BT-Drucksache 17/4201

Angebot von Spielhallen mit dem Baugesetzbuch begrenzen

Vom 15. Dezember 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4201
17. Wahlperiode 15. 12. 2010

Antrag
der Abgeordneten Bettina Herlitzius, Dr. Harald Terpe, Britta Haßelmann,
Stephan Kühn, Daniela Wagner, Ingrid Nestle, Winfried Hermann,
Dr. Anton Hofreiter, Dr. Valerie Wilms, Cornelia Behm, Hans-Josef Fell,
Ulrike Höfken, Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Undine Kurth
(Quedlinburg), Nicole Maisch, Friedrich Ostendorff, Dr. Hermann Ott,
Dorothea Steiner, Markus Tressel und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Angebot von Spielhallen mit dem Baugesetzbuch begrenzen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Zahl der Spielhallen hat in den letzten Jahren in Deutschland stark zuge-
nommen. Seit der Novellierung der Spielverordnung im Jahr 2006, die die Rah-
menbedingung für Geldspielgeräte gelockert hat, stieg der Anteil der erteilten
Spielhallenkonzessionen um rund 20 Prozent, die Zahl der aufgestellten Geräte
in Spielhallen um fast 50 Prozent (Untersuchung des Arbeitskreises gegen Spiel-
sucht e. V. „Angebotsstrukturen der Spielhallen und Geldspielgeräte in Deutsch-
land“, Stand: 1. Januar 2010). Zudem werden vermehrt für einzelne Standorte
mehrere Konzessionen beantragt, um dort Mehrfachspielhallen, sog. Entertain-
ment-Center, betreiben zu können.

Gleichzeitig hat die Zahl der Spielerinnen und Spieler mit Spielsucht in Behand-
lung ebenfalls stark zugenommen. Drei Viertel der Hilfesuchenden in Beratungs-
stellen und Therapieeinrichtungen sind abhängig von sog. Geldspielgeräten, die
sich vor allem in Spielhallen finden. Neben dem persönlichen Leid für die
Betroffenen entstehen der Gesellschaft durch damit verbundene Therapien, Ar-
beitsausfälle und Begleitkriminalität hohe volkswirtschaftliche Kosten.

Viele Kommunen beklagen bereits seit längerem die zunehmende Ausbreitung
von Spielhallen in Städten und Gemeinden, müssen aber nach der bestehenden
Rechtslage weitere Spielhallen genehmigen, wenn die bau- und gewerberecht-
lichen Voraussetzungen dafür vorliegen. Besonders problematisch ist zudem,
dass auch die Nähe zu Schulen und anderen Jugendeinrichtungen nicht gegen
eine Zulassung von Spielhallen spricht.

Neben einer Entschärfung der Geräte durch Änderung der Spielverordnung und
weiteren gesetzlichen Maßnahmen und Kontrollen auf Länder- und kommuna-
ler Ebene ist daher auch eine bundesrechtliche Neuregelung im Rahmen der

Baunutzungsverordnung notwendig.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die Baunutzungsverordnung so zu ändern, dass Spielhallen zukünftig als
eigenständige Kategorie geführt werden, und außerhalb von Gewerbegebie-
ten nur noch in Ausnahmefällen zulässig sind;

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2. bei den Bundesländern darauf hinzuwirken, die rechtlichen Voraussetzungen
dafür zu schaffen, dass die Erteilung von Mehrfachkonzessionen zukünftig
unmöglich wird;

3. bei den Bundesländern darauf hinzuwirken, die rechtlichen Voraussetzungen
dafür zu schaffen, dass Spielhallen in Nachbarschaft zu Schulen und ande-
ren Jugendeinrichtungen nicht mehr genehmigungsfähig sind.

Berlin, den 14. Dezember 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Begründung

Geldspielgeräte gelten als die am stärksten abhängig machende Spielform. Laut
einer vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie in Auftrag gege-
benen Studie gibt die Hälfte aller Automatenspieler an, die Kontrolle über das
Spielen verloren zu haben (Süddeutsche Zeitung vom 2. Dezember 2010).
Rund drei Viertel der pathologischen Spieler in Beratungsstellen und Therapie-
einrichtungen sind Automatenspieler. Verursacht wird dies durch die Schnellig-
keit des Spiels, die große Gewinn- und Verlustmöglichkeit, die vergleichsweise
gute Verfügbarkeit und die fehlenden Maßnahmen zum Spielerschutz. Bedingt
durch die hohen Verluste führt dies oft zu einer hohen Verschuldung der Spieler
und damit verbundenen Problemen im persönlichen und sozialen Umfeld. Auch
Beschaffungskriminalität gehört zu den typischen Begleiterscheinungen einer
pathologischen Spielsucht (Meyer/Bachmann, Spielsucht, 2. Auflage, Heidel-
berg 2005).

Bei einem vermehrten Auftreten von Spielhallen in bestimmten Stadtteilen be-
fürchten Kommunen daher – nicht zuletzt aufgrund dieser Folgeerscheinungen –
einen „Trading-down“-Effekt. Die Viertel werden unattraktiv für Mieter und
andere Geschäftsbetriebe und führen so zu einer negativen Entwicklung des
Stadtteils insgesamt.

Spielhallen sind nach der Baunutzungsverordnung (BauNVO) Vergnügungsstät-
ten. Diese sind in Reinen und Allgemeinen Wohngebieten unzulässig (§§ 3, 4
BauNVO), in Besonderen Wohngebieten (§ 4a BauNVO), Mischgebieten (§ 6
BauNVO) und Kerngebieten (§ 7 BauNVO) sind sie hingegen uneingeschränkt
bzw. mit gewissen Einschränkungen zulässig. Besonders im ungeplanten Innen-
bereich haben die Gemeinden kaum die Möglichkeit die Ansiedlung einer Spiel-
halle zu unterbinden. Denn die Kommunen müssen nach der bestehenden
Rechtslage weitere Spielhallen genehmigen, wenn die bau- und gewerberecht-
lichen Voraussetzungen dafür vorliegen. Auch die Tatsache, dass sich bereits
Spielhallen in dem Viertel befinden, kann planungsrechtlich nicht als Grund für
eine Versagung der Konzession herangezogen werden. Im Gegenteil, oft ist die
Nähe zu bestehenden Spielhallen gerade der Grund, warum eine Genehmigung
erteilt werden muss.

Von diesen Vorgaben der Baunutzungsverordnung kann nur bei Vorliegen eines
entsprechenden Bebauungsplanes bzw. bei Erlass einer Veränderungssperre im
Vorfeld eines Bebauungsplanes abgewichen werden. Vielen Kommunen ist ein
solches Vorgehen allerdings – zumindest kurzfristig – nicht möglich.

Um die zu beobachtende übermäßige Ausbreitung von Spielhallen wirksam
verhindern zu können, muss die Baunutzungsverordnung dahingehend geändert

werden, dass Spielhallen als eigenständige Kategorie geführt werden, und zu-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4201

künftig außerhalb von Gewerbegebieten nur noch in Ausnahmefällen zulässig
sind. Zudem muss die Bundesregierung auf die Bundesländer einwirken, die
rechtlichen Grundlagen dafür schaffen, dass das heutzutage übliche Erteilen
von Konzessionen für Mehrfachspielhallen, durch die die eigentlich vorge-
schriebenen gesetzlichen Vorgaben für Spielstätten umgangen werden, unmög-
lich gemacht wird.

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