BT-Drucksache 17/3102

Stand der Umsetzung des UNESCO-Übereinkommens über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen von 2005

Vom 29. September 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3102
17. Wahlperiode 29. 09. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Schmidt (Aachen), Siegmund Ehrmann, Martin Dörmann,
Petra Ernstberger, Iris Gleicke, Lars Klingbeil, Angelika Krüger-Leißner, Ute
Kumpf, Petra Merkel (Berlin), Thomas Oppermann, Olaf Scholz, Peer Steinbrück,
Dr. h. c. Wolfgang Thierse, Brigitte Zypries, Dr. Frank-Walter Steinmeier
und der Fraktion der SPD

Stand der Umsetzung des UNESCO-Übereinkommens über den Schutz und die
Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen von 2005

Am 20. Oktober 2010 jährt sich die Verabschiedung des UNESCO-Überein-
kommens über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucks-
formen zum fünften Mal. Seit dem 17. März 2007 ist das Übereinkommen in
Kraft, welches am 1. Februar 2007 vom Deutschen Bundestag mit großer Mehr-
heit angenommen wurde. Deutschland gehörte damit zu den ersten fünfzig
Unterzeichnerstaaten. Mittlerweile haben mehr als hundert Vertragsstaaten
(Stand September 2010: 113), unter ihnen fast alle OECD-Staaten (OECD: Orga-
nisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) sowie wichtige
Schwellenländer aus allen Weltregionen, dieses wichtige völkerrechtliche In-
strument unterzeichnet.

Die Vielfalt kultureller Ausdrucksformen ist unverzichtbare Ressource für Frei-
heit und somit eine wesentliche Grundlage unserer pluralistischen Gesellschaft
und ermöglicht individuelle Lebensweisen. Bei (internationalen) Handelsverein-
barungen muss der besondere Charakter von kulturellen Dienstleistungen als
Kultur- und Wirtschaftsgut berücksichtigt werden. Der Eigenwert von Kunst und
Kultur liegt jenseits ihrer kommerziellen oder ökonomischen Zwecke und Mög-
lichkeiten.

Das Übereinkommen beinhaltet wichtige Instrumente, um die Zusammenarbeit
in den internationalen Kulturbeziehungen zu verbessern, Ungleichgewichte der
globalen Märkte für Kulturgüter und kulturelle Dienstleistungen abzubauen und
lokal und regional tragfähige Märkte der Kultur- und Kreativwirtschaft zu stär-
ken. Es hilft u. a. mittels eines Internationalen Fonds für kulturelle Vielfalt, der
aus freiwilligen Beiträgen der Vertragsstaaten gespeist wird, die kulturelle Infra-
struktur vor allem in den ökonomisch weniger und am wenigsten entwickelten
Ländern zu entwickeln.

Das UNESCO-Übereinkommen stellt sicher, dass auch bei sich öffnenden Märk-

ten und fortschreitender Deregulierung im Rahmen der Welthandelsorganisation
(WTO) und der EU weiterhin Kulturpolitik und öffentliche Kunst- und Kultur-
förderung möglich und erhalten bleiben.

Die Europäische Gemeinschaft ist im Dezember 2006 dem UNESCO-Überein-
kommen über den Schutz und die Förderung kultureller Ausdrucksformen beige-
treten, gemeinsam mit allen EU-Mitgliedstaaten (in Belgien dauert der Ratifizie-

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rungsprozess derzeit noch an). Das ist für die Umsetzungspraxis und -dynamik
dieses Übereinkommens wichtig und ein Novum. Damit sind die im Überein-
kommen verankerten Prinzipien für die EU-Kommission verpflichtend.

Bei der konstituierenden Vertragsstaatenkonferenz im Juni 2007 wurde Deutsch-
land mit einem Mandat bis 2011 in den Zwischenstaatlichen Ausschuss, das
höchste Arbeitsgremium des UNESCO-Übereinkommens über den Schutz und
die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen (2005), gewählt.
Deutschland brachte seine starke Unterstützung für das Übereinkommen zum
Ausdruck und verpflichtete sich, aktiv dazu beizutragen, das Übereinkommen zu
operationalisieren und umzusetzen. So kündigte Deutschland u. a. im Juni 2007
die Zahlung eines freiwilligen Beitrags zum Internationalen Fonds für kulturelle
Vielfalt in Höhe von einem Prozent des deutschen Beitrags zum regulären Haus-
halt der UNESCO an. Diese Ankündigung Deutschlands von 2007, einen freiwil-
ligen Beitrag zu leisten, wurde jedoch bis heute nicht umgesetzt.

Um weitere Ratifizierungen zu unterstützen und eine ausgewogenere regionale
Balance der Vertragsstaaten zu erzielen, nahm der Zwischenstaatliche Ausschuss
im Dezember 2009 einen konzertierten Aktionsplan an, mit dessen Hilfe das Be-
mühen der Vertragsstaaten, der Zivilgesellschaft und der UNESCO um weitere
Ratifizierungen verstärkt werden sollen. Trotz der eindrucksvollen und raschen
weltweiten Ratifizierung gilt es, weitere Staaten u. a. aus dem Mittelmeerraum,
der arabischen Region, aus Südostasien sowie aus dem englischsprachigen
Afrika von den Vorteilen einer Ratifizierung zu überzeugen.

● Die Vertragsstaaten haben sich mit dem Beschluss vom Dezember 2009 das
Ziel gesetzt, bis 2013 35 bis 40 weitere Ratifizierungen, insbesondere aus den
bislang unterrepräsentierten Regionen, zu erreichen. Damit würde dieses Kul-
turabkommen ein vergleichbares Gewicht erreichen wie die Konvention zur
Biologischen Vielfalt oder wie die Konvention zum Bann der Anti-Personen-
Minen.

● Die Vertragsstaaten haben u. a. vereinbart, auf nationaler und regionaler
Ebene gemeinsam mit den UNESCO-Nationalkommissionen, den Kontakt-
stellen in den Vertragsstaaten sowie der Zivilgesellschaft Maßnahmen zu
identifizieren, mit deren Hilfe man weitere Ratifizierungen ermutigen will.
Die Vorteile des Übereinkommens sollen in internationalen Foren kommuni-
ziert werden; die Vertragsstaaten haben vereinbart, dem Sekretariat der Kon-
vention über die unternommenen Initiativen zu berichten, damit dieses darü-
ber im Dezember 2010 dem Ausschuss einen ersten Bericht vorlegen kann.

Deutschland verfügt über eine sehr vielfältige und reichhaltige Kulturland-
schaft, weshalb ein besonderes politisches Interesse an einer erfolgreichen Um-
setzung des UNESCO-Übereinkommens über den Schutz und die Förderung
kultureller Ausdrucksformen bestehen sollte. Die Enquete-Kommission „Kul-
tur in Deutschland“ des Deutschen Bundestages empfahl in ihrem Abschluss-
bericht Bund und Ländern, „ein besonderes Augenmerk auf die Umsetzung des
Übereinkommens zur kulturellen Vielfalt zu legen. Hierfür sollte unter Ein-
beziehung der Bundeskulturverbände evaluiert werden, inwieweit die Anforde-
rungen an kulturelle Vielfalt bereits erfüllt werden und welche Maßnahmen zur
Erfüllung der Konvention ergriffen werden müssen“ (Abschlussbericht der
Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“, S. 429, Bundestagsdrucksache
16/7000).

In einem ersten Umsetzungsschritt auf nationaler Ebene wurde von der Bundes-
regierung im April 2007 die Kontaktstelle, die für den Informationsaustausch in
Zusammenhang mit dem UNESCO-Übereinkommen verantwortlich ist, be-
nannt: Die Deutsche UNESCO-Kommission e. V. (DUK). Neben vielen Einzel-
aufgaben und thematisch spezifischen Beratungen hat die DUK in dieser Rolle

die seit 2004 begonnenen jährlichen Arbeitskonsultationen der Bundesweiten

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Koalition Kulturelle Vielfalt intensiviert. Die 2008/2009 erarbeiteten Vorschläge
und Handlungsempfehlungen wurden im Dezember 2009 als Weißbuch mit dem
Titel „Kulturelle Vielfalt gestalten. Handlungsempfehlungen aus der Zivilgesell-
schaft zur Umsetzung des UNESCO-Übereinkommens zur Vielfalt kultureller
Ausdrucksformen (2005) in und durch Deutschland“ vorgelegt.

Die Ziele und Instrumente dieses UNESCO-Übereinkommens sind in Deutsch-
land für Bund, Länder und Kommunen verbindlich. Bis 2012 wird erstmalig
der UNESCO und den anderen Vertragsstaaten über die Umsetzung des
UNESCO-Übereinkommens über den Schutz und die Förderung der Vielfalt
kultureller Ausdrucksformen (2005) zu berichten sein. Bereits bis Ende 2011
sollen sich die EU-Mitgliedstaaten gegenseitig über ihre Anwendungspraxis
der EU-Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste informieren, die ebenfalls
Bestimmungen zur kulturellen Vielfalt, insbesondere zur Medienvielfalt, ent-
hält. International hat Deutschland durch seine Wahl in den Zwischenstaat-
lichen Ausschuss für den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller
Ausdrucksformen mit einem Mandat von 2007 bis 2011 besondere Verantwor-
tung übernommen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche wesentlichen Eckpunkte zur Umsetzung des UNESCO-Übereinkom-
mens zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksfor-
men in und durch Deutschland hat sich die Bundesregierung bis 2011 vorge-
nommen?

Welche Bedarfsanalysen liegen dem im Einzelnen zu Grunde?

2. Wie stellt die Bundesregierung eine abgestimmte und zielorientierte Umset-
zungspraxis sicher, bei der zum einen die jeweiligen Kompetenzen und Hand-
lungsmöglichkeiten u. a. des Auswärtigen Amts, des Beauftragten der Bun-
desregierung für Kultur und Medien, des Bundesministeriums für Wirtschaft
und Technologie, des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammen-
arbeit und Entwicklung, des Bundesministeriums für Bildung und Forschung
und ggf. weiterer Bundesministerien optimal zusammenwirken, und bei der
zum anderen eine zielorientierte Umsetzung in Absprache zwischen Bund
und Ländern gewährleistet ist?

3. Welche Informationen liegen der Bundesregierung darüber vor, wie die Kul-
turverantwortlichen auf Länderebene jeweils eine abgestimmte und ziel-
orientierte Umsetzungspraxis dieses Übereinkommens sicherstellen, bei der
die entsprechenden Fachministerien für Kunst und Kultur, die für Medien-
politik verantwortlichen Staatskanzleien, die für Kultur- und Kreativwirt-
schaft zuständigen Ressorts und ggf. weitere ihre jeweiligen Kompetenzen
und Handlungsmöglichkeiten voll ausschöpfen?

4. Welche Schritte und Maßnahmen hat die Bundesregierung bislang unternom-
men, um Partnerländer von den Vorteilen einer Ratifizierung des Überein-
kommens zu überzeugen?

5. Welche weiteren Maßnahmen sind auf der Basis des Beschlusses vom
Dezember 2009 geplant?

Welche Schritte sind ggfs. im Zusammenhang mit bilateralen Kulturabkom-
men sowie mit anstehenden Deutschlandwochen zu unternehmen?

Welche fünf bis zehn Länder wären hier aus Sicht der Bundesregierung vor-
rangig in den Blick zu nehmen?

Welche Maßnahmen werden bis Mitte Oktober 2010 an das UNESCO-Sekre-

tariat berichtet werden können?

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6. Mit welchen Zielsetzungen beabsichtigt die Bundesregierung, den Schutz
und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen in der inter-
nationalen Entwicklungszusammenarbeit, unter besonderer Berücksichti-
gung des Zusammenhangs von Kultur und nachhaltiger Entwicklung, zu
gewährleisten?

Welche Maßnahmen und Instrumente stehen hierfür zur Verfügung?

Welche Gespräche und Abstimmungsprozesse haben dazu insbesondere
zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Bundesministerium für wirt-
schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung bisher stattgefunden?

Wie stellt die Bundesregierung speziell in diesem Aufgabengebiet eine kon-
tinuierliche und kohärente Ressortabstimmung sicher?

7. Wie bewertet die Bundesregierung den Vorschlag der Strategischen Pla-
nungsabteilung der UNESCO, im Rahmen der Halbzeitauswertung der Mil-
leniumsentwicklungsziele im September 2010, die Bedeutung von Kultur
und Wissenschaft als grundlegende Rahmenbedingung für die Erreichung
sämtlicher Milleniumsentwicklungsziele stärker und nachdrücklich hervor-
zugeben?

8. Mit welchen Zielsetzungen, Maßnahmen und bisherigen Ergebnissen trägt
die Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung spezifisch
zur Umsetzung des UNESCO-Übereinkommens zum Schutz und zur Förde-
rung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen in und durch Deutschland
bei?

Welche weiteren Maßnahmen sind bis Ende 2011 geplant?

9. Wie bewertet die Bundesregierung die beiden im Auftrag des Europäischen
Parlaments erstellten Übersichtspapiere (Policy briefings) vom Juni 2010
zur Umsetzung des UNESCO-Übereinkommens innerhalb der EU sowie in
den Außenbeziehungen der EU, insbesondere die darin jeweils ausgespro-
chenen Empfehlungen?

Welche Schlussfolgerungen lassen sich daraus für die künftige Umsetzung
des Übereinkommens in und durch Deutschland ziehen?

10. Hat die Bundesregierung zwischenzeitlich den im Juni 2007 angekündigten
freiwilligen Beitrag zum Internationalen Fonds für kulturelle Vielfalt ent-
richtet?

Falls nein, für wann ist die Umsetzung dieser Zusage geplant, und in welcher
Höhe?

11. Wie beabsichtigt die Bundesregierung die Arbeit der Deutschen UNESCO-
Kommission e. V., die als Kontaktstelle für den Informationsaustausch im
Zusammenhang mit dem UNESCO-Übereinkommen für kulturelle Vielfalt
verantwortlich ist, mittelfristig und langfristig zu unterstützen, insbesondere
im Hinblick darauf, dass eine mehrjährige Planungssicherheit erforderlich
ist?

Berlin, den 29. September 2010

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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