BT-Drucksache 17/3643

Aufklärung über den Stand der Rüstungskooperation Deutschlands auf europäischer Ebene

Vom 8. November 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3643
17. Wahlperiode 08. 11. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Paul Schäfer (Köln), Jan van Aken, Christine Buchholz,
Andrej Hunko, Niema Movassat, Alexander Ulrich, Katrin Werner
und der Fraktion DIE LINKE.

Aufklärung über den Stand der Rüstungskooperation Deutschlands auf
europäischer Ebene

Seit Mitte der 90er-Jahre bemühen sich die europäischen Staaten, die über
erhebliche Rüstungsproduktionskapazitäten verfügen, um eine Europäisierung
der Rüstungspolitik unter ihrer Führung. Dabei geht es u. a. um die Erleichte-
rung der Planung und Durchführung gemeinsamer Beschaffungsvorhaben, der
Öffnung nationaler Rüstungsmärkte und Erleichterung von Rüstungsexporten.
Zur Verbesserung der multinationalen Rüstungsbeschaffung haben Deutsch-
land, Frankreich, Großbritannien und Italien 1998 die OCCAR (Gemeinsame
Organisation für die Zusammenarbeit im Bereich der Rüstung) ins Leben geru-
fen. 2001 hat die OCCAR mit Sitz in Bonn die Arbeit aufgenommen. Inzwischen
sind auch Belgien und Spanien der Agentur beigetreten. Innerhalb der OCCAR
übernehmen einzelne Programmbüros, für die jeder Staat Mitarbeiter abstellt, je-
weils die Koordination und Verwaltung der Beschaffungsvorhaben und können
direkt mit den Rüstungsunternehmen und Zulieferern Verträge aushandeln.

Im Jahr 2000 haben Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Schwe-
den und Spanien das „Rahmenabkommen über Maßnahmen zur Erleichterung
der Umstrukturierung und der Tätigkeit der Europäischen Rüstungsindustrie“
(Letter-of-Intent-Prozess/LoI-Prozess) unterzeichnet, welches 2003 in Kraft
trat. Nur ein Jahr später, 2004, wurde zudem mit der Europäischen Verteidi-
gungsagentur (European Defence Agency/EDA) auf der inter-gouvernmentalen
Ebene der EU ein Koordinierungs- und Planungsgremium eingerichtet, was u. a.
den Auftrag hat, die Rüstungskooperation der EU-Staaten zu verbessern und den
„Europäischen Rüstungsmarkt“ auszugestalten. Zu diesem Zweck wurde bereits
2004 eine enge Anbindung und spätere Integration der Aufgaben der OCCAR
und des Rahmenabkommens ins Auge gefasst. Seit Dezember 2008 betreut die
OCCAR bereits ein von der EDA initiertes Projekt (ESSOR – European Secure
Software Defined Radio). Im April 2009 haben Verhandlungen zwischen EDA
und OCCAR über eine Verwaltungsvereinbarung zur Verstetigung der Zusam-
menarbeit begonnen.

Während die EDA zumindest in regelmäßigen Abständen über die Arbeits-

schwerpunkte und Ziele informiert, erfährt die Öffentlichkeit kaum etwas über
die von der OCCAR oder bei den regelmäßigen Konsultationen im LoI-Prozess.
Gerade die Arbeit der OCCAR hat direkte Auswirkungen auf den Verteidigungs-
haushalt. Derzeit werden dort vier Rüstungsvorhaben mit einem deutschen
Anteil von mehreren Milliarden Euro verwaltet, Transportflugzeug A400M,
Artillerieortungsradar COBRA, GTK/Boxer und Kampfhubschrauber TIGER.
Insbesondere das A400M-Programm galt am Anfang als Prestige-Projekt.

Drucksache 17/3643 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Während anfänglich die anderen Beschaffungsvorhaben der OCCAR, wie z. B.
das TIGER-Programm, bereits im Rahmen der NATO-Programmbüros begon-
nen wurden und die Verträge deswegen bereits vorverhandelt waren, sollte mit
der Vertragsunterzeichnung 2003 der A400M als erstes „eigenes“ Beschaffungs-
vorhaben vollständig im Rahmen der OCCAR umgesetzt werden. Das neun
Jahre später ein drastischer Anstieg der Projektkosten um etwa 10 Mrd. Euro zu
beobachten ist, wirft Fragen hinsichtlich der Effektivität des Programm-
Managements durch OCCAR auf.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie hat sich die Mitarbeiterzahl der OCCAR in Bonn seit 2001 entwickelt
(bitte nach Jahren und nach Entsendestaaten aufgeschlüsselt)?

2. Wie haben sich seit 2001 die Ausgaben für die OCCAR-Verwaltung inklu-
sive der Programmbüros entwickelt, und wie hoch war der deutsche Anteil
daran (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren)?

3. Welche multinationalen Rüstungsprogramme welcher Staaten werden der-
zeit von der OCCAR koordiniert (bitte jeweils unter Angabe des Pro-
grammbeginns und der ursprünglich vereinbarten Kosten, der jeweiligen
Stückzahlen der beteiligten Staaten und dem vereinbarten Auslieferungs-
zeitraum)?

4. Was ist der derzeitige Ist-Stand dieser Vorhaben hinsichtlich der Kosten,
der Stückzahlen und des Auslieferungszeitraums, und wie erklären sich
ggf. die Unterschiede im Vergleich zur ursprünglichen Vereinbarung?

5. Wie bewertet die Bundesregierung jeweils bei den einzelnen Rüstungs-
programmen der OCCAR die erreichten Effizienzsteigerungen bei der
Programmplanung und -durchführung, insbesondere bei den Vorhaben mit
deutscher Beteiligung?

6. Wie bewertet die Bundesregierung jeweils bei den einzelnen Rüstungs-
programmen der OCCAR die erreichten Einsparungseffekte (Personal und
Kosten), insbesondere bei den Vorhaben mit deutscher Beteiligung?

7. Wie viele Aufträge für die jeweiligen OCCAR-Programme wurden bislang
an Auftragnehmer in Deutschland vergeben (bitte jeweils unter Angabe des
finanziellen Umfangs pro Projekt)?

8. Wie viele Aufträge für die jeweiligen OCCAR-Programme wurden bislang
an Auftragnehmer in welche anderen Staaten vergeben (bitte jeweils unter
Angabe des finanziellen Umfangs pro Projekt)?

9. Welche Beschaffungsvorhaben könnten der OCCAR nach Auffassung der
Bundesregierung in den nächsten fünf Jahren übertragen werden?

10. Welche Beschaffungsvorhaben plant die Bundesregierung konkret der
OCCAR zu übertragen, und welche Optimierung erhofft sich die Bundes-
regierung dadurch?

11. Mit welchen Staaten werden derzeit Gespräche und Verhandlungen über
eine mögliche Mitgliedschaft in der OCCAR geführt?

12. Wie bewertet die Bundesregierung die bisherige Kooperation zwischen der
EDA und der OCCAR, und was ist der aktuelle Stand der Verhandlungen
über eine Verwaltungsvereinbarung zwischen EDA und OCCAR?

13. Welche Unterausschüsse wurden wann im LoI-Rahmen eingerichtet, und
wie häufig haben sich diese Unterausschüsse seitdem getroffen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/3643

14. Auf welche Maßnahmen (Vereinbarungen, Absprachen etc.) zur Erfüllung
der Vorgaben des Rahmenabkommens konnten sich die Staaten im LoI-
Rahmen bislang einigen?

15. Welche Maßnahmen werden derzeit diskutiert bzw. in den Unterausschüs-
sen verhandelt?

16. Welche Rolle soll das Rahmenabkommen nach Auffassung des Bundes-
ministeriums der Verteidigung in Zukunft spielen?

17. Wie wird der Deutsche Bundestag in Zukunft über die Arbeit der EDA, der
OCCAR und den Verhandlungen im Rahmen des LoI-Prozesses unterrichtet
werden?

Berlin, den 8. November 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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