BT-Drucksache 17/4311

Sicherheitsmaßnahmen im Luftverkehr

Vom 17. Dezember 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4311
17. Wahlperiode 17. 12. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Ulla Jelpke, Jens Petermann, Frank Tempel, Halina
Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Sicherheitsmaßnahmen im Luftverkehr

Ende Oktober 2010 wurden aus dem Jemen Pakete mit Sprengsätzen verschickt.
Ein Bombenpaket wurde am Flughafen Köln-Bonn umgeschlagen und passierte
alle Kontrollen, bis es auf dem englischen East Midlands Airport identifiziert
und entschärft werden konnte. Wenige Tage später schon wurde eine Bombe in
der Poststelle des Kanzleramts entschärft, die aus Griechenland abgeschickt
wurde. Auch dieses Paket ist per Luftpost in die Bundesrepublik Deutschland
gekommen.

Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 sind verschiedenste, auch umstrit-
tene Maßnahmen eingeleitet worden, die zur Sicherheit im Flugverkehr bei-
tragen sollen: vom Verbot von Flüssigkeiten im Gepäck über die Kontrolle von
Schuhen bis hin zur Erhebung und Übermittlung von Passagierdaten wie bestell-
ter Optionskost oder den Namen der Reisebüromitarbeiter, die die Buchung vor-
genommen haben. Auch über die Einführung von Körperscannern an den Flug-
häfen in der Bundesrepublik Deutschland scheint es in der Bundesregierung
schon einen Konsens zu geben.

Dieser Aufwand steht in einem extremen Missverhältnis zu der großen Leichtig-
keit, die bislang bei der Überprüfung von Luftfracht an den Tag gelegt wurde.
Angesichts dessen, dass das Bundesministeriums des Innern (BMI) laut
„FOCUS“ vom 13. November 2010 von Seiten der Deutschen Lufthansa AG
bereits im Februar auf gravierende Sicherheitsmängel am Flughafen Sanaa im
Jemen hingewiesen wurde, stellt sich die Frage, welche Konsequenzen das BMI
aus diesen Hinweisen mit Blick auf die Gefährdungslage zog.

Dass die Ende Oktober 2010 versuchten Anschläge nicht an den Kontrollen z. B.
am Flughafen Köln-Bonn scheiterten und die Bomben erst zu einem späteren
Zeitpunkt anhand ausgewerteter Informationen entdeckt wurden, lässt den
Schluss zu, dass das BMI, auch nach den Hinweisen der Deutschen Lufthansa
AG im Februar 2010, offensichtlich zu wenig getan hat, um das Risiko gefähr-
licher Luftfrachtpakete zu minimieren.

Der Zoll beklagte zudem, er habe die Papiere des Bombenpakets, das über den
Flughafen Köln-Bonn umgeschlagen wurde, erst vom Paketdienst UPS erhalten,

als sich das Paket bereits in der Luft befand. Dies sei ein allgemeines Problem,
zitiert die BDZ – Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft in einem offenen Brief
an den Bundesminister der Finanzen, Dr. Wolfgang Schäuble, vom 11. Novem-
ber 2010 Insider, da Kontrollen anhand von Frachtlisten zu einem Drittel ins
Leere laufen würden. Selbst wenn die Frist von vier Stunden vor der Landung
eines Flugzeugs in der EU zur Anmeldung von Gütern eingehalten würde, so die
Gewerkschaft, stünde zu wenig Zeit zur Abwehr von bei der Risikoanalyse

Drucksache 17/4311 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

erkannten Gefahren zur Verfügung. Von Polizei- und Zollgewerkschaften wird
auch kritisiert, dass der Einsatz von Personal an den Flughäfen in der Bundes-
republik Deutschland nicht an den stetig wachsenden Passagier- und Frachtver-
kehr angepasst würde. Die Menge beförderter Luftfracht an deutschen Flug-
häfen stieg vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2008 um 64 Prozent; die Anzahl der
beförderten Passagiere wuchs im selben Zeitraum um 38 Prozent.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viel Prozent der auf den Flughäfen der Bundesrepublik Deutschland
aufgegebenen oder umgeschlagenen Waren und Postsendungen wurden vor
und nach dem 29. Oktober 2010 im Durchschnitt einer Kontrolle auf Ge-
fahrenstoffe unterzogen, und hält die Bundesregierung diesen Anteil für
ausreichend?

2. Von welchen Behörden oder Unternehmen werden diese Kontrollen durch-
geführt und auf welche Art und Weise?

3. Welche Vorgaben existieren bezüglich des zu überprüfenden Anteils der
Luftfrachtsendungen sowie der Methodik der Kontrollen und der Kriterien,
nach denen Luftfrachtgüter untersucht werden?

4. Wie wurde das Personal bei den für Luftfracht zuständigen Zollbehörden in
den letzten zehn Jahren an das erhöhte Fracht- und Passagieraufkommen
angepasst (bitte Einstellungen und Austritte auflisten)?

5. Wie hoch sind die Personalfehlbestände der Zolldienststellen im Bereich
Frachtkontrolle?

6. Wie wurde das Personal bei den für Passagierkontrollen zuständigen Bun-
despolizeistellen in den letzten zehn Jahren an das erhöhte Fracht- und Pas-
sagieraufkommen angepasst (bitte Einstellungen und Austritte auflisten)?

7. Welchen Sicherheitskriterien muss Luftfracht aus EU- sowie aus Nicht-
EU-Staaten entsprechen, um in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt
werden zu dürfen, wie wird die Einhaltung dieser Kriterien überprüft und
von wem?

8. Wie viele Unternehmen, die auf den Flughäfen der Bundesrepublik
Deutschland Luftfracht aufgeben, transportieren, umschlagen oder einfüh-
ren, besitzen derzeit den Status von reglementierten Beauftragten, nach
welchen Maßgaben werden Unternehmen vor ihrer Zulassung als regle-
mentierte Beauftragte überprüft und durch wen?

9. Welche Vorgaben existieren gegenüber reglementierten Beauftragten be-
züglich der Verfahren und Maßnahmen zur Durchführung der Kontrollen
ihrer Luftfrachtgüter, und von wem wird die Einhaltung dieser Vorgaben in
welchen Abständen überwacht oder überprüft?

10. Wie viele Unternehmen, die auf den Flughäfen der Bundesrepublik Deutsch-
land Luftfracht aufgeben, besitzen derzeit den Status von bekannten Versen-
dern, nach welchen Maßgaben werden Unternehmen vor ihrer Zulassung als
bekannte Versender überprüft und durch wen?

11. Welche Vorgaben existieren gegenüber bekannten Versendern bezüglich
der Verfahren und Maßnahmen zur Durchführung der Kontrollen ihrer
Luftfrachtgüter, und von wem wird die Einhaltung dieser Vorgaben in wel-
chen Abständen überwacht oder überprüft?

12. Wie viele Verstöße welcher Art gegen die Sicherheitsauflagen wurden seit
2002 bei bekannten Versendern sowie bei reglementierten Beauftragten

festgestellt, und wie wurden diese geahndet (bitte nach Jahren und – falls
erfasst – Gefährdungsgrad aufschlüsseln)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4311

13. Nach welchen Standards müssen Luftfrachtgüter mit dem Ziel Bundes-
republik Deutschland, sowie Transit- und Transferfracht vor dem Abflug in
Drittstaaten kontrolliert werden, und wie wird die Einhaltung dieser Stan-
dards überprüft?

14. Ist nach Ansicht der Bundesregierung das Verhältnis zwischen Kundenser-
vice in der Frachtabfertigung, also der beschleunigten Warenabwicklung,
sowie Sicherheitsüberprüfungen beim Zoll ausgewogen, oder sieht die Bun-
desregierung hier Handlungsbedarf?

15. Ist der Bundesregierung das auf „SPIEGEL ONLINE“ am 11. November
2010 geschilderte Problem bekannt, dass nach Angaben des Zolls in mehr
als einem Drittel der Fälle Sendungen per Flugzeug verschickt werden, ohne
dass deren Papiere rechtzeitig vorliegen, was hat sie bislang dagegen getan,
und welche Auswirkungen haben diese Umstände auf die ab dem 1. Januar
2010 mit den Partnerverwaltungen der EU durchzuführende Sicherheitsrisi-
koanalyse?

16. Trifft es zu, dass der Sicherheitschef der Deutschen Lufthansa AG mehr-
fach, vom 22. Februar 2010 bis zuletzt am 7. Oktober 2010, mit dem Bun-
desinnenministerium Kontakt aufgenommen hat, um es auf die Sicherheits-
lage in Sanaa, Jemen, hinzuweisen?

17. Wenn ja,

a) an welche Abteilungen des BMI wurden die Informationen der Deut-
schen Lufthansa AG jeweils weitergeleitet (bitte nach Datum aufschlüs-
seln),

b) hatte der Innenminister Kenntnis von diesen Hinweisen,

c) hat das BMI die Angaben der Lufthansa geprüft,

d) wurde das BMI aufgrund der Hinweise tätig, und wenn ja, wann und in
welcher Form?

18. Bedeutet die Aussage des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadt-
entwicklung in der auf seiner Homepage veröffentlichten Stellungnahme
„Sicherheit in der Luftfracht“ vom 1. November 2010, als Sofortmaßnahme
sei „vorhandene und lagernde Fracht aus dem Jemen bis auf weiteres einer
hundertprozentigen Kontrolle zuzuführen“, dass eine vollständige Kontrolle
vor dem 1. November 2010 nicht stattgefunden hat?

19. Teilt die Bundesregierung die im Bericht der Hochrangigen Gruppe der
EU-Kommission über die Erhöhung der Sicherheit von Luftfracht vom
30. November 2010 (Absatz 11) geäußerte Auffassung, den EU-Zollbehör-
den müssten zukünftig zur Risikobewertung notwendige Anhaltspunkte
bereits vor dem Beladen von Flugzeugen vorliegen, und bedeutet dieser
Vorschlag, dass eine solche Risikoanalyse derzeit nicht stattfindet?

20. Teilt die Bundesregierung, vor dem Hintergrund der am 24. November
2010 vom Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer bekannt gemachten
Verstöße von reglementierten Beauftragten und bekannten Versendern ge-
gen Sicherheitsauflagen, den im o. g. Bericht (Absatz 14) gemachten Vor-
schlag, die Zulassungsverfahren für bekannte Versender und reglementierte
Beauftragte zu beschleunigen?

21. Wenn ja, welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung für eine Be-
schleunigung der Zulassungsverfahren für bekannte Versender und regle-
mentierte Beauftragte, und wie will sie dabei das Niveau der Kontrollen
halten?
22. Welche Sicherheitsvoraussetzungen müssen die Betreiber von Duty Free
Shops im Sicherheits- und Transitbereich sowie deren Zulieferer erfüllen?

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23. Werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Geschäften im Sicherheits-
und Transitbereich sowie die von Zulieferern sicherheitsüberprüft, und
wenn ja, in welchen Abständen?

24. Auf welche Art und Weise und von wem wird für den Verkauf im Sicher-
heits- und Transitbereich bestimmte Ware auf Gefahrenstoffe überprüft?

25. Welche Gefahrenstoffe, wie hochprozentige Alkoholika und Parfüms,
brennbare Gase, Glasflaschen etc., sind auf Flughäfen in der Bundes-
republik Deutschland hinter den Sicherheitskontrollen für Passagiere zu
erwerben?

26. Wieso geht, nach Ansicht der Bundesregierung, von diesen Stoffen, im
Gegensatz zu mitgebrachten Flüssigkeiten oder scharfen Gegenständen,
wie z. B. Nagelscheren, keine Gefahr aus?

Berlin, den 17. Dezember 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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