BT-Drucksache 17/4377

Entwicklungszusammenarbeit mit Honduras

Vom 5. Januar 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4377
17. Wahlperiode 05. 01. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Heike Hänsel, Christine Buchholz, Sevim Dag˘delen, Annette
Groth, Inge Höger, Andrej Hunko, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Entwicklungszusammenarbeit mit Honduras

Seit dem Putsch gegen den rechtmäßigen Präsidenten José Manuel Zelaya vom
28. Juni 2009 ist Honduras von der Mitgliedschaft in der Organisation Amerika-
nischer Staaten (OAS) suspendiert. Selbst der US-Botschafter in Honduras,
Hugo Llorens, hatte den Staatsstreich seinerzeit als illegal eingestuft, wie durch
Wikileaks veröffentlichte Dokumente belegen. Auch die aktuelle honduranische
Regierung unter Präsident Porfirio Lobo Sosa, die aus Wahlen unter den Bedin-
gungen des Putschregimes hervorging, wird weiterhin von vielen Staaten nicht
anerkannt.

Die Menschenrechtssituation in Honduras bleibt auch nach dem Wechsel vom
Putschregime unter Roberto Micheletti Bain zur Regierung von Porfirio Lobo
Sosa im Januar 2010 sehr kritisch. Eine Einschätzung der Bundesregierung
bestätigt dies. Nach einem Bericht des Komitees der Angehörigen von ver-
schwundenen Verhafteten (COFADEH) vom 30. August 2010 wurden in Hon-
duras im Zeitraum vom 30. Januar bis 30. August 2010 mehr als 1 000 politisch
motivierte Verletzungen der Menschenrechte verzeichnet. Im selben Zeitraum
hat die Interamerikanische Kommission für die Menschenrechte besondere
Schutzmaßnahmen für 128 Personen und 19 Organisationen ausgesprochen.
28 Honduranerinnen und Honduraner haben aus politischen Gründen Asyl in
anderen Staaten erhalten.

Unbeeindruckt von diesen Tatsachen hat die Bundesregierung die diploma-
tischen Beziehungen und die Entwicklungszusammenarbeit mit Honduras wieder
aufgenommen und hat die Europäische Union (EU) ein Assoziierungsabkom-
men mit den Staaten Zentralamerikas einschließlich Honduras abgeschlossen.

Nach einer Umfrage des Centro de Estudios para la Democracia (CESPAD) von
September 2010 haben 71 Prozent der wahlberechtigten honduranischen Bevöl-
kerung kein Vertrauen in die Demokratie in ihrem Land. 33 Prozent der Befrag-
ten gaben an, hinter der Widerstandsfront zu stehen. 1,5 Millionen Hondurane-
rinnen und Honduraner, nahezu 50 Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung,
haben die Declaración Soberana für eine verfassungsgebende Versammlung
unterschrieben.
Vor dem Hintergrund der anhaltend besorgniserregenden Menschenrechtssitua-
tion in ihrem Land sehen Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechts-
verteidiger in Honduras die zugesagte Unterstützung des honduranischen Pro-
grammes zur Stärkung des Sicherheitssektors (PASS) durch die Europäische
Union und die vorgesehene Beteiligung der Gesellschaft für Internationale
Zusammenarbeit e. V. (GIZ) bei dessen Verwaltung und Umsetzung überaus
kritisch.

Drucksache 17/4377 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welchen Beitrag könnte nach Meinung der Bundesregierung die im Asso-
ziierungsabkommen zwischen der EU und den Staaten Zentralamerikas
enthaltene Menschenrechtsklausel leisten, um Menschenrechtsverletzun-
gen und der allgemeinen Straflosigkeit in Honduras zu begegnen?

2. Kann bzw. sollte diese Klausel nach Meinung der Bundesregierung, bereits
vor Inkrafttreten des Assoziierungsabkommen zur Anwendung kommen?

3. Welche konkreten Maßnahmen unternimmt die Bundesregierung, um die
Menschenrechtslage in Honduras zu beobachten?

4. Betrachtet die Bundesregierung die Anwendung des Stabilitätsinstruments
der Europäischen Union (IfS) zur Krisenbewältigung in Honduras als
einen sinnvollen Mechanismus, um die Menschenrechtsarbeit der sozialen
Organisationen, Anwälte, Journalisten und kritischen Medien zu schützen
und die Rückkehr zur Rechtstaatlichkeit zu begleiten?

5. Erkennt die Bundesregierung die honduranische Widerstandsfront (FNRP)
als politische Kraft an, dies angesichts der großen Unterstützung für die
Front aus der Bevölkerung?

a) Wenn ja, worin drückt sich diese Anerkennung aus?

b) Wenn nein, wie rechtfertigt die Bundesregierung die Zusammenarbeit
mit nur einer Seite des Konfliktes, die überdies für über 100 straffreie
politische Morde verantwortlich ist, während der Widerstandsbewegung
kein einziges derartiges Verbrechen anzulasten ist?

6. Inwiefern sieht die Bundesregierung in dem Zusammenschluss „Nationale
Front des Volkswiderstands“ einen stabilisierenden Faktor, der zur Über-
windung der Polarisierung in der honduranischen Gesellschaft beitragen
kann, und hat die Bundesregierung Kontakte zu diesem Zusammenschluss?

7. An die Erfüllung welcher menschenrechtlicher Standards sind die zuge-
sagte Unterstützung der Europäischen Union für das honduranische Pro-
gramm zur Stärkung des Sicherheitssektors (PASS) und die vorgesehene
Beteiligung der GIZ bei der Verwaltung und Umsetzung dieses Program-
mes gebunden, und wie soll die Einhaltung entsprechender Standards über-
prüft werden?

8. In welcher Weise hat die Bundesregierung auf der Beratung des Menschen-
rechtsrats am 4. November 2010 in Genf im Rahmen des Staatenüberprü-
fungsverfahrens die Menschenrechtspolitik und -praxis der honduranischen
Regierungen nach dem Staatsstreich vom 28. Juni 2009 hinsichtlich der
herrschenden Straflosigkeit, Opferreparation und Nichteinhaltung und -im-
plementierung von durch die Interamerikanische Kommission für Menschen-
rechte (CIDH) empfohlenen besonderen Schutzmaßnahmen für 128 Hondu-
ranerinnen thematisiert?

9. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung von Francis Assisi Chullikat,
des Vertreters des Vatikans vor den Vereinten Nationen, von Anfang
November 2010, in Honduras habe am 28. Juni 2009 ein Staatsstreich statt-
gefunden und das Land müsse zur verfassungsmäßigen Ordnung zurück-
kehren?

10. Was versteht die Bundesregierung konkret unter „den besonderen Umstän-
den“, die entsprechend ihrer Antwort vom 18. November 2010 auf die
Schriftliche Frage 86 auf Bundestagsdrucksache 17/3807 bei den Wahlen
am 29. November 2009 in Honduras herrschten?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4377

11. Mit welchen Maßnahmen unterstützt die Bundesregierung die Einsetzung
der von den Vereinten Nationen unterstützten „Kommission gegen die
Straflosigkeit“, und welche Erwartungen knüpft sie an deren Arbeit?

Berlin, den 3. Januar 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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