BT-Drucksache 17/3540

Beschäftigtenrechte bei Übernahmen und Fusionen stärken

Vom 26. Oktober 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3540
17. Wahlperiode 26. 10. 2010

Antrag
der Abgeordneten Ulla Lötzer, Sahra Wagenknecht, Dr. Barbara Höll,
Werner Dreibus, Jutta Krellmann, Michael Schlecht und der Fraktion DIE LINKE.

Beschäftigtenrechte bei Übernahmen und Fusionen stärken

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Stark steigende Unternehmensgewinne bei stagnierenden Löhnen und Konsum
führen zu Übernahmen und Fusionen, weil in diesem Umfeld wachstums- und
beschäftigungsfördernde Investitionen unattraktiv sind. Beschäftigte in den be-
troffenen Unternehmen werden bei Übernahmeschlachten zum Spielball von
Akteuren auf den internationalen Finanzmärkten. Seit der ersten Hälfte dieses
Jahres steigen die Übernahmeaktivitäten der Konzerne wieder deutlich an. Eine
Unternehmenskonzentration ist eine Gefahr für Wirtschaft und Demokratie. Die
drohende Übernahme der Hochtief AG, siebtgrößter Baudienstleister der Welt
mit über 66 000 Beschäftigten, durch den angeschlagenen spanischen Großakti-
onär ACS hat die Schwächen des deutschen Übernahme- und Mitbestimmungs-
rechts offenbart.

Das Verbot von Kapitalverkehrskontrollen (Artikel 63 des Vertrags über die
Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV) innerhalb der Europäischen
Union sowie gegenüber Drittstaaten, die Richtlinie 2004/25/EG betreffend
Übernahmeangebote sowie die Regelung von Unternehmensübernahmen im
Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) der damaligen rot-grünen
Bundesregierung haben das Spektrum der Abwehrmaßnahmen und Schutz-
vorschriften gegen Übernahmen erheblich eingeschränkt. Das deutsche Über-
nahmerecht berücksichtigt darüber hinaus ausschließlich die Interessen der Ak-
tionärinnen und Aktionäre und vernachlässigt die Interessen der Beschäftigten.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. einen Gesetzentwurf zur Änderung des Wertpapiererwerbs- und Übernahme-
gesetzes vorzulegen, mit dem festgelegt wird, dass

– den Betriebsräten, Aufsichtsratsvertretern, zuständigen Gewerkschaften
und dem Management aller von einer – „freundlichen“ oder „feindlichen“ –
Übernahme betroffenen Unternehmen umfassende Auskunft über die zu-
künftige Firmenpolitik, geplante Umstrukturierungen, Veränderungen in

den Beschäftigungsverhältnissen und der sozialen Besitzstände zu erteilen
sind;

– die Wahrung der Interessen der Beschäftigten im Fusions-/Übernahme-
prozess durch einen gesetzlichen Anspruch der Gewerkschaften auf den
Abschluss eines Fusionstarifvertrages zu gewährleisten ist. Darin sollen
Beschäftigungssicherung, Qualifizierung, der Erhalt sozialer und tarif-

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licher Standards und die Sicherstellung betrieblicher und gewerkschaft-
licher Mitbestimmungsrechte und -gremien geregelt werden;

– dem Betriebsrat des betroffenen Unternehmens ein Vetorecht gegenüber
Fusionen und Übernahmen einzuräumen ist, damit Fusionen und Übernah-
men nicht über die Köpfe der Beschäftigten hinweg entschieden werden
können, die mit ihrer Arbeit den Unternehmenswert geschaffen haben;

– die Beschäftigten im Übernahmerat der Bundesanstalt für Finanzdienst-
leistungsaufsicht paritätisch vertreten sind;

– bei Übernahmen mit einem überragenden öffentlichen Interesse wie der
Verhinderung marktbeherrschender Unternehmenskonzentration, struktur-
politischer Ziele sowie zur Beschäftigungssicherung analog zur französi-
schen Gesetzeslage der öffentlichen Hand ein Vetorecht eingeräumt wird;

2. sich im Europäischen Rat für die Änderung von Artikel 63 AEUV einzuset-
zen.

Berlin, den 26. Oktober 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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