BT-Drucksache 17/3618

zu dem Antrag der Abgeordneten René Röspel, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. Hans-Peter Bartels, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD -17/908- Adulte Stammzellforschung ausweiten, Forschung in der regenerativen Medizin voranbringen und Deutschlands Spitzenposition ausbauen

Vom 3. November 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3618
17. Wahlperiode 03. 11. 2010

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
(18. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten René Röspel, Dr. Ernst Dieter Rossmann,
Dr. Hans-Peter Bartels, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
– Drucksache 17/908 –

Adulte Stammzellforschung ausweiten, Forschung in der regenerativen Medizin
voranbringen und Deutschlands Spitzenposition ausbauen

A. Problem

Die adulte Stammzellforschung und die regenerative Medizin befinden sich
heutzutage noch überwiegend im Stadium der Grundlagenforschung. Klinische
Studien deuten allerdings darauf hin, dass es verschiedene gute Ansätze für in-
teressante Heilungsstrategien gibt. Beispielsweise stellen adulte Stammzellen
aus dem Knochenmark eine hochinteressante Quelle für neue Therapien zur Or-
ganregeneration dar. Die wissenschaftliche Analyse der Potenziale von Zellen
aus dem Nabelschnurblut entwickelt sich ebenfalls mit großer Geschwindigkeit.
Schließlich könnten sich die durch Reprogrammierung hergestellten induzierten
pluripotenten Stammzellen längerfristig zu einem interessanten Material für die
Grundlagenforschung bis hin zu therapeutischen und anderen Anwendungen
entwickeln. Die Antragsteller sehen es als gemeinsames Ziel aller Beteiligten
an, neue und innovative Therapien aus der adulten Stammzellforschung und der
regenerativen Medizin bis zur Anwendungsreife im klinischen Alltag zu bringen
und hierbei ein hohes Qualitätsniveau sowie eine möglichst umfassende Patien-
tensicherheit zu gewährleisten. Daneben sollen durch die Förderung von wissen-
schaftlichen Arbeiten in der adulten Stammzellforschung und der regenerativen
Medizin auch der Wissenstransfer in die Wirtschaft und die Entwicklung von in-
ternational wettbewerbsfähigen Produkten erreicht werden. Aus der Sicht der
Antragsteller bedarf es einer kontinuierlichen Überprüfung und Weiterentwick-
lung der innovationsfördernden Maßnahmen des Bundesministeriums für Bil-
dung und Forschung (BMBF) sowie einer Verbesserung und Ausweitung der
Kooperation von Grundlagenforschung und patientenorientierter Forschung.
B. Lösung

Die Bundesregierung soll u. a. aufgefordert werden,

– die adulte Stammzellforschung über die bereits getätigten Förderzusagen
hinaus noch stärker zu fördern;

Drucksache 17/3618 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

– die Standardisierung von Herstellungsprozessen und die Qualitätssicherung
von Produkten aus dem Bereich der regenerativen Medizin stärker zu fördern
und hierzu ein Register zu etablieren, in dem Methoden, Verfahren und Refe-
renzdaten in Bezug auf Standardisierung und Qualitätssicherung gesammelt
werden;

– zu überprüfen, ob entsprechend der Empfehlung der Enquete-Kommission
„Recht und Ethik der modernen Medizin“ des Deutschen Bundestages durch
die Schaffung eines Fortpflanzungsmedizingesetzes die Rahmenbedingun-
gen für die regenerative Medizin in Deutschland verbessert werden könnten;

– zu prüfen, ob die Einrichtung eines Zentrums für klinische Studien in der re-
generativen Medizin zur Bündelung des Fachwissens sowie zur Erleichte-
rung von Forschungsprojekten sinnvoll erscheint;

– ein Begleitprogramm zu den ethischen, rechtlichen und sozialen Aspekten
der Ansätze und Verfahren der regenerativen Medizin aufzulegen;

– die Schaffung einer deutschen Nabelschnurblutbank voranzutreiben und
hierbei die bestehenden Ressourcen existierender Nabelschnurblutbanken zu
nutzen;

– die Programme zur Förderung der Forschung in der regenerativen Medizin
mit Schwerpunkten in der Forschung mit adulten Stammzellen und Nabel-
schnurblut, zur Reprogrammierung von Körperzellen sowie zur Entwicklung
von Strategien zur exogenen Stimulierung von Reparaturprozessen auf Zell-
ebene weiter auszubauen und zusätzliche finanzielle Mittel zur Verfügung zu
stellen.

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen

Annahme des Antrags auf Drucksache 17/908.

D. Kosten

Kosten wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/3618

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 17/908 abzulehnen.

Berlin, den 6. Oktober 2010

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

Ulla Burchardt
Vorsitzende

Eberhard Gienger
Berichterstatter

René Röspel
Berichterstatter

Dr. Martin Neumann (Lausitz)
Berichterstatter

Dr. Petra Sitte
Berichterstatterin

Priska Hinz (Herborn)
Berichterstatterin

ckelt. existierender Nabelschnurblutbanken zu nutzen;
Ziel der Förderung von wissenschaftlichen Arbeiten in der
adulten Stammzellforschung und der regenerativen Medizin
sind auch der Wissenstransfer in die Wirtschaft und die Ent-
wicklung von international wettbewerbsfähigen Produkten.

– zu prüfen, inwieweit ein öffentlich finanziertes System
zur Gewinnung von Nabelschnurblut für die deutsche
Nabelschnurblutbank aufgebaut werden kann;

– zu prüfen, welche datenschutzrechtlichen Erfordernisse
Drucksache 17/3618 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Eberhard Gienger, René Röspel, Dr. Martin Neumann
(Lausitz), Dr. Petra Sitte und Priska Hinz (Herborn)

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache
17/908 in seiner 34. Sitzung am 25. März 2010 beraten und
an den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technik-
folgenabschätzung zur federführenden Beratung und an den
Innenausschuss, den Rechtsausschuss, den Ausschuss für
Wirtschaft und Technologie, den Ausschuss für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend sowie an den Ausschuss für
Gesundheit zur Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Im Rahmen von Projekten der adulten Stammzellforschung
und der regenerativen Medizin wird versucht, Prozesse der
Zell-, Gewebe- und Organfunktion und -regeneration zu ver-
stehen und hierauf aufbauend klinische Anwendungen zu
entwickeln. Die adulte Stammzellforschung und die regene-
rative Medizin befinden sich heutzutage noch überwiegend
im Stadium der Grundlagenforschung. Klinische Studien
deuten allerdings darauf hin, dass es verschiedene gute
Ansätze für interessante Heilungsstrategien gibt. Beispiels-
weise stellen adulte Stammzellen aus dem Knochenmark
eine hochinteressante Quelle für neue Therapien zur Organ-
regeneration dar. Verfahren des Tissue-Engineering können
dazu beitragen, dass Luftröhre und Harnblase nach Schä-
digungen leichter wiederhergestellt werden können. Die wis-
senschaftliche Analyse der Potenziale von Zellen aus dem
Nabelschnurblut entwickelt sich ebenfalls mit großer
Geschwindigkeit. Schließlich könnten sich die durch Re-
programmierung hergestellten induzierten pluripotenten
Stammzellen längerfristig zu einem interessanten Material
für die Grundlagenforschung bis hin zu therapeutischen und
anderen Anwendungen entwickeln.

Die Antragsteller sehen es als gemeinsames Ziel aller Betei-
ligten an, neue und innovative Therapien aus der adulten
Stammzellforschung und der regenerativen Medizin bis zur
Anwendungsreife im klinischen Alltag zu bringen und hier-
bei ein hohes Qualitätsniveau sowie eine möglichst umfas-
sende Patientensicherheit zu gewährleisten. Hierbei sollen
Risiken und Nutzen neuer therapeutischer Ansätze und Ver-
fahren umfassend bewertet werden.

Von 2001 bis 2006 förderte das Bundesministerium für Bil-
dung und Forschung im Rahmen des Schwerpunktes „Biolo-
gischer Ersatz von Organfunktionen“ 32 Vorhaben mit rund
10 Mio. Euro. Im Herbst 2005 begannen zehn interdiszipli-
näre Verbünde ihre Arbeit im Bereich „Zellbasierte, regene-
rative Medizin“. Im Rahmen beider Projekte wurden viel
versprechende Ansätze für eine klinische Anwendung von
Verfahren und Therapien der regenerativen Medizin entwi-

fördernden Maßnahmen des Bundesministeriums für Bil-
dung und Forschung sowie einer Verbesserung und
Ausweitung der Kooperation von Grundlagenforschung und
patientenorientierter Forschung.

Vor diesem Hintergrund soll die Bundesregierung aufgefor-
dert werden,

– die adulte Stammzellforschung über die bereits getätigten
Förderzusagen hinaus noch stärker zu fördern;

– die Standardisierung von Herstellungsprozessen und die
Qualitätssicherung von Produkten aus dem Bereich der
regenerativen Medizin stärker zu fördern und hierzu ein
Register zu etablieren, in dem Methoden, Verfahren und
Referenzdaten in Bezug auf Standardisierung und Quali-
tätssicherung gesammelt werden;

– zu überprüfen, ob entsprechend der Empfehlung der
Enquete-Kommission „Recht und Ethik der modernen
Medizin“ des Deutschen Bundestages durch die Schaf-
fung eines Fortpflanzungsmedizingesetzes die Rahmen-
bedingungen für die regenerative Medizin in Deutsch-
land verbessert werden könnten;

– zu prüfen, ob die Einrichtung eines Zentrums für klini-
sche Studien in der regenerativen Medizin zur Bündelung
des Fachwissens sowie zur Erleichterung von For-
schungsprojekten sinnvoll erscheint;

– den Möglichkeiten von kleinen und mittelständischen
Unternehmen bei der Ausgestaltung von Ausschreibun-
gen zur Forschungsförderung in der regenerativen Medi-
zin noch stärker Rechnung zu tragen;

– ein Begleitprogramm zu den ethischen, rechtlichen und
sozialen Aspekten der Ansätze und Verfahren der regene-
rativen Medizin aufzulegen;

– zu überprüfen, ob der Wissenstransfer zwischen For-
schung und Unternehmen zur Entwicklung innovativer
Therapien und Produkte in der regenerativen Medizin er-
leichtert werden kann;

– bei der Förderung von Projekten der regenerativen Medi-
zin zu beachten, dass bei der Ausgestaltung frühzeitig er-
stattungsrechtliche Vorgaben Berücksichtigung finden;

– die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Finanzie-
rung von Leistungen durch die Krankenkassen sowie des
Arzneimittelrechts dahingehend zu überprüfen, ob für
den Bereich der regenerativen Medizin gegebenenfalls
spezifische Regelungen erforderlich sind;

– die Schaffung einer deutschen Nabelschnurblutbank vor-
anzutreiben und hierbei die bestehenden Ressourcen
Aus der Sicht der Antragsteller bedarf es einer kontinuier-
lichen Überprüfung und Weiterentwicklung der innovations-

bei der Nutzung von Zellen aus der Nabelschnur zu the-
rapeutischen oder zu Forschungszwecken zu regeln sind;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/3618

– die Programme zur Förderung der Forschung in der rege-
nerativen Medizin mit Schwerpunkten in der Forschung
mit adulten Stammzellen und Nabelschnurblut, zur Re-
programmierung von Körperzellen sowie zur Entwick-
lung von Strategien zur exogenen Stimulierung von Re-
paraturprozessen auf Zellebene weiter auszubauen und
zusätzliche finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen;

– die Öffentlichkeit über die Möglichkeiten der regenera-
tiven Medizin zu informieren, um insbesondere das Inte-
resse der Jugend an diesem Forschungszweig zu wecken;

– die ressortübergreifende Zusammenarbeit der zustän-
digen Bundesministerien für Bildung und Forschung, für
Gesundheit, der Justiz sowie für Wirtschaft und Techno-
logie zu verbessern mit dem Ziel, eine integrierte Strate-
gie zur Förderung der adulten Stammzellforschung und
der regenerativen Medizin zu entwickeln.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Innenausschuss, der Rechtsausschuss, der Ausschuss
für Wirtschaft und Technologie, der Ausschuss für Fami-
lie, Senioren, Frauen und Jugend und der Ausschuss für
Gesundheit haben jeweils in ihren Sitzungen am 6. Oktober
2010 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE.
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Antrag
auf Drucksache 17/908 abzulehnen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse
im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfol-
genabschätzung hat die Vorlage in seiner 21. Sitzung am
6. Oktober 2010 beraten und beschlossen zu empfehlen:

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 17/908 mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die
Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN.

Die Fraktion der SPD stellte fest, sie sehe deutlichen Hand-
lungsbedarf in einem Forschungsfeld, in dem Deutschland
relativ gut aufgestellt sei. In ihrem Antrag werde die Bundes-
regierung aufgefordert, die adulte Stammzellforschung über
die bereits getätigten Förderzusagen hinaus noch stärker zu
fördern. Bedauerlicherweise hätten die Koalitionsfraktionen
der CDU/CSU und FDP einen darauf abzielenden Antrag
zum Bundeshaushalt 2010 abgelehnt. Der vorliegende An-
trag enthalte einen Prüfauftrag, inwieweit ein Fortpflanzungs-
medizingesetz in Deutschland geboten sei. Hierbei sei zum
einen ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu berück-
sichtigen, wonach das Verbot der Eizellspende in Österreich,
das in Deutschland ebenfalls gelte, menschenrechtswidrig
sei. Zum anderen sei das Urteil des Bundesgerichtshofs vom
6. Juli 2010 zu berücksichtigen, wonach die Präimplanta-
tionsdiagnostik zur Entdeckung schwerer genetischer Schä-
den des extrakorporal erzeugten Embryos nicht strafbar sei.

Ein weiterer Prüfauftrag in dem Antrag betreffe die Einrich-
tung eines Zentrums für klinische Studien in der regenera-
tiven Medizin. Außerdem werde die Bundesregierung in
dem Antrag aufgefordert, ein Begleitprogramm zu den ethi-

Förderung von Projekten der regenerativen Medizin sollte
die Bundesregierung darüber hinaus beachten, dass bei der
Ausgestaltung frühzeitig erstattungsrechtliche Vorgaben Be-
rücksichtigung fänden. Das bedeute, dass beispielsweise die
Kosten von Medikamenten im Rahmen derartiger Versuche
von den Krankenkassen übernommen werden sollten.

In der Diskussion zu embryonalen Stammzellen werde
Nabelschnurblut seit langem als Alternative diskutiert. Hier
gebe es auf der einen Seite ein großes Potenzial, auf der an-
deren Seite aber auch große Verunsicherung. Dies gelte vor
allem im Hinblick auf Angebote an künftige Eltern, für
2 000 Euro das Nabelschnurblut ihres künftigen Kindes ein-
zufrieren, wobei auf die Chance einer Heilung von künftigen
Krankheiten des eigenen Kindes hingewiesen werde. Bei der
sog. altruistischen Spende von Nabelschnurblut könne die-
ses bereits jetzt mit Hilfe von existierenden Nabelschnur-
blutbanken zur Behandlung von Kindern eingesetzt werden.
Obwohl es in Deutschland fünf öffentliche und drei öffent-
lich-private Nabelschnurblutbanken gebe, halte es die Frak-
tion der SPD für sinnvoll, eine deutsche Nabelschnurblut-
bank zu schaffen. Zumindest sollten die vorhandenen
Banken miteinander vernetzt werden. Vor diesem Hinter-
grund bitte die Fraktion der SPD zu prüfen, inwieweit ein
öffentlich finanziertes System zur Gewinnung von Nabel-
schnurblut für die deutsche Nabelschnurblutbank aufgebaut
werden könne. Auf diese Weise könne verhindert werden,
dass für altruistische Spenden ein kommerzieller Druck
erzeugt werde. Hierbei müsse auch geprüft werden, welche
datenschutzrechtlichen Erfordernisse bei der Nutzung von
Zellen aus der Nabelschnur zu therapeutischen oder zu For-
schungszwecken gelten sollen. Insgesamt hätten die Forde-
rungen in dem Antrag moderate finanzielle Auswirkungen,
seien allerdings inhaltlich sehr sinnvoll, um die Nabel-
schnurblutbanken im öffentlichen Bereich zu fördern.

Die Fraktion der CDU/CSU wies auf die vor ca. drei Jahren
geführte Diskussion insbesondere um die embryonale
Stammzellforschung hin. Bereits damals sei festgestellt
worden, dass ca. 95 Prozent der vorhandenen Mittel für die
adulte Stammzellforschung zur Verfügung gestellt würden.
Der Antrag der Fraktion der SPD ziele in wesentlichen Tei-
len auf weitere Erkenntnisse in der adulten Stammzellfor-
schung und auf eine beschleunigte Anwendung ab. Er sei ab-
zulehnen, weil die Forderungen bereits weitgehend erfüllt
seien. Beim Thema Nabelschnurblut gehe es zum einen um
verbesserte Rahmenbedingungen und zum anderen um eine
verbesserte Forschungsförderung für kleine und mittlere Un-
ternehmen. Beim Thema regenerative Medizin werde eine
Verbesserung der Rahmenbedingungen u. a. hinsichtlich der
erstattungsrechtlichen Vorgaben angemahnt. Diese Forde-
rungen seien nicht neu und seien teilweise bereits erfüllt
worden und teilweise auch entbehrlich.

Die positive Einschätzung der Potenziale in der regenera-
tiven Medizin werde von der Fraktion der CDU/CSU geteilt.
Dies gelte für die Gesundheitsforschung und für biotechni-
sche Verfahren. Im Antrag der Fraktion der SPD würden
jedoch nur Maßnahmen im Gesundheitsforschungspro-
gramm angemahnt; selbst diese seien weder vollständig
noch aktuell. Da Maßnahmen im Biotechnologieprogramm
nicht behandelt würden, entstehe kein wirklichkeitsnahes
schen, rechtlichen und sozialen Aspekten der Ansätze und
Verfahren der regenerativen Medizin aufzulegen. Bei der

Bild der Forschung. Die regenerative Medizin sei bereits
heute ein wichtiges Thema in der Forschungsförderung im

Drucksache 17/3618 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bereich der Gesundheitsforschung und in der Biotechno-
logie. Deshalb werde der Antrag der Fraktion der SPD den
Realitäten bei der Förderung der Stammzellmedizin und der
regenerativen Medizin durch das BMBF nicht gerecht.

Die Fraktion der FDP betonte, sie stehe den Grundaus-
sagen des Antrags der Fraktion der SPD positiv gegenüber.
Allerdings teile sie die Einschätzung der Fraktion der CDU/
CSU, dass der Antrag nicht neu sei, dass einige Punkte des
Antrags – vor allem bezüglich der Intensität der Förderung –
bereits erfüllt seien und dass andere Punkte in dem Antrag
entbehrlich seien. Die Förderung in der adulten Stamm-
zellforschung sei in den vergangenen Jahren kontinuierlich
erhöht worden. In verschiedenen Expertenrunden sei immer
wieder festgestellt worden, dass das derzeitige Förderange-
bot den Anforderungen in vollem Umfang gerecht werde.
Darüber hinaus sei auch darauf hingewiesen worden, dass
die Förderung fokussiert werden solle, um Überlappungen
zu vermeiden.

Zu der von der Fraktion der SPD geforderten Prüfung, ob ein
Zentrum für klinische Studien in der regenerativen Medizin
eingerichtet werden solle, werde auf die Heterogenität dieses
Themas hingewiesen. Die Fraktion der FDP halte es für bes-
ser, die klinischen Studien dezentral und multizentrisch dort
durchzuführen, wo die entsprechenden fachlichen Kompe-
tenzen und die notwendigen Rahmenbedingungen vorhan-
den seien. Viele Punkte des Antrags zielten auf eine noch
stärkere Förderung ab. Teilweise sei man allerdings in der
Realität schon weiter, als dies im Antrag dargestellt werde.

Die Fraktion DIE LINKE. unterstützte den Antrag der
Fraktion der SPD. Das von den Koalitionsfraktionen vorge-
tragene Argument, der Antrag sei nicht neu, sei nicht trag-
fähig, weil in diesem qualitativ neue Schwerpunkte darge-
stellt würden und weil er klare Prioritäten für eine verstärkte
Förderung aufzeige. Die Gesamtförderung für die adulte
Stammzellforschung sei als relativ gering einzuschätzen,
wenn man bedenke, mit welcher Leidenschaft die Debatte
im Parlament geführt worden sei. Man sei sich weitgehend
darüber einig gewesen, dass die embryonale Stammzell-
forschung lediglich ein Durchgangsstadium sein könne. Als
Ziel sei festgelegt worden, die Forschung mit adulten
Stammzellen, mit induzierten pluripotenten Stammzellen
und Ähnlichem weiter voranzutreiben. Es sei notwendig,
Vergleiche über die Fähigkeiten der gewonnen Zellen anzu-
stellen. Standardisierung und Kultivierung seien essenzielle
Voraussetzungen, um verlässliche qualitative Anforderun-
gen stellen zu können. Neben der Standardisierungs-
forschung sei im Antrag der Fraktion der SPD die Risiko-
forschung behandelt worden. Es sei notwendig, das
Risikopotenzial einer Zelle einzuschätzen, um Patienten-
sicherheit zu gewährleisten. Das Thema Nabelschnurblut-
banken sei zu Recht aufgegriffen worden, weil es derzeit
keinen genauen Überblick über öffentliche und kommerziel-
le Nabelschnurblutbanken in Deutschland gebe. Die Frak-
tion der SPD habe zu Recht darauf hingewiesen, dass es not-
wendig sei, den öffentlichen Charakter dieser Banken zu
stärken – auch mit Blick auf den Zugang zu potenziellen
künftigen Therapiemöglichkeiten.

Aus Sicht der Fraktion DIE LINKE. ziele der Antrag der
Fraktion der SPD zu häufig lediglich auf Prüfaufträge an die

sche Nabelschnurblutbank für erforderlich, da dieses zu
wertvoll sein, um es zu einer reinen Privatsache zu machen.
Die erstattungsrechtlichen Vorgaben für Projekte der regene-
rativen Medizin sollten so gestaltet werden, dass die Kran-
kenkassen für die Kosten des Spenders aufkämen. Die Er-
fahrungen bei der Diskussion um das Gendiagnostikgesetz
zeigten, dass es eines Biobankengesetzes für die Forschung
bedürfe, um datenschutzrechtliche Standards (z. B. infor-
mierte Einwilligung des Spenders) festzulegen. Der Antrag
der Fraktion der SPD enthalte lediglich einen Prüfauftrag zu
den datenschutzrechtlichen Erfordernissen bei der Nutzung
von Zellen aus der Nabelschnur zu therapeutischen oder zu
Forschungszwecken. Schließlich müsse aus Sicht der Frak-
tion DIE LINKE. über eine Lizenzierungspflicht für Bio-
banken diskutiert werden.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stellte fest, der
Antrag der Fraktion der SPD enthalte zwar tendenziell zu
viele Prüfaufträge, werde aber dennoch in der Sache unter-
stützt. Zum Thema Fortpflanzungsmedizingesetz habe sich
nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs zur Präimplanta-
tionsdiagnostik eine neue Lage ergeben. Es sei nunmehr
dringend notwendig, ein solches Gesetz auf den Weg zu brin-
gen, um die Qualitätsstandards in diesem Bereich zu sichern.
Regelungsbedürftige Bereiche seien beispielsweise die La-
gerung von In-vitro-Embryonen, die Präimplantationsdiag-
nostik und die Nutzung von Keimzellen. Es müsse sicher-
gestellt werden, dass die adulte Stammzellforschung – und
nicht die embryonale Stammzellforschung – das förderungs-
würdige Ziel bleibe.

Bei Nabelschnurblutbanken bedürfe es einer gesetzlichen
Regelung zu den wesentlichen datenschutzrechtlichen Er-
fordernissen. Hierzu werde auf die Diskussion zum Gendia-
gnostikgesetz verwiesen. Demnächst werde auch ein Bericht
des Büros für Technikfolgenabschätzung zu dem Thema
erscheinen. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wer-
de einen eigenen Antrag einbringen, mit dem eine gesetzliche
Regelung für Biobanken angemahnt werde. Der Deutsche
Ethikrat habe eine Stellungnahme zu Biobanken abgegeben,
in der u. a. gesetzliche Regelungen zum Datenschutz emp-
fohlen würden.

Der Vertreter der Bundesregierung teilte grundsätzlich
die Einschätzung der Fraktion der SPD zu den Potenzialen
der adulten Stammzellforschung. Die Forderung nach einer
finanziell stärkeren Förderung sei allerdings vor dem Hin-
tergrund einer deutlichen Steigerung der Ausgaben für die
Stammzellforschung im Rahmen des Gesundheitsfor-
schungsprogramms überraschend. Im Jahr 2005 sei die
Stammzellforschung mit 1,4 Mio. Euro gefördert worden.
Im Jahr 2009 habe die Förderung 4,8 Mio. Euro betragen.
Für das Haushaltsjahr 2010 seien 9,1 Mio. Euro vorgese-
hen; für das Jahr 2011 sei eine Steigerung auf 10,6 Mio. Euro
geplant. Daneben seien auch die Fördermaßnahmen im Bio-
technologieprogramm zu berücksichtigen, wobei seit dem
Jahr 2000 der Betrag von 100 Mio. Euro investiert worden
sei. Man habe beispielsweise eine Kooperation mit dem
California Institute for Regenerative Medicine vereinbart.

Soweit in dem Antrag der Fraktion der SPD eine Standar-
disierung von Herstellungsprozessen im Bereich der regene-
rativen Medizin gefordert werde, weise er darauf hin, dass
Bundesregierung ab. Sie halte ein öffentlich finanziertes
System zur Gewinnung von Nabelschnurblut für eine deut-

diese ebenso wie die hierzu erforderliche Forschung bereits
heute Gegenstand der Förderung sei. Dem Vorschlag, ein

Berichterstatter Berichterstatter Berichterstatter

Dr. Petra Sitte
Berichterstatterin

Priska Hinz (Herborn)
Berichterstatterin
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/3618

Fortpflanzungsmedizingesetz auf den Weg zu bringen, um
die Rahmenbedingungen für regenerative Medizin in
Deutschland zu verbessern, stimme die Bundesregierung
nicht zu. Regenerative Medizin und Fortpflanzungsmedizin
beträfen nämlich unterschiedliche Sachbereiche. Für Fragen
der Fortpflanzungsmedizin gebe es rechtliche Regelungen
im Embryonenschutzgesetz. Fragen der regenerativen Medi-
zin knüpften nicht an den Fortpflanzungszweck als solchen
an und seien durch das Transplantationsgesetz, das Arznei-
mittelgesetz, das Transfusionsgesetz und das Medizin-
produktegesetz bereits geregelt.

Zu dem Prüfauftrag zur Schaffung eines Zentrums für klini-
sche Studien in der regenerativen Medizin sei aus der Sicht
des BMBF festzustellen, dass es nicht zielführend sei, ein
einzelnes Zentrum in diesem Bereich aufzubauen. Die rege-
nerative Medizin sei heterogen organisiert; die klinischen
Studien sollten dezentral und nach Möglichkeit multizent-
risch durchgeführt werden. Derzeit gebe es bei der Deut-
schen Forschungsgemeinschaft bereits zwei Zentren für kli-
nische Studien sowie zwei weitere Zentren, die vom BMBF
gefördert würden. Die Zentren in Dresden, Berlin und Leip-
zig befassten sich vor allem mit der Stammzellforschung zur
Geweberegeneration. Soweit ein Begleitprogramm zu den
ethischen, rechtlichen und sozialen Aspekten der Ansätze
und Verfahren der regenerativen Medizin angemahnt werde,
sei festzustellen, dass es seit 1997 das sog. ELSA-Programm

zur Erforschung ethischer, rechtlicher und sozialer Aspekte
in den Lebenswissenschaften gebe.

Es gebe eine Reihe von nichtkommerziellen Nabelschnur-
blutbanken, insbesondere an Universitätskliniken, die
Stammzellen aus Nabelschnurblut für Forschung und The-
rapie zur Verfügung stellten. Insgesamt seien rasante Fort-
schritte im Bereich der Stammzellforschung zu verzeich-
nen. Man könne kaum vorhersagen, wie sich die Nachfrage
nach Stammzellen aus Nabelschnurblut in 15 oder 20 Jah-
ren gestalten werde. Das Thema Biobanken sei im Rahmen
der Beratung des Gendiagnostikgesetzes bereits intensiv
debattiert worden. Darüber hinaus lägen eine Stellungnah-
me des Nationalen Ethikrates aus dem Jahr 2004 und – da-
rauf aufbauend – eine Stellungnahme des Deutschen Ethik-
rates aus dem Jahr 2010 vor. Aus Sicht des BMBF sei die
forschungsbezogene Sammlung genetischer Daten durch
die Bundes- und Landesgesetze und auch durch die Ethik-
kommissionen in einer Art und Weise geregelt, dass ein ho-
her Schutzstandard gewährleistet sei. Darüber hinaus regele
das Gendiagnostikgesetz den Umgang mit genetischen
Tests und ihren Ergebnissen in einigen sehr wichtigen Be-
reichen. Die weitere Entwicklung werde aufmerksam beob-
achtet und die Vorschläge des Deutschen Ethikrates würden
geprüft. Hierbei werde die Diskussion über eine Standar-
disierung auf europäischer und internationaler Ebene mit
einbezogen.

Berlin, den 20. Oktober 2010

Eberhard Gienger René Röspel Dr. Martin Neumann (Lausitz)

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