BT-Drucksache 17/4126

Umgang mit der NS-Vergangenheit

Vom 6. Dezember 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4126
17. Wahlperiode 06. 12. 2010

Große Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Sevim Dag˘delen, Ulla Jelpke, Petra Pau,
Jens Petermann, Raju Sharma, Frank Tempel, Halina Wawzyniak
und der Fraktion DIE LINKE.

Umgang mit der NS-Vergangenheit

„Im Herbst 1949, sofort nach Eröffnung des Deutschen Bundestages, begannen
in allen Fraktionen Bemühungen um eine Beendigung, zum Teil sogar
Rückgängigmachung der politischen Säuberung, wie sie die Alliierten seit 1945
durchgesetzt und wie sie die von ihnen lizensierten demokratischen Parteien zu-
nächst auch mitgetragen hatten. Der Revision dieser – insgesamt durchaus nicht
wirkungslosen – Säuberungspolitik diente eine Reihe parlamentarischer Initiati-
ven, Gesetzgebungswerke und administrativer Entscheidungen (…)“ (Norbert
Frei, Vergangenheitspolitik. Die Anfänge der Bundesrepublik Deutschland und
die NS-Vergangenheit, München 1996, S. 13).

Während Umfang und Intensität der bundesrepublikanischen Auseinanderset-
zung mit der NS-Vergangenheit heute international vielfach als vorbildlich an-
gesehen werden, kann für die Anfänge dieser Vergangenheitspolitik der Bundes-
republik Deutschland eher das Gegenteil gelten: Nicht der Wille zur
Thematisierung und Aufarbeitung des NS-Regimes und die daraus zu ziehenden
Konsequenzen für den Aufbau eines demokratischen Staates standen im Mittel-
punkt, sondern die auch von Seiten der Politik unterstützten Versuche, den durch
alliierte Maßnahmen erreichten Stand wieder rückgängig zu machen. So wurden
in der frühen Bundesrepublik Deutschland politische Entscheidungen getroffen,
die einerseits Mitläufern und NS-belasteten Personen die Rückkehr in den öf-
fentlichen Dienst ermöglichten, auf der anderen Seite zur Strafminderung bzw.
Rehabilitation von NS- Verbrechern beitrugen und so dem anfänglichen An-
spruch der Alliierten auf eine möglichst weitgehende Entnazifizierung direkt
entgegenarbeiteten (vgl. u. a. Norbert Frei, a. a. O).

Die teilweise verblüffenden personellen Kontinuitäten vom NS-Staat zur jungen
Bundesrepublik Deutschland verdeutlichen die allgemeine Ausrichtung dieser
frühen Phase der Vergangenheitspolitik. Politische Verantwortlichkeiten sind
dabei vor allem bei der Frage des Umgangs von staatlichen Institutionen mit der
NS-Vergangenheit auszumachen. Die personelle und in Teilen auch inhaltliche
Kontinuität, etwa im Beamtenapparat, in einzelnen Bundesministerien, in Poli-
zeien, Geheimdiensten, der Bundeswehr und dem Justizapparat haben schwer-

wiegende Folgen für das politische Klima dieser Phase gehabt. Während in der
DDR der Austausch der alten NS-Eliten und die Hinausdrängung von Nazis aus
dem Staatsapparat sehr viel tiefgreifender verlief als in der Bundesrepublik
Deutschland, kam es auch hier zu einem instrumentellen Umgang mit diesem
Thema, der aus heutiger Sicht problematisch ist.

Drucksache 17/4126 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die Frage der Verfolgung und Bestrafung von NS-Tätern stellte sich vor dem
Hintergrund der oben geschilderten Kontinuitäten als äußerst problematisch und
defizitär dar. Selbst bei der Verfolgung von schwerstbelasteten NS-Tätern, wie
etwa Adolf Eichmann, taten sich Ermittlungsbehörden der Bundesrepublik
Deutschland eher als Bremser und Verhinderer, denn als aktiver Part der Verfol-
gung hervor. Die Aufarbeitung dieses Teils der Geschichte der Bundesrepublik
Deutschland ist bis heute keineswegs abgeschlossen.

Zahlreiche Opfer der NS-Politik mussten über Jahrzehnte auf finanziell häufig
geringe Entschädigungen warten oder bleiben bis heute von solchen Entschädi-
gungen ausgenommen, während die Versorgung von Mitläufern und Tätern des
NS-Regimes politische Priorität genoss. Die Anerkennung von Homosexuellen,
Sinti und Roma, von Opfern der eugenischen Politik der Nazis, von Deserteuren,
„Kriegsverrätern“ und vielen anderen Gruppen dauerte teilweise viele Jahr-
zehnte. Einzelne Opfergruppen haben bis heute keinerlei Möglichkeit auf eine
finanzielle Entschädigung erhalten. Auch die DDR-Politik zeichnete sich hier
durch eine eingeschränkte und politisch opportune Anerkennung von NS-Op-
fern aus und schloss zahlreiche Menschen von Entschädigungen und auch von
ehrendem Gedenken völlig aus.

Schließlich stellt sich die Frage nach dem Umgang mit der NS-Vergangenheit in
Form von Gedenkstätten und Erinnerungsorten. Deren finanzielle und personelle
Ausstattung ist angesichts der steigenden Anforderungen an die Gedenkstätten
keineswegs abgesichert. Inzwischen wird die Shoah als mahnendes Erbe weltweit
begriffen. Der Erhalt und die Sicherung der Orte dieses Menschheitsverbrechens
sind damit auch Teil der Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland.

Als Ergebnis der vergangenheitspolitischen Weichenstellungen in der frühen
Bundesrepublik Deutschland etablierte sich ein äußerst problematisches Ge-
schichtsbild, dessen Folgen in Teilen bis heute zu spüren sind. Der Historiker
Norbert Frei schreibt dazu: „Mitte der fünfziger Jahre, so wird man resümieren
müssen, hatte sich ein öffentliches Bewußtsein durchgesetzt, das die Verantwor-
tung für die Schandtaten des ‚Dritten Reiches‘ allein Hitler und einer kleinen
Clique von ,Hauptkriegsverbrechern‘ zuschrieb, während es den Deutschen in
ihrer Gesamtheit den Status von politisch ‚Verführten‘ zubilligt, die der Krieg
und seine Folgen schließlich sogar selber zu ‚Opfern‘ gemacht hatte.“ (Norbert
Frei, a. a. O., S. 405).

Damit wurde auch von politischer Seite eine vergangenheitspolitische Last ge-
schnürt, die die junge Bundesrepublik Deutschland über viele Jahrzehnte mit
sich tragen musste und die zu zahlreichen geschichtspolitischen Kontroversen
führte. Unbestreitbar ist, dass es hier zu einem gesamtgesellschaftlichen Lern-
prozess gekommen ist, der sich auch in einem veränderten und eindeutig kriti-
schen Umgang mit der NS-Vergangenheit niedergeschlagen hat. Dennoch er-
scheint es den Fragestellern bezeichnend, dass zahlreiche Formen z. B. der
institutionellen Aufarbeitung der NS-Vergangenheit in Einrichtungen des Bun-
des oder auch der Privatwirtschaft erst in den letzten Jahren auf den Weg ge-
bracht wurden – zu einem Zeitpunkt also, wo es wenige oder keine realen (sprich
personellen oder finanziellen) Konsequenzen mehr hatte.

Während die kritische Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit heute
manchmal als Staatsraison begriffen wird, finden sich unter der Oberfläche
Lücken und weiße Flecken, die es immer wieder öffentlich zu thematisieren gilt.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4126

Wir fragen die Bundesregierung:

A) NS-Vergangenheit von Institutionen des Bundes

1. Von wie vielen NS-belasteten Personen (d. h. NSDAP-Mitglieder, Ange-
hörigen von SA, SS, Gestapo, an NS-Verbrechen beteiligten Wehrmachts-
befehlshabern oder sonstigen Personen, die an NS-Verbrechen beteiligt
waren) in Institutionen des Bundes seit 1949 geht die Bundesregierung ins-
gesamt aus?

a) Hat es von Seiten der Bundesregierung Bemühungen gegeben, eine Ge-
samtsicht der NS-belasteten Personen in Institutionen des Bundes zu er-
stellen, z. B. in Form von wissenschaftlichen Studien?

Wenn ja, welche, wenn nein, warum nicht?

b) Wie viele Angestellte, Beamte, Mitarbeiter in Institutionen des Bundes
sind nach 1949 aufgrund ihrer NS-Vergangenheit aus dem Dienst entlas-
sen worden?

c) Wie viele Gerichtsverfahren hat es gegen Angestellte, Beamte und Mitar-
beiter von Institutionen des Bundes aufgrund möglicher NS-Vergangen-
heit seit 1949 gegeben, und welche dienstrechtlichen Konsequenzen erga-
ben sich daraus im Einzelfall?

2. In welchen Ministerien des Bundes waren ab 1949 besonders viele Personen
mit NS-Belastungen beschäftigt, und welche Maßnahmen wurden von Seiten
der Bundesregierungen getroffen, um deren Anteil möglichst gering zu hal-
ten?

3. Wie viele Bundesminister und Kanzler der Bundesregierungen seit 1949 wa-
ren nach Erkenntnissen der Bundesregierung NSDAP-Mitglieder oder Mit-
glieder anderer NS-Organisationen wie SA, SS, Gestapo (bitte einzeln auf-
führen)?

4. Hat die Bundesregierung bzw. haben einzelne Bundesministerien ihre Ge-
schichte mit Blick auf NS-belastete Personen bzw. ihren Umgang mit diesem
Teil der Vergangenheit aufgearbeitet?

a) Welche wissenschaftlichen Studien zu welchen Bundesministerien wur-
den in Auftrag gegeben?

b) Welche wissenschaftlichen Studien zu welchen Bundesministerien sind
der Bundesregierung bekannt?

c) Plant die Bundesregierung bzw. planen einzelne Bundesministerien wei-
tere Arbeiten zur Frage der NS-Vergangenheit von Bundesministerien
bzw. der Bundesregierungen?

5. Wie viele Mitglieder des Deutschen Bundestages zwischen 1949 und 2000
waren nach Erkenntnissen der Bundesregierung NSDAP-Mitglieder oder
Mitglieder anderer NS-Organisationen wie SA, SS, Gestapo (bitte einzeln
aufführen)?

a) Welche wissenschaftlichen Studien zur Frage von NS-belasteten Mitglie-
dern des Deutschen Bundestages seit 1949 sind von Seiten der Bundes-
regierung in Auftrag gegeben worden, bzw. plant die Bundesregierung,
solche Studien in Auftrag zu geben, und wie begründet sie ihre Auffas-
sung?

b) Welche wissenschaftlichen Studien zur Frage der NS-Belastung von Mit-
gliedern des Deutschen Bundestages seit 1949 sind der Bundesregierung
bekannt, und wie beurteilt sie die Ergebnisse dieser Studien?

Drucksache 17/4126 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

6. Sind der Bundesregierung wissenschaftliche Studien zur Frage der NS-Belas-
tungen von Mitgliedern der Landtage seit 1949 bekannt, und wenn ja, welche?

7. Wie viele Personen mit NS-Belastung waren nach Erkenntnissen der Bundes-
regierung nach 1949 an Bundesgerichten als Richter bzw. Staatsanwälte tätig?

a) Welche wissenschaftlichen Studien zu welchen Bundesgerichten wurden
in diesem Zusammenhang von der Bundesregierung in Auftrag gegeben?

b) Welche wissenschaftlichen Studien zu welchen Bundesgerichten sind
der Bundesregierung in diesem Zusammenhang bekannt?

8. Wie viele NS-belastete Personen sind nach Erkenntnissen der Bundesregie-
rung nach der Verabschiedung des 131er-Gesetzes 1951 wieder in den öf-
fentlichen Dienst zurückgekehrt, und wie verteilten sich diese Rückkehrer
auf die verschiedenen Einrichtungen des Bundes?

9. Welche Vorkehrungen wurden seitens der damalig zuständigen Bundesre-
gierung im Zusammenhang der 131er-Regelung getroffen, um möglichen
NS-Tätern die Aufnahme in Bundesinstitutionen zu verwehren?

10. Gab es ab 1949 Überprüfungen der Bewerber/-innen für den öffentlichen
Dienst bezüglich einer möglichen NS-belasteten Vergangenheit?

a) Welche Bewerber für welche Stellen im öffentlichen Dienst waren von
solchen Überprüfungen betroffen?

b) Wie und bis wann wurden solche Überprüfungen durchgeführt?

c) Wie viele Bewerber wurden aufgrund dieser Überprüfungen nicht für
den öffentlichen Dienst zugelassen bzw. wieder aus ihm entlassen?

11. Wie viele Personen mit NS-Belastungen waren ab Juni 1946 in der Organi-
sation Gehlen, der Vorläuferorganisation des Bundesnachrichtendienstes
(BND), tätig, und wie viele wurden davon am 1. April 1956 in den BND
übernommen?

12. Wie viele Personen mit NS-Belastungen waren nach 1949 in den unterschied-
lichen Geheim- bzw. Nachrichtendiensten der Bundesrepublik Deutschland
tätig

a) im Bundesamt für Verfassungsschutz,

b) im Bundesnachrichtendienst,

c) im Militärischen Abschirmdienst?

13. Welche Erkenntnisse über NS-belastete Mitarbeiter in den oben genannten
Diensten liegen der Bundesregierung generell vor?

14. Welche wissenschaftlichen Studien zur Geschichte der oben genannten
Dienste und zur Frage der NS-belasteten Personen in diesen Diensten wur-
den von Seiten der Bundesregierung in Auftrag gegeben (bitte einzeln auf-
führen)?

15. Plant die Bundesregierung die wissenschaftliche Aufarbeitung der Ge-
schichte der oben angeführten Dienste, auch im Hinblick auf die Frage von
NS-belastetem Personal?

Welche Planungen liegen für welche Dienste vor, und mit welchen finan-
ziellen Mitteln sollen mögliche Studien ausgestattet werden?

16. Wie viele Personen mit NS-Belastungen waren nach 1949 in den unter-
schiedlichen Polizeidiensten der Bundesrepublik Deutschland tätig

a) im Bundeskriminalamt,
b) im Bundesgrenzschutz?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/4126

17. Welche wissenschaftlichen Studien zur Geschichte der oben genannten Po-
lizeidienste und zur Frage der NS-belasteten Personen in diesen Polizei-
diensten wurden von Seiten der Bundesregierung in Auftrag gegeben (bitte
einzeln aufführen)?

18. Welche Studien sind der Bundesregierung zur Frage des NS-belasteten Per-
sonals für die einzelnen Länderpolizeien bekannt?

19. Wie viele NS-belastete Personen waren nach Kenntnis der Bundesregierung
am Aufbau der Bundeswehr seit 1950 beteiligt bzw. haben in der Bundes-
wehr als Zeitsoldaten bzw. im Offiziersrang seit 1956 gedient?

a) Welche wissenschaftlichen Studien zu NS-belastetem Personal der Bun-
deswehr wurden von der Bundesregierung wann in Auftrag gegeben?

b) Welche sonstigen wissenschaftlichen Studien zu NS-belasteten Personen
der Bundeswehr bzw. zur Vorgeschichte der Bundeswehr sind der Bun-
desregierung bekannt?

20. Welche strukturellen Elemente (regionale Verteilung, Führungsstruktur,
Größe etc.), die zwischen 1933 und 1945 entwickelt wurden, wurden beim
Aufbau der Polizeien des Bundes bzw. der Bundeswehr aus welchen Grün-
den übernommen?

21. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Beschäftigung von
NS-belasteten Personen in den staatlichen Organen der DDR, wie Regierun-
gen und Ministerien der DDR, Volkskammer, NVA, Polizeien, Geheim-
dienste der DDR?

22. Welche wissenschaftlichen Studien zur Frage von NS-belasteten Personen
in Institutionen der DDR sind der Bundesregierung bekannt, bzw. wurden
von ihr solche Studien in Auftrag gegeben?

B) Prozesse und Ermittlungen gegen NS-Täter

23. Wie viele Prozesse gegen mutmaßliche NS-Täter laufen nach Erkenntnissen
der Bundesregierung gegenwärtig noch in Deutschland (bitte nach Ange-
klagten, Tatvorwurf und Staatsanwaltschaften aufführen)?

24. Wie viele Strafverfahren gegen mutmaßliche NS-Täter sind nach Kenntnis-
sen der Bundesregierung in Deutschland noch in der Vorbereitung (bitte
nach Tatvorwurf und Staatsanwaltschaften aufführen)?

25. Wie viele von der deutschen Justiz gesuchte NS-Täter befinden sich nach
Erkenntnissen der Bundesregierung gegenwärtig im Ausland?

In wie vielen und welchen Fällen hat die Bundesregierung eine Ausliefe-
rung beantragt, und wie stellt sich der aktuelle Stand dar?

26. Gegen wie viele NS-Täter werden nach Erkenntnissen der Bundesregierung
im Ausland Prozesse vorbereitet bzw. laufen gegenwärtig Prozesse (bitte
einzeln aufführen, soweit bekannt)?

Liegen der Bundesregierung Auslieferungsgesuche wegen solcher Prozesse
im Ausland vor, und wenn ja, in welchen Fällen, und wie verhält sich die
Bundesregierung zu diesen Gesuchen?

27. Wie viele Amnestien gab es nach 1949 für NS-Täter, wer war davon betrof-
fen, und wie viele Personen kamen in den Genuss der jeweiligen Amnestie?

28. Welche Ermittlungsstellen, Staatsanwaltschaften etc. gibt es nach Erkennt-
nissen der Bundesregierung heute noch, die zum Thema NS-Täter schwer-
punktmäßig arbeiten?

Drucksache 17/4126 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

29. Welche Aufgabe hat die Ludwigsburger Ermittlungsstelle heute, und mit
wie viel Personal und welchen finanziellen Mitteln ist sie ausgestattet?

30. Wurde von Seiten der Bundesregierung eine kritische Aufarbeitung der ju-
ristischen Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit angeregt, z. B. in
Form von wissenschaftlichen Studien, und zu welchen Ergebnissen kom-
men gegebenenfalls solche Studien?

31. Gab es von Seiten der Bundesregierung eine Aufarbeitung der Frage, wa-
rum einige Haupttäter von NS-Verbrechen (z. B. Karl Adolf Eichmann,
Josef Mengele …) nicht durch die bundesdeutschen Behörden ermittelt und
in der Bundesrepublik Deutschland vor Gericht gestellt wurden?

32. Sind der Bundesregierung Aktenbestände zu diesen Fragen bekannt, die bis-
her nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden, und wenn ja, wel-
che, und wie, und wann will die Bundesregierung diese Akten der Öffent-
lichkeit zugänglich machen?

C) Entschädigungsleistungen für NS-Unrecht

33. Welche Anträge auf Entschädigung für erlittenes NS-Unrecht können heute
noch gestellt werden, und welche Voraussetzungen müssen mögliche An-
tragsteller/-innen erfüllen?

34. Welche ungeklärten bzw. juristisch umstrittenen Fragen von NS-Entschädi-
gungen bestehen aus Sicht der Bundesregierung gegenwärtig noch?

35. Wie ist der aktuelle Stand der juristischen Auseinandersetzung um die Frage
der Entschädigung der so genannten Italienischen Militärinternierten, und
denkt die Bundesregierung hier über eine Form der Entschädigung nach?

Welche Ergebnisse hat die in diesem Zusammenhang auch von Seiten des
Bundes angeregte „Historikerkonferenz“, bzw. was ist der gegenwärtige
Stand?

36. Wie ist der aktuelle Stand der juristischen Auseinandersetzung um die Frage
der Entschädigung der ehemaligen sowjetischen Kriegsgefangenen, und
denkt die Bundesregierung hier über eine Form der Entschädigung nach?

37. Wie ist der aktuelle Stand der juristischen Auseinandersetzung um die Frage
der Entschädigung im Falle des Wehrmachtsmassakers im griechischen Dis-
tomo, und denkt die Bundesregierung hier über eine Form der Entschädi-
gung nach?

Welches Ergebnis bzw. welchen gegenwärtigen Stand hat in diesem Zusam-
menhang die Klage der Bundesregierung vor dem Europäischen Gerichts-
hof?

38. Wie beurteilt die Bundesregierung die vom Verein „Zug der Erinnerung“
angestoßene Initiative, die durch die Reichsbahn deportierten Opfer von
NS-Verbrechen, die ihre Deportation gegenüber der Reichsbahn auch noch
selbst bezahlen mussten, zu entschädigen?

Welchen Stand haben die Verhandlungen über eine mögliche Entschädigung
seitens der Deutschen Bahn AG als Nachfolgerin der Reichsbahn, und wel-
che Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Stiftung „Erinnerung, Verant-
wortung, Zukunft“?

39. Welche Hilfsmöglichkeiten gibt es nach Kenntnissen der Bundesregierung
für die Angehörigen der so genannten Zweiten Generation, d. h. der Kinder
von NS-Opfern, bei der Behandlung von Traumatisierungen o. Ä., die im
Zusammenhang mit der NS-Erfahrung ihrer Eltern stehen, und sieht die

Bundesregierung hier einen Handlungsbedarf?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/4126

40. Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorschlag von Dr. Jörg Freiherr
Frank von Fürstenwerth, Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft, an-
lässlich des Empfangs „10 Jahre Stiftung EVZ“, Wirtschaft, Staat und Ge-
sellschaft sollten eine gemeinsamen Initiative zur finanziellen Absicherung
hilfsbedürftiger noch lebender Opfer der NS-Vernichtungspolitik starten?

Macht sich die Bundesregierung diesen Vorschlag zu eigen?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, hat die Bundesregierung schon Gespräche zu diesem Thema ge-
führt, und mit welchem Inhalt und Ergebnis verliefen diese Gespräche?

41. Welche finanziellen Zusicherungen hat die Bundesregierung für die aktuelle
Unterstützung von Holocaustüberlebenden und vor allem für das Thema
häusliche Pflege von Überlebenden des Holocaust gemacht, und sieht sie
hier Bedarf für ein weiteres finanzielles Engagement?

42. Wie stellt sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Anrechnung von rus-
sischen Renten bei so genannten (jüdischen) Kontingentflüchtlingen nach
Deutschland auf Leistungen der Sozialhilfe und Grundsicherung dar, in de-
nen Entschädigungsleistungen aufgrund von NS-Verfolgung enthalten sind?

43. Wie stellt sich die Frage der Nachzahlungen von Renten nach dem Gesetz
zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto
(„Ghettorenten“) aus Sicht der Bundesregierung dar, und kommt es hier zu
einer einheitlichen zeitlichen Regelung, für welchen Zeitraum eine Nach-
zahlung möglich ist, und nach welchen Kriterien erfolgt die Entscheidung
über den Zeitraum der Nachzahlungen?

44. Welche Personengruppen, die aufgrund ihrer realen oder angeblichen poli-
tischen, sozialen, „rassischen“ Zugehörigkeit bzw. sexuellen Orientierung
zu NS-Opfern wurden, wurden wann in der Bundesrepublik Deutschland als
entschädigungsberechtigt anerkannt?

45. Welche Gruppen von NS-Verfolgten wurden in der DDR als Opfergruppen
anerkannt, und welche Form der Entschädigung wurde ihnen gewährt?

a) Welche Entschädigungsleistungen oder anderweitigen Vergünstigungen,
die in der DDR NS-Opfern gewährt wurden, wurden durch die Bundes-
republik Deutschland nach dem 3. Oktober 1990 in welcher Höhe fort-
geführt?

b) Welchen Gruppen von NS-Opfern, die in der DDR als Opfergruppen an-
erkannt wurden, wurde dieser Status nach dem 3. Oktober 1990 mit wel-
cher Begründung aberkannt?

46. In welcher Höhe und an welchen Personenkreis wurden von Seiten der DDR
Ehrenrenten aufgrund der NS-Verfolgung gezahlt?

a) Welche dieser Ehrenrenten wurden nach dem 3. Oktober 1990 in welcher
Höhe weitergezahlt?

b) Welche dieser Ehrenrenten wurden nach dem 3. Oktober 1990 mit wel-
cher Begründung gekürzt bzw. nicht mehr weitergezahlt?

47. Wie viele Personen waren ab 1949 in der Bundesrepublik Deutschland von
Renten- bzw. Pensionskürzungen aufgrund ihrer NS-Belastung betroffen?

48. Wie viele im Ausland lebende Personen erhielten aufgrund ihrer Tätigkeit
in NS-Organisationen nach 1949 Rentenzahlungen aus der Bundesrepublik
Deutschland, und bis wann erfolgten diese Zahlungen?

49. Welche Handlungsanforderungen ergeben sich nach Einschätzung der Bun-

desregierung aus der auch von Deutschland verabschiedeten Theresienstäd-
ter Erklärung vom Juni 2009, wie stellt sich der Stand der Umsetzung der

Drucksache 17/4126 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

dort getroffenen Vereinbarungen für die Bundesrepublik Deutschland dar,
und welche Anforderungen sieht die Bundesregierung noch nicht als erfüllt
an, und bis wann will sie diese Anforderungen erfüllen?

50. Beteiligt sich die Bundesregierung an der Finanzierung des in Theresien-
stadt geschaffenen „European Shoah Legacy Institute“ (ESLI), und wenn ja,
in welcher Höhe, und wenn nein, warum nicht?

D) Fortgeltung von NS-Normen

51. Welche Normen und gesetzlichen Grundlagen, die zwischen 1933 und 1945
für die Diskriminierung und Verfolgung ganzer Personengruppen die
Grundlage bildeten, behielten nach 1949 und bis wann in der Bundesrepu-
blik Deutschland ihre Gültigkeit

a) beim Thema Homosexualität,

b) beim Thema Eugenik,

c) beim Thema „Landesverrat“,

d) beim Thema „Kriegsverrat“,

e) beim Thema Desertion,

f) beim Thema „Asozialität“?

52. Welche Normen und gesetzlichen Grundlagen, die zwischen 1933 und 1945
für die Diskriminierung und Verfolgung ganzer Personengruppen die
Grundlage bildeten, behielten bezogen auf die oben genannten Themen
nach 1949 und bis wann in der DDR ihre Gültigkeit?

53. Zu welchen der oben genannten Verfolgungstatbeständen konnten ab wann
in der Bundesrepublik Deutschland Entschädigungsleistungen beantragt
werden?

54. Wie viele Entschädigungsanträge wurden nach 1949 aufgrund der oben
angeführten Verfolgungstatbestände gestellt, und wie viele davon wurden
positiv beschieden?

55. Für welche der oben angeführten Verfolgungstatbestände konnten in der
DDR nach 1949 und ab wann Entschädigungsleistungen beantragt werden?

E) Gedenkstätten, Erinnerungsorte

56. Welche NS-Gedenkstätten bzw. Erinnerungsorte werden seit wann und in
welcher Höhe in der Bundesrepublik Deutschland gefördert?

57. Welche NS-Gedenkstätten bzw. Erinnerungsorte wurden bis 1990 und in
welcher Höhe in der DDR gefördert bzw. von dieser unterhalten?

58. Wie hat sich die personelle Ausstattung der vom Bund geförderten NS-Ge-
denkstätten und Erinnerungsorte seit 1990 entwickelt?

59. Wie haben sich die Besucherzahlen und die Besucherstruktur der vom Bund
geförderten NS-Gedenkstätten und Erinnerungsorte seit 1990 entwickelt?

60. Wie stellt sich die Entwicklung der pädagogischen Angebote der vom Bund
geförderten NS-Gedenkstätten und Erinnerungsorte seit 1990 dar, und wie
stellt sich für diesen Zeitraum die Nachfrage nach diesen Angeboten dar?

61. Welche Gedenkstätten, Erinnerungsorte etc. gelten als Orte „doppelter Ver-
gangenheit“, und wie sehen die pädagogischen Konzepte bzw. Ausstel-
lungskonzepte zur Vermittlung dieser „doppelten Vergangenheit“ aus?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9 – Drucksache 17/4126

62. Welche NS-Gedenkstätten und Erinnerungsorte außerhalb der Bundesrepu-
blik Deutschland werden vom Bund mit welchen Mittel und seit wann un-
terstützt?

63. Beteiligen sich der Bund bzw. die Länder am Erhalt bzw. der inhaltlichen
Ausgestaltung der NS-Vernichtungslager im heutigen Polen (Auschwitz,
Treblinka, Sobibor, Belzec, Majdanek)?

a) Seit wann und in welcher Höhe beteiligen sich Bund und/oder Länder an
der Förderung welcher Gedenkstätte?

b) Welche Projekte, Aufgaben etc. werden mit Geldern des Bundes bzw. der
Länder konkret gefördert?

c) Sieht die Bundesregierung bei der Ausstattung bzw. dem Erhalt der im
heutigen Polen gelegenen NS-Vernichtungsstätten weiteren Bedarf, und
will sie sich hier finanziell oder in anderer Form beteiligen, und welche
Formen der Förderung werden gegebenenfalls ins Auge gefasst?

d) Gibt es weitere Erinnerungsorte von NS-Verbrechen in Osteuropa, an de-
ren Erhalt, Ausbau etc. sich die Bundesregierung beteiligt bzw. bei denen
die Bundesregierung Handlungsbedarf sieht?

64. Wie beurteilt die Bundesregierung die Entwicklung der kommunalen Ge-
denkstättenarbeit, welche Anforderungen und welche Möglichkeiten der
Unterstützung von Seiten des Bundes sieht sie hier?

Berlin, den 6. Dezember 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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