BT-Drucksache 17/3569

Probebetrieb von Körperscannern am Flughafen Hamburg

Vom 27. Oktober 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3569
17. Wahlperiode 27. 10. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Ulla Jelpke, Petra Pau, Jens Petermann, Raju
Sharma, Frank Tempel, Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Probebetrieb von Körperscannern am Flughafen Hamburg

Am 27. September 2010 begann die Erprobungsphase zur Einführung von
Körperscannern am Flughafen Hamburg. Im Vorfeld der Einführung wurden,
neben grundsätzlicher Kritik am entwürdigenden Kontrollverfahren, verschie-
dene Bedenken gegen die Inbetriebnahme der Körperscanner geäußert. So seien
gesundheitliche Auswirkungen der von den Scannern verwendeten Terahertz-
strahlen aufgrund fehlender Forschungen bisher unbekannt und die Diskrimi-
nierung von Menschen mit medizinischen Hilfen nicht ausgeschlossen. Vor
einigen Wochen wurde zudem bekannt, dass der Hersteller der in Hamburg zum
Einsatz kommenden Körperscanner im Verdacht steht, Streumunition zu produ-
zieren.

Der Geschäftsführer des Flughafens Hannover, Raoul Hille, stellte am 28. Sep-
tember 2010 nicht nur einen Gewinn an Sicherheit in Frage, sondern kritisierte
auch, dass die Sicherheitskontrollen mit Körperscannern verlangsamt würden
und gesundheitliche Auswirkungen von Terahertzstrahlen noch nicht erforscht
seien. Auch das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) kann eine Gefährdung von
Passagieren und des Personals nicht ausschließen. Mit Forschungsergebnissen
sei erst Ende 2010 zu rechnen. Die Strahlenbelastung der derzeit erprobten
Geräte läge innerhalb empfohlener Grenzwerte, die auf wenigen vorliegenden
wissenschaftlichen Studien basieren, schreibt das BfS auf seiner Internetseite.
Und weiter: „Aus grundsätzlichen Strahlenschutzüberlegungen ist in jedem
Fall eine Optimierung anzustreben. Deshalb ist unter Strahlenschutzaspekten
dem Einsatz von passiven Systemen der Vorzug zu geben.“

Der Bundesminister des Innern, Dr. Thomas de Maizière, hat in der Öffentlich-
keit stets vertreten, der Einsatz von Körperscannern komme für ihn nur in
Frage, wenn die Geräte leistungsfähig und gesundheitlich völlig unbedenklich
seien sowie die Persönlichkeitsrechte „vollumfänglich wahren“ würden. Daten-
schützer, Sozialverbände und Vertretungen von Menschen mit Behinderung
haben stets darauf verwiesen, dass sie die Persönlichkeitsrechte von Menschen
mit medizinischen Hilfen gefährdet sehen, da z. B. Prothesen, Windeln oder
künstliche Darmausgänge auf den Körperscannern erkennbar seien. Bisher ist
keine öffentliche Reaktion der Bundesregierung auf diese vorgetragenen Be-

denken bekannt.

Drucksache 17/3569 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Inwieweit ist die Bundesregierung in die vom Bundesinnenminister Dr.
Thomas de Maizière persönlich eröffnete Erprobungsphase involviert?

a) Unter wessen wissenschaftlicher Leitung findet die Erprobung statt?

b) Welche Vorgaben existieren seitens der Bundesregierung für Ablauf,
Methodik und Zielsetzungen der Erprobung?

c) Wie und in welchen Abständen informiert sich die Bundesregierung
über Ereignisse, Probleme oder Ergebnisse in der Erprobungsphase?

2. Erfüllen die in Hamburg in Betrieb genommenen Geräte die vom
Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière Ende 2009 gestellten An-
sprüche, leistungsfähig und gesundheitlich völlig unbedenklich zu sein
(bitte begründen)?

3. Handelt es sich bei diesen Geräten um aktive Rückstreuscanner mit Tera-
hertz- oder Millimeterstrahlung, oder funktionieren sie auf Basis der natür-
lichen Terahertzstrahlung des menschlichen Körpers?

4. Wie schätzt die Bundesregierung die gesundheitliche Gefährdung durch
Terahertzstrahlen ein, und wie beurteilt sie die Auffassung des Bundesam-
tes für Strahlenschutz, dass eine Gefährdung durch Terahertzstrahlen zum
aktuellen Zeitpunkt nicht auszuschließen sei?

5. Wie werden Flugreisende, die sich auf freiwilliger Basis am Flughafen
Hamburg einer Untersuchung durch Körperscanner unterziehen, über mög-
liche gesundheitliche Risiken aufgeklärt?

6. Mit Hilfe welcher Sicherheitsvorkehrungen werden Gesundheitsrisiken für
das an Körperscannern eingesetzte Personal ausgeschlossen oder mini-
miert?

7. Ist für die Bundesregierung der Ausschluss einer gesundheitlichen Gefähr-
dung eine Voraussetzung für die Aufnahme eines regulären, nicht optiona-
len Betriebs von Körperscannern in der Bundesrepublik Deutschland?

8. Welche Erkenntnisse erhofft sich die Bundesregierung vom Probebetrieb
von Körperscannern am Flughafen Hamburg, und welche Aspekte werden
dabei besonders untersucht?

9. Hat der Probebetrieb bereits zu Erkenntnissen z. B. über technische
Schwachstellen der Geräte oder des Kontrollverfahrens geführt, und wenn
ja, zu welchen?

10. Wird im Probebetrieb mehr oder weniger Personal an den scannergestütz-
ten Flugsicherheitskontrollpunkten eingesetzt als vorher?

a) Wie setzt sich das Personal an den scannergestützten Flugsicherheits-
kontrollen zusammen (bitte aufschlüsseln nach Bundespolizei, Flug-
sicherheitsassistenten, wissenschaftlichen Mitarbeitern, Medizinern
etc.)?

b) Wie setzt sich das Personal an den herkömmlichen Flugsicherheits-
kontrollen zusammen (bitte aufschlüsseln)?

11. Wie lange dauert die Abfertigung an scannergestützten Flugsicherheits-
kontrollpunkten im Vergleich zu herkömmlichen?

12. Werden im Probebetrieb sowohl positive als auch negative Scanergebnisse
durch herkömmliche Kontrollen verifiziert?

13. Liegen der Bundesregierung bereits Erkenntnisse darüber vor, inwiefern

die Ergebnisse von Scans mit der Realität übereinstimmen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/3569

14. Betreibt die Bundesregierung einen Erfahrungsaustausch mit anderen euro-
päischen Ländern, die Körperscanner im regulären oder Erprobungsbetrieb
einsetzen, welche Gründe sind ihr bekannt, die in Italien zu einem Stopp
der Erprobungsphase von Körperscannern geführt haben, und wie bewertet
die Bundesregierung diese Erfahrungen in Bezug auf die Erprobung am
Hamburger Flughafen?

15. Wo sieht die Bundesregierung derzeit allgemein bei den Flugsicherheits-
kontrollen Verbesserungsbedarf?

16. Welche Verbesserungen bezogen auf Sicherheit, Zeitersparnis, Personal-
einsatz und Mitteleinsatz erhofft sich die Bundesregierung vom Einsatz
von Körperscannern an Flugsicherheitskontrollen?

17. Ist das Erprobungsverfahren von Körperscannern in der Bundesrepublik
Deutschland ergebnisoffen, und wenn ja, welche Alternativen zieht die
Bundesregierung in Erwägung, falls der Einsatz von Körperscannern nicht
in dem erhofften Sinne zu Verbesserungen führt?

18. Wie wird im Hamburger Probebetrieb die Privatsphäre von Passagieren
und Flughafenpersonal gewährleistet (bitte Maßnahmen auflisten)?

19. Erkennen die Geräte medizinische Hilfen wie künstliche Darmausgänge,
Windeln, Prothesen und Schmuckgegenstände wie Piercings etc.?

20. Werden die o. g. Gegenstände von den Geräten automatisch als nicht sicher-
heitsrelevant erkannt?

21. Wenn nein, welche Verfahrensregeln gibt es für das Sicherheitspersonal
im Umgang mit medizinischen Hilfen oder Intimschmuck?

22. Ist der Bereich, in dem Körperscans durchgeführt werden, von anderen
Passagieren einsehbar, und wenn ja, wie wird sichergestellt, dass Passa-
giere, bei denen ein positiver Körperscan durchgeführt wurde, keinem
Rechtfertigungsdruck ausgesetzt werden, z. B. gegenüber anderen Teil-
nehmern von Reisegruppen?

23. Wie, wo und von wem werden Nachkontrollen bei positivem Körperscan
durchgeführt, und ist der Bereich für Nachkontrollen für andere Passagiere
einsehbar?

24. Stimmt die Bundesregierung der Aussage britischer Entwickler von Tera-
hertzscannern zu, der Sprengstoff PETN, den Umar Faruk Abdulmutallab
in seiner Unterwäsche am 25. Dezember 2009 durch die Kontrollen des
Flughafens Amsterdam schmuggelte, wäre von Körperscannern nicht er-
kannt worden?

25. Welche Sprengstoffe können durch die in Hamburg getesteten Körper-
scanner erkannt werden, und welche nicht?

26. In Anbetracht der Tatsache, dass nicht alle Sprengstoffe von Körper-
scannern erkannt werden können, worin besteht der Vorteil von Körper-
scannern gegenüber herkömmlichen Methoden wie dem Abtasten durch
das Personal und Kontrollen mit Sprengstoff- und Metalldetektoren?

27. Mit welchen Kosten rechnet die Bundesregierung bei der Entwicklung,
Erprobung und Einführung von Körperscannern in der Bundesrepublik
Deutschland, und welche Kosten sind bereits angefallen (bitte aufschlüs-
seln)?

28. Hat die Bundesregierung die Erklärung des Lieferanten der Körperscanner
am Flughafen Hamburg, L-3 Communications, geprüft, nicht an der Ent-
wicklung, der Herstellung oder dem Handel von Streumunition beteiligt zu
sein?
Wenn nein, warum nicht?

Drucksache 17/3569 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
29. Ist die Bundesregierung Hinweisen nachgegangen, Mitarbeiter von L-3
Communications hätten noch Anfang Juni 2010 auf der Pariser Rüstungs-
messe Eurosatory einen Verkaufsprospekt verteilt, in dem Projektile und
Zünder für Streumunition beworben wurden?

30. Wenn nein, warum nicht, und wenn ja, welche Erkenntnisse hat die Bun-
desregierung bei der Überprüfung gewonnen?

31. Ist der Bundesregierung bekannt, dass der norwegische Staatsfonds be-
wusst nicht in L-3 Communications investiert, weil die Firma Waffen pro-
duziere, die „durch ihren üblichen Einsatz fundamentale humanitäre Prin-
zipien verletzen könnten“ (Frankfurter Rundschau vom 23. September
2010), und teilt die Bundesregierung diese Bedenken?

32. Entspricht es der üblichen Verfahrensweise, wenn sich die Bundesregie-
rung allein auf Erklärungen von Zulieferern verlässt, um z. B. Ver-
wicklungen des Unternehmens in die Produktion international geächteter
Waffen auszuschließen?

33. Ist die Bundesregierung davon überzeugt, dass anhand einer Erklärung eines
Unternehmens, keine international geächtete Munition oder Waffen herzu-
stellen, ausgeschlossen werden kann, dass die Bundesregierung Geschäfte
mit Herstellern von Streumunition macht?

Berlin, den 27. Oktober 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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