter-
stützung im Konfliktfall unmöglich.

Berlin, den 19. Januar 2011

Hartwig Fischer (Göttingen)
Berichterstatter

Karin Roth (Esslingen)
Berichterstatterin

Joachim Günther (Plauen)
Berichterstatter

Niema Movassat
Berichterstatter

Ute Koczy
Berichterstatterin

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