BT-Drucksache 17/4312

Zur Entsendung einer EU-Battlegroup in den Sudan

Vom 17. Dezember 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4312
17. Wahlperiode 17. 12. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sevim Dag˘delen, Niema Movassat, Christine Buchholz,
Wolfgang Gehrcke, Annette Groth, Heike Hänsel, Inge Höger, Andrej Hunko,
Harald Koch, Alexander Ulrich, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Zur Entsendung einer EU-Battlegroup in den Sudan

Am 9. Januar 2011 soll in den südsudanesischen Provinzen Central Equatoria,
Jonglei, Eastern Equatoria, Lakes, Northern Bahr El Ghazal, Upper Nile,
Warrap, Western Bahr El Ghazal, Equatoria und Unity (Südsudan) sowie in der
Region Abyei ein Referendum über die Abspaltung des Südsudans durchgeführt
werden. Die Durchführung des Referendums ist Teil des 2004/2005 von der
Regierung in Khartum und der Rebellenbewegung Sudan People’s Liberation
Movement/Army (SPLM/A) unterzeichneten Friedensabkommens (Comprehen-
sive Peace Agreement, CPA). Die Bundesregierung hat mehrfach ihre Unter-
stützung für dieses Abkommen und bei dessen Umsetzung beteuert.

Entscheidende Fragen der Wähler-/Wählerinnenerfassung und des zukünftigen
Grenzverlaufs sind bis heute offen und zahlreiche andere Inhalte des CPA sind
bislang nicht umgesetzt worden. Auf die Gefahr einer Eskalation im Zuge oder
im Nachgang des Referendums haben zahlreiche internationale Organisationen
hingewiesen. So besteht die Gefahr, dass weitere Rebellenbewegungen im
Sudan dem Beispiel der SPLM/A folgen und ihrerseits eine Eskalation mit dem
Ziel einer international unterstützten Sezession provozieren. Das European
Union Institute for Security Studies (EUISS) stellt vor diesem Hintergrund fest,
dass es „zukünftig mindestens zwei Sudan“ geben wird, und warnt vor einer
„Spirale des Staatszerfalls“ in Afrika. Auch die EU selbst scheint mittlerweile
von einer solchen Eskalation auszugehen und erwägt gegenwärtig den Einsatz
einer EU-Battlegroup zur Verstärkung der UNMIS (United Nations Mission in
Sudan), an der auch Deutschland mit derzeit 30 Soldaten und drei Polizisten be-
teiligt ist. Die EU-Battlegroup soll vermutlich in der ölreichsten Region des
Landes um Abyei stationiert werden, die in einem gesonderten Referendum,
ebenfalls am 9. Januar 2011, darüber entscheiden wird, ob sie sich dem Südsu-
dan anschließt oder im Sudan verbleibt.

Die Bundesregierung hat mit zahlreichen entwicklungs- und sicherheitspoli-
tischen Maßnahmen zu einer Schwächung der Zentralregierung und der regie-
renden National Congress Party beigetragen. Während sie die Entwicklungszu-
sammenarbeit mit der Zentralregierung nahezu eingestellt hat, hat sie im

Südsudan Projekte zur Verbesserung der Verkehrsanbindungen an Uganda und
Kenia, zum Staatsaufbau und zum Aufbau einer südsudanesischen Polizei
großzügig unterstützt. Auch zu den Waffenlieferungen über Kenia an die
SPLA, welche dem UN-Embargo klar zuwiderlaufen, wurde keine Kritik der
Bundesregierung öffentlich.

Drucksache 17/4312 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie hat sich die Bundesregierung bislang in der Frage um einen Einsatz
einer EU-Battlegroup in Abyei positioniert, und würde sie den Einsatz einer
EU-Battlegroup eher unter direktem Kommando der UNMIS oder als auto-
nome EU-Militärmission befürworten?

2. Inwieweit erwägt die Bundesregierung eine deutsche Beteiligung an einer
Mission der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik im Sudan?

3. Unter welchen Umständen hält die Bundesregierung im Falle einer Eskala-
tion ein neues Bundestagsmandat für die deutsche Beteiligung an UNMIS
für notwendig?

4. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung in dem Fall, dass sich in
den Referenden eine Mehrheit gegen eine Unabhängigkeit des Südsudans
ausspricht?

5. Wie weit ist die Wähler-/Wählerinnenerfassung im Südsudan und Abyei
zum gegenwärtigen Zeitpunkt fortgeschritten, und welche offenen Fragen
bestehen noch hinsichtlich der Auswahl der Stimmberechtigten?

6. Inwiefern weicht die Wähler-/Wählerinnenerfassung auf der einen Seite von
den Forderungen der Regierung in Khartum (beispielsweise in Bezug auf
Angehörige der Misseriya) und auf der anderen Seite von den Forderungen
der SPLM/A und der Government of Southern Sudan (GOSS) ab?

7. Wie bewertet die Bundesregierung die bisherige Umsetzung des CPA, in
welchen Bereichen wurden die im CPA vorgesehenen Maßnahmen voll-
ständig umgesetzt, und welchen Anteil hatten hieran jeweils die Zentral-
regierung und die SPLM/A bzw. GOSS?

8. Welche Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit haben die Bundes-
regierung einerseits und die Europäische Kommission andererseits in den
vergangenen fünf Jahren

a) auf der Ebene des Gesamtstaates und

b) im Südsudan

unterstützt (bitte jeweils getrennt nach Bundesregierung und EU-Kommis-
sion beantworten)?

9. In welchem Umfang flossen auf der einen Seite Mittel der Bundesregie-
rung und auf der anderen Seite der Europäischen Union zur humanitären
Hilfe, zur Not- und Übergangshilfe und zur Ernährungssicherung

a) in den Südsudan,

b) nach Darfur und

c) in die übrigen Teile des Landes

(bitte jeweils getrennt nach Bundesregierung und EU beantworten)?

10. Wann hat die Bundesregierung erstmals von den Plänen der ThyssenKrupp
AG zum Ausbau einer Eisenbahnlinie von Juba nach Gulu (Uganda)
Kenntnis erhalten (www.thyssenkrupp-competition.com), und wie bewer-
tet sie dieses Vorhaben?

11. Wie bewertet die Bundesregierung die Pläne, diese Eisenbahnlinie auch
nach Kenia und an die Ostküste zu verlängern, und wird es nach Auffassung
der Bundesregierung zukünftig möglich sein, das im Südsudan und Abyei
gewonnene Erdöl über diese Eisenbahnlinie zu exportieren?

12. Welche Maßnahmen haben Bundesregierung und EU unternommen, um
das Waffenembargo gegenüber nichtstaatlichen Akteuren im Sudan (Reso-
lution 1556 des UN-Sicherheitsrates) durchzusetzen, und welche Informa-

tionen hat die Bundesregierung über Waffenlieferungen in den Südsudan
seit 2005?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4312

13. Welche Maßnahmen haben Bundesregierung und EU ergriffen, um die
Waffenlieferungen in den Südsudan über Kenia zu unterbinden, die
u. a. durch die Entführung des ukrainischen Frachters Faina und die
von Wikileaks veröffentlichten Depeschen der USA öffentlich wurden
(www.nytimes.com)?

14. Wie bewertet die Bundesregierung die Lage der Menschenrechte in den
Gebieten unter der Kontrolle des GOSS, und welche Verantwortung tragen
hierfür nach Einschätzung der Bundesregierung Kräfte aus der SPLM/A,
und welche Verantwortung trägt hierfür nach Einschätzung der Bundes-
regierung die Polizei des Südsudans?

15. Sind der Bundesregierung Berichte über eine Zusammenarbeit der SPLA
und der südsudanesischen Polizei mit Milizen u. a. bei sogenannten Ent-
waffnungsaktionen bekannt?

16. Sind der Bundesregierung Berichte über Vertreibungen bestimmter ethni-
scher Gruppen im Südsudan im Vorfeld des Referendums bekannt?

17. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass im Rahmen der
UNMIS im Vorfeld des Referendums südsudanesische Polizeieinheiten in
Crowd and Riot Control ausgebildet wurden (www.un.org), und weshalb
hält sie dies für notwendig?

18. Wie bewertet die Bundesregierung die Ausrüstung der Miliz „Arrow Boys“
mit Waffen im Wert von 2 Mio. US-Dollar (www.sudantribune.com) vor
dem Hintergrund, dass sie ihrerseits die reguläre Polizei des Südsudans
finanziell und logistisch unterstützt?

Berlin, den 16. Dezember 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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