BT-Drucksache 17/319

Gebührenerhebung für die Bearbeitung und Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen bei türkischen Staatsangehörigen

Vom 18. Dezember 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 17/319
17. Wahlperiode 18. 12. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sevim Dag˘delen, Jan Korte, Ulla Jelpke, Jens Petermann, Raju
Sharma und der Fraktion DIE LINKE.

Gebührenerhebung für die Bearbeitung und Erteilung von
Aufenthaltserlaubnissen bei türkischen Staatsangehörigen

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seinem Urteil vom 17. September
2009 (C-242/0 – Sahin) entschieden, dass die niederländische Regelung über
eine Gebühr von 169 Euro für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht mit
dem Verschlechterungsverbot des Artikels 13 des Beschlusses Nummer 1/80
des durch das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Wirt-
schaftsgemeinschaft und der Türkei errichteten Assoziationsrates vom 19. Sep-
tember 1980 über die Entwicklung der Assoziation (im Folgenden: ARB 1/80)
zu vereinbaren ist. Die Regelung bedeute eine unzulässige Verschlechterung
der Situation im Vergleich zu 1980, da seinerzeit für die Erteilung einer Aufent-
haltserlaubnis keine Gebühr zu entrichten war und für Unionsbürgerinnen und
- bürger in den Niederlanden heute eine Verwaltungsgebühr von lediglich
30 Euro erhoben wird.

In Deutschland sind Unionsbürgerinnen und -bürger und ihre Familienangehö-
rigen von Gebühren für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis-EG (früher),
eines Visums/einer Aufenthaltskarte und nunmehr einer Freizügigkeitsbeschei-
nigung seit dem 31. Januar 1980 (BGBl. I S. 116) gemäß § 13 des Gesetzes über
Einreise und Aufenthalt von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Euro-
päischen Wirtschaftsgemeinschaft (Aufenthaltsgesetz/EWG – AufenthG/EWG)
befreit. Diesen Rechtszustand schreibt § 2 Absatz 6 des Gesetzes über die allge-
meine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU – FreizügG/
EU) weiter fort. Lediglich in § 47 Absatz 3 der Aufenthaltsverordnung
(AufenthV) ist einschränkend eine Bearbeitungsgebühr für die Erteilung der
Aufenthaltskarte bzw. der Bescheinigung des Daueraufenthaltsrecht in Höhe von
8 Euro vorgesehen.

Nach der Ausländergebührenverordnung (vgl. § 2 Absatz 1 AuslGebV) vom
20. Dezember 1977 (BGBl. I S. 2840) betrugen die Gebühren für die Erteilung
und Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis von bis zu einem Jahr Gültigkeit
30 DM (= 15,34 Euro), für mehr als ein Jahr 40 DM (= 20,45 Euro) und für ein
unbefristetes Aufenthaltsrecht 50 DM (= 25,56 Euro). Für die Verlängerung
einer Aufenthaltserlaubnis wurden gemäß § 2 Absatz 2 Nummer 6 AuslGebV

von 1977 dieselben Gebühren erhoben wie für die Erteilung.

Zudem konnten die Antragsteller von der Gebühr gemäß § 4 AuslGebV von
1977 befreit werden oder eine Ermäßigung konnte erfolgen, wenn der oder die
Gebührenpflichtige bedürftig war.

Nach der Ausländergebührenverordnung vom 19. Dezember 1990 (BGBl. I
S. 3002) wurde eine Unterscheidung zwischen der Erteilung und der Ver-

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längerung der Aufenthaltserlaubnis vorgenommen (vgl. § 1 Nummer 1 und 5
AuslGebV von 1990). Zugunsten Minderjähriger wurde in § 7 AuslGebV die
Gebühr auf die Hälfte der maßgeblichen Gebühr beschränkt. Bei der Erteilung
der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis zu Gunsten nachgezogener Kinder
wurde diese der Höhe nach auf 25 Euro beschränkt. Außerdem konnte gemäß
§ 13 AuslGebV von 1990 die Gebühr aus Billigkeitsgründen ermäßigt werden
bzw. der oder die Gebührenpflichtige von der Entrichtung der Gebühr befreit
werden.

Nach den maßgeblichen Vorschriften der Aufenthaltsverordnung sind für die
Erteilung einer Niederlassungserlaubnis von 85 Euro bis zu 200 Euro vorge-
sehen (§ 44 AufenthV). Bei der Erteilung und Verlängerung einer Aufenthalts-
erlaubnis gelten folgende Bestimmungen:

1. a) Erteilung bis zu einem Jahr 50 Euro (§ 45 Nummer 1 Buchstabe a
AufenthV),

b) bei Verlängerung bis zu einem Jahr 30 Euro (§ 45 Nummer 2 Buchstabe b
AufenthV).

2. a) Erteilung von über einem Jahr 60 Euro (§ 45 Nummer 1 Buchstabe b
AufenthV),

b) bei Verlängerung beispielsweise bis zu einem Jahr 30 Euro (§ 45 Num-
mer 2 Buchstabe b AufenthV).

3. Die Ausstellung einer Bescheinigung über das Aufenthaltsrecht für Unions-
bürger ist gebührenfrei.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Werden künftig für die betroffenen türkischen Staatsangehörigen die Gebüh-
rensätze erhoben, die zum maßgeblichen Zeitpunkt 1977 vorgesehen waren,
bis der Bundesgesetzgeber eine Anpassung der §§ 44, 45 AufenthV vor-
nimmt?

a) Wenn nein, warum nicht, und wie ist dies mit dem Grundsatz der Europa-
rechtstreue zu vereinbaren?

b) Wenn ja, wie stellt die Bundesregierung den Anwendungsvorrang des
Gemeinschaftsrechts sicher, bis eine Änderung der Aufenthaltsverord-
nung erfolgt?

2. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass für die Erteilung einer dekla-
ratorischen Aufenthaltserlaubnis gemäß § 4 Absatz 5 AufenthG keine Ge-
bühr erhoben werden darf, da die Bescheinigung eines deklaratorischen
Aufenthaltsrechts für Unionsbürger/Unionsbürgerinnen ebenfalls gebühren-
frei erfolgt?

Wenn nein, welche Gebühr ist für einen Aufenthaltstitel gemäß § 4 Absatz 5
AufenthG unter Berücksichtigung des sog. Standstillgebots aus Artikel 13
ARB 1/80 bzw. Artikel 7 ARB 2/76 zu fordern?

Berlin, den 17. Dezember 2009

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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