BT-Drucksache 17/4393

Tierschutz auf Tierbörsen

Vom 12. Januar 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4393
17. Wahlperiode 12. 01. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Alexander Süßmair, Kornelia Möller, Ingrid Remmers, Sabine
Stüber, Dr. Kirsten Tackmann und der Fraktion DIE LINKE.

Tierschutz auf Tierbörsen

Die Bedeutung von Tierbörsen als Umschlagplatz für Tiere nimmt in Deutsch-
land kontinuierlich zu. Für die angebotenen Tiere stellen Börsen besonders
schwerwiegende Belastungen dar: Das Risiko von Schmerzen, Leiden oder
Schäden für die Tiere wird deutlich erhöht durch beengte und ungeeignete Be-
hältnisse, Transportstress, eine ungewohnte Umgebung, die große Besucher-
bzw. Käufermenge, den direkten Kontakt zu Menschen und anderen Tieren, die
Lärmkulisse, ungeeignete Temperaturen, Gerüche und Erschütterungen.

Der Vollzug des Tierschutzgesetzes auf Börsen ist durch die spezifische Situa-
tion schwierig. Bei kurzer Veranstaltungsdauer, schnellem Kaufgeschehen und
einer Vielzahl der Anbieterinnen und Anbieter sind Kontrollen durch Amtstier-
ärztinnen und Amtstierärzte, insbesondere auch wegen einer unzureichenden
Personaldecke, in ausreichender Qualität und Quantität unmöglich.

Tierbörsen werden in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift (AVV) zur
Durchführung des Tierschutzgesetzes „dadurch gekennzeichnet, dass Tiere
durch Privatpersonen feilgeboten oder untereinander getauscht werden“. Im
Gegensatz dazu werden Tierbörsen häufig, toleriert von den Behörden, durch
gewerbliche Tierhändlerinnen und Tierhändler geprägt, die durch einen hohen
Anteil von Wildfängen, ein breites Artenspektrum und das Tingeln zwischen
Tierbörsen tierschutzrechtlich besonders bedenklich sind.

Um Missständen entgegenzuwirken, veröffentlichte das Bundesministerium für
Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) im Sommer 2006
„Leitlinien zur Ausrichtung von Tierbörsen unter Tierschutzgesichtspunkten“,
die allerdings ausdrücklich nur als Orientierungshilfe dienen und für Ausstelle-
rinnen und Aussteller, Veranstalterinnen und Veranstalter, Aufsichtspersonal
und Tierärztinnen und Tierärzte keine Rechtsverbindlichkeit besitzen. Offenbar
aber sah die Bundesregierung in der vergangenen Legislaturperiode darüber
hinaus keinen weiteren Handlungsbedarf, denn auf die diesbezügliche Kleine
Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 25. August 2008
„Tierschutz auf Tierbörsen und Erfahrungen mit den Börsenleitlinien“ (Bundes-
tagsdrucksache 16/10159) antwortete die Bundesregierung unter anderem, sie
habe „keinen Grund zu der Annahme, dass auf Tierbörsen generell anhaltende

Missstände“ herrschten (Bundestagsdrucksache 16/10214). Des Weiteren kam
die Bundesregierung in ihrer Antwort zu dem Schluss, die Leitlinien hätten sich
bewährt:

„Auf der Basis bereits vorliegender Arbeiten wurden die ‚Leitlinien zur Aus-
richtung von Tierbörsen unter Tierschutzgesichtspunkten‘ mit dem Ziel ver-
fasst, Veranstaltern von Tierbörsen, Börsenverantwortlichen, Aufsichtsperso-

Drucksache 17/4393 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

nen, Anbietern und Besuchern die hinsichtlich des Tierschutzes notwendigen
Informationen für die Organisation und Durchführung einer Tierbörse bzw.
einer Teilnahme daran bundesweit einheitlich zu vermitteln und die fachliche
Grundlage für die Behörden zur Konkretisierung ihrer Vorgaben zu erweitern.
In dieser Funktion haben sich die Leitlinien bewährt.“

Tierschutzorganisationen dokumentieren hingegen immer wieder auf Tierbör-
sen anhaltende Missstände, die struktureller, nicht kasueller Art zu sein schei-
nen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Informationen liegen der Bundesregierung darüber vor, wie viele
Tierbörsen jährlich in Deutschland stattfinden, und wie sich im Verlauf der
letzten fünf Jahre die Anzahl der Tierbörsen tendenziell entwickelt hat (bitte
nach Bundesländern und Jahren aufschlüsseln)?

2. Welche Informationen liegen der Bundesregierung über Verstöße gegen das
Tierschutzgesetz und das Tierseuchenrecht auf Tierbörsen vor (Ort, Anlass)?

3. Wie schätzt die Bundesregierung die Wirkung der Tierbörsenleitlinien in
Bezug auf die Durchsetzung von Tierschutzstandards auf Tierbörsen ein?

4. Plant die Bundesregierung, die Tierbörsenleitlinien durch eine rechtsver-
bindliche, bundesweit einheitliche Verordnung zu ersetzen?

Wenn ja, warum?

Wenn nein, warum nicht?

5. Wie beurteilt die Bundesregierung den Verkauf von Wildfängen auf Tierbör-
sen?

6. Beurteilt die Bundesregierung Missstände auf Tierbörsen als strukturelles
Problem oder handelt es sich nach Auffassung der Bundesregierung bei fest-
gestellten Missständen und tierschutzrechtlichen Problemen um Einzelfälle
(bitte begründen)?

7. Wie kann nach Ansicht der Bundesregierung eine veterinärmedizinische
Überwachung der Tierbörsen sichergestellt werden, die u. a. dafür sorgt,
dass

a) Tiere, die gestresst, krank oder verhaltensauffällig sind, umgehend aus
dem Verkauf genommen werden,

b) Tiere maximal einmal pro Monat auf Tierbörsen angeboten werden,

c) Tierbörsen im Freien zumindest bei Temperaturen über 25 und unter
10 Grad Celsius untersagt werden,

d) die Behältnisse, in denen Tiere angeboten werden, den für den Zoofach-
handel nötigen Anforderungen entsprechen und eine Entnahme der Tiere
zu Vorführ- und Werbezwecken unterbleibt,

e) Anbieterinnen und Anbieter, die gegen rechtliche Tierschutznormen ver-
stoßen, von künftigen Börsen ausgeschlossen werden und

f) Tierbörsen einen regionalen Charakter behalten, u. a. um lange Transport-
wege zu vermeiden?

8. Wie positioniert sich die Bundesregierung bezüglich Überlegungen, eine
Positivliste für Tierarten, die auf Tierbörsen gehandelt werden dürfen, zu
erstellen und andere Tierarten auf Tierbörsen nicht zuzulassen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4393

9. Wie positioniert sich die Bundesregierung bezüglich Überlegungen, die
seitens mancher Tierschutzverbände geäußert werden, auf Tierbörsen künf-
tig gänzlich zu verzichten?

10. Hält die Bundesregierung die in der AVV dargelegte Definition von Tier-
börsen für zeitgemäß oder sollte eine deutliche Abgrenzung zwischen ten-
denziell kommerziellen, ein Massenpublikum anlockenden, Tierbörsen
einerseits und lokalen Veranstaltungen von Züchterinnen und Züchtern, die
dem Austausch von Tieren dienen, andererseits, unterschieden werden?

11. Welche Behörden sind auf Bundes- und Landesebene für die Überwachung
von Tierbörsen zuständig?

12. Gibt es eine die Verstöße bei Tierschutzbörsen betreffende Statistik (wenn
ja, bitte anfügen)?

13. Wie positioniert sich die Bundesregierung bezüglich Forderungen nach
einem obligatorischen Sachkundenachweis für Tierhalterinnen und Tier-
halter?

Berlin, den 12. Januar 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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