BT-Drucksache 17/4078

Stärkung des Schiffbaustandortes Deutschland

Vom 1. Dezember 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4078
17. Wahlperiode 01. 12. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Uwe Beckmeyer, Garrelt Duin, Sonja Steffen, Heinz-Joachim
Barchmann, Dr. Hans-Peter Bartels, Sören Bartol, Bernhard Brinkmann
(Hildesheim), Edelgard Bulmahn, Martin Burkert, Sebastian Edathy, Petra
Ernstberger, Karin Evers-Meyer, Iris Gleicke, Ulrike Gottschalck, Michael Groß,
Hans-Joachim Hacker, Bettina Hagedorn, Hubertus Heil (Peine), Gustav Herzog,
Gabriele Hiller-Ohm, Johannes Kahrs, Lars Klingbeil, Ute Kumpf, Gabriele
Lösekrug-Möller, Kirsten Lühmann, Caren Marks, Thomas Oppermann, Holger
Ortel, Florian Pronold, Sönke Rix, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. Carsten Sieling,
Kerstin Tack, Franz Thönnes, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Stärkung des Schiffbaustandortes Deutschland

Die maritime Branche besitzt eine besondere Bedeutung für die Wettbewerbsfä-
higkeit Deutschlands auf den Weltmärkten. Rund 95 Prozent des interkontinen-
talen Warenaustausches und rund 90 Prozent des europäischen Außenhandels
werden über den Seeweg abgewickelt. Mehr als 40 Prozent des Umsatzes der
maritimen Wirtschaft werden in küstenfernen Bundesländern erwirtschaftet.
Deutschland verfügt insgesamt über die drittgrößte Handelsflotte der Welt, beim
Spezialschiffbau ist es Weltmarktführer. Doch die maritime Industrie hat die
Folgen der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise noch nicht überwunden. Die
Branche steht vor einem grundlegenden Strukturwandel. Gleichwohl gibt es
kein klares Bekenntnis der Bundesregierung zur Fortführung der Unterstüt-
zungsmaßnahmen in der bisherigen Form im Rahmen des Wirtschaftsfonds
Deutschland über den 31. Dezember 2010 hinaus.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie beurteilt die Bundesregierung die wirtschaftliche Situation der Werft-
industrie in Deutschland und ihre Entwicklung in den vergangenen zehn Jah-
ren (bitte aufschlüsseln nach Jahren, Auftragsbestand und Umsatzvolumen)?

2. Wie bewertet die Bundesregierung die Position der deutschen Werften im
europäischen und internationalen Wettbewerb?

3. Welchen Weltmarktanteil erreicht die deutsche Schiffbauindustrie, und wie
hat sich dieser in den vergangenen zehn Jahren entwickelt?

4. Wie viele Beschäftigte verzeichnet die deutsche Schiffbauindustrie, und wie

hat sich die Zahl der Arbeitsplätze in diesem Sektor seit dem Jahr 2000 ent-
wickelt?

5. Wie viele Schiffbaubetriebe in Deutschland mussten im Zuge der Finanz-
markt- und Wirtschaftskrise seit 2008 Insolvenz anmelden, und wie viele
Beschäftigte waren davon betroffen?

Drucksache 17/4078 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

6. Wie hat sich die Zahl der Neuaufträge für die deutsche Werftindustrie in den
vergangenen zehn Jahren im Verhältnis zur Gesamtflotte deutscher Reeder
entwickelt, und wie unterteilen sich die neuen Bestellungen in Schiffstypen?

7. Wie stellt sich die Auslastung der deutschen Schiffbaubetriebe in diesem
Zeitraum dar?

8. Wie stellt sich die Schiffsfinanzierung bei den Bestellungen deutscher
Reeder bei deutschen und ausländischen Werften nach Eigen- und Fremd-
kapital dar (bitte nach Schiffstypen angeben), und wie hoch ist der Anteil
der Bankbürgschaften an der Auftragsfinanzierung?

9. Wie stellt sich der Anteil der Fremdkapitalfinanzierung nach Bauzeit- und
Bauendfinanzierung dar?

10. Wie hoch ist der Anteil von Schiffbauprojekten, die im Rahmen der Fremd-
kapitalfinanzierung von deutschen Reedern an ausländische Werften verge-
ben wurden?

11. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, wie viele Banken in Deutsch-
land im Geschäftsfeld der Schiffsfinanzierung aktiv sind, und wie hoch die
Zahl derer ist, die sich aufgrund der finanzmarktinduzierten Wirtschafts-
krise aus diesem Marktsegment zurückgezogen haben?

12. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, wie sich das Kredit-
volumen für die Schiffsfinanzierung in den vergangenen zehn Jahren ent-
wickelt hat?

13. Wie viele Anträge auf Unterstützungsmaßnahmen des KfW-Sonderpro-
gramms und des Bürgschaftsprogramms im Rahmen des Wirtschaftsfonds
Deutschland sind von den Unternehmen der maritimen Wirtschaft einge-
reicht worden, und wie hoch ist die Zahl der Bewilligungen?

14. Welches Volumen umfassen die bewilligten Hilfen seit 2008, und wie unter-
teilt sich dieses in Maßnahmen aus dem KfW-Sonderprogramm und dem
Bürgschaftsprogramm im Rahmen des Wirtschaftsfonds Deutschland?

15. Wie teilen sich die vergebenen Mittel nach den Bereichen Schiffbau und
Schifffahrt auf?

16. Wie lange dauerte im Durchschnitt die Bearbeitung der Anträge?

17. Hat die Bundesregierung die Prüfaufträge aus den Spitzengesprächen beim
Maritimen Koordinator aufgegriffen, die Verfahren im KfW-Sonderpro-
gramm zu beschleunigen und zu standardisieren und dabei auch die von
Banken vorgebrachten Vorschläge für Anpassungen des Sonderprogramms
zu berücksichtigen, und wenn nein, wie begründet sie dies?

18. Wie bewertet die Bundesregierung die Wirksamkeit dieser Unterstützungs-
maßnahmen, und wie kommt sie zu dieser Bewertung?

19. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, in welchem Umfang die Hilfen
aus dem Wirtschaftsfonds Deutschland zur Sicherung von Arbeitsplätzen
beigetragen haben?

20. Ist eine Evaluierung der Hilfsmaßnahmen und ihrer Wirkung für die Siche-
rung von Betrieb und Arbeitsplätzen in der Werftindustrie durch die Bun-
desregierung erfolgt, oder ist dies geplant?

21. Wie begründet die Bundesregierung ihre Entscheidung, die Hilfen für die
deutschen Werften über den Wirtschaftsfonds Deutschland nach dem
31. Dezember 2010 nicht fortzuführen?

22. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Aufschwungphase die

Werftindustrie nach einer internationalen Konjunkturkrise typischerweise
erst spät erreicht?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4078

23. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass die deutschen Werften vor
dem Hintergrund der weiterhin schwierigen konjunkturellen Lage auch in
Zukunft Unterstützung benötigen, und wenn ja, mit welchen konkreten
Maßnahmen beabsichtigt die Bundesregierung, die deutschen Werften zu
unterstützen?

24. Mit welchen Instrumenten beabsichtigt die Bundesregierung zukünftig ins-
besondere die Finanzierungsmodalitäten für deutsche Werftbetriebe zu ver-
bessern?

25. Liegen die Ergebnisse der in den Spitzengesprächen beim Maritimen Koor-
dinator der Bundesregierung verabredeten Prüfung vor, wie die Spielräume
der Instrumentarien der Schiffsfinanzierung vollständig ausgeschöpft wer-
den können, und welche Schlüsse zieht die Bundesregierung daraus?

26. Wie bewertet die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die Vor-
schläge zur Neujustierung dieser Instrumentarien, welche die Fraktion der
CDU/CSU am 8. November 2010 vorgelegt hat, und sieht sie einen Wider-
spruch zu Aussagen des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie,
die erhöhte Bürgschaftsquote von 90 Prozent nicht beibehalten zu wollen?

27. Wie bewertet die Bundesregierung den Vorschlag, befristet bis Ende 2012
die Möglichkeit einer 90-prozentigen Haftungsfreistellung bzw. eine Risi-
koabdeckung bei Schiffbaubürgschaften von 90 Prozent zu erhalten (gege-
benenfalls unter Risikoteilung zwischen Bund und Ländern)?

28. Hat sich die Bundesregierung in den Konsultationen zum Entwurf der Eu-
ropäischen Kommission für eine Verlängerung des sog. „Temporary Frame-
work“ eingesetzt, und wie bewertet sie den Entwurf der Europäischen Kom-
mission, der eine Fortführung der gegenwärtigen Regelung für ein Jahr bei
gleichzeitiger deutlicher Reduzierung des Umfangs vorsieht?

29. Wie bewertet die Bundesregierung den Vorschlag, den erhöhten Hermes-
Avalrahmen von 300 Mio. Euro für Exportgeschäfte im zivilen wie im
Marineschiffbau beizubehalten und ein vergleichbares Instrument für inlän-
dische Aufträge zu schaffen?

30. Wie bewertet die Bundesregierung die Wirksamkeit des Festzinssystems
„CIRR“ für den deutschen Schiffbausektor, und wird sie sich dafür einset-
zen, das CIRR-Gewährleistungsinstrument in seiner bisherigen Ausgestal-
tung beizubehalten?

31. Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, durch Investitionsanreize zum
Beispiel im Bereich der Steuerpolitik den Bau von Schiffen in Deutschland
zu fördern, und sind ihr ähnliche Anreizsysteme aus anderen EU-Ländern
oder zugunsten anderer Industriebereiche bekannt?

32. Was will die Bundesregierung unternehmen, um vor dem Hintergrund des
neu aufgelegten KfW-Sonderprogramms „Offshore-Windenergie“ die Fi-
nanzierung und Produktion der benötigten Spezialschiffe am Standort
Deutschland sicherzustellen?

33. Welche Kenntnisse liegen der Bundesregierung über internationale Finan-
zierungsstrukturen zur Förderung des nationalen Schiffbaus vor (bitte nach
Ländern aufschlüsseln), und welche Schlüsse zieht sie daraus für die natio-
nale Politik?

34. Wie bewertet die Bundesregierung die Wettbewerbschancen für die deut-
sche Werftindustrie vor dem Hintergrund der anhaltenden Wettbewerbsver-
zerrungen auf dem internationalen Markt, bedingt etwa durch staatlich ge-
förderte strategische Investitionen und staatliche Subventionierung?

Drucksache 17/4078 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
35. Wird sich die Bundesregierung auf WTO- und OECD-Ebene für eine Besei-
tigung der bestehenden Wettbewerbsverzerrungen auf dem internationalen
Markt einsetzen, und welche konkreten Maßnahmen plant sie dazu?

36. Wird sich die Bundesregierung gegenüber der Europäischen Kommission
dafür einsetzen, neue EU-Regelungen über staatliche Beihilfen für den
Schiffbau zu schaffen?

37. Wie beurteilt die Bundesregierung Vorschläge zur Stärkung der Rolle der
Europäischen Investitionsbank zugunsten der europäischen Schiffbauindus-
trie durch bevorzugte Kreditbereitstellung zum Bau technologisch hochwer-
tiger umweltfreundlicher Schiffe?

38. Wird die Bundesregierung die Bemühungen um ein neues OECD-Schiff-
bauabkommen unterstützen?

39. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den am 15. November
2010 vorgestellten Empfehlungen des Wissenschaftsrates zur Erneuerung
und strategischen Weiterentwicklung der deutschen marinen Forschungs-
flotte?

40. Welche Veränderungen ergeben sich – angesichts der Empfehlung des Wis-
senschaftsrates, zeitgerecht Ersatz für die Forschungsschiffe „Polarstern“
und „Meteor“ zu schaffen – für den Zeitplan bei der Erneuerung der For-
schungsflotte?

41. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um das vom Wis-
senschaftsrat beschriebene Potenzial für die Forschungsflotte, ein euro-
päisch und international einmaliges Profil und damit eine Vorreiterrolle in
der Polarforschung einnehmen zu können, tatsächlich zu erreichen?

42. Wie sieht der weitere Zeitplan bezogen auf die anderen Forschungsschiffe
für die Meeres- und Polarforschung aus, und welche Maßnahmen gedenkt
die Bundesregierung neben der Erneuerung für eine strategische Weiterent-
wicklung der Forschungsflotte zu ergreifen?

Berlin, den 1. Dezember 2010

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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