BT-Drucksache 17/4396

Mögliche Aufweichung des Folterverbots im Rahmen des Lebenskundlichen Unterrichts für Bundeswehrsoldaten durch Angehörige der katholischen Militärseelsorge

Vom 12. Januar 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4396
17. Wahlperiode 12. 01. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Christine Buchholz, Inge Höger, Jens Petermann,
Raju Sharma und der Fraktion DIE LINKE.

Mögliche Aufweichung des Folterverbots im Rahmen des Lebenskundlichen
Unterrichts für Bundeswehrsoldaten durch Angehörige der Katholischen
Militärseelsorge

Angehörige der Katholischen Militärseelsorge beteiligen sich an der ethischen
Bildung der Soldatinnen und Soldaten im Rahmen des „Lebenskundlichen Un-
terrichts“ für Bundeswehrsoldaten.

Aus Sicht der Fragesteller besteht der Verdacht, dass die Militärseelsorger das
absolute Folterverbot aufweichen könnten. Grund für diesen Verdacht liefert ein
Bericht in der Zeitschrift „KOMPASS – Soldat in Welt und Kirche“ (11/2010)
über die jüngste Gesamtkonferenz der katholischen Militärgeistlichen, Pastoral-
referentinnen und Pastoralreferenten. Ein Workshop befasste sich „mit grund-
sätzlich ethischen und aktuell rechtlichen Fragen der Terrorismusbekämpfung“,
heißt es in „KOMPASS“.

Es handelt sich nicht um einen x-beliebigen Workshop auf „irgendeinem“ Kon-
gress. Vielmehr gehören die Teilnehmer zum Kreis jener Militärgeistlichen, die
Lebenskundlichen Unterricht anbieten. Leiterin des Workshops war die Direk-
torin des Zentrums für ethische Bildung in den Streitkräften (zebis). Diese
Einrichtung gehört dem Institut für Theologie und Frieden der Katholischen
Militärseelsorge an und bietet nach eigenen Angaben Fortbildungen für dieje-
nigen Militärgeistlichen an, die Lebenskundlichen Unterricht durchführen. Es
erscheint demnach wahrscheinlich, dass die Ergebnisse dieses Workshops Ein-
gang in den Lebenskundlichen Unterricht finden.

Als Leitfrage war angegeben: „Darf zur Abwehr von Gefahren von einem abso-
lut geltenden Verbot der Folter abgewichen werden, sofern durch ihre Anwen-
dung das Leben anderer gerettet werden kann?“

Aus Sicht der Fragesteller ist äußerst beunruhigend, dass eine von zwei Ar-
beitsgruppen des Workshops zum Ergebnis kam, dass „unter Beachtung be-
stimmter Umstände und strengen Bedingungen als ‚ultima ratio‘ Gewalt im
Wege der Verhörmaßnahmen angedroht und angewendet werden darf“. Die
Ordnung des Grundgesetzes verbietet Folter jedoch schlechthin. Sie kennt
keine Umstände und Bedingungen, die ein Abweichen hiervon rechtfertigen

könnten. Folter ist in Deutschland ausnahmslos verboten. Jegliche Abweichung
von diesem Grundsatz muss zwangsläufig in Willkür enden. Zu diesem Ergeb-
nis kam auch die zweite Arbeitsgruppe des Workshops.

Abschließend heißt es in dem Bericht:

„Alle Teilnehmer im Workshop stimmten überein, dass Fragen zur Folter wegen
ihrer moralischen Qualität eng mit dem Gewissen verbunden sind.“ Wegen der

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Bedeutung des Themas für den Lebenskundlichen Unterricht sei deswegen eine
gute Vorbereitung notwendig.

Die Fragesteller sind nicht der Ansicht, dass „Fragen zur Folter“ einer individu-
ellen Gewissensentscheidung unterliegen. Folter ist verboten, ausnahmslos.

Wenn im Lebenskundlichen Unterricht etwas anderes vermittelt wird, bei-
spielsweise, dass man sein Gewissen befragen müsse, ob man foltern dürfe, ist
dies nicht hinnehmbar. Bei der Bundeswehr darf kein Unterricht erteilt werden,
der auf die Aufweichung des Folterverbots hinausläuft.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Darf aus Sicht der Bundesregierung zur Abwehr von Gefahren von einem
absolut geltenden Verbot der Folter abgewichen werden, sofern durch ihre
Anwendung das Leben anderer womöglich gerettet werden kann?

2. Dürfen Bundeswehrsoldaten aus Sicht der Bundesregierung zur Abwehr von
Gefahren vom absolut geltenden Verbot der Folter abweichen, sofern durch
ihre Anwendung das Leben anderer womöglich gerettet werden kann?

3. Wie viele Angehörige der Katholischen Militärseelsorge werden im Rahmen
des Lebenskundlichen Unterrichts eingesetzt (bitte nach Konfessionen tren-
nen), und welche Qualifikationen müssen diese erfüllen?

Wer kommt für die Personalkosten auf und wie hoch sind diese?

4. Wie viele Bundeswehrsoldaten nehmen bislang pro Jahr am Lebenskund-
lichen Unterricht teil?

a) Inwiefern ist die Teilnahme für christliche oder anders sowie nicht kon-
fessionsgebundene Soldaten obligatorisch?

b) Inwiefern nehmen an diesem Unterricht (ggf. auf freiwilliger Basis) auch
religiös ungebundene Soldaten teil?

c) Welchen zeitlichen Umfang nimmt der Lebenskundliche Unterricht ein
(bitte ggf. nach Dienstgraden differenzieren)?

d) Welche Bedeutung misst die Bundesregierung diesem Unterricht zu?

5. Welche Richtlinien bestehen derzeit für die Durchführung des Lebenskund-
lichen Unterrichts im Allgemeinen und für das Thema „Folter“ im Besonde-
ren (bitte im Wortlaut angeben)?

6. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass das Folter-
verbot nicht durch eine etwa andersartige Gewissensentscheidung aufge-
weicht werden darf, dass mithin die geltende Rechtsordnung gegen Folter in
jedem Fall schwerer wiegt als eine etwaige Gewissensentscheidung für Fol-
ter, und wenn nein, warum nicht?

7. Unter welchen Umständen könnten Soldaten der Bundeswehr nach Auffas-
sung der Bundesregierung „Verhörmaßnahmen“ durchführen, und inwiefern
ist dies bereits geschehen (bitte nähere Angaben zu den jeweiligen Anlässen
und Umständen)?

8. Hat die Bundesregierung in einer Stellungnahme gegenüber der Katholi-
schen Militärseelsorge auf die Absolutheit des Folterverbots hingewiesen
oder beabsichtigt sie, dies noch zu tun?

Wenn ja, bitte die Stellungnahme beifügen, wenn nein, warum nicht?

9. Inwiefern hält die Bundesregierung den Einsatz von Personen, die Folter als
zulässige „Verhörmaßnahme“ betrachten, im Lebenskundlichen Unterricht

für angemessen bzw. zulässig?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4396

10. Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass diejenigen katholischen
Militärseelsorger, die Folter für zulässig halten, nicht im Lebenskundlichen
Unterricht eingesetzt werden?

11. Welche Verfahrensweisen gibt es, wenn Vorgesetzte oder Dienststellen der
Bundeswehr erfahren, dass Dozenten im Lebenskundlichen Unterricht die
Anwendung von Folter

a) unter bestimmten Umständen für legitim erklären,

b) von einer individuellen Gewissensentscheidung abhängig machen?

Werden solche Dozenten dann unverzüglich aus dem Lebenskundlichen
Unterricht herausgenommen?

12. Bei welchen Gelegenheiten und in welchem zeitlichen Umfang wird Bun-
deswehrsoldaten das Folterverbot vermittelt, und wird es dabei für absolut
erklärt oder werden Ausnahmen davon beschrieben (ggf. anführen, welche
Ausnahmen)?

13. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass gewähr-
leistet sein muss, dass Soldaten, die am Lebenskundlichen Unterricht teil-
nehmen, die Ausnahmslosigkeit des Folterverbots vermittelt wird, und
wenn nein, warum nicht?

14. Beabsichtigt die Bundesregierung eine Mitteilung an Soldatinnen und Sol-
daten der Bundeswehr, dass diese das Folterverbot absolut einzuhalten
haben, und wenn sie der Meinung sind, aus Gewissensgründen, foltern zu
dürfen, besser ihren Dienst quittieren, und wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 12. Januar 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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