BT-Drucksache 17/3642

Auswirkungen der militärischen Nutzung des Luft-Boden-Schießplatzes Siegenburg

Vom 8. November 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3642
17. Wahlperiode 08. 11. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Inge Höger, Jan van Aken, Christine Buchholz, Sevim
Dag˘delen, Wolfgang Gehrcke, Annette Groth, Andrej Hunko, Harald Koch,
Niema Movassat, Kornelia Möller, Paul Schäfer (Köln), Alexander Süßmair,
Dr. Kirsten Tackmann, Alexander Ulrich und der Fraktion DIE LINKE.

Auswirkungen der militärischen Nutzung des Luft-Boden-Schießplatzes
Siegenburg

Seit 1937 werden Teile des Dürnbucher Forstes bei Siegenburg (Landkreis Kel-
heim/Niederbayern) als militärisches Übungsgelände genutzt. Nach Ende des
Zweiten Weltkrieges wurde das Gelände von US-Streitkräften übernommen. Die
Form der Nutzung ist im Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut Artikel 48
geregelt. Das Gelände steht unter hoheitlicher Verwaltung der US-Streitkräfte.

In den letzten zehn Jahren wurde das Gelände von den US-Streitkräften nur
noch in geringem Umfang genutzt, während die deutsche Luftwaffe für etwa
zwei Drittel der Nutzung des Platzes verantwortlich ist. Im Jahr 2009 und im
ersten Halbjahr 2010 diente das Gelände sogar ausschließlich der Bundeswehr
für Übungen. Die Luftwaffe nutzt das Gebiet, um den Abwurf von Munition im
so genannten standardisierten Anflugverfahren zu üben.

Bereits seit vielen Jahren macht die Bürgerinitiative in der Region darauf auf-
merksam, dass durch die jahrzehntelange militärische Nutzung ein massives
Lärm- und Umweltproblem besteht. Die Anwohner des mit 2,6 Quadratkilo-
metern relativ kleinen Platzes sind durch den Übungsbetrieb massiver Lärmbe-
lästigung, die über 110 Dezibel betragen kann, ausgesetzt. Angrenzend an das
Gelände, teilweise auch direkt im Übungsgelände, befindet sich ein Grund-
wasserschutzgebiet. Darüber hinaus sind in der Nähe des Übungsgebietes unter
anderem eine Raffinerie und weitere Anlagen der petrochemischen Industrie
ansässig, so dass Unfälle im Übungsbetrieb weitreichende Auswirkungen ha-
ben könnten.

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurden auf dem Platz Munitionsreste und
später durch US-Truppen an unterschiedlichsten Stellen Müll vergraben, deren
Beschaffenheit und Lage erst seit den 70er-Jahren dokumentiert ist. Weitere
Belastungen der Umwelt sind auch durch den auf dem Gelände liegenden deut-
schen Sprengplatz zu befürchten.
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Geht die Bundesregierung angesichts der niedrigen Nutzungszahlen des
Luft-Boden-Schießplatzes durch die US-Armee tatsächlich noch von einem
Interesse der US-Armee an dem Weiterbetrieb der Siegenburg-Range aus?

Drucksache 17/3642 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2. Respektiert die Bundesregierung den Wunsch der Bevölkerung nach Schlie-
ßung des Platzes für die militärische Nutzung, und welche Schlussfolgerun-
gen zieht sie daraus?

3. Wie bewertet die Bundesregierung die Lärmbelästigung, die durch den
Übungsbetrieb auf dem Luft-Boden-Schießplatz Siegenburg entsteht, und
welche Maßnahmen werden zur Minimierung der Lärmbelästigung umge-
setzt?

4. Beabsichtigt die Bundesrepublik Deutschland von ihrem im NATO-Trup-
penstatut festgestellten Kündigungsrecht, wenigstens für die Nutzung des
Luft-Boden-Schießplatzes in Siegenburg, Gebrauch zu machen?

5. In welchem Umfang haben die US-Armee, NATO-Verbündete und die
Bundeswehr den Luft-Boden-Schießplatz in den letzten zwanzig Jahren ge-
nutzt (bitte aufschlüsseln nach Jahr und Nutzung durch die verschiedenen
Nationen)?

6. Welche Kosten sind durch diese Nutzung in den letzten zwanzig Jahren für
die Bundesregierung angefallen (bitte aufschlüsseln nach Jahren), und auf
welcher Grundlage werden diese Kosten ermittelt?

7. Hält die Bundesregierung jährliche Kosten von circa 500 000 Euro für an-
gemessen, um damit die Möglichkeit für 42 (2008) oder 17 (2009) Übungs-
flüge über den Luft-Boden-Schießplatz Siegenburg durchzuführen, und
welche Konsequenzen zieht sie aus der Rüge des Bundesrechnungshofes
hinsichtlich der Unverhältnismäßigkeit dieser Ausgaben?

8. Erwägt die Bundesregierung vor dem Hintergrund der Empfehlungen der
Strukturkommission der Bundeswehr und angesichts knapper öffentlicher
Mittel von einer weiteren militärischen Nutzung der Siegenburg-Range Ab-
stand zu nehmen und damit auch die Ankündigung des Bundesministers
der Verteidigung, Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, umzusetzen,
der bereits am 26. Mai 2010 vor der Führungsakademie der Bundeswehr er-
klärte, zukünftige Standorte unterhalb einer bestimmten Dienstpostenzahl
schließen zu wollen?

9. Welche Verfahren neben dem standardisierten Anflugverfahren beabsich-
tigt die Bundeswehr in den nächsten Jahren in Siegenburg zu üben?

a) Welche Bedeutung wird das Üben des Einsatzes von ungelenkten Bom-
ben für die Luftwaffe ab 2015 haben?

b) Welche weiteren Verfahren sollen ab 2015 in Siegenburg geübt werden?

10. Welche Bedeutung hat der Schießplatz Siegenburg für die kurzfristige Ein-
satzvorbereitung von fliegenden Besatzungen und Fliegerleitoffizieren?

11. Wie viele Waffensysteme, die für die Nutzung des Luft-Boden-Schießplat-
zes Siegenburg geeignet sind, wird die Luftwaffe in den nächsten Jahren in
ihrem Verfügungsbestand haben (bitte aufschlüsseln nach Jahren und An-
zahl der Waffensysteme bis 2020), und wie viele davon sollen über dem
Luft-Boden-Schießplatz Siegenburg üben?

12. Welche Vorkehrungen hat die Bundesregierung getroffen, damit bei einem
eventuellen Absturz von US-amerikanischen F-16-Flugzeugen die Schäden
durch möglicherweise austretendes hochgiftiges und wassergefährdendes
Hydrazin begrenzt werden können (wie etwa Information und Ausstattung
örtlicher Feuerwehren, gemeinsame Notfallübungen)?

13. Kann die Bundesregierung Gefährdungen der Bevölkerung und der (Mine-
ralöl-)Industrie in der Region durch den Flugbetrieb über Siegenburg

ausschließen und hält sie Notfallplanungen für so genannte kontrollierte Ab-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/3642

stürze für ausreichend, um die Bevölkerung und die Umwelt vor Gefährdun-
gen durch einen möglichen Absturz von Kampfflugzeugen zu schützen?

14. Welche Informationen liegen der Bundesregierung vor über den möglichen
Einsatz von Uranmunition durch US-Streitkräfte auf dem Schießplatz Sie-
genburg?

a) Kann ein Einsatz von Uranmunition für die Vergangenheit ausgeschlos-
sen werden?

b) Welche Vorkehrungen zum Umgang mit möglicherweise durch den Ein-
satz von Uranmunition kontaminierten Teilen des Übungsplatzes hält die
Bundesregierung für nötig und sinnvoll?

15. Welche Maßnahmen zum nachhaltigen Schutz der Grundwasserqualität im
Dürnbucher Forst wurden unternommen?

a) Wurde mit Geoelektrik- bzw. Geomagnetikmessungen der Umfang und
die mögliche Gefährdung durch Altlasten auf dem Übungsplatz erfasst?

b) Wie wird eine durch die zahlreichen Altlasten auf dem Gelände zukünf-
tig mögliche Belastung des Grundwasser überwacht und beseitigt?

16. Ist ein permanentes Grundwassermonitoring geplant, und wird dieses durch-
geführt?

17. Planen die US-Armee oder Bundeswehr alternative Nutzungen des Platzes
als Übungsplatz für Hubschrauber oder unbemannte Luftfahrzeuge (Droh-
nen)?

Berlin, den 4. November 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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