BT-Drucksache 17/3555

Getötete deutsche Staatsbürger bei US-Drohnen-Angriff in Pakistan

Vom 27. Oktober 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3555
17. Wahlperiode 27. 10. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Annette Groth, Heike Hänsel, Inge
Höger, Andrej Hunko, Stefan Liebich, Niema Movassat, Jens Petermann, Paul
Schäfer (Köln), Alexander Ulrich, Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Getötete deutsche Staatsbürger bei US-Drohnen-Angriff in Pakistan

Bei einem US-Raketenangriff auf ein Gebäude im pakistanisch-afghanischen
Grenzgebiet in der Nähe der Stadt Mir Ali wurden am Abend des 4. Oktober
2010 auf pakistanischem Territorium mehrere Menschen getötet. Unter den ge-
töteten Personen sollen sich nach Angaben pakistanischer Behörden bis zu acht
deutsche Staatsbürger befinden. Der tödliche Angriff erfolgte offenbar durch
eine vom US-Geheimdienst CIA ferngelenkte Drohne und soll mutmaßlichen
Anhängern bewaffneter islamischer Gruppen gegolten haben.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Inwieweit und über welche Kanäle bemüht sich die Bundesregierung, ge-
nauere Kenntnisse über die Tötung mutmaßlicher deutscher Staatsbürger bei
einem Drohnen-Angriff des US-Geheimdienstes CIA auf ein Gebäude auf
pakistanischem Territorium in der Nähe der Stadt Mir Ali (Nordwaziristan)
am Abend des 4. Oktober 2010 zu bekommen?

2. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung bislang über die Anzahl und
Identität der bei dem Raketenangriff am Abend des 4. Oktober 2010 getöte-
ten Personen?

a) Wie viele Personen wurden insgesamt bei dem Angriff getötet?

b) Inwieweit wurde die Identität aller bei dem Angriff getöteten Personen
bislang festgestellt?

c) Wie viele der getöteten Personen hatten die deutsche Staatsangehörig-
keit?

d) Wurden bei dem Angriff auch Personen getötet, die zuvor ihren recht-
mäßigen Aufenthalt in Deutschland hatten, um wie viele Personen han-
delt es sich, und über welche Aufenthaltstitel verfügten sie?

e) Welche Staatsangehörigkeit hatten die übrigen getöteten Personen?

3. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Beteiligung der am

Abend des 4. Oktober 2010 getöteten deutschen Staatsbürger bzw. derjeni-
gen mit Aufenthaltsstatus in Deutschland an Aktivitäten bewaffneter isla-
mischer Gruppen in Afghanistan oder Pakistan?

a) Inwieweit standen die aus Deutschland stammenden getöteten Personen
vor ihrer Abreise nach Pakistan unter Beobachtung deutscher Sicher-
heitsbehörden?

Drucksache 17/3555 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

b) Inwieweit war die Bundesregierung darüber informiert, ob sich die aus
Deutschland stammenden getöteten Personen in den Kreisen bewaffneter
islamischer Gruppen im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet aufhiel-
ten, und woher stammen diese Informationen?

c) Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Beteiligung der
getöteten Personen an Anschlägen oder sonstigen bewaffneten Aktionen
in Afghanistan oder Pakistan, und woher stammen diese Erkenntnisse?

d) Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über mögliche Anschlags-
planungen der getöteten Personen in Europa, und woher stammen diese
Erkenntnisse?

e) Inwieweit haben US-Behörden die Bundesregierung im Vorfeld über eine
mögliche Tötung deutscher Staatsbürger informiert?

f) Inwieweit war die Bundesregierung über andere Quellen – wie ihre eige-
nen Nachrichtendienste – über eine geplante Tötung der deutschen
Staatsbürger informiert?

g) Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis, ob bei früheren Drohnen-
Angriffen im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet deutsche Staatsbür-
ger oder Personen mit einem rechtmäßigen Aufenthaltsstatus in Deutsch-
land getötet wurden?

4. Welche US-Dienststelle hat nach Kenntnis der Bundesregierung den Rake-
tenangriff befohlen, bzw. welche militärischen und geheimdienstlichen Stel-
len waren an der Vorbereitung des Angriffs beteiligt?

5. Hat die Bundesregierung ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren der Bun-
desanwaltschaft gegen die Verantwortlichen für die Tötung der deutschen
Staatsbürger durch einen Raketenangriff eingeleitet, oder gedenkt sie, ein
solches Verfahren einzuleiten?

a) Wenn ja, inwieweit sind bundesdeutsche Behörden an der Spurensiche-
rung vor Ort und der Obduktion der Leichen beteiligt?

b) Wenn nein, warum nicht?

6. Inwieweit ist die Bundesregierung der Auffassung, dass ihre Reaktionen
nach Bekanntwerden der Tötung mutmaßlicher deutscher Staatsbürger bei
einem US-Angriff in Pakistan dem Rechtsschutz und der Obhutspflicht ge-
genüber den eigenen Bürgern Genüge tat?

a) Wann und auf welche Weise hat die Bundesregierung von der Tötung
mutmaßlicher deutscher Staatsbürger Kenntnis bekommen?

b) Welche politischen und diplomatischen Schritte wurden zu welchem
Zeitpunkt nach Bekanntwerden dieses Vorfalls von der Bundesregierung
gegenüber den USA eingeleitet?

e) Welche öffentlichen Erklärungen und Reaktionen der Bundesregierung
gab es nach Bekanntwerden des Vorfalls (bitte mit detaillierten Angaben
nach Tag und Zeitpunkt)?

7. Wie beurteilt die Bundesregierung generell das Mittel gezielter Tötung mut-
maßlicher Anhänger bewaffneter islamischer Gruppen durch die USA in
Pakistan?

a) Inwieweit ist die Bundesregierung der Meinung, dass allein die Präsenz
bzw. Ausbildung in einem Camp der islamischen Guerilla im pakista-
nisch-afghanischen Grenzgebiet eine gezielte Tötung rechtfertigt?

b) Welche möglichen Proteste gegen die gezielten Tötungsoperationen des

US-Geheimdienstes gab es bislang von Seiten der Bundesregierung ge-
genüber US-Behörden?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/3555

8. Wie bewertet die Bundesregierung die Tötung deutscher Staatsbürger durch
die USA auf pakistanischem Territorium unter Aspekten des nationalen
deutschen und des Völkerrechts?

a) Welche politischen und diplomatischen Konsequenzen leitet die Bundes-
regierung aus der Tötung deutscher Staatsbürger durch den US-Geheim-
dienst in einem Drittland ab?

b) Inwieweit ist die Bundesregierung bereit, möglichen Überlebenden des
Angriffs oder den Angehörigen der getöteten Personen Rechtsbeistände
zur Seite zu Stellen, um die USA auf Entschädigung zu verklagen?

c) Wie gedenkt die Bundesregierung sicherzustellen, dass sich zukünftig
eine gezielte Tötung deutscher Staatsbürger durch den US-Geheimdienst
in Drittstaaten nicht wiederholt?

9. Inwieweit haben deutsche Stellen im Vorfeld des Drohnen-Angriffs Infor-
mationen über die aus Deutschland stammenden Islamisten in Nordwasiris-
tan – oder auch über andere verdächtige Deutsche in dieser Region – an US-
amerikanische Behörden, an andere staatliche Stellen oder in den Strukturen
der NATO weitergegeben?

Berlin, den 27. Oktober 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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