BT-Drucksache 17/327

Umgang mit Asylsuchenden und Flüchtlingen aus Sri Lanka

Vom 18. Dezember 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 17/327
17. Wahlperiode 18. 12. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Sevim Dag˘delen, Petra Pau,
Jens Petermann, Frank Tempel und der Fraktion DIE LINKE.

Umgang mit Asylsuchenden und Flüchtlingen aus Sri Lanka

In der vergangenen Wahlperiode beantragte unter anderem die Fraktion DIE
LINKE. im Deutschen Bundestag einen Abschiebestopp für Personen aus Sri
Lanka (Bundestagsdrucksache 16/4203). Dieser Antrag wurde ebenso ab-
gelehnt wie eine Beschlussvorlage an die Innenministerkonferenz (IMK) im
April 2008, in der ein Abschiebestopp für schutzbedürftige Gruppen aus Sri
Lanka vorgesehen war. Mittlerweile hat sich die militärische Lage in Sri Lanka
beruhigt, nachdem die Armee die „Tamil Tigers“ (LTTE) militärisch geschla-
gen hat. Mindestens 100 000 vor allem tamilische Flüchtlinge leben nun in
großen Flüchtlingslagern unter der Kontrolle des Militärs. In den von der
Armee oder regierungsnahen Milizen kontrollierten Gebieten im Norden und
Osten stehen Menschenrechtsverletzung auf der Tagesordnung, gerade im Falle
der Gewalt gegen Frauen und Kinder (Zwangsprostitution, Zwangsarbeit)
herrscht weitgehend Straffreiheit. Gleiches gilt für gezielte Gewalt zur Unter-
drückung der Pressefreiheit oder des Engagements für Menschenrechte.

Von einer signifikanten Verbesserung der Menschenrechtssituation kann also
trotz der militärischen Beruhigung keine Rede sein. In den aktuellen „UNHCR-
Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs sri-lankischer
Asylsuchender“ weist der Vertreter des Hohen Flüchtlingskommissars der Ver-
einten Nationen folgerichtig auf den Schutzbedarf zahlreicher Gruppen aus Sri
Lanka hin. Die Menschenrechtssituation bleibe weiter besorgniserregend. Er
widerspricht in den Leitlinien auch dem Eindruck, es gebe für alle Gruppen,
denen von Seiten der verschiedenen Akteure (Reste der LTTE, regierungsnahe
tamilische Guerillas, Armee, weitere paramilitärische Gruppen) Gewalt und
Menschenrechtsverletzungen drohen, landesinterne Fluchtalternativen. Auch
wenn die UNHCR-Richtlinien keine bindende Wirkung haben, kommt ihnen
für die Beurteilung der asylrelevanten Lage in den Herkunftsländern von Asyl-
suchenden eine wichtige Bedeutung zu.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele asylberechtigte Personen aus Sri Lanka befinden sich derzeit in
Deutschland (bitte nach Aufenthaltstitel und Geschlecht auflisten)?
2. Wie viele asylsuchende Personen aus Sri Lanka befinden sich derzeit in
Deutschland (bitte nach Erst- und Folgeantrag und Geschlecht auflisten)?

3. Wie viele anerkannte Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention
(GFK) aus Sri Lanka befinden sich derzeit in Deutschland (bitte nach Aufent-
haltstitel und Geschlecht auflisten)?

Drucksache 17/327 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

4. Wie viele Personen aus Sri Lanka befinden sich derzeit in Deutschland, für
die ein Abschiebeverbot nach § 60 Absatz 2, 3, 5 und 7 des Aufenthalts-
gesetzes gilt (bitte nach Rechtsgrundlage des Abschiebeverbots, Aufent-
haltstitel und Geschlecht auflisten)?

5. Wie viele Personen aus Sri Lanka befinden sich derzeit in Deutschland,
deren Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung oder deren Abschiebungsschutz
widerrufen oder zurückgenommen wurde (bitte nach Aufenthaltsstatus und
Geschlecht auflisten)?

6. Wie viele Personen aus Sri Lanka befinden sich derzeit in Deutschland, die
ausreisepflichtig sind, und wie viele von ihnen werden noch geduldet (bitte
nach Geschlecht und Aufenthaltsdauer von weniger bzw. mehr als sechs
Jahren auflisten)?

7. Wie viele Personen aus Sri Lanka befanden sich in den Jahren 2008 und
2009 im Flughafenverfahren, wie viele von ihnen konnten zur Prüfung
ihres Asylbegehrens einreisen, und wie viele wurden zurückgeschoben (bitte
nach Jahr und Geschlecht auflisten und jeweils die Zahl der unbegleiteten
Minderjährigen angeben)?

8. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des UNHCR, dass tamilische
Asylsuchende aus dem Norden Sri Lankas als GFK-Flüchtlinge anerkannt
werden sollten (soweit sie nicht als Kriegsverbrecher oder wegen Verbre-
chen gegen die Menschlichkeit asylunwürdig sind) (bitte begründen)?

9. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung des UNHCR, dass Frauen
unter anderem wegen der bestehenden Straflosigkeit im Norden und Osten
Sri Lankas vermehrt Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt werden, und
welche Schlüsse zieht sie daraus für die Anerkennungspraxis des Bundes-
amtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) (bitte begründen)?

10. Inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassung des UNHCR, dass für
Tamilen aus dem Norden und Osten Sri Lankas, die vor gezielten Men-
schenrechtsverletzungen fliehen, keine Schutzalternative in irgendeinem
anderen Landesteil besteht, und welche Konsequenzen zieht sie hieraus
(bitte begründen)?

11. Inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassung des UNHCR, dass für
Asylsuchende, die vor gezielter Gewalt der LTTE geflohen sind, keine
interne Schutzalternative in Sri Lanka zur Verfügung steht, und welche
Konsequenzen zieht sie hieraus (bitte begründen)?

12. Inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassung des UNHCR, dass für
Asylsuchende, die vor gezielten Verfolgungsmaßnahmen durch Regie-
rungsakteure und regierungsnahe Gruppen geflohen sind, keine interne
Schutzalternative zur Verfügung steht, und welche Konsequenzen zieht sie
hieraus (bitte begründen)?

13. Inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassung des UNHCR, dass der
Flüchtlingsstatus von Personen, die bereits ein individuelles Verfahren zur
Flüchtlingsanerkennung durchlaufen haben, nur in solchen Fällen überprüft
werden sollte, in denen konkrete Hinweise auf Ausschlussgründe nach der
GFK vorliegen (bitte begründen)?

14. In wie vielen Fällen ist in den vergangenen zehn Jahren im Fall Sri Lankas
ein Asylantrag wegen der „Asylunwürdigkeit“ des Antragstellers (Betei-
ligung an Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit)
abgelehnt worden (bitte nach Jahren und Geschlecht auflisten)?

15. In wie vielen Fällen ist in den vergangenen zehn Jahren im Fall Sri Lankas

eine Asylanerkennung bzw. Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft wider-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/327

rufen bzw. zurückgenommen worden, weil die Asylunwürdigkeit i. S. d.
Artikels 1 F Buchstabe a oder Buchstabe c der GFK festgestellt wurde?

16. In wie vielen Fällen ist in den vergangenen zehn Jahren im Fall Sri Lankas
die Asylanerkennung bzw. Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft wider-
rufen worden, weil nach Ansicht des BAMF die Umstände weggefallen
waren, die zu einer Anerkennung der Asyl- bzw. Flüchtlingseigenschaft ge-
führt haben (bitte nach Jahren und Geschlecht auflisten)?

Berlin, den 17. Dezember 2009

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.