BT-Drucksache 17/3420

Kennzeichnungspflicht für Angehörige der Bundespolizei

Vom 26. Oktober 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3420
17. Wahlperiode 26. 10. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jens Petermann, Frank Tempel und der Fraktion
DIE LINKE.

Kennzeichnungspflicht für Angehörige der Bundespolizei

Eine Kennzeichnungspflicht von Polizistinnen und Polizisten wird von Bürger-
rechtsorganisationen seit Jahren gefordert. Angehörige der Polizei sollen identi-
fiziert werden können, wenn der Verdacht besteht, dass sie Straftaten begangen
haben. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International weist darauf hin,
dass eine solche Identifizierung eine Vorbedingung für die Durchführung effek-
tiver Ermittlungsverfahren ist.

Befürworter einer Kennzeichnungspflicht weisen ferner darauf hin, dass eine
Kennzeichnung von Polizeibeamtinnen und -beamten keinen Generalverdacht
gegenüber diesen ausdrücke, sondern vielmehr das Vertrauensverhältnis zwi-
schen Polizei und Bürgern gestärkt werde, wenn die Staatsmacht nicht anonym
auftrete. Demgegenüber nehme das Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit polizeili-
chen Handelns Schaden, wenn Übergriffe nur deswegen nicht geahndet werden
können, weil eine Identifizierung der Täter scheitere. Einer Studie an der Freien
Universität Berlin aus dem Jahr 2008 zufolge hätte bei 9 bis 10 Prozent der gegen
Polizisten gerichteten Anzeigen eine namentliche Identifizierung das Strafverfah-
ren deutlich erleichtert.

In den Medien werden immer wieder Fälle besonders offensichtlicher Polizei-
gewalt behandelt, oftmals im Rahmen von Einsätzen geschlossener Einheiten, die
ohne individuelle Kennzeichnung vorgehen. Wenn sie dabei ihre Einsatzuniform
tragen und womöglich noch Helme aufhaben, sind sie von den Geschädigten
kaum noch zu identifizieren, woran Strafverfahren scheitern können.

Von Gegnern einer Kennzeichnungspflicht wird als Standardargument vorge-
bracht, eine Kennzeichnung gefährde die Beamten und berge die Gefahr miss-
bräuchlicher Anzeigen gegen diese. Einer persönlichen Gefährdung könnte jedoch
bereits dadurch begegnet werden, dass keine Namensschilder, sondern Nummern-
oder Buchstabencodes verwendet würden, mittels derer in einem Ermittlungs-
verfahren die Identität des Verdächtigen festgestellt werden könnte (Pseudo-
Anonymisierung). Ohnehin ist die Stichhaltigkeit des Arguments fraglich. Der
Deutsche Anwaltverein e. V. führt in einer Stellungnahme vom Juli 2010 mit Blick
auf jahrzehntelange Erfahrungen mit (namentlicher) Kennzeichnung US-amerika-
nischer Polizisten jedenfalls aus, Befürchtungen, „dass die namentliche Kenn-

zeichnung zu unbegründeten Klagen gegen Polizeibeamte führte und diese da-
durch verstärkt Belästigungen ausgesetzt würden, erwiesen sich als unbegründet.“

Aus Sicht der Fragesteller stellt sich das Problem einer individuellen Kennzeich-
nung auch für Angehörige der Bundespolizei schon deswegen, weil diese oftmals
zu besonders problematischen Einsätzen beordert werden (Castor-Transport,
Stuttgart 21), bei denen auch immer wieder über unverhältnismäßiges Vorgehen
der Polizei geklagt wird.

Drucksache 17/3420 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie stellt sich die Bundesregierung zu Forderungen einer individuellen
Kennzeichnung von Angehörigen der Bundespolizei auch in geschlossenen
Einsätzen, und wie begründet sie diese Haltung?

2. Wie bewertet die Bundesregierung die Problematik, dass Straftaten von Poli-
zisten in voller Einsatzmontur und mit Helmen selbst in solchen Fällen, in de-
nen Videoaufnahmen vorliegen, nur schwer verfolgt werden können, weil
den Geschädigten die Identifizierung des Täters kaum gelingt?

3. Welche Folgen haben Einstellungen der Ermittlungen gegen tatverdächtige
Polizisten, die aus der Unmöglichkeit einer Identifizierung resultieren, aus
Sicht der Bundesregierung für das Vertrauensverhältnis zwischen Bürgern
und Polizei und das Ansehen des Rechtsstaates?

4. In welchen Staaten der Europäischen Union sind Polizistinnen und Polizisten
nach Kenntnis der Bundesregierung verpflichtet, bei Einsätzen auch im Rah-
men geschlossener Einheiten und auch bei Demonstrationen durch Schilder
oder Aufnäher an der Uniform oder Beschriftung auf dem Helm eine indivi-
duelle Kennzeichnung zu ermöglichen (bitte ausführen, ob es sich um Na-
mensschilder oder pseudo-anonymisierte Kennzeichnung handelt und um
welche Polizeien es sich dabei im Einzelnen handelt)?

5. In welchen anderen Staaten sind Polizistinnen und Polizisten nach Kenntnis
der Bundesregierung verpflichtet, bei Einsätzen auch im Rahmen geschlos-
sener Einheiten und auch bei Demonstrationen durch Schilder oder Aufnäher
an der Uniform oder Beschriftung auf dem Helm eine individuelle Kenn-
zeichnung zu ermöglichen (bitte ausführen, ob es sich um Namensschilder
oder pseudo-anonymisierte Kennzeichnung handelt und um welche Polizeien
es sich dabei im Einzelnen handelt)?

6. Inwiefern kam es in diesen Ländern infolge der Kennzeichnungspflicht zu ei-
nem signifikanten Anstieg missbräuchlich gestellter Anzeigen gegen Polizis-
tinnen und Polizisten oder gar zu Straftaten gegen diese (bitte soweit vorhan-
den auf Zahlenmaterial verweisen)?

7. Wie beurteilt die Bundesregierung das Risiko missbräuchlich gestellter An-
zeigen gegen Angehörige der Bundespolizei oder gar einer persönlichen Ge-
fährdung im Falle der Einführung einer Kennzeichnungspflicht (bitte un-
terscheiden nach Namensschildern und Pseudo-Anonymisierung), und auf
welche Erfahrungen stützt sie sich dabei?

8. Hat die Bundesregierung Kenntnis von wissenschaftlichen Untersuchungen
über eine behauptete Gefährdung von Polizisten infolge einer Kennzeich-
nungspflicht, oder hat sie selbst solche Untersuchungen beauftragt (bitte ggf.
ausführen)?

9. Ist nach Auffassung der Bundesregierung die Einführung einer individuellen
Kennzeichnung von Angehörigen der Bundespolizei ein arbeitsrechtlicher
Schritt, der die Zustimmung von Personalvertretungen notwendig macht?

Kann eine Kennzeichnungspflicht auf dem Verordnungswege oder nur durch
eine Gesetzesinitiative erfolgen?

Berlin, den 26. Oktober 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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