BT-Drucksache 17/3260

Rechtliche Grundlagen und die Praxis des Zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten (Authorised Economic Operator - AEO)

Vom 6. Oktober 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3260
17. Wahlperiode 06. 10. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Ulla Jelpke, Petra Pau, Jens Petermann, Frank
Tempel, Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Rechtliche Grundlagen und die Praxis des Zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten
(Authorised Economic Operator – AEO)

Im April 2005 hat die Europäische Union (EU) mit der Änderung des Zoll-
kodex eine Vorgabe der Weltzollorganisation in europäisches Recht umgesetzt.
„Ein wesentliches Element dieser Sicherheitsinitiative ist die Einführung des
Status des Zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten (AEO – Authorised Economic
Operator)“ (www.zoll.de).

Auf dieser Grundlage können seit dem 1. Januar 2008 europäische Unterneh-
men diesen in drei Stufen angebotenen Status beantragen und so die damit ver-
bundenen Vergünstigungen bei Zollkontrollen und Vereinfachungen gemäß den
Zollvorschriften erhalten.

Bei der Europäischen Kommission wird ein Verzeichnis aller Zugelassenen
Wirtschaftsbeteiligten geführt und nach Zustimmung der Inhaber eines AEO-
Zertifikats im Internet veröffentlicht.

Für die Erteilung eines solchen Zertifikats muss ein Unternehmen nachweisen,
dass es

1. zahlungsfähig ist,

2. keine Zuwiderhandlung gegen Zollvorschriften durch Geschäftsführung
oder Zollverantwortliche vorliegen und

3. die Lieferkette gesichert bzw. sicher ist. Das heißt, dass nicht an Firmen oder
Personen geliefert oder von Firmen und Personen importiert wird, die auf
einer Antiterrorliste der Europäischen Union, der Vereinten Nationen (oder
anderer Drittstaaten) stehen.

Auf dieser Grundlage hat sich ein regelrechter Markt entwickelt, auf dem auto-
matisierte Screenings und Abgleiche der Unternehmen und ihrer Partner und
den Terrorlisten angeboten werden.

Der Zoll aber besteht für die höheren Stufen des Zertifikats – AEO-S und
AEO-F – auf einem flächendeckenden und systematischen Abgleich der Mit-
arbeiter- und Bewerberdaten mit den Listen verdächtiger Personen nach den

EG-Antiterrorverordnungen.

Den Firmen, die diesen Anforderungen zum Beispiel aus datenschutzrechtli-
chen Gründen nicht nachkommen, werden das Zertifikat und damit die Ver-
günstigungen im Zoll- und Wirtschaftsverkehr verweigert.

Schon vor einem knappen Jahr wurde diese Praxis durch den Bundesbeauftrag-
ten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) als gesetzeswidrig

Drucksache 17/3260 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

gerügt (Schreiben des BfDI vom 2. November 2009 „Datenabgleich im Rah-
men des zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten“). Dennoch wird durch den Zoll
und das übergeordnete Bundesministerium der Finanzen ungebrochen an der
bisherigen Praxis festgehalten.

Mit Ländern wie den Vereinigten Staaten von Amerika (USA), der Schweiz
und China wird über die gegenseitige Anerkennung dieser Art Zertifizierung
– C-TPAT Backgroundchecks (Customs-Trade Partnership Against Terrorism)
und AEO-Zertifikat – seit längerem verhandelt.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche nationalen, europäischen und internationalen Rechtsgrundlagen er-
lauben dem Zoll die Vergabe zollrechtlicher Vergünstigungen gegen die
Beteiligung an der Antiterrorpolitik der Europäischen Union?

2. Aufgrund welcher nationalen, europäischen und internationalen Rechts-
grundlagen können der Zoll und das Bundesministerium der Finanzen die
Vergabe des AEO-Zertifikats Unternehmen und Personen verweigern, die
aus datenschutzrechtlichen Gründen den Abgleich mit Antiterrorlisten ver-
weigern?

3. Der Abgleich mit welchen Terrorlisten der EU, der USA, der Vereinten
Nationen ist Mindestvoraussetzung für die Erlangung des AEO-Zertifi-
kats?

4. Der Abgleich mit welchen europäischen, US-amerikanischen und inter-
nationalen Terrorlisten ist Voraussetzung für die Erlangung des AEO-Zerti-
fikats welcher Stufe?

5. Welche kommerzielle Software ist der Bundesregierung bekannt, die Un-
ternehmen den Abgleich mit welchen Terrorlisten ermöglicht, und wer
kontrolliert deren korrekte Datenbasis?

6. Welche Rechtsgrundlage erlaubt es dem Zoll, die systematische und flä-
chendeckende Überprüfung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, den Ab-
gleich ihrer Daten mit denen auf Terrorlisten geführter Personen zur Voraus-
setzung einer Vergabe von Vergünstigungen in der Zollabfertigung und im
Wirtschaftsverkehr zu machen?

7. Ist ein deutsches Unternehmen verpflichtet, seine eigene Belegschaft und
die des ausländischen Geschäftspartners zu überprüfen, und wie muss man
sich das praktische Vorgehen vorstellen?

8. Auf welcher Rechtsgrundlage können Arbeitgeber diese Überprüfungen
ihrer Belegschaften vornehmen?

9. Welche Ministererlasse, Verordnungen und anderen untergesetzlichen Vor-
schriften sind der Bundesregierung bekannt, mit denen diese Praktiken ge-
fordert wurden oder werden?

10. Was haben die Bundesregierung, das Bundesministerium der Finanzen und
die Zollverwaltung unternommen, um Rechtssicherheit und -klarheit her-
zustellen, als spätestens im November 2009 die massiven rechtlichen und
besonders die datenschutzrechtlichen Bedenken gegen diese Belegschafts-
screenings bekannt wurden?

11. Welchen Stand haben die Verhandlungen mit den USA, der Schweiz und
China um die gegenseitige Anerkennung der ZWB-/AEO-Zertifikate er-
reicht, und mit welchen Ländern wird derzeit oder in den nächsten zwei
Jahren noch verhandelt?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/3260

12. Wie viele deutsche Unternehmen haben die Erlangung des AEO-Zertifikats
welcher Stufe bislang beantragt, und wie vielen davon ist das Zertifikat er-
teilt worden (bitte nach Bundesländern, Monat und Zertifikatsstufe auf-
schlüsseln)?

13. Wie vielen Unternehmen wurde das beantragte AEO-Zertifikat aus wel-
chen Gründen verweigert (bitte nach Bundesländern, Monat, Zertifikats-
stufe und Begründung aufschlüsseln)?

14. Wie, wo, auf welcher Rechtsgrundlage und wie lange werden die im Zerti-
fizierungsverfahren erhobenen Daten gespeichert, und wer überwacht die
Löschung?

15. Werden die gespeicherten Daten auf Anfrage an Dritte übermittelt?

Wenn ja,

a) auf welcher Rechtsgrundlage geschieht das,

b) welche Dritten sind das?

16. Welche Rechtsmittel stehen den antragstellenden Unternehmen zur Verfü-
gung, um die Löschung ihrer Daten verlangen zu können?

Berlin, den 6. Oktober 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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