BT-Drucksache 17/3768

Das Ensemble der alten Eisfabrik in Berlin-Mitte und die Unternehmenspraxis der TLG IMMOBILIEN GmbH

Vom 11. November 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3768
17. Wahlperiode 11. 11. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Daniela Wagner, Agnes Krumwiede, Lisa Paus, Bettina
Herlitzius, Stephan Kühn, Winfried Hermann, Dr. Anton Hofreiter, Ingrid Nestle,
Dr. Valerie Wilms und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Das Ensemble der alten Eisfabrik in Berlin-Mitte und die Unternehmenspraxis
der TLG IMMOBILIEN GmbH

Die Eisfabrik in Berlin-Mitte der Norddeutschen Eiswerke AG wurde 1896 er-
richtet und ist eine der ältesten noch erhaltenen Eisfabriken in Deutschland. Erst
1995 wurde der Betrieb eingestellt. Obwohl das Ensemble der Eisfabrik, be-
stehend aus einer zwei Höfe umfassende Wohn- und Fabrikanlage mit drei Kühl-
häusern sowie das Kessel- und Maschinenhaus, unter Denkmalschutz steht,
sollen die Kühlhäuser abgerissen werden. Besitzer dieses denkmalgeschützten
Ensembles ist heute zum Teil die bundeseigene TLG IMMOBILIEN GmbH.
Diese wurde 1991 als Tochterunternehmen der Treuhandgesellschaft gegründet,
1995 wurde das Unternehmen unter dem Namen TLG Treuhand Liegenschafts-
gesellschaft von der Bundesrepublik Deutschland übernommen, in 2002
erfolgte die Umbenennung des Unternehmens in TLG IMMOBILIEN GmbH.
Das Unternehmen ist auf den Verkauf von Immobilien und Grundstücken in
Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und
Thüringen spezialisiert und am Investitionsprojekt „Mediaspree“ des Landes
Berlin beteiligt.

Ein Teil des Ensembles der Eisfabrik in Berlin-Mitte ist von der TLG IMMO-
BILIEN GmbH bereits 2008 an einen Investor aus Bochum veräußert worden.
Dieser Investor hat Interesse am restlichen Ensemble der Eisfabrik bekundet und
für alle Gebäude der ehemaligen Eisfabrik ein kulturelles Nutzungskonzept vor-
gelegt. Sein Team hat mit dem Radialsystem V auf der gegenüberliegenden
Spreeseite bewiesen, dass es neue Kulturstandorte erfolgreich entwickeln und
etablieren kann. Die bundeseigene TLG IMMOBILIEN GmbH hat das Kaufan-
gebot jedoch ausgeschlagen. Stattdessen wurde am 18. Oktober 2010 mit dem
Abriss der Kühlhäuser begonnen (vgl. den Artikel „Die letzte Szene – Kunst und
Subkultur in Not“ in DER TAGESSPIEGEL vom 23. Oktober 2010), ohne dass
ein Plan für eine Folgebebauung und daher auch keine Baugenehmigung vor-
liegt. Die wahrscheinliche Bebauung durch Luxuswohneinheiten würde eine
kulturelle Nutzung der verbleibenden Gebäude der Eisfabrik erheblich gefähr-
den.
Neben der Eisfabrik sind derzeit mehrere Berliner Kultureinrichtungen aufgrund
von kommerziellen Interessen ihrer Vermieter in ihrer Existenz bedroht. Doch
gerade für die Stadt Berlin sind solche Orte der (Sub-)Kultur ein wichtiger
Standortfaktor. Im Jahr 2009 erzielten Bund und Hauptstadt nach eigenen An-
gaben zusammen 1,85 Mrd. Euro an Steuereinnahmen durch den Tourismus.
Insgesamt wurden in Berlin fast 8 Mrd. Euro auf diesem Gebiet umgesetzt. Laut
Aussage der „Berlin Tourismus Marketing GmbH“ ist die Hälfte aller Touristen

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unter 40 Jahre alt, ein Drittel sogar unter 30. Dieses Publikum interessiere sich
hauptsächlich für Kultur. Kunst und Wirtschaftlichkeit ziehen beim Erhalt von
gefährdeten Kulturprojekten wie der Eisfabrik also an einem Strang.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie hat die TLG IMMOBILIEN GmbH es begründet, den Verkauf des rest-
lichen Ensembles der Eisfabrik an den Investor aus Bochum zu verweigern
(siehe Artikel in DER TAGESSPIEGEL vom 23. Oktober 2010)?

2. Wie wird der Umstand bewertet, dass ein bundeseigenes Unternehmen sich
weigert den Rest des Eisfabrik-Ensembles zu veräußern, obwohl der betref-
fende Käufer, der zudem ein kulturelles Nutzungskonzept für das Ensemble
konzipiert hat, schon seit 2008 ein Viertel der Eisfabrik besitzt?

3. Wie ist die Entscheidung zum Abriss eines Teils des unter Denkmalschutz
stehenden Ensembles mit dem Denkmalschutz zu vereinbaren?

4. Wie ist die Entscheidung zum Abriss eines Teils des unter Denkmalschutz
stehenden Ensembles mit der Unternehmensstrategie der erfolgreichen Be-
wirtschaftung des bestehenden Portfolios zu vereinbaren (laut TLG-Bro-
schüre: Immobilienmarkt Ostdeutschland 2010)?

5. Wie ist die Entscheidung zum Abriss eines Teils des unter Denkmalschutz
stehenden Ensembles mit der Unternehmensstrategie der wertorientierten
Verkäufe aus dem vorhandenen Bestand zu vereinbaren (laut TLG-Bro-
schüre: Immobilienmarkt Ostdeutschland 2010)?

6. a) Wie passt die Weigerung der TLG IMMOBILIEN GmbH das restliche
Ensemble der Eisfabrik zu veräußern zur Unternehmensstrategie der
Eigenentwicklung weiterer Immobilien (laut TLG-Broschüre: Immobi-
lienmarkt Ostdeutschland 2010 – Marktdaten der kreisfreien Städte und
Berlin)?

b) Liegt seitens der TLG IMMOBILIEN GmbH ein Nutzungskonzept für
das restliche Gelände der alten Eisfabrik vor, und wenn ja, mit welchen
inhaltlichen Schwerpunkten?

7. Wie werden die Entwicklungspotentiale des Areals seitens TLG IMMO-
BILIEN GmbH mit und ohne Kühlhäuser eingeschätzt?

8. Befürwortet die Bundesregierung einen Abbruch der Abrissarbeiten, und ist
sie bereit, ihren Einfluss dahingehend geltend zu machen?

9. Wäre im Falle eines Abrissstopps eine Rekonstruktion der bereits zerstörten
Teile unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes sowie der gegebenen
Fakten überhaupt möglich?

10. Wird der zukünftige Bebauungsplan des Geländes – im Anschluss an den
beabsichtigten Abriss – mit dem Nutzungsprofil der nachbarschaftlichen
Gebäude abgestimmt werden?

11. Welche Haltung hat die Bundesregierung zu einer kulturellen Nutzung des
gesamten Geländes?

Berlin, den 11. November 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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