BT-Drucksache 17/3614

Deutsche Staatsbürger in Sicherheitsdienstleistungsunternehmen und der Fremdenlegion im Auslandseinsatz

Vom 3. November 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3614
17. Wahlperiode 03. 11. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Inge Höger, Jan van Aken, Christine Buchholz, Sevim Dag˘delen,
Andrej Hunko, Harald Koch, Niema Movassat, Paul Schäfer (Köln), Kathrin Vogler
und der Fraktion DIE LINKE.

Deutsche Staatsbürger in Sicherheitsdienstleistungsunternehmen
und der Fremdenlegion im Auslandseinsatz

Nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums gegenüber dem Congressio-
nal Budget Office hielten sich im April 2008 etwa 160 000 sogenannte zivile
Auftragnehmer zur Unterstützung der etwa 160 000 US-Soldaten im Irak auf. Es
sollen zudem insgesamt 30 000 bewaffnete Sicherheitsdienstleister im Auftrag
von US-Ministerien und der irakischen Regierung im Irak tätig sein. Des Weite-
ren wird davon ausgegangen, dass auch in Afghanistan wenigstens 30 000
Dienstleister aus der Sicherheitsbranche (sogenannte Contractors oder auch
Söldner) tätig sind.

Auch deutsche Dienstleistungsunternehmen agieren zunehmend in Krisengebie-
ten (Irak/Afghanistan) und verzeichnen steigende Umsätze für ihre Tätigkeiten.
Sie leisten unter anderem Dienste, die als Personen- sowie Objektschutz dekla-
riert werden, und die oftmals von ehemaligen Bundeswehrsoldaten ausgeübt
werden. 2007 wurde bekannt, dass ehemalige Bundeswehrsoldaten, welche von
deutschen Sicherheitsunternehmen und Akademien zu Personenschützern wei-
ter- bzw. ausgebildet wurden, im Irak als Private Military Contractors in US-
Diensten standen, wobei sie direkt in Kämpfe involviert waren. Im Juli 2010
wurde bei einem Anschlag auf das Hotel Ariana in Kunduz ein ehemaliger Bun-
deswehrsoldat, der dort als Wachmann eingesetzt war, getötet. Dadurch gewin-
nen Fragen nach dem Umfang der Kooperationen mit privaten deutschen
Dienstleistungsunternehmen in Krisengebieten und nach der aktiven Betei-
ligung ehemaliger Bundeswehrsoldaten sowie nach der Finanzierung ihrer
Weiterbildung zu Personenschützern an Bedeutung.

So wurden ehemalige Bundeswehrsoldaten von Unternehmen, wie z. B. der
Lübecker „Bodyguard Akademie“ fort- bzw. weitergebildet und zu Kampfein-
sätzen im Irak vermittelt (siehe Frankfurter Allgemeine Zeitung, FAZ, vom
21. Mai 2007, Nr. 116, S. 9). Da die „Bodyguard Akademie“ 1998 als Fach-
schule für das Sicherheitsgewerbe gegründet wurde, darf sie sich als zugelasse-
ner „Träger für die Förderung der beruflichen Weiterbildung“ nach dem Recht
der Arbeitsförderung bezeichnen. Somit ermöglicht sie ihren Teilnehmerinnen

und Teilnehmern eine finanzielle Förderung durch Institutionen wie der Bun-
desagentur für Arbeit (BA) und dem Berufsförderungsdienst der Bundeswehr
(BFD). Über die BA und den BFD können demnach Schulungen und Weiterbil-
dungen von ehemaligen Bundeswehrsoldaten in deutschen Sicherheitsunterneh-
men finanziert werden, die im Anschluss der Ausbildung unter anderem auch an
Kampfeinsätzen in Krisengebieten teilnehmen.

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Zudem nutzen private deutsche Sicherheitsunternehmen ehemalige Bundes-
wehrkasernen (z. B. Gifhorn im Fall der „Bodyguard Akademie“), um dort zu
trainieren und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf Einsätze in der Praxis
vorzubereiten.

Aus den skizzierten Umständen ergeben sich die folgenden Fragen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele ehemalige Soldatinnen und Soldaten wurden in den letzten zehn
Jahren von der BA und dem BFD finanziell zum Zweck der Qualifizierung
für Tätigkeiten in Sicherheitsunternehmen, Sicherheitsakademien und an-
deren Dienstleistungsunternehmen aus der Sicherheitsbranche gefördert?

2. Auf welche Höhe insgesamt belief sich die finanzielle Förderung durch die
BA und den BFD in den letzten zehn Jahren (bitte nach Jahren aufschlüs-
seln)?

3. Für welche Fortbildungs- und Umschulungsseminare haben ehemalige
Bundeswehrsoldatinnen und Bundeswehrsoldaten Fördergelder über die
BA und den BFD beantragt (bitte nach beteiligten Ausbildungseinrichtun-
gen bzw. Sicherheitsunternehmen sowie der Höhe der Finanzierung der
Förderung im Zeitraum der letzten zehn Jahre auflisten)?

4. An welchen deutschen Sicherheitsunternehmen, -akademien oder Dienst-
leistungsunternehmen haben sich die durch die BA und den BFD geförder-
ten Teilnehmerinnen und Teilnehmer schulen lassen?

5. Welche Abschlüsse haben die ehemaligen Soldatinnen und Soldaten durch
die Förderung von der BA und dem BFD erzielen können?

6. Wie viele dieser Absolventinnen und Absolventen sind oder waren nach
Erkenntnissen der Bundesregierung bei welchen in- oder ausländischen
Sicherheitsdienstleistern angestellt (bitte nach Einsatzorten und Sicher-
heitsunternehmen aufschlüsseln)?

7. Wie viele der Absolventinnen und Absolventen dieser Lehrgänge haben
nach ihrer Dienstzeit eine sogenannte Anschlusstätigkeit gemäß § 20a
des Soldatengesetzes beim Bundesministerium der Verteidigung (BMVg)
angezeigt?

8. Bei welchen konkreten Tätigkeiten liegt nach Ansicht der Bundesregie-
rung eine Anzeigepflicht der sogenannten Anschlusstätigkeit vor?

9. Wie viele dieser Absolventinnen und Absolventen wurden nach Erkennt-
nissen der Bundesregierung in Krisengebieten eingesetzt?

10. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Beschäftigung von
anderen (nicht der Meldepflicht nach § 20a des Soldatengesetzes unterste-
henden) deutschen Staatsbürgern als private Sicherheitskräfte in Krisenge-
bieten (bitte nach Einsatzorten und Sicherheitsunternehmen aufschlüsseln)?
Wie viele dieser Staatsbürger haben nach Erkenntnissen der Bundesregie-
rung vorher in der Bundeswehr gedient?

11. Welche deutschen Sicherheitsdienstleistungsunternehmen bieten ihre
Dienste auch im nichteuropäischen Ausland an?

12. Hält es die Bundesregierung für notwendig, das Arbeitssegment der priva-
ten Sicherheitsdienstleistungen besser zu erfassen, und welche Maßnahmen
sind diesbezüglich geplant?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/3614

13. Ist der am 1. Juli 2010 in Kunduz getötete als Wachmann tätige deutsche
Veteran vor weniger als fünf Jahren aus dem Dienst ausgeschieden?
a) Wenn ja, warum hat er seine Tätigkeit bei dem Wachunternehmen gegen-

über dem BMVg nicht angezeigt, und was gedenkt die Bundesregierung
zu tun, damit sich eine solche Unterlassung nicht wiederholen kann?

b) Wenn nein, gedenkt die Bundesregierung den Rahmen für eine solche
Meldepflicht auszuweiten?

c) Wie überprüft das BMVg generell die Einhaltung der Anzeigepflicht
von Anschlusstätigkeiten nach § 20a des Soldatengesetzes?

d) Sind bei dem Anschlag auf die Filiale der US-Organisation Develop-
ment Alternatives Inc. (DAI) in Kunduz weitere Wachmänner verletzt
worden, die bei der Bundeswehr gedient haben?

e) Sind zum Schutz der Organisation DAI weitere deutsche Staatsbürger
angestellt?

14. Welche deutschen und ausländischen Dienstleistungsunternehmen sind im
Rahmen des deutschen Einsatzes in Afghanistan Subunternehmer der Bun-
deswehr?

15. Welche dieser Unternehmen sind auch im Sicherheitssektor tätig?
In welchen weiteren Einsatzgebieten der Bundeswehr nimmt die Bundes-
wehr vertraglich Unterstützung von privaten Sicherheitsdienstleistern in
Anspruch?

16. Sind von ehemaligen Bundeswehrsoldatinnen und Bundeswehrsoldaten
Sicherheitsunternehmen gegründet worden?
Welche dieser Sicherheitsunternehmen sind auch im Ausland tätig?

17. Wurden aktive oder inaktive Bundeswehrliegenschaften in den letzten zehn
Jahren zu Trainingszwecken privaten deutschen Dienstleistungsunterneh-
men, Sicherheitsakademien oder Sicherheitsunternehmen zur Verfügung
gestellt?

18. Wenn ja, welche Liegenschaften und an welche Unternehmen und in wel-
chem Umfang (bitte nach Ort und Unternehmen für die vergangenen zehn
Jahre aufschlüsseln)?

19. Zahlen die privaten Dienstleistungsunternehmen, Sicherheitsakademien und
Sicherheitsunternehmen Miete, um die ehemaligen Bundeswehrkasernen
zum Trainieren zu nutzen?
Wenn ja, in welchem Umfang (bitte auflisten nach Umfang der Zahlungen,
Bundeswehrliegenschaft und Dienstleistungsunternehmen)?

20. Zu welchen Bedingungen wurde die ehemalige Bundeswehrkaserne Gif-
horn der Bodyguard Akademie überlassen?

21. Wie beurteilt die Bundesregierung das Risiko, dass von sogenanntem Amts-
wissen zu unterscheidendes Wissen im militärischen Fachgebiet, insbe-
sondere die Fertigkeiten im Umgang mit Schusswaffen, in den Dienst von
privaten Sicherheitsunternehmen gestellt werden, deren Tätigkeiten in
Krisengebieten eskalierend wirken können, so wie das bei der US-Firma
Blackwater im Irak der Fall war?
a) Wenn nein, welche Aktivitäten der Bundesregierung schließen diese

Möglichkeit aus?
b) Wenn ja, in welcher Form gedenkt die Bundesregierung dagegen aktiv

zu werden?
c) Kontrolliert die Bundesregierung, ob ehemalige Bundeswehrsoldatin-
nen und Bundeswehrsoldaten bei Unternehmen anstellig werden, die

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sich im Rahmen bewaffneter Einsätze von fremden Staaten unter Ver-
trag nehmen lassen?

22. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zu der Anzahl von im Aus-
landseinsatz privater Unternehmen getöteten ehemaligen Bundeswehrange-
hörigen?

23. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zu der Anzahl ehemaliger
deutscher Soldaten, die nach dem Zweiten Weltkrieg für ausländische Insti-
tutionen, Unternehmen oder Armeen in Kriegen gekämpft haben?
a) Wie viele ehemalige deutsche Soldaten standen in der französischen

Fremdenlegion unter Sold?
b) Wie viele dieser Soldaten waren vorher in der Bundeswehr angestellt?
c) Wie viele dieser Soldaten haben vorher in der Wehrmacht gedient?
d) Haben sich ehemalige deutsche Soldaten durch den Dienst in der Frem-

denlegion Anklagen oder Prozessen wegen der Beteiligung an Kriegs-
verbrechen entzogen?

e) Wenn ja, wie viele?

24. Für den Fall, dass ein ehemaliger Bundeswehrsoldat im Dienst eines deut-
schen oder ausländischen Sicherheitsunternehmen Zivilisten tötet oder ver-
letzt, wem gegenüber ist dieser Veteran rechtlich verantwortlich?

25. Warum hat die Bundesregierung die UN-Resolution 44/34 (Internationale
Konvention gegen die Anwerbung, den Einsatz, die Finanzierung und die
Ausbildung von Söldnern) trotz des Beschlusses vom 23. April 2009 noch
nicht ratifiziert?
Wann gedenkt die Bundesregierung, die Ratifizierung in die Wege zu lei-
ten?

26. In welchem zeitlichen Rahmen plant die Bundesregierung, den Beschluss
zur Kontrolle von nichtstaatlichen militärischen Sicherheitsunternehmen
(siehe Bundestagsdrucksache 16/10846) durchzusetzen?
a) Wie gedenkt die Bundesregierung bis dahin zu verhindern, dass durch

die Definition von privaten Sicherheitsdienstleistern sich aufgrund ihres
Status als „Nicht-Kombattanten“ nicht an das internationale Völker-
recht gebunden sehen und das Kriegsrecht unterlaufen?

b) In welchen der auf Seite 3 der Bundestagsdrucksache 16/10846 aufge-
führten Vorhaben hat die Bundesregierung bisher Fortschritte erreichen
können, und worin bestehen diese Fortschritte?

c) In welchen der dort aufgeführten Vorhaben hat die Bundesregierung
bisher keine Initiative ergriffen, wie erklärt sie diese Defizite, und was
gedenkt sie in Zukunft zu unternehmen, um den Vorhaben gerecht zu
werden?

Berlin, den 3. November 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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