BT-Drucksache 17/3553

Deutsch-türkische Anti-Terror-Kommission

Vom 27. Oktober 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3553
17. Wahlperiode 27. 10. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Christine Buchholz, Andrej Hunko, Jens Petermann
und der Fraktion DIE LINKE.

Deutsch-türkische Anti-Terror-Kommission

Auf Einladung des türkischen Innenministers Besir Atalay besuchte der deut-
sche Bundesminister des Innern Thomas de Maizière vom 22. bis 24. Septem-
ber 2010 die Türkei. Im Mittelpunkt der Gespräche standen neben Visumsange-
legenheiten laut Presseberichten Fragen der inneren Sicherheit und Terroris-
musbekämpfung. Der Innenminister Besir Atalay überreichte seinem deutschen
Amtskollegen einen Bericht über Aktivitäten der Arbeiterpartei Kurdistans
PKK in Deutschland. Der Bericht befasst sich laut türkischer Medieninforma-
tionen vor allem mit den mutmaßlichen Finanzquellen der Organisation. Ferner
wurde bei dem Treffen die Gründung einer gemeinsamen Anti-Terror-Kommis-
sion beschlossen. Die Erwartung der Türkei sei die Unterbrechung sämtlicher
Verbindungen der von der Türkei und EU als terroristisch eingeschätzten PKK
in Deutschland, während die deutsche Seite vorschlug, dass sich die Kommis-
sion auch mit den Aktivitäten von Organisationen wie Al-Qaida befassen sollte
(www.trtdeutsch.com). Nach der Auswertung der Informationen aus der Türkei
könne es zu „überraschenden Operationen“ kommen, kündigte der Bundes-
innenminister laut „Hürriyet Daily News“ mögliche Razzien gegen Aktivitäten
der PKK oder von der PKK unterstützter zivilgesellschaftlicher Organisationen
in Deutschland an (www.hurriyetdailynews.com).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Was genau war die Tagesordnung des Türkeibesuchs von Bundesinnen-
minister Thomas de Maizière im September 2010?

a) Welche Themen wurden mit welchen Gesprächspartner besprochen?

b) Welche Tagesordnungspunkte kamen auf türkischen Wunsch und welche
auf deutschen Wunsch zustande?

2. Welche Forderungen wurden im Einzelnen von der türkischen Seite an die
Bundesregierung im Bereich innere Sicherheit und Terrorismusbekämpfung
gestellt?

3. Was genau wurde über die Bildung einer gemeinsamen türkisch-deutschen

Anti-Terror-Kommission vereinbart?

a) Auf wessen Initiative geht die Einrichtung einer solchen Kommission zu-
rück?

b) In welchem Zeitrahmen soll diese Kommission gebildet werden?

c) Welche Aufgaben soll diese Kommission im Einzelnen wahrnehmen?

Drucksache 17/3553 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

d) Welche Institutionen bzw. Personen auf deutscher und türkischer Seite
sollen der Kommission angehören?

e) Welche Erwartungen wurden jeweils von deutscher und türkischer Seite
bezüglich der Kommission geäußert, und in welchen Punkten gab es Dif-
ferenzen bezüglich der Zielstellung und Arbeitsweise?

f) Welche Experten sind mit der Ausarbeitung von Berichten über die Vor-
gehensweise der Kommission beauftragt worden?

g) An welche Bundesministerien bzw. Bundesbehörden wird die Kommis-
sion angegliedert?

h) Wer hat das Vorschlagsrecht für die Besetzung der Kommission?

i) Wem gegenüber ist die Kommission rechenschaftspflichtig?

j) Über welches Budget aus welchem Haushalt soll die Kommission verfü-
gen?

4. Was genau beinhaltet der Bericht über PKK-Aktivitäten in Deutschland, den
die türkische Seite dem Bundesinnenminister überreicht hat?

a) Ist die Bundesregierung bereit, den vollständigen Bericht dem Deutschen
Bundestag auszuhändigen (bitte ggf. als Anlage der Antwort beifügen),
und wenn nein, warum nicht?

b) Welche Themen behandelt der Bericht im Einzelnen?

c) Wie umfangreich ist der Bericht?

d) Welche Stellen und Personen haben den Bericht verfasst?

e) Für wie glaubwürdig hält die Bundesregierung die in diesem Bericht ent-
haltenen Fakten?

f) Auf welche Quellen stützt sich dieser Bericht im Einzelnen?

5. Kann die Bundesregierung mit hinreichender Sicherheit ausschließen, dass
die in diesem Bericht enthaltenen Informationen unter Folter oder anderen
menschenrechtswidrigen Verhörmethoden erbracht wurden?

a) Wenn ja, worauf stützt sich diese Einschätzung angesichts der Tatsache,
dass türkischen Menschenrechtsvereinigungen weiterhin weitverbreitete
Folter und Misshandlungen von Festgenommenen beklagen?

b) Wenn nein, inwieweit können und dürfen die im Bericht enthaltenen
Informationen dann angesichts der von der Bundesregierung unterzeich-
neten völkerrechtlichen Abkommen gegen Folter von deutschen Strafver-
folgungs- und Justizbehörden genutzt werden?

6. Inwieweit war die Frage von Auslieferungen von in der Türkei aufgrund
politischer Straftaten gesuchter Personen Thema des Treffens zwischen dem
Bundesinnenminister und seinem türkischen Amtskollegen?

7. Trifft die Meldung der „Hürriyet Daily News“ zu, dass der Bundesinnen-
minister während einer Pressekonferenz in der Deutschen Botschaft in An-
kara Razzien („surprise operations“) gegen PKK-Aktivitäten oder von der
PKK unterstützte zivilgesellschaftliche Organisationen in Deutschland nach
einer Auswertung der von der Türkei übergebenen Unterlagen in Aussicht
gestellt hat?

a) Wenn ja, welche zivilgesellschaftlichen Organisationen meint der Bun-
desinnenminister?

b) Wenn nein, was hat der Bundesinnenminister auf der Pressekonferenz

stattdessen zu diesem Themenkomplex erklärt?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/3553

8. Inwieweit hat der Bundesinnenminister bei seinem Türkeibesuch die Men-
schenrechtssituation in der Türkei thematisiert?

9. Als wie zweckmäßig beurteilt die Bundesregierung ein repressives Vorge-
hen gegen PKK-nahe Organisationen und Personen in Deutschland ange-
sichts jüngster Eingeständnisse der türkischen Regierung, über ihre Vertreter
in einem Dialog mit dem gefangenen PKK-Führer Abdullah Öcalan über
eine langandauernde Waffenruhe und eine politische Lösung der kurdischen
Frage zu stehen?

a) Inwieweit hält die Bundesregierung auch in Deutschland einen Dialog
mit den von Verfassungsschutzämtern als PKK-nah eingeschätzten Insti-
tutionen und Politikern für sinnvoll im Hinblick auf eine politische
Lösung der kurdischen Frage?

b) Welchen Schaden können die laut „Hürriyet Daily News“ vom Bundes-
innenminister in Aussicht gestellten Polizeiaktionen gegen kurdische In-
stitutionen in Deutschland nach Einschätzung der Bundesregierung bei
der Integration der hier lebenden kurdischstämmigen Bürgerinnen und
Bürger anrichten?

Berlin, den 27. Oktober 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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