BT-Drucksache 17/3100

zu Einsprüchen gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009

Vom 1. Oktober 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3100
17. Wahlperiode 01. 10. 2010

Zweite Beschlussempfehlung
des Wahlprüfungsausschusses

zu Einsprüchen gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

A. Problem

Gemäß Artikel 41 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) ist die Wahlprüfung Sache des Deut-
schen Bundestages. Dieser hat nach den Bestimmungen des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) auf
der Grundlage von Beschlussempfehlungen des Wahlprüfungsausschusses über die Einsprüche
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag zu entscheiden.

Insgesamt sind 163 Wahleinsprüche eingegangen. Die jetzt zur Beschlussfassung vorgelegten
Entscheidungen betreffen 40 Einsprüche. 33 Wahlprüfungsverfahren hat der Deutsche Bundestag
bereits abgeschlossen (vgl. Bundestagsdrucksache 17/2250). Die Beschlussempfehlungen zu den
weiteren Einsprüchen wird der Wahlprüfungsausschuss nach dem Abschluss seiner Beratungen
vorlegen.

B. Lösung

Zurückweisung von 40 Wahleinsprüchen wegen Unbegründetheit bzw. wegen Unzulässigkeit.

C. Alternativen

Keine.

D. Kosten

Keine.

Drucksache 17/3100 - 2 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

die aus den Anlagen 1 bis 40 ersichtlichen Beschlussempfehlungen zu Wahleinsprüchen anzunehmen.

Berlin, den 30. September 2010
Der Wahlprüfungsausschuss

Thomas Strobl (Heilbronn) Dr. Wolfgang Götzer Michael Grosse-Brömer
Vorsitzender Berichterstatter Berichterstatter

Bernhard Kaster Christian Lange
Berichterstatter (Backnang)

Berichterstatter

Stephan Thomae Dr. Dagmar Enkelmann
Berichterstatter Berichterstatterin

Josef Philip Winkler
Berichterstatter

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 3 - Drucksache 17/3100

Inhaltsverzeichnis zum Anlagenteil

Beschlussempfehlungen zu den einzelnen Wahleinsprüchen

Aktenzei-
chen

Betreff Berichterstatter/in Anlage Seite

WP 1/09 Allgemeine Gründe Abg. Stephan Thomae 1 7

WP 5/09 Wählbarkeit eines Abgeordneten Abg. Dr. Wolfgang Götzer 2 9

WP 13/09 Allgemeine Gründe Abg. Michael Grosse-Brömer 3 11

WP 22/09 Allgemeine Gründe Abg. Stephan Thomae 4 13

WP 23/09 Feststellung der Parteieigenschaft

Abg. Bernhard Kaster

Abg. Christian Lange (Backnang)

Abg. Josef Philip Winkler

5 15

WP 33/09 Wahlsystem Abg. Bernhard Kaster 6 29

WP 42/09 Wahlwerbung vor demWahllokal
u. a.

Abg. Christian Lange (Backnang) 7 31

WP 45/09 Nichtzugang von Briefwahlunter-
lagen

Abg. Christian Lange (Backnang) 8 35

WP 50/09 Barrierefreier Zugang zum Wahl-
lokal

Abg. Dr. Dagmar Enkelmann 9 41

WP 59/09 Nichtzugang von Briefwahlunter-
lagen

Abg. Josef Philip Winkler 10 47

WP 62/09 Wählerbefragung Abg. Stephan Thomae 11 51

WP 65/09 Allgemeine Gründe Abg. Christian Lange (Backnang) 12 55

WP 73/09 Sitzverteilung Abg. Josef Philip Winkler 13 57

WP 75/09 Wahlberechtigung Abg. Josef Philip Winkler 14 63

WP 76/09 Wahlvorschläge von CDU und
CSU

Abg. Christian Lange (Backnang) 15 65

WP 77/09 Nichtzulassung einer Landesliste Abg. Bernhard Kaster 16 69

WP 84/09 Einrichtung der Wahlzellen Abg. Josef Philip Winkler 17 73

WP 85/09 Feststellung der Parteieigenschaft

Abg. Bernhard Kaster

Abg. Christian Lange (Backnang)

Abg. Stephan Thomae

Abg. Josef Philip Winkler

18 77

Drucksache 17/3100 - 4 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

Aktenzei-
chen

Betreff Berichterstatter/in Anlage Seite

WP 95/09 Enthaltungsmöglichkeit, Sitzver-
teilung

Abg. Dr. Wolfgang Götzer 19 91

WP 97/09 Enthaltungsmöglichkeit, Sitzver-
teilung

Abg. Dr. Wolfgang Götzer 20 97

WP 99/09 Nichtzugang von Briefwahlunter-
lagen, Sperrvermerk

Abg. Josef Philip Winkler 21 103

WP 100/09 Enthaltungsmöglichkeit, Sitzver-
teilung

Abg. Dr. Wolfgang Götzer 22 107

WP 101/09 Enthaltungsmöglichkeit, Sitzver-
teilung

Abg. Dr. Wolfgang Götzer 23 113

WP 102/09 Enthaltungsmöglichkeit, Sitzver-
teilung

Abg. Dr. Wolfgang Götzer 24 119

WP 104/09 Enthaltungsmöglichkeit, Sitzver-
teilung

Abg. Dr. Wolfgang Götzer 25 125

WP 106/09 Enthaltungsmöglichkeit, Sitzver-
teilung

Abg. Dr. Wolfgang Götzer 26 131

WP 107/09 Enthaltungsmöglichkeit, Sitzver-
teilung

Abg. Dr. Wolfgang Götzer 27 137

WP 108/09 Enthaltungsmöglichkeit, Sitzver-
teilung

Abg. Dr. Wolfgang Götzer 28 143

WP 109/09 Enthaltungsmöglichkeit, Sitzver-
teilung

Abg. Dr. Wolfgang Götzer 29 149

WP 116/09 Enthaltungsmöglichkeit, Sitzver-
teilung

Abg. Dr. Wolfgang Götzer 30 155

WP 117/09 Nichtzulassung einer Landesliste

Abg. Bernhard Kaster

Abg. Dr. Dagmar Enkelmann

Abg. Stephan Thomae

Abg. Josef Philip Winkler

31 161

WP 125/09 Enthaltungsmöglichkeit, Sitzver-
teilung

Abg. Dr. Wolfgang Götzer 32 173

WP 126/09 Wahlstatistik Abg. Dr. Wolfgang Götzer 33 179

WP 131/09 Enthaltungsmöglichkeit, Sitzver-
teilung

Abg. Dr. Wolfgang Götzer 34 183

WP 135/09 Enthaltungsmöglichkeit, Sitzver-
teilung

Abg. Dr. Wolfgang Götzer 35 189

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 5 - Drucksache 17/3100

Aktenzei-
chen

Betreff Berichterstatter/in Anlage Seite

WP 140/09 Enthaltungsmöglichkeit, Sitzver-
teilung

Abg. Dr. Wolfgang Götzer 36 195

WP 142/09 Wählen mit Wahlschein Abg. Josef Philip Winkler 37 201

WP 149/09 Allgemeine Gründe Abg. Bernhard Kaster 38 205

WP 155/09 Allgemeine Gründe Abg. Stephan Thomae 39 207

WP 158/09 Einspruchsfrist Abg. Bernhard Kaster 40 209

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 7 - Drucksache 17/3100

Anlage 1

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn R. L., 71672 Marbach
- Az.: WP 1/09 -

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 30. September 2010 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem Schreiben vom 2. Oktober 2009, das am 6. Oktober 2009 beim Deutschen Bundes-
tag eingegangen ist, hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum
17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 eingelegt. Weitere Schreiben sind am
5. und 6. Oktober 2009 beim Deutschen Bundestag eingegangen.

Der Einspruchsführer wendet sich mit seinem Einspruch im Wesentlichen gegen die Wieder-
wahl von namentlich nicht benannten Mitgliedern des 16. Deutschen Bundestages.
Er erklärt, eine Volksvertretung oder Teile davon, die verbreiteten, dass sie wegen des Grund-
satzes der Gewaltenteilung die Arbeit der anderen Gewalten nicht überprüfen dürften, seien
nicht wählbar. Nicht wählbar seien auch eine Volksvertretung oder Teile davon, die verbreite-
ten, dass nicht grundsätzlich jeder Bürger der Bundesrepublik Deutschland Träger der ganz-
heitlichen Grundrechte sei. Auch eine Volksvertretung oder Teile davon, die Wahlkampf mit
der Einhaltung von Grund- und Menschenrechten machten, diese Grund- und Menschenrechte
vertraglich anerkennten und dann behaupteten, es fehlte die Befähigung, um Menschenrechts-
verletzungen zu erkennen, seien nicht wählbar. Nicht wählbar seien schließlich Personen, die
verbreiteten, das Petitionsrecht sei kein individuelles Recht auf Überprüfung von Beschwer-
den, das Akteneinsicht und Aktenvorlage beinhalte. Außerdem behauptet er, von ihm nicht
benannte Mitglieder des 17. Deutschen Bundestages hätten dem Bundeswahlleiter verschwie-
gen, dass gegen sie ein Ermittlungsverfahren laufe, obwohl mit einer Verurteilung u. a. wegen
Rechtsbeugung und Hochverrat zu rechnen sei. Der Einspruchsführer hat seinem Einspruch
umfangreiche Anlagen, darunter Kopien von Gerichtsbeschlüssen sowie Auszüge aus

Drucksache 17/3100 - 8 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

Schriftwechseln u. a. mit der Justiz und der Landesregierung des Landes Baden-Württemberg
und dem Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages beigefügt, die sich im Wesentlichen
auf familienrechtliche Streitigkeiten des Einspruchsführers beziehen. Wegen der Einzelheiten
des Vortrags des Einspruchsführers sowie der übersandten Unterlagen wird auf den Inhalt der
Akten Bezug genommen.

Mit Schreiben des Sekretariats des Wahlprüfungsausschusses vom 8. Oktober 2009 ist der
Einspruchsführer unter Hinweis auf § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes gebeten
worden, seinen Vortrag in Hinblick auf konkrete Wahlfehler zu substantiieren. Er hat sich
darauf nicht gemeldet.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Der Vortrag des Einspruchsführers lässt keinen Verstoß gegen wahlrechtliche Vorschriften
erkennen, denn er umfasst keine substantiierte Darlegung möglicher Fehler bei der Vorberei-
tung und Durchführung der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag.
Soweit der Einspruchsführer die Rechtmäßigkeit der Wahl aller oder eines Teils der Abge-
ordneten des 17. Deutschen Bundestages bezweifelt, fehlt es bereits an einer hinreichenden
Konkretisierung der Personen, deren Wahl er anfechten möchte. Zudem nennt er für die an-
geblich fehlende Wählbarkeit Gründe, die keine Grundlage im geltenden Wahlrecht finden.
Dieses regelt die positiven und negativen Wählbarkeitsvoraussetzungen bei der Wahl zum
Deutschen Bundestag in § 15 des Bundeswahlgesetzes (BWG). Danach ist wählbar, wer am
Wahltage Deutscher im Sinne des Artikels 116 Absatz 1 des Grundgesetzes ist und das acht-
zehnte Lebensjahr vollendet hat (§ 15 Absatz 1 BWG). Nicht wählbar ist gemäß § 15 Absatz
2 BWG, wer nach § 13 vom Wahlrecht ausgeschlossen ist oder infolge Richterspruchs die
Wählbarkeit oder die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter nicht besitzt. Nach § 13
BWG vom Wahlrecht ausgeschlossen ist, wer infolge Richterspruchs das Wahlrecht nicht
besitzt, außerdem derjenige, für den zur Besorgung aller seiner Angelegenheiten ein Betreuer
nicht nur durch einstweilige Anordnung bestellt ist, sowie der, der sich auf Grund einer An-
ordnung nach § 63 in Verbindung mit § 20 des Strafgesetzbuches in einem psychiatrischen
Krankenhaus befindet. Keiner der genannten Fälle der Unwählbarkeit ist vom Einspruchsfüh-
rer hinsichtlich eines Mitgliedes des Deutschen Bundestages auch nur behauptet worden.
Auch darüber hinaus beinhaltet sein Vortrag keine Anhaltspunkte für das Vorliegen von Ver-
stößen gegen Vorschriften zur Vorbereitung und Durchführung der Wahl.

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 9 - Drucksache 17/3100

Anlage 2

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn R. C., 74743 Großeicholzheim
- Az.: WP 5/09 -

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 30. September 2010 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem per Telefax übermittelten Schreiben vom 28. September 2009, das beim Deutschen
Bundestag am gleichen Tage eingegangen ist, hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die
Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 eingelegt und die
Begründung mit Schreiben vom 2., 9., 11. und 12. Oktober 2009 ergänzt.

Der Einspruchsführer begründet seinen Einspruch im Wesentlichen damit, dass ein gewählter
Abgeordneter in ein komplexes Korruptionssystem eingebunden und daher in keiner Weise
geeignet sei, als Bundestagsabgeordneter die Interessen des deutschen Volkes zu vertreten.
Hinsichtlich der weiteren Ausführungen wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Mit Schreiben des Sekretariats des Wahlprüfungsausschusses vom 5. Oktober 2009 ist der
Einspruchsführer unter Hinweis auf § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes gebeten
worden, seinen Vortrag in Hinblick auf konkrete Wahlfehler zu substantiieren. Hierauf hat er
am 13. Oktober 2009 eine Liste übersandt, die er als „Liste mit Strafaktenzeichen Stand
25.11.07“ bezeichnet und mitteilt, mittlerweile gebe es etwa hundert weitere Aktenzeichen.
Auch diesbezüglich wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Drucksache 17/3100 - 10 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Der Vortrag des Einspruchsführers lässt keinen Verstoß gegen wahlrechtliche Vorschriften
erkennen, denn er umfasst keine substantiierte Darlegung möglicher Fehler bei der Vorberei-
tung und Durchführung der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag.
Soweit der Einspruchsführer sich gegen die Wahl eines Mitglieds des 17. Deutschen Bundes-
tages wendet, nennt er – unabhängig vom Wahrheitsgehalt der von ihm gegen einen Abge-
ordneten erhobenen Vorwürfe, der nicht Gegenstand der Wahlprüfung ist – keine Tatsachen,
die Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Wahl begründen könnten. Insbesondere ergeben sich
aus seinem Vortrag keine Zweifel an der Wählbarkeit des Abgeordneten. Deren Vorausset-
zungen sind in § 15 des Bundeswahlgesetzes (BWG) geregelt. Danach ist wählbar, wer am
Wahltage Deutscher im Sinne des Artikels 116 Absatz 1 des Grundgesetzes ist und das acht-
zehnte Lebensjahr vollendet hat (§ 15 Absatz 1 BWG). Nicht wählbar ist gemäß § 15 Absatz
2 BWG, wer nach § 13 vom Wahlrecht ausgeschlossen ist oder infolge Richterspruchs die
Wählbarkeit oder die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter nicht besitzt. Nach § 13
BWG vom Wahlrecht ausgeschlossen ist, wer infolge Richterspruchs das Wahlrecht nicht
besitzt, außerdem derjenige, für den zur Besorgung aller seiner Angelegenheiten ein Betreuer
nicht nur durch einstweilige Anordnung bestellt ist, sowie der, der sich auf Grund einer An-
ordnung nach § 63 in Verbindung mit § 20 des Strafgesetzbuches in einem psychiatrischen
Krankenhaus befindet. Keiner der genannten Fälle der Unwählbarkeit ist vom Einspruchsfüh-
rer hinsichtlich des Mitglieds des Deutschen Bundestages auch nur behauptet worden. Auch
darüber hinaus beinhaltet sein Vortrag keine Anhaltspunkte für das Vorliegen von Verstößen
gegen Vorschriften zur Vorbereitung und Durchführung der Wahl.

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 11 - Drucksache 17/3100

Anlage 3

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn L. K., 14772 Brandenburg/Havel
- Az.: WP 13/09 -

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 30. September 2010 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem per Telefax übermittelten Schreiben vom 30. September 2009, das beim Wahlprü-
fungsausschuss am gleichen Tage eingegangen ist, hat der Einspruchsführer Einspruch gegen
die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 eingelegt.

Der Einspruchsführer erklärt im Wesentlichen, die angefochtene Wahl sei undemokratisch,
denn der Souverän habe zu keinem Zeitpunkt eine Chance gehabt, seinen Willen zum Aus-
druck zu bringen. Die Bevölkerung sei mit deutlicher Mehrheit gegen die Auslandseinsätze
der Bundeswehr gewesen; die Große Koalition habe jedoch verhindert, dass dieses Thema in
den Wahlkampf einbezogen würde, so dass der Wähler keine Chance erhalten habe, sich hier-
zu zu äußern. Die Wahlen in der ehemaligen DDR seien weit demokratischer gewesen. Im
Weiteren äußert sich der Einspruchsführer u. a. zur Finanzpolitik, zur Ausländerpolitik und
zum Vertrag von Lissabon.

Mit Schreiben des Sekretariats des Wahlprüfungsausschusses vom 6. Oktober 2009 ist der
Einspruchsführer unter Hinweis auf § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes gebeten
worden, seinen Vortrag in Hinblick auf konkrete Wahlfehler zu substantiieren. Hierauf hat er
mit einem Schreiben vom 11. Oktober 2009, das am 12. Oktober 2009 beim Wahlprüfungs-
ausschuss eingegangen ist, geantwortet und unter anderem erklärt, die „Lügerei und
Unseriosität“ der Koalition sei alleine bereits ein Grund zur Wahlanfechtung. Der Parteien-

Drucksache 17/3100 - 12 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

staat sei korrupt und manipuliert; das System müsse von Grund auf reformiert werden. Wegen
der Einzelheiten des Vortrags des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten Bezug
genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Der Vortrag des Einspruchsführers lässt keinen Wahlfehler erkennen, denn er umfasst keine
substantiierte Darlegung möglicher Fehler bei der Vorbereitung und Durchführung der Wahl
zum 17. Deutschen Bundestag. Die vom Einspruchsführer angesprochenen Themen können
nicht zum Gegenstand der Wahlprüfung gemacht werden. Der für die Wahlprüfung durch den
Deutschen Bundestag gemäß Artikel 41 Absatz 1 und 3 des Grundgesetzes in Verbindung mit
dem Wahlprüfungsgesetz geltende Prüfungsmaßstab ist dem Einspruchsführer auf seine
Wahleinsprüche bereits mehrfach erläutert worden (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen
16/900, Anlage 18 und 17/1000, Anlage 1).

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 13 - Drucksache 17/3100

Anlage 4

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

der Frau E.-M. G., 01705 Freital
- Az.: WP 22/09 -

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 30. September 2010 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem vom Kreiswahlleiter des Wahlkreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge am
30. September 2009 weitergeleiteten Schreiben vom 28. September 2009, das beim Wahlprü-
fungsausschuss am 2. Oktober 2009 eingegangen ist, hat die Einspruchsführerin Einspruch
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 einge-
legt.

Die Einspruchsführerin trägt vor, das Bundesverfassungsgericht habe den einzelnen Wahlbü-
ros übertragen, wie sie die Auszählungen vornähmen. Sie habe sich die Bedingungen angese-
hen, unter denen die Erfassung des Willens der Bürger geschehen sei, und festgestellt, dass
„die Wahlerfassung und Wahlauswertung“ erneut von einer Frau geleitet worden sei, die bei
der Ortschaftsratswahl befürwortet habe, dass der Name der Einspruchsführerin nicht den
Bewohnern angeboten worden sei. Das Geschehene sei nicht zeitgemäß; die Wahl komme in
keiner Weise der Pflicht des Staates, der einer geschlossen denkenden Republik Boden geben
möchte, nach. Unter der Überschrift „Begründungsanfügung“ äußert sie sich zu verschiede-
nen weiteren Themen.

Der Kreiswahlleiter hat in seinem Begleitschreiben vom 30. September 2009 mitgeteilt, dass
er zu der Begründung des Wahleinspruchs mangels konkreter Vorwürfe keine aufklärenden
Hinweise geben könne.

Drucksache 17/3100 - 14 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

Mit Schreiben des Sekretariats des Wahlprüfungsausschusses vom 6. Oktober 2009 ist die
Einspruchsführerin unter Hinweis auf § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes
(WPrüfG) gebeten worden, ihren Vortrag in Hinblick auf konkrete Wahlfehler zu substantiie-
ren. Hierauf hat sie in einer Zuschrift vom 30. Oktober 2009 unter anderem das Ende des
Zweiten Weltkriegs, die ehemalige DDR und die Menschenwürde thematisiert. Am 7. No-
vember 2009 hat sie zudem ein an den Bundesverteidigungsminister gerichtetes Schreiben
übersandt.
Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Einspruchsführerin wird auf den Inhalt der Akten
Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Der Vortrag der Einspruchsführerin lässt keinen Wahlfehler erkennen, denn er umfasst keine
substantiierte Darlegung möglicher Fehler bei der Vorbereitung und Durchführung der Wahl
zum 17. Deutschen Bundestag.
Soweit die Einspruchsführerin in ihrem Einspruch Vorwürfe gegen den Wahlvorstand eines
ungenannten Wahlbezirks erhebt, fehlt es an der Angabe konkreter und überprüfbarer Tatsa-
chen. Die Wahlprüfung erfolgt jedoch weder von Amts wegen noch findet sie stets in Gestalt
einer Durchprüfung der gesamten Wahl statt. Gemäß § 2 Absatz 1 und 3 WPrüfG erfolgt sie
vielmehr nur auf Einspruch, der zu begründen ist. Wahlbeanstandungen, die über nicht beleg-
te Vermutungen oder die bloße Andeutung der Möglichkeit von Wahlfehlern nicht hinausge-
hen und einen konkreten, der Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag nicht enthalten,
sind deshalb als unsubstantiiert zurückzuweisen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen
16/3600, Anlage 5; 17/1000, Anlagen 13 und 19; 17/2200, Anlagen 6 und 22; 17/2250, Anla-
gen 4, 11, 15 und 16; BVerfGE 48, 271, 276; 66, 369, 379; 85, 148, 159; Schreiber, Kommen-
tar zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 49 Rn. 24).
Die übrigen von der Einspruchsführerin angesprochenen Themen können nicht zum Gegen-
stand der Wahlprüfung gemacht werden.

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 15 - Drucksache 17/3100

Anlage 5

Beschlussempfehlung

Zu dem Wahleinspruch

der Vereinigung „Die Grauen - Generationspartei“,
vertreten durch das Präsidium des Bundesvorstandes,

Herrn N.R., Herrn M.S., Frau U.S., Herrn T.B.
- Az.: WP 23/09 -

Verfahrensbevollmächtigter:
Rechtsanwalt J. S., 13409 Berlin

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 30. September 2010 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 1. Oktober 2009, das beim Deutschen Bundestag am 5. Oktober 2009 ein-
gegangen ist, hat die Einspruchsführerin gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen
Bundestag am 27. September 2009 Einspruch eingelegt. Sie wendet sich gegen die Entschei-
dung des Bundeswahlausschusses, ihr die Parteieigenschaft nach § 18 Absatz 4 des Bundes-
wahlgesetzes (BWG) in Verbindung mit § 2 des Parteiengesetzes (PartG) nicht zuzuerkennen.
Sie beantragt, die Wahl zum 17. Deutschen Bundestag wegen dieses Wahlmangels für ungül-
tig zu erklären sowie die Erstattung der notwendigen Auslagen.

Die Einspruchsführerin trägt im Wesentlichen vor, sie habe am 19. Februar 2009 ihre Teil-
nahme zur Wahl zum 17. Deutschen Bundestag entsprechend § 18 Absatz 2 BWG beim Bun-
deswahlleiter angezeigt. Mit Schreiben vom 9. März 2009 habe dieser mitgeteilt, dass die
Beteiligungsanzeige den gesetzlichen Erfordernissen entspreche und nunmehr geprüft werde,
ob die Voraussetzungen von § 2 PartG für die Anerkennung der Parteieigenschaft erfüllt sei-
en. Dazu hätten zwar zusätzliche Informationen eingereicht werden sollen; eine Fristsetzung
oder ein Hinweis auf mögliche Rechtsfolgen sei aber nicht erfolgt. In einem Schreiben vom
3. April 2009 habe die Einspruchsführerin daraufhin die notwendigen Daten dargelegt und

Drucksache 17/3100 - 16 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

ihre öffentlichen Aktivitäten erläutert, wie Verbreitung von Presseprodukten, Informations-
stände, Internetpräsenz und auch auf die Arbeit der Mandatsträger in den kommunalen Parla-
menten und deren Ausschüssen hingewiesen. Auf eine telefonische Anfrage hin habe sie am
3. April 2009 per E-Mail die aktuelle Liste der Landesverbände übermittelt. Darüber hinaus
habe sie die ausreichende Anzahl von Unterschriften eingereicht.

Die Einspruchsführerin weist darauf hin, dass sie beim Bundeswahlleiter im Anschriftenver-
zeichnis als eine der Parteien und politischen Vereinigungen aufgeführt sei, die gemäß § 6
Absatz 3 PartG beim Bundeswahlleiter Parteiunterlagen hinterlegt hätten. Insbesondere auf-
grund des Schreibens des Bundeswahlleiters vom 9. März 2009 habe sie davon ausgehen dür-
fen, dass keine Einwände gegen die Zulassung zur Bundestagswahl bestanden hätten. Wenn
es bei der Entscheidung des Bundeswahlausschuss auf weitere Unterlagen angekommen wäre,
hätte nochmals eine Aufforderung hierzu erfolgen müssen. Da dies nicht der Fall gewesen sei,
hätten keine Vertreter der Einspruchsführerin an der Sitzung des Bundeswahlausschusses teil-
genommen. In dieser Sitzung sei die Parteieigenschaft der Einspruchsführerin jedoch nicht
anerkannt worden.

Die Beschwerde der Einspruchsführerin vom 21. Juli 2009 gegen die Zurückweisung ihrer
Landesliste Berlin nach § 28 Absatz 2 BWG habe der Bundeswahlausschuss in seiner zweiten
Sitzung am 6. August 2009 mit der Begründung zurückgewiesen, dass er die von ihm in der
ersten Sitzung getroffene Entscheidung zur Feststellung der Parteieigenschaft der Einspruchs-
führerin nicht noch einmal überprüfen könne. Die Einspruchsführerin ist demgegenüber der
Auffassung, dass es sich bei dem Verfahren nach § 28 Absatz 2 BWG um ein Beschwerdever-
fahren entsprechend den allgemeinen Verfahrensordnungen handele. Wenn ein förmliches
Beschwerdeverfahren vorgesehen sei, so sei es ohne Sinn, wenn keine Prüfungskompetenz
vorhanden sei. Der Bundeswahlausschuss habe somit seinen Beurteilungs- und Ermessens-
spielraum nicht erkannt und demgemäß nicht rechtmäßig entscheiden.

Die Entscheidung des Bundeswahlausschusses zur Nichtanerkennung der Parteieigenschaft
der Einspruchsführerin sei auch sachlich falsch, da die Einspruchsführerin eine Partei im Sin-
ne von § 2 PartG sei. Sie verfüge über 615 Mitglieder, einen Bundesverband, sechs Landes-
verbände, neun Mandatsträger auf kommunaler Ebene sowie Mandatsträger in drei Berliner
Bezirksverordnetenversammlungen, davon in zwei in Fraktionsstärke. Zudem sei sie zur Eu-
ropawahl 2009 zugelassen worden. Bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl im Jahre 2006
habe sie 3,8 Prozent der Stimmen erhalten. Schon allein aufgrund der geringen Wahlbeteili-
gung habe sie mit einem hohen und guten Stimmergebnis bei der Bundestagswahl rechnen
können, was bei der Verteilung einiger Mandate den Ausschlag gegeben hätte. Aus dem
Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs sei zu folgern, dass die Wahl zum 17. Deutschen
Bundestag jedenfalls in den Ländern Berlin, Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg-
Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Hessen für ungültig zu erklären und in den betreffenden

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 17 - Drucksache 17/3100

Bundesländern die Wahl zu wiederholen sei, da die Einspruchsführerin dort Landesverbände
unterhalte und sich zur Wahl habe stellen wollen. Insbesondere der Berliner Landesverband
sei sämtlichen Anforderungen gerecht geworden und habe die notwendigen Unterstützungs-
unterschriften in kürzester Zeit eingeholt und eingereicht.

Die Einspruchsführerin weist in diesem Zusammenhang auch auf die Wahlergebnisse bei ei-
ner Kommunalwahl in Rostock und bei der Kreistagswahl in Sachsen hin. Dem Einwand, die
Einspruchsführerin habe sich erst zum 1. März 2008 neu gegründet und die bisherigen Wahl-
erfolge der Vorgängerpartei „Die Grauen-Graue Panther“ könnten ihr nicht zugerechnet wer-
den, hält sie entgegen, dass sie für einen durchschnittlichen Bürger aufgrund ihres Erschei-
nungsbildes, Logos, Erkennungszeichen und teilweiser personeller Identität von der aufgelös-
ten Partei „Die Grauen-Graue Panther“ nicht zu unterscheiden sei. Daher seien die Wahler-
gebnisse vergleichbar; wenn nicht sogar aufgrund der seriösen Arbeit der Einspruchsführerin
mit mehr Stimmen hätte gerechnet werden können.

Durch die Entscheidung des Bundeswahlausschusses sei der Grundsatz der Offenheit der
Wahl verletzt. Nach Artikel 21 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) wirkten die Parteien bei der
politischen Willensbildung des Volkes mit, ihre Gründung sei frei. Die Entscheidung über den
Wert des Programms einer politischen Partei und über ihre Möglichkeit an der Bildung des
Staatswillens mitzuwirken, sei auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
einzig den Wählern vorbehalten. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Ein-
spruchsführerin wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Zu diesem Wahleinspruch hat der Bundeswahlleiter mit Schreiben vom 17. Mai 2010 im We-
sentlichen wie folgt Stellung genommen:

Mit Schreiben vom 9. März 2009 sei die Einspruchsführerin ausdrücklich über die Prüfung
der Voraussetzungen nach § 2 PartG im Rahmen des Anerkennungsverfahrens gemäß § 18
Absatz 4 BWG durch den Bundeswahlausschuss informiert und gebeten worden, zusätzliche
Informationen über die Gesamtzahl ihrer Mitglieder, die Zahl ihrer ausländischen Mitglieder,
die bisherige Teilnahme an politischen Wahlen und das Hervortreten in der Öffentlichkeit
mitzuteilen und ggf. geeignete Nachweise vorzulegen. Mit einer E-Mail vom 3. April 2009
habe die Einspruchsführerin den aktuellen Stand ihrer Landesverbände und der jeweiligen
Vorstände sowie des Bundesvorstandes mitgeteilt und um Veröffentlichung der Angaben in
der Unterlagensammlung gemäß § 6 Absatz 3 PartG gebeten. Der Mitteilung zufolge habe die
Einspruchsführerin zu diesem Zeitpunkt sieben Landesverbände in Berlin, Brandenburg,
Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt gehabt. Mit
Schreiben vom 20. April 2009 sei die Einspruchsführerin über die Modalitäten bei der Einrei-
chung von Wahlvorschlägen als Kreiswahlvorschläge oder Landeslisten informiert worden.
Dabei sei nochmals auf das Schreiben vom 9. März 2009 Bezug genommen worden. Mit

Drucksache 17/3100 - 18 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

Schreiben vom 1. Juli 2009 sei die Einspruchsführerin zu der Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses eingeladen und ausdrücklich auf die noch ausstehende Prüfung ihrer Parteieigen-
schaft nach § 2 PartG hingewiesen worden. Auch sei auf die Gelegenheit aufmerksam ge-
macht worden, in dieser Sitzung die Parteieigenschaft ggf. auch mündlich begründen zu kön-
nen.

Über die E-Mail vom 3. April 2009 hinaus seien bis zur Sitzung des Bundeswahlausschusses
am 17. Juli 2009 keine weiteren Unterlagen der Einspruchsführerin beim Bundeswahlleiter
eingegangen. Auch habe die Einspruchsführerin vor der Sitzung des Bundeswahlausschusses
nicht nachgefragt, ob für dessen Entscheidung alle erforderlichen Unterlagen vorgelegen hät-
ten. In der Sitzung sei kein Vertreter der Einspruchsführerin anwesend gewesen, so dass auch
hier die erforderlichen Angaben nicht hätten eingeholt werden können. Erst nach der Sitzung
des Bundeswahlausschusses habe die Einspruchsführerin mit Schreiben vom 21. Juli 2009 die
Kopie eines weiteren Schreibens vom 3. April 2009 vorgelegt, das Angaben zur aktuellen
Mitgliederzahl, zur Teilnahme an einigen Kommunalwahlen und der Europawahl 2009 sowie
zur Öffentlichkeitsarbeit enthalten habe.

In der Sitzung vom 17. Juli 2009 habe der Bundeswahlausschuss einstimmig festgestellt, dass
die Einspruchsführerin für die bevorstehende Bundestagswahl die Parteieigenschaft nicht be-
sitze. Der Bundeswahlausschuss habe sich dabei von den Erwägungen leiten lassen, dass nach
Würdigung des Gesamtbildes der tatsächlichen Verhältnisse die Voraussetzungen der Partei-
eigenschaft nach § 2 Absatz 1 PartG nicht gegeben seien. Die am 1. März 2008 gegründete
Vereinigung habe bislang nicht an Landtagswahlen teilgenommen. Zwar sei eine gewisse
Organisationsstruktur mit derzeit sieben Landesverbänden vorhanden, allerdings lägen keine
Angaben zu aktuellen Mitgliederzahlen und zum Hervortreten in der Öffentlichkeit vor. Bei
der Gründungsversammlung am 1. März 2008 seien laut Protokoll nur neun Personen anwe-
send gewesen. Dadurch habe der Eindruck einer nur geringen Mitgliederzahl entstehen müs-
sen. Zwar habe die Vereinigung an der Europawahl 2009 teilgenommen und dabei 57 775
Stimmen, also 0,2 Prozent der Stimmen, erhalten. In der Öffentlichkeit sei sie - abgesehen
von einem Internetauftritt - bislang jedoch nicht erkennbar nachhaltig hervorgetreten. Auf
Grundlage der dem Bundeswahlausschuss zur Verfügung stehenden Unterlagen seien die
Ernsthaftigkeit ihrer Zielsetzung, auf die politische Willensbildung Einfluss zu nehmen und
im Bundestag oder in Landtagen mitzuwirken, nicht ausreichend nachgewiesen worden. An-
gesichts dieser Defizite sei trotz der in der Unterlagensammlung nach § 6 Absatz 3 PartG do-
kumentierten Organisationsstruktur eine ausreichende Festigkeit der Organisation im Sinne
von § 2 Absatz 1 PartG zweifelhaft gewesen.

Auch habe die Teilnahme an der Europawahl 2009 nicht als Wahlteilnahme im Sinne des § 2
Absatz 1 PartG gewertet werden können, da das Gesetz allein auf die Teilnahme an Bundes-
tags- und Landtagswahlen abstelle, weil gemäß § 8 Absatz 1 des Europawahlgesetzes

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 19 - Drucksache 17/3100

(EuWG) die Wahlteilnahme auch für sonstige politische Vereinigungen möglich sei, also ge-
rade nicht die Prüfung der Parteieigenschaft im Sinne des § 2 Absatz 1 PartG voraussetze.
Darüber hinaus sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Teilnahme an
Parlamentswahlen allein für die Eigenschaft einer politischen Vereinigung als Partei auch
nicht maßgeblich. Angesichts des nicht erbrachten Nachweises aktueller Mitgliederzahlen und
eines nachhaltigen Auftretens in der Öffentlichkeit sei zudem fraglich gewesen, ob die Orga-
nisationsstruktur der Einspruchsführerin mit Bundesverband und sieben Landesverbänden
nicht nur auf dem Papier bestanden habe. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungs-
gerichts stünden Mitgliederzahl und Organisationsdichte in engem Zusammenhang, da eine
Partei in der Lage sein müsse, mit den vorhandenen Mitgliedern über eine bloße Vereinsarbeit
hinaus eine Mitwirkung in Volksvertretungen des Bundestages und der Länder vorzubereiten
und durchzuführen sowie kontinuierlich und effektiv an der politischen Willensbildung des
Volkes mitzuwirken. Angesichts dessen müsse eine Partei über ihre Gründer und Funktionäre
hinaus - jedenfalls in gewissem Umfang - auch ein „Parteivolk“ haben, um auf die politische
Willensbildung des Volkes Einfluss nehmen und einen Wahlkampf mit dem Ziel parlamenta-
rischer Vertretung führen zu können. Gleichwohl könne von Parteien, die sich noch im Stadi-
um der Gründung befänden und im Prozess der politischen Willensbildung erst Fuß zu fassen
begönnen, nur eine Wahrnehmung dieser Aufgaben in Ansätzen verlangt werden. Auch wenn
zugunsten der Einspruchsführerin davon auszugehen gewesen sei, dass sie sich gegen Ende
der Gründungsphase befunden habe, habe nach dem genannten Maßstab angesichts des sich
aufdrängenden Eindrucks einer nur geringen Mitgliederzahl von der bestehenden Organisati-
onsstruktur nicht auf eine ausreichende Organisationsdichte für die Anerkennung als Partei
geschlossen werden können. Wenn eine anzeigende politische Vereinigung trotz Aufforde-
rung bis zur maßgeblichen Sitzung des Bundeswahlausschusses keine oder keine ausreichen-
den Angaben zu den gesetzlichen Kriterien für die Parteieigenschaft vorlege, könne dies zu-
dem im Rahmen der Gesamtwürdigung auch als Indiz gegen einen genügenden Grad an Um-
fang und Festigkeit der Organisation im Sinne des § 2 Absatz 1 PartG gewertet werden. Die
Aufnahme der Unterlagen einer politischen Vereinigung in die Unterlagensammlung nach § 6
Absatz 3 PartG habe für die Entscheidung des Bundeswahlausschusses über die Anerkennung
als Partei keine Bedeutung. Hierüber sei die Einspruchsführerin mit Schreiben vom 10. Juni
2008 anlässlich der Aufnahme ihrer Unterlagen informiert worden und zudem darüber, dass
mit diesem Schritt weder eine Anerkennung als Partei verbunden sei, noch automatisch das
Recht der Vereinigung auf Zulassung u. a. zu Bundestagswahlen begründet werde.

Entgegen der Auffassung der Einspruchsführerin sei auch nicht die Teilnahme der Partei „Die
Grauen - Graue Panther“ an der Wahl zum Abgeordnetenhaus in Berlin am 17. September
2006 und das dabei erzielte Ergebnis heranzuziehen gewesen. Auch wenn die Einspruchsfüh-
rerin sich als Nachfolgeorganisation dieser Partei verstehe, sei dies im Rahmen ihrer Aner-
kennung als Partei für die Bundestagswahl 2009 nicht relevant gewesen. Die Partei „Die
Grauen - Graue Panther“ habe sich mit Wirkung vom 29. März 2008 aufgelöst. Damit könn-

Drucksache 17/3100 - 20 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

ten deren erzielte Wahlergebnisse anderen politischen Vereinigungen, die sich - wenn auch
mit der Absicht, ihre Nachfolge anzutreten - neu gegründet hätten, nicht zugerechnet werden.
Auch die Ergebnisse aus Kommunalwahlen hätten vom Bundeswahlausschuss im Rahmen der
Anerkennung als Partei nicht berücksichtigt werden können, zumal die Ergebnisse bei der
Wahl zu den Bezirksverordnetenversammlungen in Berlin am 17. September 2006 ebenfalls
von der angeblichen, inzwischen aufgelösten Vorgängerpartei „Die Grauen“ erzielt worden
seien und bereits deshalb nicht hätten zugerechnet werden können. Unabhängig davon setze
§ 2 Absatz 1 Satz 1 PartG für die Parteieigenschaft den Willen zur Beteiligung bzw. die tat-
sächliche Teilnahme an Bundestags- und Landtagswahlen voraus. Die möglicherweise erfolg-
reiche Teilnahme an Kommunalwahlen könne daher für die Beurteilung der Parteieigenschaft
nach § 2 Absatz 1 PartG nicht herangezogen werden. So könnten an Kommunalwahlen auch
kommunale Wählervereinigungen und Wählergruppen teilnehmen, die nicht notwendig Par-
teien im Sinne von § 2 Absatz 1 PartG seien. Maßgeblich für die Anerkennung als Partei sei
vielmehr - je nach Dauer des Bestehens einer politischen Vereinigung - der Wille zur Teil-
nahme oder die bereits erfolgte Teilnahme an Bundestags- oder Landtagswahlen.

Soweit die Einspruchsführerin behaupte, sie habe mit Schreiben vom 3. April 2009 weitere
Unterlagen übermittelt, weist der Bundeswahlleiter darauf hin, dass ein solches Schreiben bei
ihm nicht eingegangen sei. Da in der Sitzung des Bundeswahlausschusses am 17. Juli 2009
kein Vertreter der Einspruchsführerin anwesend gewesen sei, hätten diese Angaben auch nicht
- wie bei anderen Parteien - noch in der Sitzung eingeholt werden können. Die Einspruchsfüh-
rerin hätte auf die Aufforderung im Schreiben vom 9. März 2009 spätestens in der Sitzung des
Bundeswahlausschusses am 17. Juli 2009 die geforderten Informationen und ggf. geeignete
Nachweise vorlegen müssen. Das Datum der Sitzung sei ebenso wie die Entscheidungserheb-
lichkeit der einzelnen Informationen für die Anerkennung als Partei aus diesem Schreiben
auch eindeutig hervorgegangen. Insoweit könne sich die Einspruchsführerin nicht auf die Be-
hauptung einer fehlenden Fristsetzung oder eines fehlenden Hinweises auf mögliche Rechts-
folgen berufen. Die Mitwirkungspflicht der Einspruchsführerin im Rahmen der Prüfung der
Parteieigenschaft nach § 2 PartG sei auch nicht deshalb entfallen, weil keine weitere Auffor-
derung des Bundeswahlleiters zur Beibringung von erforderlichen Informationen und Nach-
weise erfolgt sei, da die Voraussetzungen für die Anerkennung als Partei auch noch durch
entsprechende Angaben und Nachweise in der Sitzung des Bundeswahlausschusses hätten
nachgewiesen werden können. Daher habe der Bundeswahlleiter über die Bestätigungsschrei-
ben auf Beteiligungsanzeigen und die Einladungsschreiben zur Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses hinaus vor der Sitzung generell keine besondere Nachfrage bei anzeigenden Vereini-
gungen durchgeführt.

Da die anzeigenden Vereinigungen die Informationen für die Anerkennung der Parteieigen-
schaft selbst beibringen müssten, wirke sich die Tatsache, dass das Schreiben der Einspruchs-
führerin vom 3. April 2009 beim Bundeswahlleiter nicht eingegangen sei, zulasten der Ein-

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 21 - Drucksache 17/3100

spruchsführerin aus. Nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechts für emp-
fangsbedürftige Willenserklärungen, die hier mangels entsprechender Regelung im Bundes-
wahlgesetz heranzuziehen seien, trage das Risiko des fristgerechten Eingangs eines Schrei-
bens der Absender, da die einem anderen gegenüber abzugebende Erklärung gemäß § 130
Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) erst mit Zugang wirksam werde. Wer
sich auf den Zugang eines Schreibens berufe, trage hierfür auch die Beweislast. Einen Beweis
für den Zugang ihres Schreibens vom 3. April 2009 habe die Einspruchsführerin jedoch nicht
erbracht. Zudem sei die Praxis des Bundeswahlleiters, den Eingang von Erklärungen im
Rahmen des Wahlvorbereitungsverfahrens ausdrücklich zu bestätigen, der Einspruchsführerin
aus dem Wahlvorbereitungsverfahren zur Europawahl im Rahmen der Zulassung ihres Wahl-
vorschlags als gemeinsame Liste für alle Länder bereits bekannt gewesen.

Die Einspruchsführerin habe auch nicht bei ihrer Entscheidung, keinen Vertreter zu der Sit-
zung des Bundeswahlausschusses zu entsenden, aufgrund des Schreibens vom 9. März 2009
darauf vertrauen dürfen, dass sie gewissermaßen „automatisch“ als Partei für die Bundes-
tagswahl 2009 anerkannt werde. Schließlich sei sie gerade mit diesem Schreiben zur Einrei-
chung weiterer Angaben und Nachweise für die Prüfung der Parteieigenschaft aufgefordert
worden. Auf Nachfrage anzeigender Vereinigungen werde stets seitens des Bundeswahlleiters
Auskunft darüber erteilt, ob im Hinblick auf die Anerkennung als Partei nach Einschätzung
des Bundeswahlleiters unter Vorbehalt der endgültigen Entscheidung durch den Bundeswahl-
ausschuss ausreichende Angaben und Unterlagen vorliegen. Daher sei vor der Entscheidung,
keinen Vertreter in die Sitzung des Bundeswahlausschusses zu entsenden, insbesondere in
Anbetracht der nicht erfolgten Bestätigung des Schreibens vom 3. April 2009, zumindest eine
Nachfrage beim Bundeswahlleiter angezeigt gewesen. Im Übrigen habe das im Rahmen der
Beschwerde der Einspruchsführerin nach der Sitzung des Bundeswahlausschusses vorgelegte
Schreiben vom 3. April 2009 zu der Angabe der Mitgliederzahl von 589 den Hinweis enthal-
ten, dass der Anteil an ausländischen Mitgliedern nicht genannt werden könne, da die Ein-
spruchsführerin bei der Mitgliedsaufnahme nicht nach der Staatsangehörigkeit frage. Diesen
Aspekt hätte der Bundeswahlausschuss allerdings vor einer Anerkennung als Partei näher
prüfen müssen, da Parteien gemäß § 2 Absatz 3 Nummer 1 PartG nicht in der Mehrheit Aus-
länder als Mitglieder haben dürfen.

Der Bundeswahlleiter vertritt darüber hinaus die Auffassung, dass der Bundeswahlausschuss
seine Entscheidung, die Einspruchsführerin nicht als Partei anzuerkennen, nicht im Rahmen
seiner zweiten Sitzung am 6. August 2009 hätte ändern können oder müssen. Entgegen der
Ansicht der Einspruchsführerin bestehe die Möglichkeit der Beschwerde zum Bundeswahl-
ausschuss gemäß § 28 Absatz 2 BWG in Verbindung mit § 42 der Bundeswahlordnung
(BWO) nur gegen die Entscheidung eines Landeswahlausschusses über die Zurückweisung
oder Zulassung der Landesliste einer Partei. Die Entscheidung des Bundeswahlausschusses
über die Parteieigenschaft gemäß § 18 Absatz 4 Nummer 2 BWG sei hingegen abschließend

Drucksache 17/3100 - 22 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

und vor der Wahl nicht mehr anfechtbar. Die Verbindlichkeit dieser Entscheidung sei in dem
zeitlich eng aufeinander abgestimmten Wahlorganisationsverfahren und ebenenüber-
greifenden Zusammenspiel der einzelnen Wahlorgane auch zwingend erforderlich, um den
reibungslosen Ablauf der Bundestagswahl mit zahlreichen zu beachtenden Terminen und
Fristen - darunter die Zulassung der Wahlvorschläge durch die Landes- und Kreiswahlaus-
schüsse sowie Druck der Stimmzettel und Versand von Briefwahlunterlagen rechtzeitig vor
der Wahl - zu gewährleisten. Demzufolge sei nach der ständigen Rechtsprechung des Bun-
desverfassungsgerichts der Wahleinspruch nach § 2 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) der
einzig zulässige Rechtsbehelf gegen Entscheidungen des Bundeswahlausschusses.

Der Einspruchsführerin ist die Stellungnahme des Bundeswahlleiters mit der Möglichkeit zur
Gegenäußerung zur Kenntnis gegeben worden. Sie hat sich hierzu nicht mehr geäußert.

Entscheidungsgründe

I.

Der Einspruch ist zulässig. Nach § 2 Absatz 2 WPrüfG kann u. a. jeder Wahlberechtigte so-
wie jede Gruppe von Wahlberechtigten Einspruch gegen die Gültigkeit einer Bundestagswahl
einlegen. Im Gegensatz zu der Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den
Beschluss des Bundestages nach § 48 Absatz 1 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes
(BVerfGG), die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht von
Gruppen von Wahlberechtigten, einschließlich politischer Parteien, erhoben werden kann (zu-
letzt BVerfGE 79, 48, 49), sind nach gefestigter Rechtsanwendung des Bundestages Wahlein-
sprüche von politischen Parteien nach § 2 Absatz 2 WPrüfG zulässig.

II.

Der Einspruch ist jedoch unbegründet. Es liegen weder Wahlfehler des Bundeswahlausschus-
ses noch des Landeswahlausschusses Berlin vor. Der Bundeswahlausschuss durfte zu Recht
seiner Entscheidung über die Parteieigenschaft der Einspruchsführerin nur die Informationen
zu Grunde legen, die in seiner ersten Sitzung am 17. Juli 2009 unzweifelhaft vorlagen (s. un-
ter III.), seine Entscheidung über die Parteieigenschaft der Einspruchsführerin war zutreffend
(s. unter IV.) und es bestand keine rechtliche Veranlassung, die Entscheidung in der zweiten
Sitzung am 6. August 2009 zu korrigieren (s. unter V.). Auch die Zurückweisung der Landes-
liste für das Land Berlin war rechtsfehlerfrei (s. unter VI.).

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 23 - Drucksache 17/3100

III.

Es ist nicht zu beanstanden, dass der Bundeswahlausschuss bei seiner Entscheidung über die
Parteieigenschaft der Einspruchsführerin nur die in seiner ersten Sitzung am 17. Juli 2009
vorliegenden Informationen berücksichtigte. Nach § 18 Absatz 2 BWG in Verbindung mit § 2
Absatz 1 PartG können Parteien, die im Deutschen Bundestag oder einem Landtag seit der
letzten Wahl nicht auf Grund eigener Wahlvorschläge ununterbrochen mit mindestens fünf
Abgeordneten vertreten waren, als solche einen Wahlvorschlag nur einreichen, wenn sie dem
Bundeswahlleiter ordnungsgemäß ihre Beteiligung an der Wahl angezeigt haben und der
Bundeswahlausschuss ihre Parteieigenschaft festgestellt hat. Bei der Feststellung der Par-
teieigenschaft ist der Bundeswahlausschuss an den Parteienbegriff des § 2 PartG gebunden.
Danach sind Parteien Vereinigungen von Bürgern, die dauernd oder für längere Zeit im Be-
reich des Bundes oder eines Landes auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen und an
der Vertretung des Volkes im Deutschen Bundestag oder einem Landtag mitwirken wollen.
Voraussetzung ist ferner, dass diese Vereinigungen nach dem Gesamtbild der tatsächlichen
Verhältnisse, insbesondere nach Umfang und Festigkeit ihrer Organisation, nach der Zahl
ihrer Mitglieder und nach ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit eine ausreichende Gewähr für
die Ernsthaftigkeit ihrer Zielsetzung bieten, auf die politische Willensbildung Einfluss zu
nehmen.

Die Feststellung der Parteieigenschaft hat zunächst auf der Grundlage von objektiven Merk-
malen zu erfolgen (vgl. Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Aufl., 2009, § 18 Rn. 33). Der
Bundeswahlausschuss ist berechtigt, den anzeigenden Vereinigungen entsprechende Nach-
weise abzuverlangen, insbesondere zur Organisationsstruktur oder Mitgliederzahl (Schreiber
a. a. O.). Nach gefestigter Rechtsauffassung des Wahlprüfungsausschusses ist es eine Oblie-
genheit der anzeigenden Vereinigungen, entsprechende Tatsachen darzulegen (Bundestags-
drucksache 14/1560 S. 242). Es ist nicht die Aufgabe des Bundeswahlausschusses oder des
Bundeswahlleiters, vor der Entscheidung alle Tatsachen, die die Parteieigenschaft einer Ver-
einigung begründen könnten, zu ermitteln oder aus allgemein zugänglichen Quellen zusam-
menzutragen. Vielmehr müssen die Vereinigungen selbst dafür Sorge tragen, dass sich die
tatsächlichen Verhältnisse in den Akten des Bundeswahlausschusses zu einem möglichst vor-
teilhaften Gesamtbild zusammenfügen (Köhler, Parteien im Wettbewerb, 2006, S. 114). Das
Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 23. November 1993 (BVerfGE 89, 291,
310) entschieden, dass unzureichende tatsächliche Angaben der Vereinigung über Mitglieder-
zahlen und Organisationstruktur den Bundeswahlausschuss berechtigen, die Zuerkennung der
Parteieigenschaft nach § 2 Absatz 1 PartG zu versagen. In dem damaligen Verfahren hatte der
Beschwerdeführer trotz vorangegangener Bitte des Bundeswahlleiters um ergänzende und
hinreichende Informationen durch keinerlei Einzelheiten oder Belege, etwa Mitgliederlisten,
Niederschriften über Mitgliederversammlungen, Schriftverkehr, Publikationen, seine Behaup-
tungen zur Organisationstruktur der Vereinigung untermauert oder glaubhaft gemacht.

Drucksache 17/3100 - 24 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

Im vorliegenden Fall wurde die Einspruchsführerin im Zusammenhang mit ihrer Beteili-
gungsanzeige vom Bundeswahlleiter mit Schreiben vom 9. März 2009 unmissverständlich
aufgefordert, Informationen über die Gesamtzahl ihrer Mitglieder, die Zahl ihrer ausländi-
schen Mitglieder, die bisherige Teilnahme an politischen Wahlen sowie ihr Hervortreten in
der Öffentlichkeit zu übermitteln. Diese Informationen sollten zudem durch Einzelheiten oder
Belege glaubhaft gemacht werden. Mit der Einladung zur ersten Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses wurde die Einspruchsführerin am 1. Juli 2009 vom Bundeswahlleiter nochmals da-
rauf hingewiesen, dass Gelegenheit bestehe, in dieser Sitzung die Parteieigenschaft ggf. noch
mündlich zu begründen und zweckdienliche Unterlagen nachzureichen.

Aus der Niederschrift über die Sitzung des Bundeswahlausschusses am 17. Juli 2009 geht
hervor, dass zur Prüfung der Parteieigenschaft der Einspruchsführerin außer der Mitteilung
über sieben Landesverbände keine weiteren Angaben insbesondere zur Mitgliederzahl oder
zur Öffentlichkeitsarbeit vorlagen. Es stellt keinen Wahlfehler des Bundeswahlausschusses
dar, dass er von sich aus keine weiteren Informationen über die Einspruchsführerin einholte.
Vielmehr wäre dies die Aufgabe der Einspruchsführerin gewesen. Zwar beruft sie sich darauf,
in einem Schreiben vom 3. April 2009 Angaben zur aktuellen Mitgliederzahl, zur Teilnahme
an verschiedenen Wahlen sowie zu ihrer Öffentlichkeitsarbeit gemacht zu haben. Dieses
Schreiben ist aber - nach Auskunft des Bundeswahlleiters - erst am 21. Juli 2009, also nach
der Sitzung des Bundeswahlausschusses eingegangen. Zu Recht weist der Bundeswahlleiter
darauf hin, dass die Einspruchsführerin die Beweislast für den rechtzeitigen Zugang des
Schreibens trägt und sie dies - auch dem Wahlprüfungsausschuss gegenüber - nicht hat nach-
weisen können. Es muss demnach davon ausgegangen werden, dass dieses Schreiben dem
Bundeswahlausschuss nicht rechtzeitig zu seiner Sitzung am 17. Juli 2009 vorgelegen hat.

Auch kann sich die Einspruchsführerin nicht darauf berufen, vom Bundeswahlleiter nicht
ausdrücklich genug auf das Fehlen entscheidungserheblicher Informationen und auf die damit
verbundenen möglichen Folgen hingewiesen worden zu sein. In der Stellungnahme des Bun-
deswahlleiters sind die verschiedenen Unterrichtungen und Hinweise einzeln aufgeführt. Der
Wahlprüfungsausschuss teilt dessen Auffassung, dass damit die Beratungs- und Betreuungs-
aufgaben des Bundeswahlleiters gegenüber den zur Wahl angemeldeten Vereinigungen aus-
reichend erfüllt wurden. Von jeder Vereinigung, die sich um den Einzug in den Bundestag
und damit um Mitbestimmung über die grundlegenden Angelegenheiten der Bundesrepublik
Deutschland bemüht, kann verlangt werden, dass sie für ihre eigenen Belange in ausreichen-
den Maße selbst Sorge tragen kann und dies auch tatsächlich umsetzt. Der Einspruchsführerin
war bekannt, dass von der Entscheidung des Bundeswahlausschusses die Möglichkeit ihrer
Teilnahme an der Bundestagswahl abhing. Es war ihre eigenverantwortliche Entscheidung,
weder einen Vertreter zu der Sitzung des Bundeswahlausschusses zu entsenden, noch im Vor-
feld durch Nachfrage beim Bundeswahlleiter sicherzustellen, dass alle notwendigen Informa-

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 25 - Drucksache 17/3100

tionen vorlagen. Ein mögliches Informationsdefizit geht damit zu Lasten der Einspruchsführe-
rin. Ein Wahlfehler des Bundeswahlleiters oder des Bundeswahlausschusses ist damit nicht
feststellen.

IV.

Es liegt auch kein Wahlfehler in der Entscheidung des Bundeswahlausschusses in seiner Sit-
zung vom 17. Juli 2009, die Parteieigenschaft der Einspruchsführerin abzulehnen. Nach der
ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind die in § 2 Absatz 1 PartG auf-
geführten Merkmale und Anhaltspunkte für eine Parteieigenschaft nicht trennscharf vonei-
nander abzugrenzen und zu bewerten. Vielmehr kommt es darauf an, ob die Gesamtwürdi-
gung der tatsächlichen Verhältnisse den Schluss zulässt, dass die Vereinigung ihre erklärte
Absicht, an der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken, ernsthaft verfolgt und
das Ziel einer parlamentarischen Vertretung nicht gänzlich wirklichkeitsfern erscheint
(BVerfGE 91, 276, 293). Der Bundeswahlausschuss wertet dabei die vorliegenden Tatsachen
in freier Beweiswürdigung (Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Aufl., 2009, § 18 Rn. 32).
Ihm bleiben Beurteilungsspielräume, insbesondere bei den voluntativen Tatbestandsmerkma-
len und bei dem Tatbestandsmerkmal „Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse“ (Klein,
Zeitschrift für Gesetzgebung (ZG), 2010, S. 156).

Zunächst hatte der Bundeswahlausschuss eine Beurteilung der Parteieigenschaft nach den in
§ 2 Absatz 1 PartG genannten objektiven Kriterien vorzunehmen. Hierzu zählt der Umfang
und die Festigkeit der Organisation der Einspruchsführerin. Bei dieser Beurteilung war zwar
von sieben Landesverbänden auszugehen. Alleine die Existenz solcher Verbände lässt aber
nicht auf eine ausreichend feste Organisation der Einspruchsführerin schließen. Bei der vom
Bundesverfassungsgericht geforderten Gesamtwürdigung sind ebenso die im Zeitpunkt der
Sitzung des Bundeswahlausschusses unklare Mitgliederzahl sowie die fehlenden Informatio-
nen über die Öffentlichkeitsarbeit der Einspruchsführerin zu berücksichtigen. Auch ist die
Tatsache zu werten, dass bei der Gründungsversammlung der Einspruchsführerin am 1. März
2008 nur neun Personen anwesend waren. Diese Tatsachen sowie auch der Umstand, dass die
Einspruchsführerin nicht in der Lage war, ihren Obliegenheiten im Rahmen des Verfahrens
nach § 18 Absatz 4 BWG nachzukommen, rechtfertigen es nach Auffassung des Wahlprü-
fungsausschusses, der Einspruchsführerin die Parteieigenschaft nach § 2 Absatz 1 PartG nicht
zuzuerkennen. Der Ausschuss teilt die diesbezügliche Einschätzung des Bundeswahlaus-
schusses gänzlich und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen vollinhaltlich Bezug auf
die Ausführungen des Bundeswahlleiters in seiner Stellungnahme.

Auch die von der Einspruchsführerin angeführte Tatsache, dass sie zur Europawahl 2009 zu-
gelassen worden sei, führt zu keiner anderen Beurteilung. Anders als zu Bundestagswahlen
bedarf es zur Teilnahme an der Europawahlen nach § 8 Absatz 1 des Europawahlgesetzes

Drucksache 17/3100 - 26 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

(EuWG) keiner Prüfung der Parteieigenschaft. Insoweit kann die Teilnahme an der Europa-
wahl auch nicht als Indiz für die Parteieigenschaft nach § 18 Absatz 4 BWG in Verbindung
mit § 2 Absatz 1 PartG gewertet werden. Dies gilt auch für die von der Einspruchsführerin
angeführten Wahlergebnisse der - nach ihren Angaben - Vorgängerpartei „Die Grauen -
Graue Panther“. Zum einen ist es äußerst fraglich, ob diese Wahlergebnisse tatsächlich zu-
gunsten der Einspruchsführerin als selbst ernannte Nachfolgepartei gewertet werden können
und zum anderen sind Ergebnisse bei Kommunalwahlen bei der Beurteilung nach § 2 Absatz
1 PartG unerheblich, worauf der Bundeswahlleiter in seiner Stellungnahme zu Recht hinweist.

V.

Es stellt auch keinen Wahlfehler dar, dass der Bundeswahlausschuss in seiner zweiten Sitzung
am 6. August 2009 keine andere Bewertung der Parteieigenschaft der Einspruchsführerin vor-
nahm. Entgegen der Auffassung der Einspruchsführerin ist es unerheblich, ob sich aufgrund
späterer Unterrichtungen oder Richtigstellungen durch die Einspruchsführerin eine andere
Beurteilung ihrer Parteieigenschaft ergeben hätte. Bei der wahlrechtlich maßgeblichen Ent-
scheidung über die Parteieigenschaft kommt es nach § 18 Absatz 4 BWG ausschließlich auf
den Erkenntnisstand spätestens am 72. Tag vor der Wahl, das war der Tag der ersten Sitzung
des Bundeswahlausschusses am 17. Juli 2009, an (vgl. Schreiber, Kommentar zum BWG,
8. Aufl., 2009, § 18 Rn. 32). Ein Recht der Einspruchsführerin auf „Nachbesserung“ des eige-
nen Vortrags oder auf „Nachschieben“ weiterer Tatsachen oder Unterlagen in der zweiten
Sitzung des Bundeswahlausschusses mit der Folge eines zweiten Prüf- und Bewertungsver-
fahrens kann aus den wahlrechtlichen Vorschriften nicht abgeleitet werden. Vielmehr sieht
der Gesetzgeber für die Entscheidung über die Parteieigenschaft ein einstufiges Verfahren
vor, das nur noch nach der Wahl im Rahmen einer Wahlprüfung nach Artikel 41 GG über-
prüft werden kann. Ob dies möglicherweise änderungsbedürftig ist (s. hierzu Klein, Zeit-
schrift für Gesetzgebung (ZG), 2010, S. 165), kann hier offen bleiben. Im Rahmen des Wahl-
prüfungsverfahrens ist nur zu klären, ob auf der Grundlage der bestehenden Gesetze ein
Wahlfehler vorliegt oder nicht.

VI.

Da die Nichtanerkennung der Parteieigenschaft der Einspruchsführerin durch den Bundes-
wahlausschuss rechtens und gemäß § 18 Absatz 4 Nummer 2 BWG für alle Wahlorgane bin-
dend war, musste der Landeswahlausschuss Berlin die Landesliste nach § 27 Absatz 1 BWG
zurückweisen. Somit liegt auch kein Wahlfehler des Landeswahlausschusses vor. Deshalb hat
der Bundeswahlausschuss den Einspruch der Einspruchsführerin hiergegen zu Recht zurück-
gewiesen. Auch insoweit liegt kein Wahlfehler des Bundeswahlausschusses vor.

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 27 - Drucksache 17/3100

VII.

Da der Wahlprüfungsausschuss insgesamt keine Wahlfehler feststellen konnte, ist der Wahl-
einspruch der Einspruchsführerin zurückzuweisen. Der Antrag der Einspruchsführerin auf
Erstattung ihrer notwendigen Auslagen wird abgelehnt. Nach § 19 Absatz 1 WPrüfG können
dem Einsprechenden notwendige Auslagen erstattet werden, wenn dem Einspruch stattgege-
ben wird oder der Einspruch nur deshalb zurückgewiesen wird, weil der geltend gemachte
Mangel keinen Einfluss auf das Wahlergebnis gehabt hat. Beide Alternativen liegen hier nicht
vor.

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 29 - Drucksache 17/3100

Anlage 6

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn J. D., 83512 Wasserburg
- Az.: WP 33/09 -

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 30. September 2010 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 1. Oktober 2009, das beim Deutschen Bundestag am 7. Oktober 2009 ein-
gegangen ist, hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum
17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 eingelegt.

Der Einspruchsführer erklärt, das „duale Wahlsystem“ stelle einen Wahlfehler dar, da die
Hälfte der Abgeordneten dadurch bevorzugt würden, dass sie in ihren Wahlkreisen keinen
Wahlkampf führen müssten.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Ein Wahlfehler liegt nicht vor, denn der Vortrag des Einspruchsführers lässt keinen Verstoß
gegen wahlrechtliche Vorschriften erkennen. Das vom Einspruchsführer beanstandete gelten-
de Wahlsystem, wonach jeder Wähler gemäß § 4 des Bundeswahlgesetzes zwei Stimmen hat,
wobei er mit der Erststimme einen Wahlkreiskandidaten und mit der Zweitstimme eine Lan-
desliste wählt, verstößt nicht gegen den Grundsatz der gleichen Wahl und verletzt auch nicht
die Chancengleichheit von Wahlbewerbern. Es beinhaltet insbesondere keine Verpflichtung

Drucksache 17/3100 - 30 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

von Wahlkreis- oder Listenbewerbern zur Wahlwerbung, sondern überlässt dies dem Ermes-
sen der Bewerber und kandidierenden Listen. Insgesamt bewegt sich das Zweistimmenwahl-
system, wie dem Einspruchsführer bereits auf seinen Wahleinspruch gegen die Bundestags-
wahl 2005 mitgeteilt wurde, im Rahmen des dem Wahlgesetzgeber durch das Grundgesetz
eingeräumten Regelungsspielraums (vgl. Bundestagsdrucksache 16/1800, Anlage 11, Seite 83
mit weiteren Nachweisen).

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 31 - Drucksache 17/3100

Anlage 7

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn G. D., 99195 Kleinrudestedt
- Az.: WP 42/09 -

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 30. September 2010 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 8. Oktober 2009, das beim Deutschen Bundestag am 12. Oktober 2009
eingegangen ist, hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum
17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 eingelegt.

Der Einspruchsführer beanstandet zum einen, dass Wahlplakate in unmittelbarer Nähe eines
Wahlraums in Kleinrudestedt angebracht und nicht entfernt worden seien (1).
Zweitens ist er der Auffassung, der Ablauf der Wahlhandlung sei nicht korrekt gewesen, weil
sein Name gleich nach dem Betreten des Wahlraums und Vorlage der Wahlbenachrichtigung
im Wählerverzeichnis abgehakt worden sei. Seiner Ansicht nach hätte dies erst unmittelbar
vor dem Einwurf des Stimmzettels in die Wahlurne geschehen dürfen. Außerdem seien zwei
Wählerverzeichnisse geführt worden (2).
Schließlich moniert der Einspruchsführer die Einrichtung des Wahlraums. So hätten die Mit-
glieder des Wahlvorstandes in einer Reihe an einem Tisch gesessen und die Wahlurne habe
nicht am Ausgang des Wahllokals und zudem auf einem Stuhl gestanden (3).

Zu dem Einspruch hat der Landeswahlleiter des Freistaates Thüringen Stellung genommen. Er
hat mitgeteilt, dass sich der Einspruchsführer zunächst mit einem Schreiben vom 30. Septem-
ber 2009 an den Kreiswahlleiter gewandt habe, und den entsprechenden Schriftwechsel mit-
übersandt. Des Weiteren trägt er vor, dass gemäß § 32 Absatz 1 des Bundeswahlgesetzes

Drucksache 17/3100 - 32 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

(BWG) unmittelbar vor dem Zugang zum Gebäude jede Beeinflussung der Wähler verboten
sei. Wie die Verwaltungsgemeinschaft Gramme-Aue mitteile, seien zwei Wahlplakate etwa
60 Meter vom Wahllokal entfernt angebracht worden. Der Einspruchsführer sei der Ansicht,
sie seien 55 Meter und 45 Meter vom Wahllokal entfernt gewesen. Bei diesen Entfernungen
handele es sich mithin nicht um Wahlplakate, die unmittelbar vor dem Zugang des Wahllo-
kals gehangen hätten. Der Landeswahlleiter weist darauf hin, dass er die in Thüringen bei der
Bundestagswahl 2009 vertretenen Parteien mit einem Rundschreiben, das er seiner Stellung-
nahme beigefügt hat, auf eine die Möglichkeit der unzulässigen Wählerbeeinflussung auf-
merksam gemacht und gebeten habe, Wahlplakate gegebenenfalls zu entfernen. Auch die
Wahlvorstände seien entsprechend informiert worden.
Im Wahllokal in Kleinrudestedt seien nach Auskunft der Verwaltungsgemeinde Gramme-Aue
in der Tat zwei Wählerverzeichnisse geführt worden. Um eine unberechtigte Ausgabe von
Stimmzetteln an nichtwahlberechtigte Personen zu vermeiden, sei bereits bei Ausgabe der
Stimmzettel mittels eines Wählerverzeichnisses die Wahlberechtigung überprüft worden. Bei
Einwurf des Stimmzettels in die Wahlurne sei erneut eine Kontrolle der Wahlberechtigung
und die Eintragung des Stimmabgabevermerks in ein zweites Wählerverzeichnis erfolgt. Die-
ser Ablauf entspreche zwar nicht exakt den Vorgaben des § 56 Absatz 4 der Bundeswahlord-
nung (BWO), das Wahlgeheimnisses sei aber nicht verletzt worden.
Hinsichtlich der Einrichtung des Wahllokals hat der Landeswahlleiter seiner Stellungnahme
eine von der Verwaltungsgemeinschaft Gramme-Aue übermittelte Skizze beigefügt. Er ist der
Auffassung, dass unter Beachtung der in § 33 BWG gennannten Forderungen die Vorgaben
für die Wahrung des Wahlgeheimnisses eingehalten worden seien. Der Wähler habe den
Stimmzettel unbeobachtet kennzeichnen und falten können, und hinter der Wahlkabine habe
sich kein Dritter aufgehalten.

Die Stellungnahme ist dem Einspruchsführer bekannt gegeben worden. Er hat sich hierzu
nicht geäußert.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten
Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

1. Soweit der Einspruchsführer geltend macht, die Wähler seien am Wahltag durch zwei
Wahlplakate in der Nähe des Wahlraums beeinflusst worden, vermag der Wahlprüfungsaus-
schuss keinen Wahlfehler festzustellen. Zwar untersagt § 32 Absatz 1 BWG jede Beeinflus-
sung der Wählerinnen und Wähler durch Wort, Ton, Schrift oder Bild während der Wahlzeit

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 33 - Drucksache 17/3100

nicht nur in und an dem Gebäude, in dem sich der Wahlraum befindet, sondern auch unmit-
telbar vor dem Zugang zu dem Gebäude. Dem Grundgedanken der Vorschrift entsprechend ist
Wahlwerbung in unmittelbarer Umgebung des Wahlgebäudes dann unzulässig, wenn sie nach
Form und Inhalt geeignet ist, die Wähler bei dem Akt der Stimmabgabe zu beeinflussen
(BVerfGE 4, 370, 373). Ein Rechtsverstoß liegt insbesondere vor, wenn Plakatwerbung un-
mittelbar am Gebäude oder neben dem Gebäude erfolgt (Bundestagsdrucksache 17/1000, An-
lage 10; Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 32 Rn. 1). Der Wahlprüfungs-
ausschuss hat mehrfach ausdrücklich festgestellt, dass es zwar keine „Bannmeile“ um das
Wahllokal gibt, für den Zugangsbereich jedoch eine generell zu beachtende „befriedete Zone“
von etwa zehn bis 20 Metern bis zum Wahllokal als nicht antastbarer Sperrbereich notwendig,
aber auch ausreichend ist (vgl. Bundestagsdrucksachen 13/2800, Anlagen 2, 9 und 17;
13/3035, Anlage 1; 14/1560, Anlage 84; 16/1800, Anlagen 29 bis 31; 17/1000, Anlage 10).
Vorliegend hat der Einspruchsführer gegenüber dem Kreiswahlleiter eine Entfernung der
Wahlplakate vom Wahlraum von 45 und 55 Metern behauptet, während die Verwaltungsge-
meinschaft Gramme-Aue von 60 Metern ausgeht. Unstreitig ist damit, dass der Abstand deut-
lich mehr als die zehn bis 20 Meter betrug, die nach dem oben Gesagten als „befriedete Zone“
notwendig, aber auch ausreichend sind, so dass kein Verstoß gegen § 32 Absatz 1 BWG vor-
liegt.

2. Der Ablauf der Wahlhandlung im Wahllokal, wie der Einspruchsführer ihn beschreibt, ent-
sprach allerdings nicht vollständig den wahlrechtlichen Vorgaben, was der Landeswahlleiter
auch einräumt. Zum einen könnte die Tatsache, dass der Landeswahlleiter und die Verwal-
tungsgemeinschaft Gramme-Aue angeben, im Wahllokal in Kleinrudestedt seien zwei Wäh-
lerverzeichnisse geführt worden, im Widerspruch zu § 17 Absatz 1 Satz 1 BWG, § 14 Absatz
1 BWO stehen, wonach die Gemeindebehörden für jeden Wahlbezirk ein Verzeichnis der
Wahlberechtigten führen. Allerdings wertet der Wahlprüfungsausschuss diese Feststellung als
missverständlich und geht davon aus, dass es sich vorliegend nicht um die getrennte Führung
von zwei Verzeichnissen, sondern um zwei im Wahlraum vorhandene identische Abschriften
eines einzigen, von der Gemeindebehörde geführten Wählerverzeichnisses gehandelt hat.
Eine derartige Mehrfachausstattung im Wahllokal ist wahlrechtlich jedoch ebenfalls nicht
vorgesehen. Vielmehr übergibt laut § 49 Nummer 1 BWO die Gemeindebehörde dem Wahl-
vorsteher eines jeden Wahlbezirks vor Beginn der Wahlhandlung das abgeschlossene Wäh-
lerverzeichnis. Dieses ist gemäß § 53 Absatz 2 BWO vom Wahlvorsteher vor Beginn der
Stimmabgabe zu berichtigen, außerdem hat der Schriftführer nach Wurf des Stimmzettels in
die Wahlurne durch jeden Wähler die Stimmabgabe im Wählerverzeichnis zu vermerken, § 58
Absatz 4 Satz 3 BWO. Für Vermerke über die Stimmabgabe ist eine eigene Spalte vorgese-
hen, § 14 Absatz 2 Satz 3 BWO. Nicht vorgesehen ist hingegen ein Vermerk über die Ausga-
be des Stimmzettels bei Betreten des Wahlraums, vgl. § 56 Absatz 1 BWO, wie dies in
Kleinrudestedt in einem zweiten Verzeichnis praktiziert worden ist.

Drucksache 17/3100 - 34 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

Diese Abweichung von wahlrechtlichen Vorschriften hat jedoch weder, wie der Landeswahl-
leiter betont, zu einer Gefährdung des Wahlgeheimnisses geführt, noch ist ersichtlich, wie
dies in anderer Weise die Zusammensetzung des 17. Deutschen Bundestages beeinflusst ha-
ben könnte. Nach der ständigen Praxis des Wahlprüfungsausschusses und ständiger Recht-
sprechung des Bundesverfassungsgerichts können aber nur solche Wahlfehler die Gültigkeit
der Wahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind oder sein können (vgl.
Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, Anlagen 10, 15, 19, 20 und 22; 17/2200,
Anlagen 4 bis 7; 17/2250, Anlagen 18 und 22; BVerfGE 89, 243, 254; 89, 291, 304).

3. In der vom Einspruchsführer gerügten Einrichtung des Wahlraums liegt kein Wahlfehler,
denn weder hinsichtlich der vom Einspruchsführer kritisierten Positionierung des Wahlvor-
stands in einer Reihe an einem Tisch im Wahllokal noch hinsichtlich der Aufstellung der
Wahlurne ist ein Verstoß gegen Wahlrechtsvorschriften festzustellen. Es gibt keine Wahl-
rechtsvorschrift, die die Sitzordnung des Wahlvorstands regelt. Lediglich aus § 52 Satz 1
BWO lässt sich entnehmen, dass der Tisch, an dem der Wahlvorstand Platz nimmt, von allen
Seiten zugänglich sein muss. Das ist nach der vom Landeswahlleiter übersandten Skizze der
Fall gewesen. Auch muss sich die Wahlurne entgegen der Ansicht des Einspruchsführers kei-
neswegs am Ausgang des Wahllokals befinden. Vielmehr sieht § 52 Satz 2 BWO nur vor,
dass die Wahlurne an oder auf dem Tisch, an dem der Wahlvorstand Platz nimmt, aufzustel-
len ist, was ausweislich der Skizze des Wahllokals der Fall war. Es ist auch nicht unzulässig,
die Wahlurne auf einen Stuhl zu stellen, solange die Stimmabgabe hierdurch nicht unnötig
erschwert wird. Dies hat der Einspruchsführer jedoch nicht vorgetragen. Eine Verletzung des
Wahlgeheimnisses durch die Einrichtung des Wahlraums - die der Landeswahlleiter im Übri-
gen überzeugend ausschließt - hat der Einspruchsführer ebenfalls nicht behauptet.

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 35 - Drucksache 17/3100

Anlage 8

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn B. K., 22335 Hamburg
- Az.: WP 45/09 -

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 30. September 2010 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem vom Bundesministerium der Justiz weitergeleiteten Schreiben vom 29. September
2009, das am 13. Oktober 2009 beim Wahlprüfungsausschuss eingegangen ist, hat der Ein-
spruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag am
27. September 2009 eingelegt.

Der Einspruchsführer beanstandet in seinem mit „Sozialer Gedanke Deutschland“ überschrie-
benen Schreiben, dass in der Justizvollzugsanstalt Hamburg-Fuhlsbüttel bis zu 50 Prozent der
Briefwahlunterlagen nicht ausgehändigt worden seien. Er selbst habe zwei Mal schriftlich die
Unterlagen angefordert. Diese seien jedoch nicht ausgehändigt worden. Er vermute, dass es
sich nicht um einen Einzelfall handele, sondern um eine „berechnete Strategie“ der Justizver-
waltung, um das Wahlergebnis zu manipulieren. Nur so sei das bundesweit schlechte Wahler-
gebnis der SPD und die niedrige Wahlbeteiligung zu erklären.

In einem weiteren, an den Bundeswahlleiter gerichteten Schreiben vom 29. September 2009,
das beim Wahlprüfungsausschuss am 21. Oktober 2009 eingegangen ist, führt der Einspruchs-
führer unter anderem aus, Vertreter der Freien und Hansestadt Hamburg hätten gezielt einzel-
nen Bürgern ihre Wahlunterlagen nicht ausgehändigt oder übersandt und dadurch die Bundes-
tagswahl manipuliert. Der Anteil der nicht zugesandten Briefwahlunterlagen liege allein in
Hamburg bei etwa zehn Prozent. Es sei zu vermuten, dass in den übrigen Bundesländern

Drucksache 17/3100 - 36 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

ebenfalls nicht alle Wahlberechtigten ihre Briefwahlunterlagen erhalten hätten und das Wahl-
ergebnis deutschlandweit dadurch erheblich verändert worden sei.

Zu dem Wahleinspruch hat der Landeswahlleiter der Freien und Hansestadt Hamburg unter
Einbeziehung der Justizbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg und des Bezirksamts
Hamburg-Nord Stellung genommen.
Er ist der Auffassung, die Beanstandungen des Einspruchsführers seien unbegründet. Der
Einspruchsführer sei bei der Bundestagswahl am 27. September 2009 zwar materiell wahlbe-
rechtigt gewesen, habe aber nicht das formelle Wahlrecht gehabt. Denn er sei weder in einem
Wählerverzeichnis eingetragen gewesen noch habe er nach § 25 Absatz 2 der Bundeswahl-
ordnung (BWO) einen Wahlschein außerhalb des Wählerverzeichnisses erhalten.
Nach § 25 des Hamburgischen Meldegesetzes seien die Insassen von Justizvollzugsanstalten
selbst meldepflichtig, so dass Wahlberechtigte im Regelfall bei Vorliegen der Voraussetzun-
gen nach der Anmeldung von Amts wegen in das Wählerverzeichnis aufgenommen und hie-
rüber benachrichtigt würden. Aus den – mitübersandten – Stellungnahmen der Justizbehörde
und des für die Ausgabe von Briefwahlunterlagen zuständigen Bezirksamtes Hamburg-Nord
ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Einspruchsführer tatsächlich die Zusendung
der Briefwahlunterlagen oder zumindest die Aufnahme in das Wählerverzeichnis beantragt
habe.
Das Bezirksamt Hamburg-Nord teilt in seiner mitübersandten Stellungnahme mit, dass der
Einspruchsführer nicht mit einem Wohnsitz in Hamburg gemeldet und daher auch nicht in das
Wählerverzeichnis des für seinen tatsächlichen Aufenthaltsort eingerichteten Wahlbezirks
eingetragen war. Da zwar ein Ausschluss für das passive, nicht aber für das aktive Wahlrecht
bestanden habe, wäre er im Falle eines entsprechenden Antrags in das Wählerverzeichnis auf-
genommen worden und hätte die Briefwahlunterlagen zugesandt erhalten. Es liege jedoch
weder ein solcher Antrag noch ein Briefwahlantrag vor.
In der mitübersandten Stellungnahme der Justizbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg
wird erläutert, dass dort nicht nachvollzogen werden könne, ob der Einspruchsführer Anstren-
gungen unternommen habe, um an der Briefwahl teilzunehmen. Denn die Justizvollzugsan-
stalt habe es bei der Bundestagswahl 2009 versäumt, die sonst üblichen Kontrolllisten über
die Aushändigung und Weiterleitung von Anträgen auf Eintragung in das Wählerverzeichnis
und die Beantragung und Weiterleitung von Briefwahlunterlagen zu führen. Die Justizvoll-
zugsanstalt habe aber mitgeteilt, dass es dort keine Erkenntnisse darüber gebe, dass der Ein-
spruchsführer am Wahltag die formellen und materiellen Voraussetzungen für das aktive
Wahlrecht nicht erfüllt habe.

Dem Einspruchsführer ist die Stellungnahme bekannt gegeben worden. Er hat sich hierzu ge-
äußert und seine Vorwürfe hinsichtlich der absichtlichen Nichtversendung von Briefwahlun-
terlagen wiederholt. Weiter führt er aus, er könne die Ausführungen des Landeswahlleiters

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 37 - Drucksache 17/3100

nicht nachvollziehen. Dessen Behauptung, er habe keinen Briefwahlantrag gestellt, sei un-
wahr.
Der Einspruchsführer hat seinem Schreiben Kopien von zwei auf den 4. August 2009 und den
7. September 2009 datierten Schreiben an die „Wahldienststelle-Fuhlsbüttel“ beigefügt, in
denen unter der Überschrift „Sozialer Gedanke Deutschlands“ „kurzfristig die erforderlichen
Briefwahlunterlagen zur Bundestagswahl“ beantragt bzw. an deren Übersendung erinnert
wird. Diese Schreiben hat er als „B.K., stellvertretender Vorsitzender“ unterzeichnet.
In einem weiteren Schreiben weist der Einspruchsführer unter anderem darauf hin, dass das
Ergebnis der Bundestagswahl zumindest in Hamburg aufzuheben sei, weil von der Justizbe-
hörde ausdrücklich Unregelmäßigkeiten bei der Führung der gesetzlich vorgeschriebenen
Kontrolllisten eingeräumt worden seien.

Auf Nachfrage durch das Sekretariat des Wahlprüfungsausschusses hat das Landeswahlamt
der Freien und Hansestadt Hamburg erneut bestätigt, dass bei der zuständigen Wahldienststel-
le Hamburg-Fuhlsbüttel weder unter dem Namen des Einspruchsführers noch unter der Be-
zeichnung „Sozialer Gedanke Deutschlands“ Originale der oben genannten Schreiben vom
4. August und 7. September 2009 gefunden worden seien. Ergänzend weist das Wahlamt da-
rauf hin, dass einem Briefwahlantrag in dieser Form auch nicht hätte entsprochen werden
können, weil ihm zumindest die Angabe des Geburtsdatums gefehlt habe, die gemäß § 27
Absatz 2 BWO zwingend vorgeschrieben sei.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten Bezug
genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Eine die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag berührende Verletzung wahl-
rechtlicher Vorschriften ist aus dem Vortrag des Einspruchsführers nicht ersichtlich.
Soweit der Einspruchsführer rügt, dass ihm keine Briefwahlunterlagen zugesandt worden sei-
en, ist bereits strittig, ob er diese überhaupt beantragt hat. Gemäß § 17 Absatz 2 des Bundes-
wahlgesetzes (BWG), § 25 Absatz 1 BWO wird ein Wahlschein nur auf Antrag erteilt. Ein
derartiger Antrag des Einspruchsführers ist nach Auskunft des Landeswahlleiters nicht einge-
gangen. Im Wahlprüfungsverfahren hat der Einspruchsführer allerdings die Kopie eines
Schreibens, das er als stellvertretender Vorsitzender von „Sozialer Gedanke Deutschlands“
unterschrieben hat, vorgelegt. In diesem Schreiben beantragt er Briefwahlunterlagen zur Bun-
destagswahl. Wäre dieses Schreiben der Behörde zugegangen, hätte diese es als einen - aller-
dings wegen des Fehlens der Angabe des Geburtsdatums unvollständigen - Antrag des Ein-

Drucksache 17/3100 - 38 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

spruchsführers auf Erteilung eines Wahlscheins im Sinne des § 27 Absatz 1 und 2 BWO deu-
ten müssen. Nach Angabe der Wahlbehörde liegen jedoch keine Anhaltspunkte dafür vor,
dass dieses oder ein weiteres Schreiben des Einspruchsführers eingegangen sind.

Unabhängig davon hätte dem Antrag auch nicht stattgegeben werden können. Denn gemäß
§ 17 Absatz 2 BWG, § 25 BWO ist Voraussetzung für die Erteilung eines Wahlscheins, dass
der Wahlberechtigte in das Wählerverzeichnis eingetragen oder aus einem von ihm nicht zu
vertretenden Grund in das Wählerverzeichnis nicht aufgenommen worden ist. Nach Auskunft
des Landeswahlleiters war der Einspruchsführer nicht in das Wählerverzeichnis eingetragen.
Auch die Voraussetzungen für die Erteilung eines Wahlscheins gemäß § 25 Absatz 2 BWO an
einen Wahlberechtigten, der nicht in das Wählerverzeichnis eingetragen ist, lagen nicht vor.
Vielmehr hätte der Einspruchsführer, da er zwar aktiv wahlberechtigt, aber nicht gemäß § 16
Absatz 1 Ziffer 1 und 4 BWO bei der Meldebehörde in Hamburg für eine Wohnung oder eine
Justizvollzugsanstalt gemeldet und daher nicht von Amts wegen in das Wählerverzeichnis
einzutragen war, gemäß § 16 Absatz 2 Ziffer 1c) BWO einen Antrag auf Eintragung in das
Wählerverzeichnis stellen müssen. Ein derartiger Antrag wurde jedoch nach Auskunft des
Landeswahlleiters ebenfalls nicht gestellt. Allerdings hätte möglicherweise das oben genannte
Schreiben unter der Überschrift „Sozialer Gedanke Deutschlands“ in einen derartigen Antrag
umgedeutet werden können, wenn es der Wahlbehörde zugegangen wäre.

Der Wahlprüfungsausschuss kann trotz seiner Bemühungen nicht mit letzter Sicherheit auf-
klären, ob die Originale der von dem Einspruchsführer in Kopie an den Wahlprüfungsaus-
schuss übersandten Schreiben vom 4. August und 7. September 2009 abgesandt, befördert
und der Wahlbehörde zugestellt worden sind. Letztlich kommt es hierauf vorliegend aber
auch nicht an. Zwar läge, wenn die Schreiben der Wahlbehörde zugegangen, aber dort nicht
bearbeitet worden wären, ein Wahlfehler vor. Trotzdem müsste der Einspruch in dieser Hin-
sicht ohne Erfolg bleiben, denn nach ständiger Praxis des Wahlprüfungsausschusses und stän-
diger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts können nur solche Wahlfehler die Gül-
tigkeit der Wahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind oder sein können
(vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 17/1000, Anlagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen
5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; BVerfGE 89, 243, 254). Selbst wenn der Ein-
spruchsführer auf Antrag in das Wählerverzeichnis aufgenommen worden wäre und er mit
Wahlschein gewählt hätte, hätte die Stimme des Einspruchsführers das Ergebnis der Wahl nur
so geringfügig verändert, dass ein Einfluss auf die Sitzverteilung im Deutschen Bundestag
ausgeschlossen werden kann.

Soweit der Einspruchsführer vorträgt, es seien in der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel, in
Hamburg und auch in den übrigen Bundesländern eine große Anzahl von Briefwahlunterlagen
absichtlich nicht zugestellt worden, stellt er lediglich eine Behauptung auf, ohne diese mit
konkreten Tatsachenangaben zu untermauern. Die Wahlprüfung erfolgt jedoch weder von

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 39 - Drucksache 17/3100

Amts wegen noch findet sie stets in Gestalt einer Durchprüfung der gesamten Wahl statt. Ge-
mäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes erfolgt sie vielmehr nur auf Einspruch, der
zu begründen ist. Wahlbeanstandungen, die, wie hier, über nicht belegte Vermutungen oder
die bloße Andeutung der Möglichkeit von Wahlfehlern nicht hinausgehen und einen konkre-
ten, der Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag nicht enthalten, sind deshalb als
unsubstantiiert zurückzuweisen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 16/3600, Anlage 5;
17/1000, Anlagen 13 und 19; 17/2200, Anlagen 6 und 22; 17/2250, Anlagen 4, 11, 15 und 16;
BVerfGE 48, 271, 276; 66, 369, 379; 85, 148, 159; Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Auf-
lage, 2009, § 49 Rn. 24).

Soweit der Einspruchsführer rügt, dass in der Justizvollzugsanstalt keine Kontrolllisten über
die Briefwahlanträge der Inhaftierten geführt wurden, liegt kein Wahlfehler vor, da dies in
den wahlrechtlichen Vorschriften nicht vorgeschrieben ist.

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 41 - Drucksache 17/3100

Anlage 9

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn G. K., 01069 Dresden
- Az.: WP 50/09 -

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 30. September 2010 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 12. Oktober 2009, das beim Deutschen Bundestag am 14. Oktober 2009
eingegangen ist, hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum
17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 eingelegt.

Der Einspruchsführer beanstandet die fehlende Barrierefreiheit einer erheblichen Anzahl der
Wahllokale in Dresden.
Im Wesentlichen trägt der Einspruchsführer vor, der ihm zugewiesene Wahlraum in einem
Schulzentrum in der Güntzstraße 3-5 in Dresden sei ohne Hilfe nur über Treppen betretbar
gewesen. Auf diesen Umstand sei bereits in der Wahlbenachrichtigung durch einen Vermerk
„Zugang nicht barrierefrei“ hingewiesen worden. Allerdings habe sich vor dem Wahllokal ein
– nicht aus allen Richtungen sichtbarer – Hinweis darauf gefunden, dass es für in ihrer Mobi-
lität eingeschränkte Personen eine Transportmöglichkeit über einen Aufzug gebe, die aller-
dings nur mit Unterstützung, die beim Wahlvorstand angefordert werden müsse, zugänglich
sei. Diese Möglichkeit sei jedoch nicht hinreichend bekannt gemacht worden.
Er habe erfahren, dass auch zahlreiche weitere Wahllokale in Dresden als nicht barrierefrei
ausgewiesen gewesen seien. Insbesondere ältere und in ihrer Mobilität eingeschränkte Perso-
nen würden durch einen derartigen Hinweis von vornherein von der Teilnahme an der Wahl
abgehalten und damit die Wahlbeteiligung gemindert. Denn die Teilnahme mittels Briefwahl

Drucksache 17/3100 - 42 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

sei für viele dieser Wahlberechtigten ohne Unterstützung zu kompliziert und daher nicht zu-
mutbar.

Zu dem Wahleinspruch hat die Landeswahlleiterin des Freistaates Sachsen wie folgt Stellung
genommen:
Für die Wahlen zum 17. Deutschen Bundestag sei das Stadtgebiet der Landeshauptstadt Dres-
den in 363 allgemeine Wahlbezirke unterteilt worden. Zu jedem Wahlbezirk gehöre ein Wahl-
lokal, in dem die Wählerinnen und Wähler am Wahltag ihre Stimme abgäben. Dabei sei die
Stadt Dresden stetig bemüht, möglichst viele Wahlräume barrierefrei und günstig erreichbar
bereitzuhalten. Leider sei dies auf Grund der örtlichen Gegebenheiten nicht überall möglich
gewesen. Das dem Einspruchsführer zugewiesene Wahllokal in der Güntzstraße sei auf der
Wahlbenachrichtigungskarte als „nicht barrierefrei" ausgewiesen worden, da es nicht ohne
fremde Hilfe für Wahlberechtigte mit Mobilitätsbeeinträchtigungen zugänglich gewesen sei.
Wahlberechtigte, denen ein nicht barrierefreies Wahllokal zugewiesen worden sei, hätten ne-
ben der Briefwahl die Möglichkeit, einen Wahlschein zu beantragen. Mit dem Wahlschein
habe am Wahlsonntag ein anderes, barrierefreies Wahllokal des Wahlkreises aufgesucht wer-
den können. In nächster Nähe zu dem dem Einspruchsführer zugewiesenen Wahlraum hätten
innerhalb des Wahlkreises barrierefreie Wahlräume in der Ostsächsischen Sparkasse Dresden,
Güntzplatz 5, und der Kindertagesstätte „Grüner Johann“, Georg-Nerlich-Straße 2a, zur Ver-
fügung gestanden. Außerdem habe vier Wochen vor dem Wahltag montags bis freitags von
8:00 bis 20:00 Uhr sofort vor Ort im Zentralen Wahlbüro der Landeshauptstadt Dresden, das
ebenfalls barrierefrei zugänglich sei, gewählt werden können. Die Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter der Stadtverwaltung hätten hier die Wahlberechtigten beim Ausfüllen des Wahl-
scheinantrages unterstützt. Über diese Möglichkeiten habe die Landeshauptstadt Dresden mit
der Wahlbenachrichtigungskarte, den im städtischen Amtsblatt abgedruckten öffentlichen
Bekanntmachungen sowie im Internet informiert. Für Fragen der Wahlberechtigten sei vier
Wochen vor dem Wahltag ein Bürgertelefon geschaltet worden.
Die Stadtverwaltung habe sich zudem bemüht, Wählerinnen und Wählern mit Mobilitätsbe-
einträchtigung weitere Wahlräume zugänglich zu machen, die allerdings nur mit fremder Hil-
fe hätten genutzt werden können und deshalb nicht im eigentlichen Sinn als barrierefrei gäl-
ten. Hierzu zähle auch das dem Einspruchsführer zugewiesene Wahllokal, das mit einem be-
hindertengerechten Aufzug ausgestattet sei. Über diese zusätzlich zugänglich gemachten
Wahlräume habe die Stadtverwaltung über ihren Internetauftritt, im Amtsblatt und mit Pres-
semitteilung sowie am Wahlraum selbst durch entsprechende Hinweisschilder informiert.
Eine Information auf der Wahlbenachrichtigungskarte sei leider nicht möglich gewesen, da
die Entscheidung zur Nutzung als zusätzlicher barrierefreier Wahlraum erst kurz vor dem
Wahltag habe getroffen werden können.
Es sei festzustellen, dass die Landeshauptstadt Dresden auf die Gewinnung und Bereitstellung
von barrierefreien Wahlräumen besonderen Wert gelegt habe. Während zur Bundestagswahl
2005 lediglich 67 von 365 Wahllokalen barrierefrei zugängig gewesen seien, sei im Jahr 2009

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 43 - Drucksache 17/3100

die Anzahl der barrierefreien Wahllokale zur Europa- und Kommunalwahl auf 101 Wahlloka-
le, zur Landtagswahl auf 109 Wahllokale und zur Bundestagswahl auf 113 der 363 Wahlloka-
le gesteigert worden. Zusätzlich seien weitere 24 Wahllokale für Wähler mit Mobilitätsbeein-
trächtigung zumindest mit Hilfe anderer zu erreichen gewesen, worüber die Stadtverwaltung
mit einer Pressemitteilung sowie im Internet und im Amtsblatt informiert habe. Hierzu habe
auch der dem Einspruchsführer zugewiesene Wahlraum gehört.

Die Stellungnahme der Landeswahlleiterin ist dem Einspruchsführer bekannt gegeben wor-
den. Er hat seine Kritik wiederholt und ist des weiteren der Auffassung, dass die zusätzlichen
Informationen der Wahlbehörden alte Menschen nicht erreichten.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten Bezug
genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Der Einspruchsführer weist zurecht auf die Bedeutung der Bereitstellung von barrierefrei zu-
gänglichen Wahlräumen hin. Ein Verstoß gegen wahlrechtliche Vorschriften ergibt sich aus
dem vorgetragenen Sachverhalt jedoch nicht.
Soweit der Einspruchsführer rügt, dass der ihm zugewiesene Wahlraum sowie weitere Wahl-
räume in Dresden in der Wahlbenachrichtigung als nicht barrierefrei ausgewiesen worden und
für mobilitätsbeeinträchtigte Wähler nicht ohne Unterstützung zugänglich gewesen seien,
liegt kein Wahlfehler vor. Zwar gebietet der Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahlhandlung
gemäß § 31 Satz 1 des Bundeswahlgesetzes (BWG), § 54 der Bundeswahlordnung (BWO),
dass jedermann Zutritt zum Wahlraum hat, um dort zu wählen und/oder die Ordnungsmäßig-
keit der Wahlhandlung und der Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses zu beobach-
ten. Der Wahlraum muss auch von durch eine körperliche Beeinträchtigung behinderten Men-
schen, etwa von Rollstuhlfahrern, ohne unverhältnismäßige Mühen erreicht werden können
(möglichst barrierefreier und damit behindertengerechter Zugang), damit sie ihr Stimmrecht
dort per Urnenwahl ohne tatsächliche Behinderungen ausüben und die Ordnungsmäßigkeit
des Wahlvorgangs miterleben und beobachten können (Schreiber, Kommentar zum BWG, 8.
Auflage, § 31 Rn. 3). Die Einrichtung von Wahlräumen, die nur über Treppen oder nicht ohne
Unterstützung zugänglich sind, stellt jedoch nicht von vornherein einen Wahlfehler dar (vgl.
Bundestagsdrucksache 14/1560, Anlage 59). Nach § 46 Absatz 1 Satz 1 BWO bestimmt die
Gemeindebehörde für jeden Wahlbezirk einen Wahlraum, wobei die Gemeinden, soweit mög-
lich, Wahlräume in Gemeindegebäuden zur Verfügung stellen, § 46 Absatz 1 Satz 2 BWO.
Nach Satz 3 dieser Vorschrift sollen die Wahlräume nach den örtlichen Verhältnissen so aus-

Drucksache 17/3100 - 44 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

gewählt und eingerichtet werden, dass allen Wahlberechtigten, insbesondere behinderten und
anderen Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigungen, die Teilnahme an der Wahl möglichst
erleichtert wird. Die Gemeindebehörden teilen frühzeitig und in geeigneter Weise mit, welche
Wahlräume barrierefrei sind, § 46 Absatz 1 Satz 4 BWO.
Die Sätze 3 und 4 des § 46 BWO sind dieser Vorschrift durch das Gesetz zur Gleichstellung
behinderter Menschen und zur Änderung anderer Gesetze vom 27. April 2002 (BGBl. I
S. 1467, 1471) angefügt worden. Durch die Ergänzung sollte darauf hingewirkt werden, dass
Wahllokale besser von Rollstuhlfahrern sowie Gehbehinderten barrierefrei erreicht und ge-
nutzt werden können (Bundestagsdrucksache 14/7420, S. 21). Aus dieser „weich formulier-
ten“ Regelung (Schreiber, Kommentar zum BWG. § 31 Rn. 3) ergibt sich jedoch keine Ver-
pflichtung, einen barrierefreien Zugang zu jedem Wahllokal zu gewährleisten (vgl. From-
mer/Engelbrecht, Bundeswahlrecht, zu § 46 BWO Rn. 2). Mit der Ergänzung des § 46 werden
die Gemeinden jedoch angehalten, möglichst nur barrierefreie Wahlräume auszuwählen und
einzurichten, damit insbesondere behinderten Wählern, aber auch solchen, die in ihrer Bewe-
gungsfreiheit eingeschränkt sind, die Teilnahme an der Wahl möglichst erleichtert wird. (vgl.
Bundestagsdrucksache 14/8331, S. 51). Die im Gesetzentwurf vorgesehene Zielvorgabe, wo-
nach ab dem Jahr 2010 alle Wahlräume barrierefrei hätten sein sollen (vgl. Bundestagsdruck-
sachen 14/7420, S. 7 und 14/8043), wurde wegen Bedenken der Länder (vgl. Bundestags-
drucksache 14/8331, S. 2 f. und 17) nicht in die BWO übernommen. Die Verpflichtung der
Gemeindebehörden zur aktiven, frühzeitigen und geeigneten Information darüber, welche
Wahlräume barrierefrei sind, wurde verankert (vgl. Bundestagsdrucksache 14/7420, S. 17).
Durch diese Unterrichtung soll sichergestellt werden, dass behinderte Menschen von ihrem
Recht Gebrauch machen können, barrierefreie Wahlräume aufzusuchen. (vgl. Bundestags-
drucksache 14/8331, S.51)

Bei der Auswahl der Wahlräume handelt es sich mithin um eine Ermessensentscheidung der
Gemeindebehörde, in die diese alle in Betracht kommenden Aspekte einzubeziehen und ge-
geneinander abzuwägen hat, damit allen Wahlberechtigten die Teilnahme an der Wahl nach
Möglichkeit erleichtert wird. Hierbei sind die Interessen behinderter Menschen in besonderem
Maße zu berücksichtigen. Daneben sind auch Aspekte wie etwa die – in der Vorschrift aus-
drücklich genannten - örtlichen Verhältnisse und beispielsweise die sich daraus ergebende
Kostenfrage zu berücksichtigen (Bundestagsdrucksache 15/4750, Anlage 14; vgl. auch die
Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates, Bundestagsdruck-
sache 14/8043, S. 16). Anhaltspunkte für einen Ermessensfehler der Wahlbehörden in Dres-
den vermag der Wahlprüfungsausschuss weder hinsichtlich der vom Einspruchsführer pau-
schal gerügten Gesamtsituation in Dresden noch hinsichtlich des dem Einspruchsführer zu-
gewiesenen Wahlraums zu erkennen. Wie die Landeswahlleiterin dargelegt hat, hat sich die
Stadt Dresden zunehmend erfolgreich um die Auswahl und Einrichtung von barrierefreien
und günstig erreichbaren sowie zumindest mit Unterstützung zugänglichen Wahlräumen be-
müht, wobei dies aufgrund der örtlichen Gegebenheiten nicht überall möglich gewesen ist.

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 45 - Drucksache 17/3100

Die Tatsache, dass die Stadt Dresden die Zahl der barrierefreien Wahllokale von 67 bei der
Bundestagswahl 2005 auf 113 bei der Bundestagswahl 2009 und damit den Anteil der
barrierefreien Wahllokale von 18 Prozent auf immerhin 31 Prozent gesteigert hat, belegt, dass
sie die Interessen behinderter Menschen bei der Auswahl der Wahlräume für die Wahl zum
17. Deutschen Bundestag besonders berücksichtigt hat. Dies zeigt sich auch daran, dass, wie
die Landeswahlleiterin erläutert hat, die Stadt zusätzlich bei 24 nicht barrierefrei zugänglichen
Wahllokalen eine Zugangsmöglichkeit für mobilitätsbeeinträchtigte Wähler eingerichtet und
hierüber u.a. durch Pressemitteilung und im Internet informiert hat. Auch ihrer Verpflichtung,
frühzeitig und in geeigneter Weise mitzuteilen, welche Wahlräume barrierefrei sind, ist die
Stadt durch die Information auf den Wahlbenachrichtigungskarten sowie Veröffentlichungen
im Amtsblatt und Internet in einer § 46 Absatz 1 Satz 4 BWO genügenden Weise nachge-
kommen.

Dass das in einem Schulzentrum gelegene Wahllokal des Wahlbezirks des Einspruchsführers,
wie auf der Wahlbenachrichtigung zutreffend vermerkt, zu den Wahlräumen gehörte, die
nicht barrierefrei zugänglich waren, ist aus Sicht des Wahlprüfungsausschuss bedauerlich.
Angesichts der Tatsache, dass der Wahlraum zum einen immerhin über einen Aufzug zugäng-
lich war, zu dessen Nutzung allerdings Hilfspersonen herangezogen werden mussten, und sich
zum anderen, wie die Landeswahlleiterin erläutert hat, barrierefreie und als solche bekannt-
gemachte Wahllokale desselben Wahlkreises in zwei Gebäuden in unmittelbarer Nähe des
Wahlraums des Einspruchsführers befanden, in denen in ihrer Mobilität beeinträchtigte Wäh-
ler mit einem - gemäß § 17 Absatz 2 BWG zu beantragenden - Wahlschein gemäß § 14 Ab-
satz 3 lit. a BWG an der Urnenwahl hätten teilnehmen können, ist die Gemeindebehörde aus
Sicht des Wahlprüfungsausschusses ihrer Verpflichtung aus § 46 Absatz 1 Satz 3 BWO, die
Wahlräume nach den örtlichen Verhältnissen so auszuwählen und einzurichten, dass allen
Wahlberechtigten, insbesondere behinderten und in ihrer Mobilität beeinträchtigten Men-
schen, die Teilnahme an der Wahl möglichst erleichtert wird, in ihrem Verantwortungsbereich
ausreichend nachgekommen.

Der Grundsatz der allgemeinen Wahl gemäß Artikel 38 des Grundgesetzes (GG), § 1 Absatz 1
Satz 2 BWG ist vorliegend ebenfalls nicht verletzt worden. Soweit der Einspruchsführer der
Ansicht ist, dass bereits die Mitteilung der fehlenden Barrierefreiheit eines Wahlraums Wahl-
berechtigte von der Teilnahme an der Wahl ausschließe, berücksichtigt er nicht, dass der
Wahlgesetzgeber eine Anzahl zumutbarer Alternativen vorgesehen hat, die auch Wählern mit
eingeschränkter Mobilität die Teilnahme an der Wahl ermöglichen. So hat, neben der oben
dargestellten Möglichkeit der Beantragung eines Wahlscheins zur Teilnahme an der Urnen-
wahl in einem barrierefreien Wahllokal des eigenen Wahlkreises, jeder Wahlberechtigte ge-
mäß § 14 Absatz 3 lit. b, § 36 BWG die Möglichkeit zur Teilnahme an der Briefwahl. Diese
konnte in Dresden in den vier Wochen vor dem Wahltag bei persönlicher Abholung des
Wahlscheins und der Briefwahlunterlagen im barrierefrei zugänglichen Zentralen Wahlbüro

Drucksache 17/3100 - 46 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

im Stadtzentrum auch sofort an Ort und Stelle ausgeübt werden (vgl. § 28 Absatz 5 BWO).
Wie die Landeswahlleiterin mitgeteilt hat, sind die Wahlberechtigten auf der Wahlbenachrich-
tigungskarte sowie im städtischen Amtsblatt und im Internet über diese Möglichkeit infor-
miert worden. Darüber hinaus hat auch der Bundeswahlleiter in einer Pressemitteilung vom
19. August 2009 vor der Wahl Hinweise zum barrierefreien Wählen gegeben. Sowohl bei der
Urnen- als auch bei der Briefwahl kann sich der Wähler zudem der Unterstützung durch eine
Hilfsperson bedienen, vgl. §§ 33 Absatz 2, 36 Absatz 2 BWG, §§ 57, 66 Absatz 3 Satz 2
BWO. Wie der Wahlprüfungsausschuss bereits früher festgestellt hat, besteht kein verfas-
sungsrechtlicher Anspruch auf barrierefreien Zugang zum Wahllokal (vgl. Bundestagsdruck-
sache 14/1560, Anlage 59; ebenso Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Auflage, § 33 Rn. 4).

Auch wenn vorliegend kein Verstoß gegen wahlrechtliche Vorschriften festzustellen ist, un-
terstreicht der Wahlprüfungsausschuss die besondere Bedeutung der Auswahl und Einrich-
tung barrierefreier Wahlräume, um die Teilnahme an der Wahl auch für Menschen mit Mobil-
itätsbeeinträchtigung so einfach wie möglich zu gestalten. Er erwartet deshalb, dass die
Wahlbehörden möglichst nur barrierefreie Wahlräume auswählen und einrichten und sich
weiter um eine zielgenaue und adressatenangemessene Information der Wählerinnen und
Wähler hierüber bemühen.

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 47 - Drucksache 17/3100

Anlage 10

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn Dr. R. S., 11020 Berlin
- Az.: WP 59/09 -

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 30. September 2010 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 7. Oktober 2009, das beim Deutschen Bundestag am 16. Oktober 2009
eingegangen ist, hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum
17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 eingelegt.

Der als Diplomat im Ausland lebende Einspruchsführer beanstandet, dass er seine beantragten
Briefwahlunterlagen nicht erhalten habe. Bereits bei der Europawahl 2009 seien die Brief-
wahlunterlagen seiner Ehefrau nicht zugegangen. Die Gemeinde Schöneiche bei Berlin, in der
beide zuletzt ihren Wohnsitz hatten und in deren Wählerverzeichnis sie eingetragen seien,
habe ihnen telefonisch versichert, dass ihre Briefwahlunterlagen am Tag des Telefonats kor-
rekt adressiert abgeschickt worden seien. Ein Briefermittlungsauftrag bei der Deutschen Post
habe jedoch ergeben, dass die Sendung nicht aufzufinden gewesen sei. Bei der Kurierstelle
des Auswärtigen Amtes würden Briefwahlunterlagen nicht registriert, sodass sie nicht nach-
verfolgt werden könnten. Zwar sei es möglich, dass die Kurierstelle des Auswärtigen Amtes
die Sendung mit den Briefwahlunterlagen des Einspruchsführers an eine falsche Auslandsver-
tretung weitergeleitet habe. Dies erkläre jedoch nicht, warum die Briefwahlunterlagen der
Ehefrau für die Europawahl 2009 noch nicht zugegangen seien. Außerdem stelle sich die Fra-
ge, wo die angeblich versandten Briefwahlunterlagen geblieben seien. Es sei möglich, dass sie
zur unbefugten Stimmabgabe verwendet worden seien, was sich anhand der dem Stimmzettel
beiliegenden eidesstattlichen Versicherung feststellen lasse. Da binnen weniger Monate in

Drucksache 17/3100 - 48 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

zwei Fällen beantragte Briefwahlunterlagen dem Einspruchsführer und seiner Ehefrau nicht
zugegangen seien, sei nicht von einem Einzelfall auszugehen. Weil die Einspruchsfrist für die
Europawahl 2009 bereits abgelaufen sei, richte sich sein Einspruch ausschließlich gegen die
Bundestagswahl 2009.

Zu diesem Wahleinspruch hat der Landeswahlleiter des Landes Brandenburg unter Einbezie-
hung des zuständigen Kreiswahlleiters wie folgt Stellung genommen: Der Antrag des Ein-
spruchsführers auf Übersendung von Briefwahlunterlagen sei in der Gemeinde Schöneiche
am 10. Juli 2009 eingegangen. Am 26. August 2009 seien die beantragten Briefwahlunterla-
gen mit der Deutschen Post AG versandt worden. Im Rahmen der Prüfung der Angelegenheit
sei allerdings aufgefallen, dass der zuständigen Mitarbeiterin ein Fehler bei der Adressierung
unterlaufen sei. Anstelle der Postleitzahl „11020“ sei beim Versand der Briefwahlunterlagen
für den Einspruchsführer die Postleitzahl „1120“ angegeben worden. Ein von der Gemeinde
Schöneiche bei der Deutschen Post AG gestellter Nachforschungsauftrag habe kein Ergebnis
gebracht. Auch sei bislang keine Rücksendung der Unterlagen durch die Deutsche Post AG
erfolgt. Da ein auf den Einspruchsführer ausgestellter Wahlschein im Rahmen der Briefwahl
nicht eingegangen sei, könne ein Missbrauch der Wahlunterlagen aber ausgeschlossen wer-
den.

Dem Einspruchsführer ist die Stellungnahme bekannt gegeben worden. Er hat sich hierzu
nicht mehr geäußert.

Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf den Akteninhalt Bezug genom-
men.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Die falsche Adressierung der Briefwahlunterlagen des Einspruchsführers durch die Gemeinde
Schöneiche stellt einen Wahlfehler dar. Gemäß § 28 Absatz 4 Satz 1 der Bundeswahlordnung
werden Wahlschein und Briefwahlunterlagen dem Wahlberechtigten an seine Wohnanschrift
übersandt oder amtlich überbracht, soweit sich aus dem Antrag keine andere Anschrift oder
die Abholung der Unterlagen ergibt. Statt der vom Einspruchsführer in seinem Antrag ange-
gebenen Postleitzahl „11020“ wurden seine Briefwahlunterlagen jedoch von der Gemeinde –
offensichtlich versehentlich – mit der Postleitzahl „1120“ versehen. Auch wenn der Verbleib
der Unterlagen nicht mit letzter Sicherheit aufgeklärt werden kann, geht der Wahlprüfungs-
ausschuss davon aus, dass diese fehlerhafte Adressierung der Grund für die Nichtzustellung
der Unterlagen war. Die Befürchtung des Einspruchsführers, seine Briefwahlunterlagen könn-

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 49 - Drucksache 17/3100

ten von einem Dritten zur unbefugten Stimmabgabe verwendet worden sein, wird hingegen
dadurch widerlegt, dass im Rahmen der Briefwahl kein für den Einspruchsführer ausgestellter
Wahlschein eingegangen ist, wie der Landeswahlleiter des Landes Brandenburg festgestellt
hat.

Der oben festgestellte Wahlfehler kann dem Einspruch des Einspruchsführers allerdings nicht
zum Erfolg verhelfen. Denn nach ständiger Praxis des Wahlprüfungsausschusses sowie stän-
diger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts können nur solche Wahlfehler einen
Wahleinspruch erfolgreich begründen, die auf die Mandatsverteilung von Einfluss sind oder
hätten sein können (vgl. nur BVerfGE 89, 243, 254; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage
20; 17/1000, Anlagen 10, 15, 19 und 22). Die Stimme des Einspruchsführers hätte das Ergeb-
nis der Bundestagswahl aber nur so geringfügig verändert, dass ein Einfluss auf die Sitzvertei-
lung im Deutschen Bundestag ausgeschlossen werden kann. Der Wahlprüfungsausschuss er-
wartet allerdings, dass die Gemeinden bei der Bearbeitung von Briefwahlunterlagen besonde-
re Sorgfalt walten lassen und zudem sicherstellen, dass die mit dem Transport der Unterlagen
beauftragten Postdienstleister nichtzustellbare Unterlagen unverzüglich zur weiteren Nachfor-
schung zurück senden.

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 51 - Drucksache 17/3100

Anlage 11

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn P. L., 40470 Düsseldorf
- Az.: WP 62/09 -

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 30. September 2010 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 16. Oktober 2009, das am 19. Oktober 2009 beim Deutschen Bundestag
eingegangen ist, hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum
17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 eingelegt.

Der Einspruchsführer wendet sich gegen eine von der Stadt Düsseldorf im Rahmen des Ju-
gendprojekts „JuniorWahlen“ veranlasste, in Vorräumen und Fluren vor Wahlräumen durch-
geführte Befragung von Wählerinnen und Wählern über ihr Stimmverhalten. Diese Befragung
sei von jungen Menschen „in blauen Hemden“, die den Einspruchsführer an die „Blauhemden
der FDJ-Wahlhelfer in der ehemaligen DDR“ erinnert hätten, durchgeführt worden. Sie ver-
stoße gegen § 32 Absatz 1 des Bundeswahlgesetzes (BWG), wonach jede Beeinflussung der
Wählerinnen und Wähler in Wahlgebäuden verboten sei.
Seinem Einspruch hat der Einspruchsführer unter anderem einen mit der Stadt Düsseldorf
geführten Schriftwechsel und einen Zeitungsartikel aus der „Rheinischen Post“ vom 31. Au-
gust 2009, der über eine Wählerbefragung im Rahmen desselben Projekts bei der nordrhein-
westfälischen Kommunalwahl am 30. August 2009 berichtet und Fotos von zwei Teilnehmern
in blauem T-Shirt mit der Aufschrift „Befragung der Wählerinnen und Wähler – Projekt Juni-
orWahlen“ zeigt, beigefügt. In einem mit übersandten, an den Einspruchsführer gerichteten
Schreiben des Amts für Statistik und Wahlen der Stadt Düsseldorf vom 16. September 2009
wird erläutert, dass die Wählerbefragung im Rahmen des Projekts „JuniorWahlen“ nach der

Drucksache 17/3100 - 52 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

Wahlhandlung, freiwillig und anonym erfolge und daher keine Wählerbeeinflussung im Sinne
des § 32 Absatz 1 BWG darstelle.

Zu diesem Wahleinspruch hat die Landeswahlleiterin des Landes Nordrhein-Westfalen Stel-
lung genommen: Sie ist der Ansicht, dass es rechtlich zulässig sei, Wählerinnen und Wähler,
die bereits gewählt hätten, über ihr Stimmverhalten zu befragen. Derartige Wählerbefragun-
gen stellten nach ihrer Absicht und Wirkung keine Beeinflussung von Wählern, die noch nicht
gewählt hätten, dar und seien daher vom Verbot der Wählerbeeinflussung gemäß § 32 Absatz
1 BWG nicht erfasst. Verboten sei gemäß § 32 Absatz 2 BWG lediglich die Veröffentlichung
der Ergebnisse von Wählerbefragungen nach der Stimmabgabe über den Inhalt der Wahlent-
scheidung vor Ablauf der Wahlzeit. Eine Verletzung der Verfassungsgrundsätze der allge-
meinen, freien oder gleichen Wahl sei vorliegend nicht ersichtlich. Der Einspruchsführer habe
keine konkreten Umstände dafür vorgetragen, dass Wahlberechtigte, die von ihrem Wahlrecht
erst noch Gebrauch machen wollten, durch die Befragung vor dem Wahlraum von Personen,
die bereits gewählt hätten, am Zutritt zum Wahlraum gehindert worden seien.

Dem Einspruchsführer ist die Stellungnahme bekannt gegeben worden. Er hat sich hierzu wie
folgt geäußert: Die Ausführungen der Landeswahlleiterin hätten mit seinem Einspruch nichts
zu tun. Der Einspruchsführer habe nicht die Zulässigkeit von Wählerbefragungen nach einer
Wahl in Frage gestellt. Er habe auch nicht behauptet, dass eine Befragung von Wählerinnen
und Wählern, die noch nicht gewählt hätten, die Verfassungsgrundsätze verletzten oder dass
Wählerinnen und Wähler am Zutritt zum Wahlraum gehindert worden seien. Sein Wahlein-
spruch richte sich gegen die Durchführung einer Wählerbefragung bei der Bundestagswahl
am 27. September 2009 im Rahmen des Projektes „JuniorWahlen“ innerhalb des Gebäudes, in
dem sich der Wahlraum befand. Er empfiehlt, den Befragungsbogen als Beweismittel anzu-
fordern.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten Be-
zug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Die vom Einspruchsführer beanstandete Wählerbefragung im Rahmen eines Jugendprojekts
stellt keinen Wahlfehler dar, denn sie verstößt, anders als der Einspruchsführer meint, weder
gegen das Verbot der Wählerbeeinflussung gemäß § 32 Absatz 1 BWG noch gegen sonstige
Wahlrechtsgrundsätze.
§ 32 Absatz 1 BWG verbietet während der Wahlzeit in und an dem Gebäude, in dem sich der
Wahlraum befindet, jede Art von Wählerbeeinflussung durch Wort, Ton, Schrift oder Bild,

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 53 - Drucksache 17/3100

sowie jede Unterschriftensammlung. Dieses Verbot dient der Verwirklichung der in Artikel
38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) und § 1 Absatz 1 Satz 2 BWG niedergelegten
Grundsätze der freien und gleichen Wahl (vgl. Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Auflage,
2009, § 32 Rn. 1). Der Grundsatz der Wahlfreiheit schützt den Wahlberechtigten bzw. Wähler
vor Beeinflussungen, die geeignet sind, seine Entscheidungsfindung und letztlich seine Wahl-
entscheidung in unzulässiger Weise ernsthaft zu beeinträchtigen (vgl. Schreiber, a. a. O., § 1
Rn. 20). In Verbindung mit dem Grundsatz der geheimen Wahl aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 1
GG und § 1 Absatz 1 Satz 2 BWG besagt er nach ständiger Rechtsprechung des Bundesver-
fassungsgerichts, dass jeder Wahlberechtigte sein aktives Wahlrecht ohne (physischen)
Zwang, (psychologischen) Druck oder sonstige unzulässige direkte oder indirekte Einfluss-
nahme auf die Entschließungsfreiheit – durch die öffentliche Hand, von privater Seite oder
durch Wähler oder sonstige Institutionen oder gesellschaftliche Gruppierungen – ausüben
können muss (BVerfGE 7, 63, 69; 15, 165, 166; 47, 253, 282 f.; 66, 369, 380; 95, 335. 350;
103, 111, 132 f.). Ferner darf während des Wahlaktes keine Beeinflussung und nach der Wahl
keine wie auch immer geartete Kontrolle des Inhalts der einzelnen Stimmabgabe erfolgen
(Schreiber, a. a. O., § 1 Rn 20).

Die vom Einspruchsführer monierte Durchführung einer Befragung von Wählerinnen und
Wählern im Rahmen des Projekts „JuniorWahlen“ stellt schon deswegen keine nach § 32 Ab-
satz 1 BWG unzulässige Wählerbeeinflussung dar, weil die teilnehmenden Wählerinnen und
Wähler zum Zeitpunkt der Befragung ihre Stimme bereits abgegeben hatten, sodass ein wie
auch immer gearteter Einfluss der Befragung auf die Wahlentscheidung der Befragten mit
Sicherheit auszuschließen ist. Da die Teilnahme an der Befragung freiwillig und anonym er-
folgte, handelt es sich auch nicht um eine in die Grundsätze einer freien und geheimen Wahl
eingreifende Kontrolle des Inhalts der einzelnen Stimmabgabe. Wegen der Anonymität der
Befragung kann zudem ausgeschlossen werden, dass die Befragten ihre Unterschrift abgeben
mussten, so dass auch keine nach § 32 Absatz 1 BWG unzulässige Unterschriftensammlung
vorliegt.
Unabhängig von den bei dem Einspruchsführer im Einzelfall geweckten Assoziationen ist für
den Wahlprüfungsausschuss auch nicht ersichtlich, inwiefern die Tatsache, dass die Jugendli-
chen blaue T-Shirts trugen, die sie als Teilnehmer des Projekts „JuniorWahlen“ auswiesen,
Wähler in ihrer Wahlhandlung beeinflusst haben könnte. Eine sonstige Beeinflussung oder
Beeinträchtigung von Wählern durch die Befragung hat der Einspruchsführer nicht behauptet,
Anhaltspunkte hierfür oder für einen Verstoß gegen andere Vorschriften des Bundeswahlge-
setzes oder andere Wahlrechtsvorschriften sind auch nicht ersichtlich. Die vom Einspruchs-
führer angeregte Beiziehung des verwendeten Fragebogens konnte daher unterbleiben.

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 55 - Drucksache 17/3100

Anlage 12

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

der Frau K. S., 61137 Schöneck
- Az.: WP 65/09 -

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 30. September 2010 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem an den Bundeswahlleiter gerichteten Schreiben vom 2. Oktober 2009, das nach
Weiterleitung durch diesen am 21. Oktober 2009 beim Deutschen Bundestag eingegangen ist,
hat die Einspruchsführerin Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bun-
destag am 27. September 2009 eingelegt.

Zur Begründung trägt die Einspruchsführerin vor, dass die effektive Wahlbeteiligung bei un-
ter 50 Prozent gelegen habe. Sie ist der Ansicht, die zur Wahlbeteiligung veröffentlichten
Zahlen beruhten auf nicht repräsentativen Hochrechnungen ausgewählter Wahlbezirke. Wei-
ter trägt sie vor, die „Pariser Außenministerkonferenz unter Führung der hauptalliierten Sie-
germacht USA“ habe 1990 ausdrücklich den Geltungsbereich des Grundgesetzes aufgehoben,
wodurch die Bundesrepublik Deutschland erloschen sei. Diese sei eine „private Gründungs-
initiative ohne Staatscharakter“, für deren Gebiet weiterhin die „Militärgesetze SHAEF“
(Hauptquartier der alliierten Streitkräfte) Geltung hätten. Wegen der Einzelheiten des Vor-
trags der Einspruchsführerin wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet. Ein Wahlfehler liegt nicht vor.

Drucksache 17/3100 - 56 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

Soweit die Einspruchsführerin moniert, die Wahlbeteiligung habe weniger als 50 Prozent be-
tragen, unterliegt sie einem zweifachen Irrtum. Zum einen beruht die gemäß § 78 Absatz 2
Satz 1, § 79 Absatz 1 Nummer 3 der Bundeswahlordnung (BWO) vom Bundeswahlausschuss
festgestellte und vom Bundeswahlleiter im Rahmen der Bekanntmachung der endgültigen
Wahlergebnisse mitgeteilte Wahlbeteiligung nicht, wie die Einspruchsführerin meint, auf
hochgerechneten Stichproben, sondern auf der gemäß § 67 ff. BWO ermittelten Zahl der
Wählerinnen und Wähler in allen Wahlbezirken, Wahlkreisen und Ländern. Die auf diesem
Wege ermittelte und bekanntgemachte Wahlbeteiligung bei der Wahl zum 17. Deutschen
Bundestag lag zudem bei 70,8 Prozent und damit deutlich über den von der Einspruchsführe-
rin behaupteten 50 Prozent. Ergänzend ist festzustellen, dass es keine Wahlrechtsvorschrift
gibt, die eine Mindestwahlbeteiligung bei der Bundestagswahl vorsieht.
Die Ausführungen der Einspruchsführerin über ein angebliches Erlöschen der Bundesrepublik
Deutschland als Staat lassen ebenfalls keinen Verstoß gegen wahlrechtliche Vorschriften er-
kennen. Die von der Einspruchsführerin vorgetragene These ist aus Sicht des Wahlprüfungs-
ausschusses nicht nachvollziehbar; auf eine weitere inhaltliche Auseinandersetzung wird im
Rahmen des Wahlprüfungsverfahrens verzichtet.

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 57 - Drucksache 17/3100

Anlage 13

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn V. G., 09600 Weißenborn
- Az.: WP 73/09 -

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 30. September 2010 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 22. Oktober 2009, das am 27. Oktober 2009 beim Deutschen Bundestag
eingegangen ist, hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum
17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 eingelegt.

Der Einspruchsführer wendet sich gegen die Sitzverteilung im 17. Deutschen Bundestag.
Nach Auffassung des Einspruchsführers müssten die Parteien prozentual so viele Sitze im
Deutschen Bundestag erhalten, wie es ihrem bei den Zweitstimmen erreichten Prozentsatz
entspreche. Die Fraktionen der CDU/CSU und der FDP verfügten zusammen jedoch über 332
Sitze oder 53,4 Prozent der 622 Sitze, obwohl sie zusammen nur 48,4 Prozent der Zweitstim-
men erreicht hätten, was 301 Sitzen entsprochen hätte.
Der Einspruchsführer führt aus, dass durch die Behandlung der Stimmen für Parteien, die un-
ter die Fünf-Prozent-Klausel fielen, und durch die Regelungen zu den sogenannten Über-
hangmandaten eine Verschiebung stattfinde, die dazu führe, dass der Wählerwille bzw. das
Zweitstimmenergebnis in der Sitzverteilung im Deutschen Bundestag nicht richtig wiederge-
geben werde. Die Zweitstimmen, die auf Parteien mit einem Stimmenanteil unter fünf Prozent
entfielen, würden unzulässigerweise auf die im Bundestag vertretenen Parteien verteilt und
die Überhangmandate einfach zu den sich aus dem Zweitstimmenanteil ergebenden Mandaten
hinzugefügt. Dies führe dazu, dass eine Parteienkoalition, die eine Minderheit der Zweitstim-
men erhalten habe, über eine Mehrheit der Mandate im Parlament verfüge. Es sei fraglich, ob

Drucksache 17/3100 - 58 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

dies rechtens sein könne. Erschwerend komme hinzu, dass die CDU die verfassungswidrigen
Regelungen des Bundeswahlgesetzes ausgenutzt habe, indem sie ihren Wählern vor der Wahl
empfohlen habe, mit der Erststimme die CDU und mit der Zweitstimme die FDP zu wählen,
um Überhangmandate zu erzielen. Hierbei handele es sich um eine Manipulation der Wähler
und des Wahlausgangs, die nicht im Einklang mit demokratischen Gepflogenheiten stehe. Die
Situation sei umso bedauerlicher, als das Bundesverfassungsgericht bereits im Juli 2008 ver-
fassungsrechtliche Mängel im Bundeswahlgesetz festgestellt habe, die abgestellt werden
müssten. Obwohl das Gericht dafür eine Frist bis zum Jahr 2011 gesetzt habe, wäre es aus
Sicht des Einspruchsführers ohne weiteres möglich gewesen, diese Mängel im Bundeswahl-
gesetz im Vorfeld der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag abzustellen.
Schließlich unterbreitet der Einspruchsführer einen Vorschlag, wie durch eine Einbeziehung
von fiktiven Sitzen, die dem Zweitstimmenanteil der unter der Fünf-Prozent-Hürde gebliebe-
nen Parteien entsprächen und die bei Abstimmungen im Parlament als Stimmenthaltungen
mitgezählt würden, sowie einen Ausgleich der Überhangmandate eine dem Zweitstimmenan-
teil der im Bundestag vertretenen Parteien entsprechende Verteilung der Sitze im Deutschen
Bundestag herbeigeführt werden könnte.

Zur der von dem Einspruchsführer angesprochenen Frage der Fünf-Prozent-Sperrklausel hat
das Bundesministerium des Innern Stellung genommen und unter anderem darauf hingewie-
sen, dass das Bundesverfassungsgericht die Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel in
§ 6 Absatz 6 Satz 1 Alternative 1 des Bundeswahlgesetzes (BWG) in ständiger Recht-
sprechung für verfassungsgemäß erachte. Angesichts dieser Rechtsprechung sei der Wahlge-
setzgeber verfassungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden
Sitze auf die Landeslisten grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens
fünf vom Hundert der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten hätten
(§ 6 Absatz 6 Satz 1, Alternative 1 BWG). Es sei ihm mithin von Verfassungs wegen unbe-
nommen, gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die
Fünf-Prozent-Sperrklausel überwunden hätten, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant
zu werten (§ 42 BWG), nicht aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber könne also
ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle zu vergebenden Parlamentssitze auf die
Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel überwunden
hätten. Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlge-
setzgeber an der auf das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit
der Wahl zum 2. Deutschen Bundestag 1953 gelte, festgehalten. Denn eine Wahl habe nicht
nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wählerschaft
vorhandenen politischen Meinungen darstelle, sondern sie solle auch ein funktionsfähiges
Organ hervorbringen. Hierfür seien klare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl be-
wusste Mehrheiten in einer Volksvertretung für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben
unentbehrlich, die durch einen unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet seien.

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 59 - Drucksache 17/3100

Die Stellungnahme des Bundesministeriums des Innern ist dem Einspruchsführer bekannt
gegeben worden. Er hat darauf seinen Vortrag wiederholt und vertieft. Unter anderem erläu-
tert er, dass seiner Ansicht nach die Fünf-Prozent-Sperrklausel insofern ihre Berechtigung
habe, als sie verhindere, dass eine unübersichtliche Anzahl von Parteien im Deutschen Bun-
destag dessen Geschäftsfähigkeit gefährde. Er wende sich jedoch dagegen, dass das Ergebnis
der Bundestagswahl dadurch verfälscht werde, dass die gültigen Stimmen, die der Fünf-
Prozent-Sperrklausel unterliegen, so behandelt werden, als habe es sie nie gegeben. Diese
Stimmen würden einfach den im Bundestag vertretenen Parteien zugeschlagen. Hierin und in
dem aus seiner Sicht fehlerhaften Umgang mit den Überhangmandaten liege eine unzulässige
und verfassungswidrige Manipulation des Wahlergebnisses. Er behauptet, dass die Anwen-
dung der Fünf-Prozent-Klausel im schlimmsten Falle dazu führen könnte, dass von zwanzig
zu einer Wahl antretenden Parteien neunzehn ein Ergebnis knapp unterhalb der Fünf-Prozent-
Sperrklausel erzielen und daher eine einzige Partei mit beispielsweise 5,95 Prozent der Stim-
men sämtliche Sitze im Bundestag erhalte. Eine derartige Situation liege – in abgeschwächter
Form – bei der Sitzverteilung im 17. Deutschen Bundestag vor, die nicht dem Willen der
Wähler entspreche.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten Bezug
genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.
Der Vortrag des Einspruchsführers lässt keinen Wahlfehler erkennen, denn die vom ihm ge-
rügte Verteilung der Sitze im 17. Deutschen Bundestag verstößt nicht gegen wahlrechtliche
Vorschriften.
Die Forderung des Einspruchsführers, die Zusammensetzung des 17. Deutschen Bundestages
müsse exakt das Ergebnis der abgegeben Zweitstimmen widerspiegeln, entspricht nicht den
Vorgaben des geltenden Bundestagswahlrechts. Dieses sieht eine allgemeine, unmittelbare,
freie, gleiche und geheime Wahl nach den Grundsätzen einer mit der Personenwahl verbun-
denen Verhältniswahl vor, § 1 Absatz 1 Satz 2 BWG. Von den 598 Abgeordneten, aus denen
der Deutsche Bundestag vorbehaltlich der sich aus dem Gesetz ergebenden Abweichungen
besteht, werden – was der Einspruchsführer offenbar übersieht - 299 nach Kreiswahlvorschlä-
gen in den Wahlkreisen und die Übrigen nach Landeswahlvorschlägen (Landeslisten) ge-
wählt, § 1 Absatz 2 BWG. Dafür hat gemäß § 4 BWG jeder Wähler zwei Stimmen, eine Erst-
stimme für die Wahl eines Wahlkreisabgeordneten und eine Zweitstimme für die Wahl einer
Landesliste.

Drucksache 17/3100 - 60 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

Die vom Einspruchsführer kritisierte Differenz zwischen dem Zweitstimmenanteil der Partei-
en und der Sitzverteilung im 17. Deutschen Bundestag beruht auf der - zutreffenden - Anwen-
dung des Bundeswahlgesetzes. Zum einen folgt sie, wie er richtig erkannt hat, aus dem Ent-
stehen von 24 sogenannten Überhangmandaten. Hierbei handelt es sich um Sitze, die eine
Partei in den Wahlkreisen errungen hat und die ihr gemäß § 6 Absatz 5 Satz 1 BWG auch
dann verbleiben, wenn sie die nach dem Ergebnis der für die Landeslisten abgegebenen
Zweitstimmen ermittelte Mandatszahl übersteigen. In einem solchen Fall sieht das Gesetz
ausdrücklich eine Erhöhung der Gesamtzahl der Sitze im Deutschen Bundestag um die Unter-
schiedszahl ohne weiteren Ausgleich vor, § 6 Absatz 5 Satz 2 BWG. Diese Regelung hat das
Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 10. April 1997 (BVerfGE 95, 335 ff.) grund-
sätzlich für verfassungsgemäß erachtet. Im Rahmen der ihm vom Bundesverfassungsgericht
aus einem anderen Grund aufgegebenen Änderung des Bundeswahlgesetzes bis zum 30. Juni
2011 (Urteil vom 3. Juli 2008, BVerfGE 121, 266 ff.) wird der Gesetzgeber über die Berech-
nung der Sitzzuteilung bei künftigen Wahlen neu entscheiden.
Wenn der Einspruchsführer in diesem Zusammenhang meint, das Bundeswahlgesetz hätte
„bei gutem Willen“ ohne weiteres bereits im Vorfeld der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
geändert werden können, verkennt er den Inhalt des genannten Urteils des Bundesverfas-
sungsgerichts. Dieses hat die dem Gesetzgeber gesetzte Frist bis zum 30. Juni 2011 gerade
damit begründet, dass es im Hinblick auf die hohe Komplexität des Regelungsauftrags und
unter Berücksichtigung der gesetzlichen Fristen zur Vorbereitung einer Bundestagswahl un-
angemessen erscheine, dem Gesetzgeber aufzugeben, das Wahlrecht rechtzeitig vor Ablauf
der 16. Wahlperiode zu ändern. Denn das reguläre Gesetzgebungsverfahren hätte in diesem
Fall bis spätestens im April 2009 abgeschlossen sein müssen, damit das neue Recht bei den
Vorbereitungen zur Wahl zum 17. Deutschen Bundestag hätte berücksichtigt werden können.
Ein derart kurzer Zeitraum berge aber die Gefahr, dass die Alternativen nicht in der notwen-
digen Weise bedacht und erörtert werde können. Es könne daher hingenommen werden, dass
die Verteilung der Sitze im 17. Deutschen Bundestag nach den bestehenden gesetzlichen Re-
gelungen erfolge (BVerfGE 121, 266, 315 f.).
Soweit der Einspruchsführer kritisiert, dass Parteien für eine Aufteilung von Erst- und Zweit-
stimme auf unterschiedliche Parteien geworben hätten, liegt ebenfalls kein Verstoß gegen
wahlrechtliche Vorschriften vor. Das sogenannte Stimmensplitting ist im geltenden Wahlrecht
zugelassen, seine Möglichkeit dem Zweistimmenwahlsystem gleichsam immanent (vgl. Bun-
destagsdrucksache 13/3928, Anlage 22; Schreiber, Kommentar zum BWG, § 4 Rn. 2 und 5).

Zum anderen bilden sich auch deshalb nicht sämtliche abgegebenen Zweitstimmen in Sitzen
im 17. Deutschen Bundestag ab, weil Parteien, die das in § 6 Absatz 6 Satz 1 BWG vorgese-
hene Quorum von mindestens fünf Prozent der Zweitstimmen oder drei Direktmandaten nicht
erreicht haben, bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nicht berücksichtigt werden,
was der Einspruchsführer durchaus richtig erkannt hat. Die Verfassungsmäßigkeit dieser Re-
gelung wird vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung bestätigt (vgl. zu-

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 61 - Drucksache 17/3100

letzt BVerfGE 122, 304, 314 f. mit weiteren Nachweisen; s. auch Bundestagsdrucksache
16/900, Anlage 14). Wie das Bundesministerium des Innern in seiner Stellungnahme zutref-
fend ausgeführt hat, bedeutet dies auch, dass der Wahlgesetzgeber alle zu vergebenden Par-
lamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen darf, die die Sperrklausel
überwunden haben. Anders als der Einspruchsführer meint, werden die auf die übrigen Partei-
en entfallenen Wählerstimmen jedoch nicht einfach den im Deutschen Bundestag vertretenen
Parteien zugeschlagen. Die Zahl der von ihnen errungenen Stimmen wird vielmehr bei der
Feststellung des vorläufigen und des endgültigen Wahlergebnisses festgehalten und veröffent-
licht (vgl. § 42 Abs. 1 BWG sowie §§ 76 ff. der Bundeswahlordnung – BWO -, insbesondere
§ 76 Absatz 2 Satz 1 Ziff. 6, § 77 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 4 und § 78 Absatz 2 Satz 1 Ziff. 4 und
5b) und spielt beispielsweise für die Teilnahme an der staatlichen Parteienfinanzierung eine
Rolle.

Soweit der Einspruchsführer einen eigenen Vorschlag zur Änderung der Regelungen über die
Sitzverteilung im Deutschen Bundestag unterbreitet, ist dem nicht im Rahmen der Wahlprü-
fung nachzugehen, die allein auf die Feststellung von Wahlfehlern und deren Relevanz für die
Verteilung der Mandate beschränkt ist (Bundestagsdrucksache 17/2200, Anlage 13).

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 63 - Drucksache 17/3100

Anlage 14

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn M. S., 96247 Michelau
- Az.: WP 75/09 -

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 30. September 2010 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem an den Bundeswahlleiter gerichteten Schreiben vom 18. Oktober 2009, das nach
Weiterleitung beim Deutschen Bundestag am 28. Oktober 2009 eingegangen ist, hat der Ein-
spruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag am
27. September 2009 eingelegt.

Der Einspruchsführer ist der Auffassung, dass jeder Wähler für die Teilnahme an der Wahl
durch eine Staatsangehörigkeitsurkunde (Staatsangehörigkeitsausweis) einen Nachweis über
die deutsche Staatsangehörigkeit hätte führen müssen. Nach § 12 Absatz 1 des Bundeswahl-
gesetzes (BWG) seien alle Deutschen im Sinne des Artikels 116 Absatz 1 des Grundgesetzes
(GG) wahlberechtigt. Nach Ansicht des Einspruchsführer hätten jedoch, da kein Wähler seine
Staatsangehörigkeit nachgewiesen habe, keine Deutschen, sondern nur „vermutete Deutsche“
gewählt. Insbesondere beanstandet er die Teilnahme von Wählern in Bayern, da seiner An-
sicht nach Bayern „keine Staatsangehörigkeit“ habe. Der Einspruchsführer vertritt die Auffas-
sung, die von den Gemeinden geführten Wählerverzeichnisse beruhten auf den Personalaus-
weisen oder Reisepässen, die den Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit nicht beweisen,
sondern nur vermuten lassen könnten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der
Akten Bezug genommen.

Drucksache 17/3100 - 64 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Der Vortrag des Einspruchsführers lässt keinen Wahlfehler erkennen.
Im Hinblick auf die von ihm thematisierten Frage der Wahlberechtigung weist der Ein-
spruchsführer zwar zutreffend auf § 12 BWG hin, der die Wahlberechtigung für die Wahl
zum Deutschen Bundestag an die Deutscheneigenschaft im Sinne des Artikels 116 Absatz 1
GG knüpft. Danach ist Deutscher vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung, wer die
deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszu-
gehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiete des Deutschen Rei-
ches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat. Erwerb und Verlust
der deutschen Staatsangehörigkeit sind insbesondere im Staatsangehörigkeitsgesetz vom
22. Juli 1913, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 5. Februar 2009 (BGBl. I
S. 158), geregelt.
Der Einspruchsführer unterliegt jedoch einem Irrtum, wenn er meint, jeder Wähler habe für
die Teilnahme an der Wahl den Nachweis über seine Staatsangehörigkeit zu führen. Gemäß
§ 14 Absatz 1 BWG kann wählen, wer in ein Wählerverzeichnis eingetragen ist oder einen
Wahlschein hat. Die Stimmabgabe im Wahllokal erfolgt dann gemäß dem in § 56 der Bun-
deswahlordnung (BWO) vorgesehenen Ablauf. Dabei kann der Wahlvorstand die Vorlage der
Wahlbenachrichtigung anordnen (§ 56 Absatz 1 BWO) sowie verlangen, dass der Wähler sich
über seine Person ausweist, insbesondere wenn er seine Wahlbenachrichtigung nicht vorlegt
(§ 56 Absatz 3 BWO). Die Vorlage eines Nachweises über die Staatsangehörigkeit, die der
Einspruchsführer fordert, ist hingegen nicht vorgesehen, ein derartiges Verlangen durch den
Wahlvorstand wäre daher sogar unzulässig.
Auch die Behauptung des Einspruchsführers, in den Wählerverzeichnissen für die Wahl zum
Deutschen Bundestag seien Personen eingetragen gewesen, die nicht Deutsche und damit
nicht wahlberechtig gewesen seien, entbehrt jeder tatsächlichen Grundlage. Die Führung der
Wählerverzeichnisse ist in § 14 ff. BWO geregelt. Gemäß § 16 Absatz 7 BWO ist vor der
Eintragung einer Person in das Wählerverzeichnis zu prüfen, ob die Wahlrechtsvoraussetzun-
gen nach den §§ 12 und 13 BWG – und damit auch die deutsche Staatsangehörigkeit – vorlie-
gen. Die Vorlage eines Personalausweises oder Reisepasses ist danach für eine Eintragung in
das Wählerverzeichnis – anders als der Einspruchsführer offenbar meint – nicht ausreichend.
Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass in die Wählerverzeichnisse für die Wahl zum 17. Deut-
schen Bundestag Personen eingetragen worden sind, die nicht Deutsche im Sinne des Artikels
116 Absatz 1 GG und daher nicht gemäß § 12 BWG wahlberechtigt waren, hat der Ein-
spruchsführer allerdings nicht vorgetragen. Auch seine Behauptung, Bayern hätten keine oder
jedenfalls nicht die deutsche Staatsangehörigkeit, entbehrt jeder rechtlichen Grundlage.

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 65 - Drucksache 17/3100

Anlage 15

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn W. S., 64754 Hesseneck
- Az.: WP 76/09 -

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 30. September 2010 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 25. Oktober 2009, das am 28. Oktober 2009 beim Deutschen Bundestag
eingegangen ist, hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum
17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 eingelegt und die Begründung seines Ein-
spruchs mit einem am 27. November 2009 beim Deutschen Bundestag eingegangenen Fax
ergänzt.

Der Einspruchsführer beanstandet, dass weder die CSU noch die CDU Wahlvorschläge in
allen 16 Bundesländern eingereicht hätten. Vielmehr habe die CSU nur in Bayern und die
CDU nur in den übrigen 15 Bundesländern gewählt werden können. Diese Praxis stelle eine
Ausgrenzung derjenigen Wähler dar, die außerhalb Bayerns die CSU bzw. in Bayern die CDU
wählen wollten. Sie sei rechts- und verfassungswidrig. Nach Artikel 20 Absatz 2 des Grund-
gesetzes (GG) gehe alle Staatsgewalt vom Volke aus. Das Volk bestehe aus Wählerinnen und
Wählern aller 16 Bundesländer. Weder die CDU noch die CSU seien jedoch durch das „ge-
samte deutsche Volk“ legitimiert worden, da beide Parteien nicht in allen 16 Bundesländern
wählbar gewesen seien. Hierin liege ein Verstoß gegen Artikel 20 sowie gegen Artikel 1 bis
19 GG und „wahlrechtliche Grundrechte“. Zudem gäben die beiden Parteien nach der Wahl
im Deutschen Bundestag und bei der Bildung der Bundesregierung mit der öffentlichen Dar-
stellung als „CDU/CSU“ wahrheitswidrig vor, vom ganzen deutschen Volk in allen 16 Bun-
desländern als „gemeinsame Union“ gewählt und legitimiert zu sein. Wegen der weiteren

Drucksache 17/3100 - 66 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

Einzelheiten des Vortrags des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten Bezug ge-
nommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Ein Wahlfehler liegt nicht vor, denn es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass Wahlvorschlä-
ge der CSU nur in Bayern und Wahlvorschläge der CDU nur in den anderen 15 Bundeslän-
dern gewählt werden konnten, wie dem Einspruchsführer bereits mehrfach auf Einsprüche
gegen frühere Wahlen mit im Wesentlichen gleicher Begründung mitgeteilt wurde (Bundes-
tagsdrucksachen 15/1850, Anlage 39; 16/5700, Anlage 1). Die Darstellung des Einspruchs-
führers, der Wähler votiere für eine Partei, ist wahlrechtlich gesehen verkürzt, denn tatsäch-
lich wählt der Wähler gemäß § 4 des Bundeswahlgesetzes (BWG) mit seiner Erststimme ei-
nen Wahlkreisbewerber und mit der Zweitstimme eine Landesliste. Dabei können Kreiswahl-
vorschläge von Parteien und Wahlberechtigten eingereicht werden, § 18 Absatz 1 BWG, wäh-
rend Landeslisten nur von Parteien eingereicht werden können, § 27 Absatz 1 Satz 1 BWG.
Ob und ggf. in welchen Wahlkreisen bzw. Ländern Parteien Kreiswahlvorschläge bzw. Lan-
deslisten einreichen, wird durch § 18 ff. BWG in ihr Ermessen gestellt. Eine Partei kann ge-
mäß § 18 Absatz 5 BWG in jedem Wahlkreis nur einen Kreiswahlvorschlag und in jedem
Land nur eine Landesliste einreichen, sie muss aber nicht in jedem Land einen Kreiswahlvor-
schlag bzw. eine Landesliste einreichen (vgl. Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlage 39;
16/5700, Anlage 1). Die Wählerinnen und Wähler haben dagegen keinen Anspruch darauf,
dass eine Partei Wahlvorschläge in allen Bundesländern einreicht (Bundestagsdrucksache
15/1850, Anlage 39).
Es ist darauf hinzuweisen, dass, soweit der Einspruchsführer mit seiner Rüge, CDU und CSU
seien nicht durch das „gesamte deutsche Volk“ gewählt und legitimiert worden, die Wählbar-
keit eines Wahlvorschlags im gesamten Bundesgebiet erstrebt, dies auch nicht dadurch ver-
wirklicht worden wäre, dass CDU und CSU in allen Bundesländern mit Kreiswahlvorschlä-
gen und Landeslisten zur Wahl gestanden hätten. Denn auf jedem Kreiswahlvorschlag und auf
jeder Landesliste einer Partei stehen andere Personen (§ 20 Absatz 1 Satz 2, § 27 Absatz 4
Satz 1 BWG), so dass nie derselbe Wahlvorschlag im ganzen Bundesgebiet wählbar ist. Bun-
desweite Wahlvorschläge sieht das Bundeswahlgesetz nicht vor.
Wahlrechtlich unerheblich ist die Praxis in den Medien, wonach die Wahlergebnisse von
CDU und CSU bei Bundestagswahlen in aller Regel zusammengezählt und als ein gemeinsam
erzieltes Ergebnis dargestellt werden (Bundestagsdrucksache 13/3531, Anlage 31). Soweit der
Einspruchsführer ein angebliches öffentliches Auftreten der Parteien als „CDU/CSU“ im
Deutschen Bundestag rügt, verkennt er im Übrigen, dass hiermit die CDU/CSU-
Bundestagsfraktion bezeichnet wird, bei der es sich um eine Fraktionsgemeinschaft der Ab-

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 67 - Drucksache 17/3100

geordneten der CDU und CSU im Sinne des § 10 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Deut-
schen Bundestages handelt.
Soweit der Einspruchsführer verfassungsrechtliche Bedenken gegen die dargestellte einfach-
gesetzliche Rechtslage geltend macht, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprü-
fungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit von Wahlrechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine
derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten worden (vgl. Bundes-
tagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28, 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen
1, 13 bis 20, 23 und 24 mit weiteren Nachweisen), das diese Praxis auch stets bestätigt hat, da
dem Bundestag insofern die Verwerfungskompetenz fehle (vgl. BVerfGE 89, 291, 300; 121,
266, 290; 122, 304, 307). Davon abgesehen sieht der Wahlprüfungsausschuss keine Anhalts-
punkte für eine Verletzung von Artikel 20 GG oder den vom Einspruchsführer pauschal her-
angezogenen Grundrechten noch von sonstigem Verfassungsrecht (vgl. auch bereits Bundes-
tagsdrucksache 16/5700, Anlage 1).

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 69 - Drucksache 17/3100

Anlage 16

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn U. K., 09127 Chemnitz
- Az.: WP 77/09 -

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 30. September 2010 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem per Telefax übermittelten Schreiben, das beim Deutschen Bundestag am 27. Okto-
ber 2009 eingegangen ist, hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 eingelegt.

Der Einspruchsführer macht geltend, die Prüfung der sächsischen Landesliste der Partei Bi-
beltreuer Christen (PBC) für die Bundestagswahl 2009 sei unterlassen oder jedenfalls man-
gelhaft ausgeführt worden. Er ist der Ansicht, die Liste hätte wegen einer Anzahl von ihm
genannter Rechtsverstöße im Aufstellungsverfahren nicht zur Wahl zugelassen werden dür-
fen. In der Zulassung einer ungültigen Liste liege ein unheilbarer Wahlfehler. Als weiteren
Wahlfehler nennt er, dass er rechtswidrig aus der Partei ausgeschlossen und damit
unzulässigerweise an der Mitwirkung bei der Aufstellungsversammlung gehindert worden sei.
Im Weiteren macht er unter anderem Ausführungen zu innerparteilichen Vorgängen innerhalb
des sächsischen Landesverbandes der PBC, insbesondere mit Bezug auf die Kandidatenauf-
stellung für die Europawahl, die Landtagswahl und die Bundestagswahl im Jahr 2009.

Die Landeswahlleiterin des Freistaates Sachsen hat zu dem Einspruch Stellung genommen.
Sie versteht den Einspruchsführer dahingehend, dass er geltend mache, die Landesliste der
PBC für Sachsen hätte aufgrund von Fehlern im Listenaufstellungsverfahren nicht zur Bun-

Drucksache 17/3100 - 70 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

destagswahl zugelassen werden dürfen, und teilt mit, dass die Landesliste der PBC, unabhän-
gig von dem Vorbringen des Einspruchsführers, ohnehin nicht zugelassen worden sei.
Der Bundeswahlausschuss habe zwar am 17. Juli 2009 gemäß § 18 Absatz 4 Nummer 2 des
Bundeswahlgesetzes (BWG) festgestellt, dass die PBC für die Wahl als Partei anzuerkennen
sei. Die Landesliste der PBC sei auch fristgerecht am 23. Juli 2009 um 10.55 Uhr eingegan-
gen. Sie sei jedoch nicht entsprechend dem Muster der Anlage 20 der Bundeswahlordnung
(BWO) eingereicht worden. Danach seien folgende Angaben erforderlich gewesen:

- Namen der einreichenden Partei und Kurzbezeichnung, sofern sie eine solche verwen-
de (§ 39 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 BWO)

- Familiennamen, Vornamen, Beruf oder Stand, Geburtsdatum, Geburtsort und An-
schrift (Hauptwohnung) der Bewerber (§ 39 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 BWO)

- Namen und Anschriften der Vertrauensperson und der stellvertretenden Vertrauens-
person (§ 39 Absatz 1 Satz 3 BWO, Sollvorschrift)

- persönliche und handschriftliche Unterzeichnung von mindestens drei Mitgliedern des
Vorstandes des Landesvorstandes der Partei, darunter dem Vorsitzenden oder seinem
Stellvertreter (§ 39 Absatz 2 Satz 1 BWO).

Es seien mehrere Mängel festgestellt worden. So sei die letzte Seite der Anlage 20 BWO leer
eingereicht worden. Die Landesliste sei somit nicht vom Landesvorstand unterzeichnet wor-
den und die Angaben zu den Vertrauenspersonen hätten gefehlt. Außerdem sei die Ausferti-
gung der Niederschrift über die Beschlussfassung der Mitglieder- oder Vertreterversammlung
zur Aufstellung der Bewerber für die Landesliste mit den nach § 21 Absatz 6 BWG vorge-
schriebenen Versicherungen an Eides statt ebenfalls nicht ordnungsgemäß vorgelegt worden.
In der Anlage 23 BWO – Niederschrift – hätten diverse Angaben, insbesondere die Namen
und die Reihenfolge der gewählten Bewerber, gefehlt.
Da es sich um die Landesliste einer in § 18 Absatz 2 BWG genannten Partei gehandelt habe,
hätten zudem 2000 Unterschriften von Unterstützern nebst Nachweisen über deren Wahlbe-
rechtigung vorgelegt werden müssen. Es seien ihr aber nur 985 Unterstützungsunterschriften
zugeleitet worden, die Partei habe damit nicht die erforderliche Anzahl an Unterschriften er-
reicht.
Deshalb habe der Landeswahlausschuss für den Freistaat Sachsen am 31. Juli 2009 ohne Ge-
genstimmen und ohne Enthaltungen festgestellt, dass die formellen Voraussetzungen nach
§ 27 BWG und § 39 BWO nicht vorlägen, so dass die Landesliste der PBC nicht ordnungs-
gemäß eingereicht und daher zurückzuweisen sei.

Die Stellungnahme ist dem Einspruchsführer zur Kenntnis gegeben worden. In seiner Erwide-
rung, die am 25. Mai 2010 beim Wahlprüfungsausschuss eingegangen ist, erklärt er erneut,
dass eine Prüfung der Liste bei Kenntnis der innerparteilichen Vorgänge zur Zurückweisung
der Liste hätte führen müssen. Die Umstände der innerparteilichen Wahlfälschung würden
durch die Stellungnahme der Landeswahlleiterin verdreht und vertuscht.

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 71 - Drucksache 17/3100

Nur durch die Zulassung der vom Vorstand gefälschten Liste hätte die rechtmäßig gewählte
Liste mit seiner Bewerbung nicht eingereicht werden können. Die Zurückweisung der Liste
hätte den Parteivorstand hingegen dazu gezwungen, die rechtmäßig gewählte Liste einzurei-
chen; für diese wären auch alle Mitglieder bereit gewesen, ausreichend Unterstützungsunter-
schriften zu sammeln. Durch die Zulassung der gefälschten Liste sei er also an der Ausübung
seines Wahlrechts gehindert worden.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten
Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

Das Vorliegen eines Wahlfehlers kann anhand des vorgetragenen Sachverhalts nicht festge-
stellt werden.

Soweit der Einspruchsführer erklärt, der Wahlvorschlag der PBC in Sachsen hätte aus den
von ihm genannten Gründen zurückgewiesen werden müssen, ist ihm entgegenzuhalten, dass
die von ihm angefochtene sächsische Landesliste der PBC gar nicht an der Wahl zum
17. Deutschen Bundestag teilgenommen hat. Denn der Landeswahlausschuss für den Freistaat
Sachsen hat am 31. Juli 2009 festgestellt, dass die Landesliste für Sachsen der PBC nicht den
wahlrechtlichen Anforderungen entsprechend eingereicht worden ist, und sie daher gemäß
§ 28 Absatz 1 Satz 1 Ziffer 2 BWG zurückgewiesen. Auf eine vom Einspruchsführer offen-
sichtlich begehrte Prüfung des Zustandekommens des Wahlvorschlags kam es hier angesichts
der Tatsache, dass, wie die Landeswahlleiterin im Einzelnen dargelegt hat, schon die formel-
len Voraussetzungen für die Zulassung der Landesliste nicht vorlagen, nicht an.

Auch soweit der Einspruchsführer einen Wahlfehler in der Art und Weise der Aufstellung der
Landesliste der PBC sieht, kann der Wahlprüfungsausschuss seinem Vortrag nicht folgen.
Zwar können auch Maßnahmen von Parteien im Rahmen der Aufstellung ihrer Bewerber die
Gültigkeit von Wahlen berühren (Bundestagsdrucksachen 16/3600, Anlage 6, 17/2200, Anla-
ge 25). Ein Wahlvorschlag, der unter Verstoß gegen die gesetzlichen Mindestregeln an eine
demokratische Kandidatenaufstellung zustande gekommen ist, ist nach Auffassung des Bun-
desverfassungsgerichts (BVerfGE 89, 243, 252 f.) vom zuständigen Wahlausschuss zurück-
zuweisen. Da die vom Einspruchsführer angegriffene Landesliste, wie dargestellt, bereits aus
formellen Gründen vom Landeswahlausschuss zurückgewiesen und damit nicht zur Bundes-
tagswahl zugelassen worden ist, hätte ein möglicher Rechtsverstoß bei der Aufstellung der
nicht zugelassenen Liste keinen Bezug zur Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundes-

Drucksache 17/3100 - 72 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

tag. Die Behauptung des Einspruchsführers, dass eine anders zusammengesetzte Landesliste
der PBC die Voraussetzungen für die Zulassung erfüllt, insbesondere ausreichend Unterstüt-
zungsunterschriften erzielt hätte, stellt eine unbelegte Hypothese dar, die einen Wahlfehler
ebenfalls nicht zu begründen vermag.

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 73 - Drucksache 17/3100

Anlage 17

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

der Frau S. H., 70374 Stuttgart
- Az.: WP 84/09 -

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 30. September 2010 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 29. Oktober 2009, das am 3. November 2009 beim Deutschen Bundestag
eingegangen ist, hat die Einspruchsführerin Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum
17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 eingelegt.

Die Einspruchsführerin sieht den Grundsatz der geheimen Wahl gemäß Artikel 38 Absatz 1
des Grundgesetzes (GG) verletzt. Zur Begründung trägt sie vor, dass in dem für sie zuständi-
gen Wahllokal des Wahlbezirks 006-05 in Stuttgart-Bad Cannstatt die Wahlkabinen im unte-
ren Geschoss einer Halle in der Weise aufgestellt worden seien, dass man von einer höher
gelegenen Balustrade in die Wahlkabinen habe sehen können. In demselben Gebäude habe
sich ein weiteres Wahllokal befunden, in dem die Wahlkabinen nicht einsehbar gewesen sei-
en. Ihre Bitte, die Stimme in diesem Wahllokal abzugeben, sei von den Mitgliedern des
Wahlvorstandes abgelehnt worden.

Zu diesem Wahleinspruch hat die Landeswahlleiterin des Landes Baden-Württemberg im
Wesentlichen wie folgt Stellung genommen:
Das Wahllokal 006-05 des Wahlkreises 259 (Stuttgart II) sowie ein weiteres Wahllokal seien
seit Herbst 2004 im Foyer des örtlichen Krankenhauses im Erdgeschoss untergebracht. Bei
der Bundestagswahl 2009 seien beide Wahllokale von der Krankenhausverwaltung in einen
anderen Bereich des Foyers verlegt worden, ohne dass die Wahlorganisation darüber infor-

Drucksache 17/3100 - 74 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

miert worden sei. Dieser Bereich werde deutlich weniger von Besuchern des Krankenhauses
frequentiert als der Eingangsbereich, in dem die beiden Wahllokale zuvor untergebracht ge-
wesen seien. Er liege im ersten Untergeschoss und sei vom Erdgeschoss teilweise über Ba-
lustraden einsehbar. Es sei nicht auszuschließen, dass von dort zu sehen gewesen sei, welche
Personen sich gerade zur Stimmabgabe in den beiden Wahlzellen aufgehalten hätten. Dass
dabei die Stimmabgabe habe beobachtet werden können, sei bei einer Breite der Wahlzellen
von 60 cm und der Entfernung zur Brüstung nur in dem Fall vorstellbar, dass der Wählende
den Stimmzettel nicht durch den eigenen Körper verdeckt habe, sich also bei der Stimmabga-
be zur Seite gestellt hätte. Um die Stimmabgabe in solchen Fällen erkennen zu können, seien
aufgrund der Entfernung außerdem Hilfsmittel wie z. B. ein Fernglas notwendig gewesen.
Nach Aussage der Wahlvorsteherin des Wahlbezirks hätten sich am Wahltag maximal fünf
Personen beim Wahlvorstand über die Aufstellung der beiden Wahlzellen beschwert. Nach
den ersten Beschwerden sei den Wahlberechtigten noch am Vormittag ermöglicht worden,
ihren Stimmzettel auch in einer der beiden Wahlzellen des anderen Wahllokals zu kennzeich-
nen. Diese Wahlzellen hätten vom Tisch des Wahlvorstands aus überblickt werden können
und seien nicht einsehbar gewesen, da sie mit der offenen Seite zu einer Wand ausgerichtet
gewesen seien, an der sich keine Balustrade befunden habe. Gegen 13 Uhr habe die Wahlvor-
steherin die beiden Wahlzellen des Wahllokals an anderen Stellen des Raums aufstellen las-
sen. Durch einen schrägen Aufstellungswinkel seien die Wahlzellen so ausgerichtet worden,
dass der Eindruck einer möglichen Einsichtnahme deutlich verringert worden sei. In Zukunft
würden beide Wahllokale in andere Räume verlegt, um den Eindruck der Einsehbarkeit zu
vermeiden.
Die Landeswahlleiterin führt im Weiteren aus, der Wahlvorsteher habe sich am Wahltag von
der Ordnungsmäßigkeit der Herrichtung des Wahlraums und der Wahlzellen zu überzeugen.
Die Anforderungen an den Sichtschutz dürften dabei nicht unverhältnismäßig sein. Es müsse
aber gewährleistet sein, dass unter normalen Umständen niemand beobachten könne, ob und
wie der Stimmzettel ausgefüllt werde. Sie räumt ein, dass erhebliche Zweifel bestünden, ob
vorliegend die Einrichtung des Wahllokals den gesetzlichen Anforderungen in vollem Um-
fang entsprochen habe. Sie ist jedoch der Auffassung, dass einem möglichen Wahlfehler kei-
ne Mandatsrelevanz zukomme, da es äußerst unwahrscheinlich sei, dass die Wähler in diesem
Wahllokal bei einer anderen Anordnung der Wahlzellen anders gewählt hätten. Anhaltspunkte
dafür, dass die Beobachtungsmöglichkeit die Entschließungsfreiheit der Wähler tatsächlich
beeinträchtigt habe, lägen nicht vor.

Die Stellungnahme ist der Einspruchsführerin bekannt gegeben worden. Sie hat sich hierzu
nicht geäußert.

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 75 - Drucksache 17/3100

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Die Aufstellung der Wahlzellen entsprach zwar nicht den Vorgaben der §§ 33 Absatz 1 Satz 1
des Bundeswahlgesetzes (BWG), 50 Absatz 1 Satz 1 der Bundeswahlordnung (BWO), wo-
nach Vorkehrungen zur Wahrung des Wahlgeheimnisses zu treffen und insbesondere in jedem
Wahlraum eine oder mehrere Wahlzellen mit Tischen einzurichten sind, in denen der Wähler
den Stimmzettel unbeobachtet kennzeichnen und falten kann. Diese Vorschriften konkretisie-
ren den von der Einspruchsführerin angeführten, in Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG veranker-
ten Grundsatz der geheimen Wahl, der seinerseits den „wichtigsten institutionellen Schutz der
Wahlfreiheit“ darstellt (BVerfGE 99, 1, 13; s. auch Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage
26).
Zwar dürfen an den Sichtschutz keine unverhältnismäßigen Anforderungen gestellt werden
(Bundestagsdrucksachen 15/4250, Anlage 11; 16/900, Anlage 26; Schreiber, Kommentar zum
BWG, 8. Auflage, 2009, § 33 Rn. 3). Dass registriert werden kann, wer sich in der Wahlzelle
aufhält, stellt beispielsweise keinen Verstoß gegen das Wahlgeheimnis dar (Bundestagsdruck-
sache 16/900, Anlage 26; Schreiber a. a. O.). Es muss aber auf jeden Fall gewährleistet sein,
dass unter normalen Umständen niemand beobachten kann, ob und wie der Stimmzettel aus-
gefüllt wird. Der Wähler muss sich aufgrund der konkreten örtlichen Verhältnisse unbeobach-
tet fühlen können (Bundestagsdrucksachen 15/4250, Anlagen 11 und 12; 16/900, Anlage 26;
16/1800 Anlage 50; Schreiber a. a. O.).

Die Aufstellung der Wahlzellen im Wahllokal des Wahlbezirks 006-05 des Wahlkreises 259
(Stuttgart II) entsprach nicht diesen Anforderungen. Ein Wähler kann sich bei der Stimmab-
gabe nicht unbeobachtet fühlen, wenn die Möglichkeit besteht, dass ein Dritter ihn von einer
höher gelegenen Balustrade aus beobachtet. Die Tatsache, dass sich bis zu fünf Wähler bei
der Wahlvorsteherin über die Aufstellung der Wahlzellen beschwert haben, zeigt, dass sich
nicht nur die Einspruchsführerin beobachtet fühlte. Dabei kommt es nicht darauf an, ob von
der Balustrade aus ohne optische Hilfsmittel erkannt werden konnte, wie der Wähler den
Stimmzettel ausfüllt, was die Landeswahlleiterin bezweifelt. Denn anhand der Armbewegun-
gen des in der Wahlzelle befindlichen Wählers lässt sich auch aus Entfernung erkennen, ob er
Veränderungen auf dem Stimmzettel vornimmt oder nicht. Nicht nur das „Wie“, sondern auch
das „Ob“ des Ausfüllens des Stimmzettels ist aber vom Grundsatz der geheimen Wahl ge-
schützt (Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 26).
Kein Wahlfehler liegt hingegen darin, dass der Wahlvorstand der Einspruchsführerin nicht
gestattete, in einem benachbarten Wahlraum zu wählen. Denn gemäß § 14 Absatz 2 BWG
kann ein Wähler, der im Wählerverzeichnis eingetragen ist, nur in dem Wahlbezirk wählen, in
dessen Wählerverzeichnis er geführt wird, wenn er nicht gemäß § 14 Absatz 3 BWG mit

Drucksache 17/3100 - 76 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

Wahlschein wählt. Auch die Nutzung der Wahlzellen eines in demselben Gebäude befindli-
chen anderen Wahlraums ist solange ausgeschlossen, wie nicht gewährleistet ist, dass, wie
von § 50 Absatz 1 Satz 2 BWO gefordert, die Wahlzellen (auch) vom Tisch des Wahlvorstan-
des des Wahlbezirks des betroffenen Wählers aus überblickt werden können.

Der festgestellte Wahlfehler kann dem Einspruch aber nicht zum Erfolg verhelfen, denn nach
ständiger Praxis des Wahlprüfungsausschusses sowie der ständigen Rechtsprechung des Bun-
desverfassungsgerichts können nur solche Wahlfehler einen Wahleinspruch erfolgreich be-
gründen, die auf die Verteilung der Mandate von Einfluss sind oder sein können (vgl. zuletzt
Bundestagsdrucksachen 17/2200, Anlagen 4, 5, 7 und 12; 17/2250, Anlagen 18 und 22;
BVerfGE 89, 243, 254). Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist solch ein Einfluss des Wahl-
fehlers auf die Sitzverteilung im Deutschen Bundestag aber fernliegend (vgl. Bundestags-
drucksache 16/900, Anlage 26). Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass die Wähler im Wahllo-
kal des Wahlbezirks 006-05 des Wahlkreises 259 (Stuttgart II) anders gewählt hätten, wenn
die Wahlzellen in einer den Vorgaben des § 33 Absatz 1 Satz 1 BWG, § 50 Absatz 1 Satz 1
BWO entsprechenden Weise aufgestellt worden wären. Eine solche Annahme wäre nur dann
ernsthaft in Erwägung zu ziehen, wenn es Anhaltspunkte dafür gäbe, dass die durch die Auf-
stellung der Wahlzellen geschaffene Beobachtungsmöglichkeit die Entschließungsfreiheit der
Wähler tatsächlich beeinträchtigt hat (vgl. Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 26). Solche
Anhaltspunkte liegen jedoch nicht vor. Nicht einmal die Einspruchsführerin hat behauptet,
durch die Beobachtungsmöglichkeit in ihrer Entschließungsfreiheit beeinträchtigt gewesen zu
sein.

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 77 - Drucksache 17/3100

Anlage 18
Beschlussempfehlung

Zu dem Wahleinspruch

der Vereinigung „Die Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung
und basisdemokratische Initiative (Die Partei)“, 10117 Berlin,

vertreten durch den Bundesvorsitzenden Herrn M.S.,
- Az.: WP 85/09 -

Verfahrensbevollmächtigter:
Rechtsanwalt T.C.W., 65929 Frankfurt am Main

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 30. September 2010 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 2. November 2009, beim Deutschen Bundestag eingegangen am 5. No-
vember 2009, hat die Einspruchsführerin, vertreten durch den Bundesvorsitzenden, Herrn
M.S., Berlin, Verfahrensbevollmächtigter Rechtsanwalt T.C.W., Frankfurt am Main, Ein-
spruch gegen die Wahl zum 17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 eingelegt. Die
Einspruchsführerin wendet sich gegen die Nichtanerkennung als Partei nach § 18 Absatz 2
des Bundeswahlgesetzes (BWG) durch den Bundeswahlausschuss und die Zurückweisung
ihrer Landesliste durch den Landeswahlausschuss des Landes Hamburg.

Sie trägt vor, die Entscheidung des Bundeswahlausschusses in seiner Sitzung vom 17. Juli
2009 sei insbesondere deshalb fehlerhaft gewesen, weil sie in den Jahren 2004 bis 2008 an
einer Bundestagswahl und vier Landtagswahlen teilgenommen habe. Sie ist der Auffassung,
dass durch § 2 Absatz 2 des Parteiengesetzes (PartG), nach dem eine Vereinigung ihre
Rechtsstellung als Partei verliere, wenn sie sechs Jahre weder an einer Bundestags- noch an
einer Landtagswahl mit eigenen Wahlvorschlägen teilgenommen habe, der Gesetzgeber die

Drucksache 17/3100 - 78 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

Zeitspanne konkretisiere, während der eine Partei sich einer Wahlteilnahme enthalten könne,
ohne hierdurch Rechtsnachteile zu erleiden. Dies sei auch für die Anwendung und Auslegung
des § 18 Absatz 4 BWG maßgeblich. Der Bundeswahlausschuss habe auch zu Unrecht die
Nichtteilnahme der Einspruchsführerin an der Europawahl 2009 als Indiz für eine fehlende
Parteieigenschaft gewertet. Besonders betroffen von der Entscheidung des Bundeswahlaus-
schusses sei der Landesverband Hamburg, dessen Landesliste trotz Erfüllung sämtlicher Vo-
raussetzungen, insbesondere der korrekten Aufstellung der Bewerber und Beibringung der
erforderlichen Anzahl von Unterstützungsunterschriften, nicht an der Bundestagswahl habe
teilnehmen dürfen.

Die Einspruchsführerin habe ein erhebliches Rehabilitationsinteresse und ein Interesse daran,
gegenüber ihren Mitgliedern, den Wählern und der Öffentlichkeit darzulegen, dass die fakti-
sche Aberkennung der Parteieigenschaft eine Fehlentscheidung gewesen sei.

„Ergänzend“ verweist die Einspruchsführerin auf beigefügte umfangreiche Anlagen (mehr als
100 Seiten). Sie bittet den Deutschen Bundestag, sich mit diesen „intensiv auseinanderzuset-
zen“ und auch die Videoaufzeichnungen der beiden Sitzungen des Bundeswahlausschusses
beizuziehen.

Die Einspruchsführerin stellt folgende Anträge:
Die Wahl zum 17. Deutschen Bundestag wird für ungültig erklärt.
hilfsweise:
Die Wahl zum 17. Deutschen Bundestag wird - soweit sie das Gebiet des Bundeslandes Ham-
burg betrifft - für ungültig erklärt.
äußerst hilfsweise festzustellen:
Die Entscheidungen des Bundeswahlausschusses, die Partei .... für die Wahl zum 17. Deut-
schen Bundestag nicht zuzulassen, waren fehlerhaft. Die Partei .... ist eine Partei im Sinne des
Parteiengesetzes.

Zudem wünscht sie eine Anhörung vor dem Wahlprüfungsausschuss.

Der Bundeswahlleiter hat zu dem Einspruch im Wesentlichen wie folgt Stellung genommen:

Die Einspruchsführerin habe mit Schreiben vom 22. Januar 2009 ihre Teilnahme an der Bun-
destagswahl 2009 sowie an der Europawahl 2009 angezeigt. Mit Schreiben vom 26. Januar
2009 habe der Bundeswahlleiter die Einspruchsführerin darüber unterrichtet, dass die Be-
teiligungsanzeige für die Bundestagswahl 2009 nicht den gesetzlichen Erfordernissen des § 18
Absatz 2 BWG entspreche und darum gebeten, zur Prüfung der erforderlichen Anerkennung
als Partei für die Bundestagswahl gemäß § 18 Absatz 4 BWG in Verbindung mit § 2 PartG
durch den Bundeswahlausschuss in seiner Sitzung am 17. Juli 2009 zusätzliche Informationen

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 79 - Drucksache 17/3100

u. a. über die Gesamtzahl ihrer Mitglieder, die Zahl und Art ihrer Gebietsverbände, die bishe-
rige Teilnahme an politischen Wahlen und das Hervortreten in der Öffentlichkeit mitzuteilen
und ggf. geeignete Nachweise vorzulegen. Diese Angaben sollten durch Einzelheiten oder
Belege nachgewiesen werden, etwa durch Namen und Anschriften von Vorstandsmitgliedern,
Mitgliederlisten, Niederschriften über Mitgliederversammlungen sowie Nachweise über Akti-
vitäten im Wahlkampf und das Auftreten des Verbandes in der Öffentlichkeit, beispielsweise
durch das Abhalten öffentlicher Versammlungen, durch Schriftenwerbung oder andere
Wahlwerbung in der Öffentlichkeit.

Die Einspruchsführerin habe daraufhin am 4. Februar 2009 die „Zusammenfas-
sung/Niederschrift der Ergebnisse des 3. Landesparteitages“ der Einspruchsführerin, Landes-
verband Nordrhein-Westfalen, am 17. Januar 2009 in Krefeld, die u. a. Informationen zur
Wahl des Landesvorstandes enthielt, mitgeteilt. Mit Schreiben vom 9. April 2009 habe der
Bundeswahlleiter die Einspruchsführerin darüber informiert, dass aufgrund der Änderungs-
mitteilung die bei ihm gemäß § 6 Absatz 3 PartG geführte Unterlagensammlung auf den neu-
esten Stand gebracht worden sei. Nunmehr sei in der Unterlagensammlung für die Ein-
spruchsführerin - mangels weiterer Mitteilungen über Namen und Funktionen von Vor-
standsmitgliedern bestehender Landesverbände seit ihrer Aufnahme in die Unterlagensamm-
lung im Jahr 2005 - erstmals ein Landesverband geführt. Ein Exemplar dieser Broschüre mit
Stand der Mitteilung vom 4. Februar 2009 sei dem Schreiben beigefügt gewesen.

Mit Schreiben vom 1. Juli 2009 sei die Einspruchsführerin zu der Sitzung des Bundeswahl-
ausschusses am 17. Juli 2009 eingeladen worden. In diesem Schreiben sei ausdrücklich auf
§ 2 PartG sowie auf die Gelegenheit hingewiesen worden, in dieser Sitzung die Parteieigen-
schaft ggf. auch mündlich zu begründen. Außerdem habe der Bundeswahlleiter angeregt,
zweckdienliche Unterlagen mitzubringen, soweit diese noch nicht vorgelegt worden seien.
Weitere Mitteilungen der Einspruchsführerin seien beim Bundeswahlleiter bis zur Sitzung des
Bundeswahlausschusses nicht eingegangen. Erst nach der Sitzung - Anfang 2010 - habe die
Einspruchsführerin dem Bundeswahlleiter Informationen über die Namen und Funktionen
von Vorstandsmitgliedern von insgesamt acht Landesverbänden (Baden-Württemberg, Bay-
ern, Berlin, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Rhein-
land-Pfalz) zugeleitet.

In seiner Sitzung vom 17. Juli 2009 habe der Bundeswahlausschuss einstimmig festgestellt,
dass die Einspruchsführerin für die bevorstehende Bundestagswahl die Parteieigenschaft nicht
besitze. Der Bundeswahlausschuss habe sich ausweislich der Sitzungsniederschrift dabei von
folgenden Erwägungen leiten lassen:

„Nach der Würdigung des Gesamtbildes der tatsächlichen Verhältnisse sind jedoch die Vor-
aussetzungen der Parteieigenschaft nach § 2 Absatz 1 PartG nicht gegeben. Die Partei ... hat

Drucksache 17/3100 - 80 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

zwar seit ihrer Gründung im Jahr 2004 durch mehrere Wahlteilnahmen ihren Willen zur Ein-
flussnahme an der politischen Willensbildung und ihr Ziel der Mitwirkung im Bundestag oder
in Landtagen zum Ausdruck gebracht, so durch Teilnahme an der BT-Wahl 2005 (10.379 -
0,0%) und LT-Wahlen 2005 in Nordrhein-Westfalen (1.338 - 0,0%), 2006 in Baden-
Württemberg (742 - 0,0%) und Berlin (7.873 - 0,4%) sowie 2008 in Hamburg (1.958 - 0,3%).
Allerdings hat sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse einschließlich der An-
gaben ihres Vertreters in der Sitzung nicht nachgewiesen, noch mit ausreichender Ernsthaf-
tigkeit das Ziel zu verfolgen, Einfluss auf die politische Willensbildung nehmen und im Bun-
destag oder in Landtagen mitwirken zu wollen. Dies gilt insbesondere in Bezug auf Umfang
und Festigkeit ihrer Organisation. So hat die Partei .... bis zur Sitzung keine Angaben zu Mit-
gliederzahl, Organisation und Hervortreten in der Öffentlichkeit gemacht. In der Sitzung
konnte der Vertreter der Partei ...., der Bundesschatzmeister, nur ungefähre Angaben zur Mit-
gliederzahl machen, nämlich etwa 6.000 (schriftliche Angabe vom 4.8.2005: 3.000 Mitglie-
der). Auf Nachfrage konnte er keine Auskunft darüber geben, wie viele dieser Mitglieder der-
zeit Beiträge an die Partei .... leisten. Demgegenüber besteht von sieben Landesverbänden, die
nach Angaben der Partei .... bei der Bundestagwahl 2005 existierten, nach der Unterlagen-
sammlung des Bundeswahlleiters nur ein Landesverband in Nordrhein-Westfalen (Stand der
Mitteilung per Fax vom 04.02.2009). In der Sitzung gab der Vertreter der Partei ... zwar das
Bestehen von neun Landesverbänden (Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hamburg, Hes-
sen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt)
an, konnte jedoch die Diskrepanz zu der offiziellen Mitteilung für die Unterlagensammlung
nicht erklären. Insgesamt verfestigten sich auch aufgrund der Angaben in der Sitzung bei den
Mitgliedern des Bundeswahlausschusses Zweifel an einer ausreichenden Festigkeit der Orga-
nisation im Sinne von § 2 Absatz 1 Satz 1 PartG. Zum Hervortreten in der Öffentlichkeit teilte
der Vertreter der Partei .... in der Sitzung mit, dass ein Parteifilm erstellt werde, der Bundes-
vorsitzende verschiedene Veranstaltungen durchführe sowie in Hamburg, Bayern und Berlin
Unterstützungsunterschriften für die Bundestagswahl gesammelt würden. Weitere Angaben
zu zielgerichteten Aktivitäten im Hinblick auf die Wahlteilnahme machte er nicht. Dass es der
Partei .... für die Einreichung eines Wahlvorschlags zur Europawahl 2009 nicht gelang, genü-
gend Unterstützungsunterschriften zu sammeln, ist ein weiteres Indiz dafür, dass sie inzwi-
schen nicht mehr über ausreichenden Rückhalt in der Bevölkerung verfügt."

Für die Ablehnung der Parteieigenschaft der Einspruchsführerin seien folgende Gesichtspunk-
te bedeutsam gewesen:

- Angesichts der in der Sitzung nicht aufzuklärenden Diskrepanzen zwischen bloßen Be-
hauptungen des Vertreters der Einspruchsführerin, die Kriterien für die Parteieigenschaft
nach § 2 Absatz 1 PartG zu erfüllen, und den tatsächlich beigebrachten Einzelheiten und
Belegen hätten beim Bundeswahlausschuss die Zweifel insbesondere an einer ausreichen-
den Festigkeit der Organisation im Sinne von § 2 Absatz 1 PartG überwogen.

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 81 - Drucksache 17/3100

- Nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse anhand der dem Bundeswahlaus-
schuss in der Sitzung zur Verfügung stehenden Unterlagen einschließlich der Angaben ih-
res Vertreters in der Sitzung habe die Einspruchsführerin nicht hinreichend nachgewiesen,
noch ernsthaft die Zielsetzung einer Partei im Sinne von Artikel 21 Absatz 1 Grundgesetz
(GG) in Verbindung mit § 2 Absatz 1 PartG zu verfolgen, dauerhaft auf Bundes- oder
Landesebene auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen und dort in Volksvertre-
tungen mitwirken zu wollen.

- Vielmehr habe sich der Eindruck aufgedrängt, die Einspruchsführerin habe - auch unter
Berücksichtigung der Dauer ihres Bestehens und ihrer bisherigen Wahlteilnahmen - nicht
den erforderlichen Durchsetzungswillen hinsichtlich der Erfüllung dieser verfassungs-
rechtlichen Aufgaben einer Partei.

Die Gesamtwürdigung habe insbesondere mit Blick auf die vorgenannten Gesichtspunkte die
Annahme einer kontinuierlichen und effektiven Mitwirkung an der politischen Wil-
lensbildung des Volkes nicht zugelassen. Trotz Aufforderung im Schreiben vom 26. Januar
2009 habe die Einspruchsführerin weder vor noch in der Sitzung nachvollziehbare Angaben
oder geeignete Nachweise vorgetragen, die dem Bundeswahlausschuss eine hinreichende
Grundlage für diese Annahme geboten hätten.

Das Bundesverfassungsgericht habe in Bezug auf die Mitgliederstärke bei einer im Aufbau
befindlichen Vereinigung, die die anderen, nach § 2 PartG gestellten Anforderungen an die
Parteieigenschaft im Übrigen erfüllt, eine Zahl von 400 Mitgliedern als ausreichend angese-
hen und der Deutsche Bundestag habe in einer Wahlprüfungsentscheidung die Parteieigen-
schaft bei nur 55 Mitgliedern verneint. Einen Mitgliederbestand, der in Anlehnung an diese
Entscheidungen als „nicht völlig unbedeutend" (vgl. BVerfGE 89, 266, 270) hätte bezeichnet
werden können, habe zwar der Vertreter der Einspruchsführerin in der Sitzung des Bundes-
wahlausschusses am 17. Juli 2009 mit der Bezifferung auf etwa 6 000 Mitgliedern angegeben.
Diese Zahl habe er indes nicht nachvollziehbar - etwa durch Nennung einer konkreten Zahl
von Mitgliedern, die tatsächlich Mitgliedsbeiträge zahlen - belegen können. Daher sei fraglich
gewesen, ob die Einspruchsführerin tatsächlich über ihre Funktionäre hinaus - jedenfalls in
gewissem Umfang - über den nötigen Rückhalt eines „Parteivolks" im Sinne der Recht-
sprechung des Bundesverfassungsgerichts verfügt, um auf die politische Willensbildung des
Volkes Einfluss nehmen und einen Wahlkampf mit dem Ziel parlamentarischer Vertretung
führen zu können. Eine Partei müsse jedoch in der Lage sein, mit den vorhandenen Mitglie-
dern über eine bloße Vereinsarbeit hinaus eine Mitwirkung in Volksvertretungen des Bundes-
tages und der Länder vorzubereiten und durchzuführen sowie kontinuierlich und effektiv an
der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken. Die Erfüllung der Aufgaben einer
politischen Partei im Sinne von Artikel 21 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) in Verbindung
mit § 2 Absatz 1 PartG erfordere nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
einen nicht unerheblichen Aufwand an persönlichen wie auch sachlichen und finanziellen

Drucksache 17/3100 - 82 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

Mitteln, der - in Abhängigkeit von der Größe und der Dauer des Bestehens einer Partei - in
gewissem Umfang bereitzustellen sei. Dabei seien mit fortschreitender Dauer des Bestehens
als politische Vereinigung auch höhere Anforderungen an die Erfüllung der Kriterien für die
Parteieigenschaft zu stellen; allein der Wille, Partei zu sein, sei dagegen nicht ausreichend.

Im Unterschied zu der Gesamtsituation der Einspruchsführerin zum Zeitpunkt ihrer Anerken-
nung als Partei für die Bundestagswahl 2005 habe sie dies jedoch im Rahmen des Verfahrens
für die Bundestagswahl 2009 vor dem Bundeswahlausschuss nicht mehr nachvollziehbar be-
legen können. Vielmehr habe sich - gerade aufgrund der nach Inhalt und Form auseinander-
fallenden und widersprüchlichen Angaben durch ihren Vertreter vor und in der Sitzung des
Bundeswahlausschusses - erhebliche Zweifel daran aufgedrängt, dass die Einspruchsführerin
noch über eine hinreichend feste Organisationsstruktur im Sinne von § 2 Absatz 1 PartG ver-
fügt, und zwar auch unter Berücksichtigung der Dauer ihres Bestehens als politische Vereini-
gung seit 2004. Vor diesem Hintergrund habe die Tatsache, dass die Einspruchsführerin zur
Wahlteilnahme an der Europawahl 2009 zwar auf ihrem Parteitag am 25. Oktober 2008 Be-
werber für ihren Wahlvorschlag als gemeinsame Liste für alle Länder gewählt und den Wahl-
vorschlag samt Anlagen eingereicht habe, dann aber lediglich 1 628 der geforderten mindes-
tens 4 000 gültigen Unterstützungsunterschriften gemäß § 9 Absatz 5 des Europawahlgesetzes
(EuWG) fristgerecht vorlegen konnte, den Eindruck eines nicht ausreichenden Rückhalts in
der Bevölkerung gemäß § 2 Absatz 1 PartG verstärkt. Nach der Rechtsprechung des Bundes-
verfassungsgerichts müssten nämlich hinter dem verbalen Anspruch einer als Partei gegründe-
ten politischen Vereinigung, an der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken zu wol-
len, gewisse Wirklichkeiten stehen, die es erlaubten, sie als Ausdruck eines ernsthaften, in
nicht zu geringem Umfang im Volke vorhandenen politischen Willens anzusehen. So seien
beispielsweise Vereinigungen, die nach ihrem Organisationsgrad und ihren Aktivitäten offen-
sichtlich nicht imstande seien, auf die politische Willensbildung des Volkes Einfluss zu neh-
men, bei denen die Verfolgung dieser Zielsetzung erkennbar unrealistisch und aussichtslos sei
und damit nicht (mehr) als ernsthaft eingestuft werden könne, nicht als Parteien anzusehen.

Das Bild einer so beschriebenen Vereinigung habe sich für den Bundeswahlausschuss aus
dem Sachstand ergeben, wie er sich in der Sitzung am 17. Juli 2009, insbesondere unter Be-
rücksichtigung der Widersprüche zwischen den Angaben des Vertreters in der Sitzung und
den schriftlichen Mitteilungen der Einspruchsführerin vor der Sitzung, darstellte. Für die Ent-
scheidung des Bundeswahlausschusses sei der Umstand, dass die Einspruchsführerin ihrer
Pflicht nach § 6 Absatz 3 PartG zur Mitteilung bestimmter Angaben zur Unterlagensammlung
bis zur Sitzung nicht vollständig nachgekommen sei, nicht ausschlaggebend gewesen. Viel-
mehr habe die Entscheidung darauf gegründet, dass die Einspruchsführerin vor der Sitzung
keine Angaben nach § 2 Absatz 1 PartG gemacht habe und dies in der Sitzung zur Überzeu-
gung der Mitglieder des Bundeswahlausschusses weder nachgeholt habe noch Widersprüche
zur Unterlagensammlung habe aufklären können. Daher habe sich zu diesem Zeitpunkt der

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 83 - Drucksache 17/3100

Eindruck aufgedrängt, dass die Einspruchsführerin nicht imstande gewesen sei, die nach § 2
Absatz 1 PartG erforderlichen Angaben hinreichend nachvollziehbar darzulegen. Auf dieser
Grundlage habe der Bundeswahlausschuss daher davon ausgehen müssen, dass die Ein-
spruchsführerin das Ziel einer Teilnahme an der Bundestagswahl allenfalls formal verfolgte,
nicht aber im Sinne des verfassungsrechtlich geforderten Maßstabs, nämlich als auf Dauer
angelegte Einflussnahme auf die politische Willensbildung mit dem Ziel der Mitwirkung in
Volksvertretungen gemäß Artikel 21 Absatz 1 GG in Verbindung mit § 2 Absatz 1 PartG.

Dieser Bewertung stünden auch die bisherigen Wahlteilnahmen der Einspruchsführerin nicht
entgegen. Die Vorschrift des § 2 Absatz 2 PartG, nach der eine Vereinigung ihre Rechtsstel-
lung als Partei verliert, wenn sie sechs Jahre lang weder an einer Bundestagswahl noch an ei-
ner Landtagswahl mit eigenen Wahlvorschlägen teilgenommen habe, besage nach der Recht-
sprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht, dass für die Eigenschaft einer Vereinigung
als Partei allein die Teilnahme an Parlamentswahlen maßgeblich sei. Die Verneinung der Par-
teieigenschaft dürfe lediglich nicht allein auf eine noch nicht sechs Jahre zurückliegende
Nichtteilnahme an Parlamentswahlen gegründet werden. Eine solche Wertung liege der Ent-
scheidung des Bundeswahlausschusses jedoch nicht zugrunde.

Demgegenüber könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine lü-
ckenhafte Teilnahme an Wahlen, bei der die Unterbrechung der Wahlteilnahme weniger als
sechs Jahre betrage, durchaus die Ernsthaftigkeit der Zielsetzung als Partei im Sinne von § 2
Absatz 1 PartG in Frage stellen, wenn andere Momente hinzuträten, so etwa eine dauerhaft
schwache Organisation, deren Zerfall, die Unfähigkeit zur Verbreiterung einer auf niedrigem
Niveau verharrenden Mitgliederbasis, existenzgefährdender Mitgliederschwund oder auch ein
beständiges Fehlen finanzieller Mittel, die wirksames politisches Handeln ausschlössen. Glei-
ches gelte, wenn aus solchen Momenten erkennbar werde, dass eine Wahlteilnahme nur zum
Zwecke der bloßen Behauptung der Parteieigenschaft unternommen werde. Das Bild einer
solchen Vereinigung habe sich bei Gesamtwürdigung aller Umstände für die Einspruchsführe-
rin ergeben, die im Anerkennungsverfahren die erforderliche ernsthafte Verfolgung der Ziel-
setzung einer Partei im Sinne von Artikel 21 Absatz 1 GG in Verbindung mit § 2 Absatz 1
PartG nicht hinreichend habe nachweisen können. Entgegen der Auffassung der Einspruchs-
führerin hätten zum Zeitpunkt der Sitzung des Bundeswahlausschusses nach dessen Gesamt-
schau aller verfügbaren Unterlagen, Angaben und Nachweise hinter den Willensbekundungen
der Einspruchsführerin nicht - wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert - auch entspre-
chende Wirklichkeiten gestanden, die es erlaubt hätten, sie als Ausdruck eines ernsthaften, in
nicht zu geringem Umfang im Volk vorhandenen politischen Willens anzusehen. Eine inhalt-
liche Bewertung des Programms oder der Satzung der Einspruchsführerin sei nicht Grundlage
der Entscheidung des Bundeswahlausschusses gewesen.

Drucksache 17/3100 - 84 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

Entgegen der Auffassung der Einspruchsführerin habe der Bundeswahlausschuss seine Ent-
scheidung nicht in seiner zweiten Sitzung am 6. August 2009 ändern müssen. Die Möglich-
keit der Beschwerde zum Bundeswahlausschuss gemäß § 28 Absatz 2 BWG in Verbindung
mit § 42 der Bundeswahlordnung (BWO) sei gesetzlich nur gegen die Entscheidung eines
Landeswahlausschusses über die Zurückweisung oder Zulassung der Landesliste einer Partei
vorgesehen. Daher bestehe ein Recht des Bundeswahlausschusses zur Selbstkorrektur auch
nur für Entscheidungen des Bundeswahlausschusses gemäß § 28 Absatz 2 BWG, also über
Beschwerden gegen Entscheidungen der Landeswahlausschüsse über die Zulassung von Lan-
deslisten, nicht hingegen für Entscheidungen des Bundeswahlausschusses nach § 18 Absatz 4
Nummer 2 BWG, die bis zum 72. Tag vor der Wahl verbindlich für alle Wahlorgane getroffen
würden. Die Entscheidung des Bundeswahlausschusses gemäß § 18 Absatz 4 Nummer 2
BWG sei mithin abschließend und vor der Wahl nicht mehr anfechtbar. Die in § 18 Absatz 4
Nummer 2 BWG normierte Verbindlichkeit dieser Entscheidung sei in dem zeitlich eng auf-
einander abgestimmten Wahlorganisationsverfahren und ebenenübergreifenden Zusammen-
spiel der einzelnen Wahlorgane auch zwingend erforderlich, um den reibungslosen Ablauf der
Bundestagswahl mit zahlreichen zu beachtenden Terminen und Fristen - darunter die Zulas-
sung der Wahlvorschläge durch die Landes- und Kreiswahlausschüsse sowie Druck der
Stimmzettel und Versand von Briefwahlunterlagen rechtzeitig vor der Wahl - zu ge-
währleisten. Demzufolge sei nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfas-
sungsgerichts gemäß § 49 BWG der Einspruch nach § 2 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG)
der einzig zulässige Rechtsbehelf gegen Entscheidungen des Bundeswahlausschusses.

Die Stellungnahme des Bundeswahlleiters ist der Einspruchsführerin zur Kenntnis gegeben
worden. Die Einspruchsführerin hat noch einmal ihre Rechtsauffassung bekräftigt, wonach
der Bundeswahlausschuss bei seiner zweiten Sitzung nicht nur ein Recht zur Korrektur seiner
Entscheidung, sondern insbesondere vor dem Hintergrund des Artikel 19 Absatz 4 GG auch
eine Pflicht hierzu gehabt habe. Im Übrigen sei die Annahme des Bundeswahlausschusses in
seiner ersten Sitzung hinsichtlich einer „Schrumpfung“ der Einspruchsführerin eine Unterstel-
lung, die nicht belegt werden könne. Der Vertreter der Einspruchsführerin habe dort sämtliche
bestehenden Landesverbände namentlich aufgeführt. Zudem sei es auf eine fehlende Kommu-
nikation zwischen den Landeswahlleitern und dem Bundeswahlleiter zurückzuführen, dass
der Bundeswahlausschuss in der entscheidenden Sitzung nicht davon unterrichtet gewesen sei,
dass der Landesverband Hamburg mit einer Liste zur Bundestagswahl gemeldet gewesen sei.

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 85 - Drucksache 17/3100

Entscheidungsgründe

I.

Der Einspruch ist zulässig. Nach § 2 Absatz 2 WPrüfG kann u. a. jeder Wahlberechtigte so-
wie jede Gruppe von Wahlberechtigten Einspruch gegen die Gültigkeit einer Bundestagswahl
einlegen. Im Gegensatz zu der Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den
Beschluss des Bundestages nach § 48 Absatz 1 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes
(BVerfGG), die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht von
Gruppen von Wahlberechtigten, einschließlich politischer Parteien, erhoben werden kann (zu-
letzt BVerfGE 79, 48, 49), sind nach gefestigter Rechtsanwendung des Bundestages Wahlein-
sprüche von politischen Parteien nach § 2 Absatz 2 WPrüfG zulässig.

II.

Der Einspruch ist jedoch unbegründet. Es liegen weder Wahlfehler des Bundeswahlausschus-
ses noch des Landeswahlausschusses des Landes Hamburg vor. Der Bundeswahlausschuss
durfte zu Recht seiner Entscheidung über die Parteieigenschaft der Einspruchsführerin nur die
Informationen zu Grunde legen, die in seiner ersten Sitzung am 17. Juli 2009 unzweifelhaft
vorlagen (siehe unter III.), seine Entscheidung über die Parteieigenschaft der Einspruchsfüh-
rerin war zutreffend (siehe unter IV.) und es bestand keine rechtliche Veranlassung, die Ent-
scheidung in der zweiten Sitzung am 6. August 2009 zu korrigieren (siehe unter V.). Auch die
Zurückweisung der Landesliste Hamburg war rechtsfehlerfrei (siehe unter VI.).

III.

Es ist nicht zu beanstanden, dass der Bundeswahlausschuss bei seiner Entscheidung über die
Parteieigenschaft der Einspruchsführerin nur die in seiner ersten Sitzung am 17. Juli 2009
vorliegenden Informationen berücksichtigte. Nach § 18 Absatz 2 BWG in Verbindung mit § 2
Absatz 1 PartG können Parteien, die im Deutschen Bundestag oder einem Landtag seit der
letzten Wahl nicht auf Grund eigener Wahlvorschläge ununterbrochen mit mindestens fünf
Abgeordneten vertreten waren, als solche einen Wahlvorschlag nur einreichen, wenn sie dem
Bundeswahlleiter ordnungsgemäß ihre Beteiligung an der Wahl angezeigt haben und der
Bundeswahlausschuss ihre Parteieigenschaft festgestellt hat. Bei der Feststellung der Par-
teieigenschaft ist der Bundeswahlausschuss an den Parteienbegriff des § 2 PartG gebunden.
Danach sind Parteien Vereinigungen von Bürgern, die dauernd oder für längere Zeit im Be-
reich des Bundes oder eines Landes auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen und an
der Vertretung des Volkes im Deutschen Bundestag oder einem Landtag mitwirken wollen.
Voraussetzung ist ferner, dass diese Vereinigungen nach dem Gesamtbild der tatsächlichen
Verhältnisse, insbesondere nach Umfang und Festigkeit ihrer Organisation, nach der Zahl

Drucksache 17/3100 - 86 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

ihrer Mitglieder und nach ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit eine ausreichende Gewähr für
die Ernsthaftigkeit ihrer Zielsetzung bieten, auf die politische Willensbildung Einfluss zu
nehmen.

Die Feststellung der Parteieigenschaft hat zunächst auf der Grundlage von objektiven Merk-
malen zu erfolgen (vgl. Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Aufl. § 18 Rn. 33). Der Bun-
deswahlausschuss ist berechtigt, den anzeigenden Vereinigungen entsprechende Nachweise
abzuverlangen, insbesondere zur Organisationsstruktur oder Mitgliederzahl (Schreiber,
Kommentar zum BWG, 8. Aufl. § 18 Rn. 33). Nach gefestigter Rechtsauffassung des Wahl-
prüfungsausschusses ist es eine Obliegenheit der anzeigenden Vereinigungen, entsprechende
Tatsachen darzulegen (Bundestagsdrucksache 14/1560 S. 242). Es ist nicht die Aufgabe des
Bundeswahlausschusses oder des Bundeswahlleiters, vor der Entscheidung alle Tatsachen, die
die Parteieigenschaft einer Vereinigung begründen könnten, zu ermitteln oder aus allgemein
zugänglichen Quellen zusammenzutragen. Vielmehr müssen die Vereinigungen selbst dafür
Sorge tragen, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse in den Akten des Bundeswahlausschus-
ses zu einem möglichst vorteilhaften Gesamtbild zusammenfügen (Köhler, Parteien im Wett-
bewerb, 2006, S. 114). Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 23. November
1993 (BVerfGE 89, 291, 310) entschieden, dass unzureichende tatsächliche Angaben der
Vereinigung über Mitgliederzahlen und Organisationstruktur den Bundeswahlausschuss be-
rechtigen, die Zuerkennung der Parteieigenschaft nach § 2 Absatz 1 PartG zu versagen. In
dem damaligen Verfahren hatte der Beschwerdeführer trotz vorangegangener Bitte des Bun-
deswahlleiters um ergänzende und hinreichende Informationen durch keinerlei Einzelheiten
oder Belege, etwa Mitgliederlisten, Niederschriften über Mitgliederversammlungen, Schrift-
verkehr, Publikationen, seine Behauptungen zur Organisationsstruktur der Vereinigung un-
termauert oder glaubhaft gemacht.

Im vorliegenden Fall wurde die Einspruchsführerin im Zusammenhang mit ihrer Beteili-
gungsanzeige vom Bundeswahlleiter mit Schreiben vom 26. Januar 2009 unmissverständlich
aufgefordert, Informationen über die Gesamtzahl ihrer Mitglieder, die Zahl ihrer ausländi-
schen Mitglieder, die Zahl und Art ihrer Gebietsverbände, die Dauer des Bestehens ihrer poli-
tischen Vereinigung, die bisherige Teilnahme an politischen Wahlen sowie ihr Hervortreten in
der Öffentlichkeit zu übermitteln. Diese Informationen sollten zudem durch Einzelheiten oder
Belege glaubhaft gemacht werden. Mit der Einladung zur ersten Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses wurde die Einspruchsführerin am 1. Juli 2009 vom Bundeswahlleiter nochmals da-
rauf hingewiesen, dass Gelegenheit bestehe, in dieser Sitzung die Parteieigenschaft ggf. noch
mündlich zu begründen und zweckdienliche Unterlagen nachzureichen.

Aus der Niederschrift über die Sitzung des Bundeswahlausschusses am 17. Juli 2009 geht
hervor, dass zu diesem Zeitpunkt von den sieben Landesverbänden, die nach Angaben der
Einspruchsführerin bei der Bundestagswahl 2005 noch existierten, nur noch Unterlagen über

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 87 - Drucksache 17/3100

einen Landesverband in der Unterlagensammlung des Bundeswahlleiters vorlagen. Zwar hat
der Vertreter der Einspruchsführerin in der Sitzung weitere acht Landesverbände mündlich
genannt, deren Existenz jedoch durch keine konkreten Angaben belegt. Auch die weiteren
Ausführungen des Vertreters zur Parteieigenschaft der Einspruchsführerin gingen über vage
Angaben nicht hinaus. Insbesondere konnte er - als Schatzmeister - nur ungefähre Angaben
zur Mitgliederzahl und keine zu den beitragszahlenden Mitgliedern machen. Als öffentlich-
keitswirksame Aktivitäten der Einspruchsführerin erwähnte er die Vorbereitung eines Partei-
films und verschiedene Veranstaltungen zur Sammlung von Unterstützungsunterschriften für
die Bundestagswahl.

Dem Wahlprüfungsausschuss gegenüber hat die Einspruchsführerin die Niederschrift der ers-
ten Sitzung des Bundeswahlausschusses nicht beanstandet, sondern in ihrem Schreiben vom
12. Juli 2009 lediglich ausgeführt, dass der Bundeswahlausschuss eine Schrumpfung der Par-
tei seit 2005 von sieben auf nur noch einen Landesverband „unterstellt“ habe und diese Unter-
stellung durch nichts belegt werden könne. Der Vertreter der Einspruchsführerin habe in der
Sitzung sämtliche Landesverbände „namentlich aufgeführt“. Die Einspruchsführerin verkennt
dabei jedoch den Umfang der ihr obliegenden Darlegungslast. Die bloße namentliche Auffüh-
rung von Landesverbänden genügt jedenfalls dieser Verpflichtung nicht. Insbesondere ist es
weder Aufgabe des Bundeswahlausschusses, den Beweis für vorgetragene Behauptungen von
Vereinigungen zu führen, noch ist er gesetzlich dazu verpflichtet, solche Behauptungen unge-
prüft seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Es stellt damit keinen Wahlfehler dar, dass der
Bundeswahlausschuss bei seiner Entscheidung von der Existenz nur eines Landesverbandes
sowie einer weitgehend ungeklärten Anzahl von Mitgliedern der Einspruchsführerin ausge-
gangen ist. Ob und inwieweit die Einspruchsführerin später Informationen über Mitglieder-
zahl und Organisationsstruktur nachgereicht hat, spielt keine Rolle. Entscheidend ist der Er-
kenntnisstand im Zeitpunkt der Sitzung des Bundeswahlausschusses.

IV.

Es liegt auch kein Wahlfehler in der Entscheidung des Bundeswahlausschusses in seiner Sit-
zung vom 17. Juli 2009, die Parteieigenschaft der Einspruchsführerin abzulehnen. Nach der
ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind die in § 2 Absatz 1 PartG auf-
geführten Merkmale und Anhaltspunkte für eine Parteieigenschaft nicht trennscharf vonei-
nander abzugrenzen und zu bewerten. Vielmehr kommt es darauf an, ob die Gesamtwürdi-
gung der tatsächlichen Verhältnisse den Schluss zulässt, dass die Vereinigung ihre erklärte
Absicht, an der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken, ernsthaft verfolgt und
das Ziel einer parlamentarischen Vertretung nicht gänzlich wirklichkeitsfern erscheint
(BVerfGE 91, 276, 293). Der Bundeswahlausschuss wertet dabei die vorliegenden Tatsachen
in freier Beweiswürdigung (Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Aufl. § 18 Rn. 32). Ihm
bleiben Beurteilungsspielräume, insbesondere bei den voluntativen Tatbestandsmerkmalen

Drucksache 17/3100 - 88 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

und bei dem Tatbestandsmerkmal „Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse“ (Klein, ZG
2010, S. 156).

Zunächst hat der Bundeswahlausschuss eine Beurteilung der Parteieigenschaft nach den in § 2
Absatz 1 PartG genannten objektiven Kriterien vorzunehmen. Hierzu zählt der Umfang und
die Festigkeit der Organisation der Einspruchsführerin. Bei dieser Beurteilung war angesichts
der vorliegenden Informationen von nur einem Landesverband der Einspruchsführerin auszu-
gehen. Die Zahl der Mitglieder der Einspruchsführerin war unklar, die Angaben schwankten
zwischen 3 000 und 6 000. Hinsichtlich des Merkmals „Hervortreten in der Öffentlichkeit“
war lediglich von der Vorbereitung eines Parteifilms und verschiedenen Veranstaltungen zur
Sammlung von Unterstützungsunterschriften auszugehen. Im Hinblick auf diese Erkenntnis-
lage im Zeitpunkt der Sitzung des Bundeswahlausschusses hat der Wahlprüfungsausschuss
keine Veranlassung, in der Entscheidung des Bundeswahlausschusses einen Wahlfehler zu
sehen. Das nach § 2 Absatz 1 PartG maßgebliche „Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse“
und die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts notwendige Gesamtwürdi-
gung der zur Verfügung stehenden Informationen rechtfertigen es, die Parteieigenschaft der
Einspruchsführerin abzulehnen. Insbesondere kann bei der Annahme nur eines Landesver-
bandes sowie bei der nicht nachvollziehbaren Anzahl der Mitglieder der Einspruchsführerin
nicht von einem Umfang und einer Festigkeit der Organisation ausgegangen werden, die eine
parlamentarische Vertretung der Einspruchsführerin als nicht gänzlich wirklichkeitsfern er-
scheinen lassen. Der Bundeswahlleiter hat in seiner Stellungnahme ausführlich die einzelnen
Gründe dargelegt, die für die Entscheidung des Bundeswahlausschusses maßgeblich waren.
Sie zeugen von einer ausschöpfenden Bewertung und Würdigung aller verfügbaren Informa-
tionen. Der Wahlprüfungsausschuss teilt die Einschätzung des Bundeswahlausschuss hin-
sichtlich des Gesamtbildes der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne von § 2 Absatz 2 PartG
gänzlich. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt er vollinhaltlich Bezug auf die Aus-
führungen des Bundeswahlleiters.

Auch die von der Einspruchsführerin angeführte Tatsache, dass sie in den Jahren 2004 bis
2008 an einer Bundestags- und an vier Landtagswahlen teilgenommen habe, führt zu keiner
anderen Beurteilung. Zu Recht weist der Bundeswahlleiter darauf hin, dass aus § 2 Absatz 2
PartG, wonach eine Vereinigung ihre Rechtsstellung als Partei verliert, wenn sie sechs Jahre
lang weder an einer Bundestags- noch an einer Landtagswahl mit eigenen Wahlvorschlägen
teilgenommen hat, nicht der Schluss gezogen werden kann, dass sie durch entsprechende
Teilnahmen an Wahlen automatisch den Status als Partei erlangt bzw. behält. Vielmehr darf
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Verneinung der Parteieigen-
schaft nicht einzig auf die Nichtteilnahme an Wahlen gegründet werden (BVerfGE 89, 266,
271). Dies ist im vorliegenden Fall auch nicht geschehen. Auch die Nichtteilnahme der Ein-
spruchsführerin an der Europawahl 2009 konnte der Bundeswahlausschuss, entgegen der
Rechtssauffassung der Einspruchsführerin, bei seiner Gesamtwürdigung berücksichtigen.

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 89 - Drucksache 17/3100

Dass es der Einspruchsführerin trotz einer entsprechenden Absicht nicht gelang, genügend
Unterstützungsunterschriften zu sammeln, hätte zwar nicht als alleiniger Grund für die Nicht-
anerkennung der Parteieigenschaft der Einspruchsführerin ausgereicht. Als ein weiteres Indiz
zur Bewertung des Gesamtbildes der tatsächlichen Verhältnisse hat der Bundeswahlausschuss
diesen Umstand jedoch rechtsfehlerfrei würdigen dürfen.

V.

Es stellt auch keinen Wahlfehler dar, dass der Bundeswahlausschuss in seiner zweiten Sitzung
am 6. August 2009 keine andere Bewertung der Parteieigenschaft der Einspruchsführerin vor-
nahm. Entgegen der Auffassung der Einspruchsführerin ist es unerheblich, ob sich aufgrund
späterer Unterrichtungen oder Richtigstellungen durch die Einspruchsführerin eine andere
Beurteilung ihrer Parteieigenschaft ergeben hätte. Bei der wahlrechtlich maßgeblichen Ent-
scheidung über die Parteieigenschaft kommt es nach § 18 Absatz 4 BWG ausschließlich auf
den Erkenntnisstand spätestens am 72. Tag vor der Wahl, das war der Tag der ersten Sitzung
des Bundeswahlausschusses am 17. Juli 2009, an (vgl. Schreiber, Kommentar zum BWG, 8.
Aufl., § 18 Rn. 32). Ein Recht der Einspruchsführerin auf „Nachbesserung“ des eigenen Vor-
trags oder auf „Nachschieben“ weiterer Tatsachen oder Unterlagen in der zweiten Sitzung des
Bundeswahlausschusses mit der Folge eines zweiten Prüf- und Bewertungsverfahrens kann
aus den wahlrechtlichen Vorschriften nicht abgeleitet werden. Vielmehr sieht der Gesetzgeber
für die Entscheidung über die Parteieigenschaft ein einstufiges Verfahren vor, das nur noch
nach der Wahl im Rahmen einer Wahlprüfung nach Artikel 41 GG überprüft werden kann. Ob
dies möglicherweise änderungsbedürftig ist (siehe hierzu Klein, Zeitschrift für Gesetzgebung
(ZG), 2010, S. 165), kann hier offen bleiben. Im Rahmen des Wahlprüfungsverfahrens ist nur
zu klären, ob auf der Grundlage der bestehenden Gesetze ein Wahlfehler vorliegt oder nicht.

VI.

Da die Nichtanerkennung der Parteieigenschaft der Einspruchsführerin durch den Bundes-
wahlausschuss rechtens und gemäß § 18 Absatz 4 Nummer 2 BWG für alle Wahlorgane bin-
dend war, musste der Landeswahlausschuss des Landes Hamburg die Landesliste nach § 27
Absatz 1 BWG zurückweisen. Somit liegt auch kein Wahlfehler des Landeswahlausschusses
vor. Deshalb hat der Bundeswahlausschuss den Einspruch der Einspruchsführerin hiergegen
zu Recht zurückgewiesen. Auch insoweit liegt kein Wahlfehler des Bundeswahlausschusses
vor.

VII.

Da der Wahlprüfungsausschuss insgesamt keine Wahlfehler feststellen konnte, ist der Wahl-
einspruch der Einspruchsführerin zurückzuweisen. Dem Wunsch der Einspruchsführerin nach

Drucksache 17/3100 - 90 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

einer Anhörung ist der Wahlprüfungsausschuss in Anwendung von § 6 Absatz 1 WPrüfG
nicht nachgekommen, weil hiervon keine weitere Förderung des Verfahrens zu erwarten war.
Die Einspruchsführerin hatte ausreichend Gelegenheit zum schriftlichen Sach- und Rechtsvor-
trag. Das sie diese im Wesentlichen dazu genutzt hat, dem Wahlprüfungsausschuss - nach
eigenen Worten - „Anlagenkonvolute“ von unterschiedlichen Korrespondenzen, eigenen
Pressemitteilungen und Presseveröffentlichungen zukommen zu lassen mit der Bitte, der
Deutsche Bundestag möge sich mit diesen „intensiv auseinandersetzen“, war die eigenver-
antwortliche Entscheidung der Einspruchsführerin.

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 91 - Drucksache 17/3100

Anlage 19

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn D. H., 55597 Wöllstein
- Az.: WP 95/09 -

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 30. September 2010 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 13. November 2009, das am 16. November 2009 beim Deutschen Bundes-
tag eingegangen ist, hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum
17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 eingelegt.

Der Einspruchsführer rügt eine Verletzung des Grundsatzes der freien Wahl gemäß Artikel 38
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) dadurch, dass auf dem Stimmzettel nicht mit „Enthaltung“
oder „Nein“ gestimmt werden konnte, sowie die Verteilung der Sitze im Deutschen Bundes-
tag.

Im Wesentlichen trägt der Einspruchsführer vor, dass die Wahl nicht frei im Sinne von Artikel
38 Absatz 1 GG gewesen sei, weil zu einer freien Wahl auch die Möglichkeit, „Nein“ sagen
zu können, gehöre. Dadurch, dass der Stimmzettel kein Kästchen für „Nein“ oder „Enthal-
tung“ vorsehe, werde dies dem Wähler verwehrt. Das Votum für eine Partei oder Person be-
inhalte jedoch das Bekenntnis zu dieser Partei oder Person. Dies verstoße gegen das Grundge-
setz, das es verbiete, jemanden zu einem Bekenntnis zu nötigen. Der Einspruchsführer meint,
durch die Gestaltung des Stimmzettels sei dem Wähler suggeriert worden, dass er sich für
einen der Vorschläge entscheiden müsse. Das Ergebnis einer derartigen Wahl drücke nicht
den freien politischen Willen des Wählers aus, sondern sei unter psychischem Druck zustande
gekommen. Der Wähler glaube, er sei nur dann „ein guter Bürger und Demokrat“, wenn er

Drucksache 17/3100 - 92 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

wählen gehe, weil ihm dies vor der Wahl „von allen Seiten suggeriert“ werde. Dieser Druck
verfälsche das Wahlergebnis, denn er verleite die Wahlberechtigten dazu, entgegen ihrem
wirklichen Willen zu entscheiden. Damit sei der Grundsatz der freien Wahl gemäß Artikel 38
GG verletzt und der am 27. September 2009 gewählte Bundestag nicht vom Souverän legiti-
miert.

Des Weiteren beanstandet der Einspruchsführer, dass der Anteil der Sitze der im 17. Deut-
schen Bundestag vertretenen Parteien nicht dem prozentualen Anteil der auf sie entfallenen
Stimmen entspreche. So habe die CDU 27,3 Prozent, die CSU 6,5 Prozent und die FDP 14,6
Prozent, die drei Parteien zusammen mithin 48,4 Prozent der Stimmen erhalten. Es seien aber
der CDU 194, der CSU 45 und der FDP 93 und damit den drei Parteien insgesamt 332 Sitze
zugewiesen worden, was 55,52 Prozent (richtig: 53,38 Prozent) der Sitze entspreche. Der Ein-
spruchsführer ist der Ansicht, die Sitzverteilung müsse exakt der Verteilung der Zweitstim-
men entsprechen, die „nur lokal relevanten“ Erststimmen für die Direktkandidaten dürften
nicht dem Wählerwillen des gesamten Volkes zugerechnet werden. Nur dadurch sei die „un-
logische Situation“ entstanden, dass statt der „Sollstärke“ von 598 Sitzen 622 Sitze verteilt
worden seien. Damit hätten die die Regierungskoalition bildenden Parteien ein politisches
Gewicht von 55,52 Prozent, obwohl sie nur von 48,4 Prozent der Bürger gewählt worden sei-
en. Das Grundgesetz gehe aber davon aus, dass die Mehrheit entscheide. Auch sei nicht ver-
einbar mit Artikel 20 Absatz 2 GG, nach dem alle Gewalt vom Volke ausgehe, dass es eine
politische Macht von 7,12 Prozent gebe, die nicht durch die Wählerstimmen legitimiert sei,
aber in der konkreten Situation den Ausschlag gebe.
Wegen der Einzelheiten des Vortrags des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten
Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Der Vortrag des Einspruchsführers lässt keinen Wahlfehler erkennen.
Die vom Einspruchsführer vermisste Möglichkeit, auf dem Stimmzettel „Enthaltung“ oder
„Nein“ anzukreuzen, ist im geltenden Bundestagswahlrecht nicht vorgesehen. Das Bundes-
wahlgesetz (BWG) und die Bundeswahlordnung (BWO) enthalten keine Vorschrift, die es
dem Wähler ermöglichen würde, sich durch eine entsprechende Kennzeichnung der Stimme
zu enthalten oder mit einer Nein-Stimme gegen einen oder alle Wahlvorschläge zu stimmen.
Nach § 34 Absatz 2 BWG gibt der Wähler seine Erst- und Zweitstimme in der Weise ab, dass
er durch ein auf den Stimmzettel gesetztes Kreuz oder auf andere Weise eindeutig kenntlich
macht, welchem Bewerber bzw. welcher Landesliste sie gelten sollen. Entsprechend sieht

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 93 - Drucksache 17/3100

§ 45 Absatz 1 BWO in Verbindung mit Anlage 26 zur BWO vor, dass der Stimmzettel (nur)
Felder für die Kennzeichnung der aufgeführten Wahlkreisbewerber und Landeslisten enthält.
Anders als der Einspruchsführer offenbar meint, ist es durchaus möglich – und vom Grund-
satz der Wahlfreiheit umfasst –, keinem der Wahlvorschläge seine Stimme zu geben. Wenn
der Stimmzettel keine Kennzeichnung enthält, sind allerdings beide Stimmen gemäß § 39
Absatz 1 Nummer 2 in Verbindung mit § 39 Absatz 1 Satz 2 BWG als ungültig zu werten.
Enthält der Stimmzettel nur eine Stimmabgabe, so ist nach § 39 Absatz 1 Satz 4 BWG die
nicht abgegebene Stimme ungültig. Der Gesetzgeber hat sich damit dafür entschieden, dass
sich der Wähler lediglich durch eine Nichtteilnahme an der Wahl der Stimme enthalten kann.
Sobald er sich an der Wahl beteiligt, unterscheidet das Bundeswahlgesetz nur noch zwischen
gültigen und ungültigen Stimmen (vgl. Bundestagsdrucksachen 14/1560, Anlage 76; 15/1150,
Anlage 39; Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 39 Rn. 18), wobei eine
ungültige Stimme dieselbe Wirkung entfaltet wie eine Stimmenthaltung.

Soweit der Einspruchsführer in der - den Vorgaben des Bundeswahlgesetzes und der Bun-
deswahlordnung entsprechenden - Gestaltung der Stimmzettel einen Verstoß gegen den ver-
fassungsrechtlichen Grundsatz der freien Wahl gemäß Artikel 38 Absatz 1 GG sieht, ist zu-
nächst darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in
ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit von
Wahlrechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfas-
sungsgericht vorbehalten worden (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26
bis 28; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24). Un-
abhängig davon bestehen aus Sicht des Wahlprüfungsausschusses keine Zweifel an der Ver-
fassungsmäßigkeit der genannten Regelungen des Bundeswahlgesetzes. Zwar umfasst der
Grundsatz der Freiheit der Wahl auch die Freiheit der Stimmabgabe (Schreiber, Kommentar
zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 1 Rn. 24). Danach steht es dem Wahlbürger frei, beide Stim-
men, nur eine oder auch keine Stimme abzugeben, ein Stimmensplitting vorzunehmen oder
die Erst- und/oder Zweitwahl bewusst ungültig vorzunehmen (Schreiber, a. a. O.). Ein An-
spruch auf die Einräumung der Möglichkeit zur Abgabe einer Nein-Stimme oder einer
Stimmenthaltung auf dem Stimmzettel lässt sich hieraus aber nicht ableiten. Ergänzend sei
darauf hingewiesen, dass dies auch sinnwidrig wäre. Denn der Zweck der angefochtenen
Wahl war, die Abgeordneten des 17. Deutschen Bundestages zu bestimmen. Dies ist nur mög-
lich, wenn die Wähler positiv entscheiden, welche der aufgestellten Bewerber in den Bundes-
tag einziehen sollen. Stimmenthaltungen und Nein-Stimmen könnten eine solche Entschei-
dung jedoch nicht herbeiführen (vgl. Bundestagsdrucksache 14/1560, Anlage 100).

Der Vorwurf des Einspruchsführers, durch die Gestaltung des Stimmzettels seien die Wähler
genötigt worden, ihre Stimmen entgegen ihrem wahren Willen abzugeben, ist angesichts der
im Rahmen der Wahlfreiheit eröffneten, oben dargestellten Handlungsoptionen bei der
Stimmabgabe unbegründet. Der Grundsatz der geheimen Wahl, der den wichtigsten instituti-

Drucksache 17/3100 - 94 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

onellen Schutz der Wahlfreiheit darstellt (BVerfGE 99, 1, 13; Schreiber, Kommentar zum
BWG, 8. Auflage, 2009, § 1 Rn. 19), und dessen Verletzung der Einspruchsführer nicht be-
hauptet hat, stellt vielmehr sicher, dass jeder Wähler sein Wahlrecht frei von jeder unzulässi-
gen Einflussnahme auf seine Entschließungsfreiheit ausüben kann. Soweit der Einspruchsfüh-
rer über die Gestaltung des Stimmzettels hinaus die Ausübung eines die Wahlfreiheit be-
schränkenden Drucks im Vorfeld der Wahl behauptet, fehlt es an jedem konkreten Tatsachen-
vortrag, der dies belegen könnte.

Auch soweit der Einspruchsführer die Verteilung der Sitze im 17. Deutschen Bundestag rügt,
liegt kein Verstoß gegen wahlrechtliche Vorschriften vor. Seine Forderung, die Zusammen-
setzung des 17. Deutschen Bundestages müsse exakt das Ergebnis der abgegeben Zweitstim-
men widerspiegeln, und zugleich dürfe die Zahl der Abgeordneten die in § 1 Absatz 1 BWG
vorgesehene Größe von 598 Abgeordneten nicht überschreiten, entspricht nicht den Vorgaben
des geltenden Bundestagswahlrechts. Dieses sieht eine allgemeine, unmittelbare, freie, gleiche
und geheime Wahl nach den Grundsätzen einer mit der Personenwahl verbundenen Verhält-
niswahl vor, § 1 Absatz 1 Satz 2 BWG. Von den 598 Abgeordneten, aus denen der Deutsche
Bundestag vorbehaltlich der sich aus dem Gesetz ergebenden Abweichungen besteht, werden
299 nach Kreiswahlvorschlägen in den Wahlkreisen und die Übrigen nach Landeswahlvor-
schlägen (Landeslisten) gewählt, § 1 Absatz 2 BWG. Dafür hat gemäß § 4 BWG jeder Wähler
zwei Stimmen, eine Erststimme für die Wahl eines Wahlkreisabgeordneten und eine Zweit-
stimme für die Wahl einer Landesliste. Der Einspruchsführer ist daher darauf hinzuweisen,
dass er irrt, wenn er den abgegebenen Erststimmen „nur lokale Relevanz“ zuspricht, denn in
jedem Wahlkreis wird gemäß § 5 Satz 1 BWG ein Abgeordneter gewählt, der gemäß Artikel
38 Absatz 1 Satz 2 GG Vertreter des ganzen Volkes ist.
Die vom Einspruchsführer kritisierte Differenz zwischen dem Zweitstimmenanteil der Partei-
en und der Sitzverteilung im 17. Deutschen Bundestag sowie die Abweichung von der in § 1
Absatz 1 Satz 1 BWG festgelegten Anzahl von 598 Abgeordneten beruhen auf der - zutref-
fenden - Anwendung des Bundeswahlgesetzes. Beides folgt zum einen aus dem Entstehen
von 24 sogenannten Überhangmandaten. Hierbei handelt es sich um Sitze, die eine Partei in
den Wahlkreisen errungen hat und die ihr gemäß § 6 Absatz 5 Satz 1 BWG auch dann ver-
bleiben, wenn sie die nach dem Ergebnis der für die Landeslisten abgegebenen Zweitstimmen
ermittelte Mandatszahl übersteigen. In einem solchen Fall sieht das Gesetz ausdrücklich eine
Erhöhung der Gesamtzahl der Sitze im Deutschen Bundestag um die Unterschiedszahl ohne
weiteren Ausgleich vor, § 6 Absatz 5 Satz 2 BWG. Diese Regelung hat das Bundesverfas-
sungsgericht in seinem Urteil vom 10. April 1997 (BVerfGE 95, 335 ff.) grundsätzlich für
verfassungsgemäß erachtet. Im Rahmen der ihm vom Bundesverfassungsgericht aus einem
anderen Grund aufgegebenen Änderung des Bundeswahlgesetzes bis zum 30. Juni 2011 (Ur-
teil vom 3. Juli 2008, BVerfGE 121, 266 ff.) wird der Gesetzgeber über die Berechnung der
Sitzzuteilung bei künftigen Wahlen neu entscheiden. In dem genannten Urteil hat das Bun-
desverfassungsgericht ausdrücklich klargestellt, dass eine Verteilung der Sitze im 17. Deut-

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 95 - Drucksache 17/3100

schen Bundestag nach den bestehenden gesetzlichen Regelungen zulässig ist (BVerfGE 121,
266, 315 f.).
Zum anderen können sich schon deshalb nicht sämtliche abgegebenen Zweitstimmen in Sit-
zen im 17. Deutschen Bundestag abbilden, weil nicht alle mit Landeslisten zur Wahl angetre-
tenen Parteien das in § 6 Absatz 6 Satz 1 BWG vorgesehene Quorum von mindestens fünf
Prozent der Zweitstimmen oder drei Direktmandaten erreicht haben. Die Verfassungsmäßig-
keit dieser Regelung wird vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung bestä-
tigt (vgl. zuletzt BVerfGE 122, 304, 314 f. mit weiteren Nachweisen; s. auch Bundestags-
drucksache 16/900, Anlage 14).

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 97 - Drucksache 17/3100

Anlage 20

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn B. M., 24113 Kiel,
- Az.: WP 97/09 -

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 30. September 2010 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 14. November 2009, das am 17. November 2009 beim Deutschen Bundes-
tag eingegangen ist, hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum
17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 eingelegt.

Der Einspruchsführer rügt eine Verletzung des Grundsatzes der freien Wahl gemäß Artikel 38
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) dadurch, dass auf dem Stimmzettel nicht mit „Enthaltung“
oder „Nein“ gestimmt werden konnte, sowie die Verteilung der Sitze im Deutschen Bundes-
tag.

Im Wesentlichen trägt der Einspruchsführer vor, dass die Wahl nicht frei im Sinne von Artikel
38 Absatz 1 GG gewesen sei, weil zu einer freien Wahl auch die Möglichkeit, „Nein“ sagen
zu können, gehöre. Dadurch, dass der Stimmzettel kein Kästchen für „Nein“ oder „Enthal-
tung“ vorsehe, werde dies dem Wähler verwehrt. Das Votum für eine Partei oder Person be-
inhalte jedoch das Bekenntnis zu dieser Partei oder Person. Dies verstoße gegen das Grundge-
setz, das es verbiete, jemanden zu einem Bekenntnis zu nötigen. Der Einspruchsführer meint,
durch die Gestaltung des Stimmzettels sei dem Wähler suggeriert worden, dass er sich für
einen der Vorschläge entscheiden müsse. Das Ergebnis einer derartigen Wahl drücke nicht
den freien politischen Willen des Wählers aus, sondern sei unter psychischem Druck zustande
gekommen. Der Wähler glaube, er sei nur dann „ein guter Bürger und Demokrat“, wenn er

Drucksache 17/3100 - 98 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

wählen gehe, weil ihm dies vor der Wahl „von allen Seiten suggeriert“ werde. Dieser Druck
verfälsche das Wahlergebnis, denn er verleite die Wahlberechtigten dazu, entgegen ihrem
wirklichen Willen zu entscheiden. Damit sei der Grundsatz der freien Wahl gemäß Artikel 38
GG verletzt und der am 27. September 2009 gewählte Bundestag nicht vom Souverän legiti-
miert.

Des Weiteren beanstandet der Einspruchsführer, dass der Anteil der Sitze der im 17. Deut-
schen Bundestag vertretenen Parteien nicht dem prozentualen Anteil der auf sie entfallenen
Stimmen entspreche. So habe die CDU 27,3 Prozent, die CSU 6,5 Prozent und die FDP 14,6
Prozent, die drei Parteien zusammen mithin 48,4 Prozent der Stimmen erhalten. Es seien aber
der CDU 194, der CSU 45 und der FDP 93 und damit den drei Parteien insgesamt 332 Sitze
zugewiesen worden, was 55,52 Prozent (richtig: 53,38 Prozent) der Sitze entspreche. Der Ein-
spruchsführer ist der Ansicht, die Sitzverteilung müsse exakt der Verteilung der Zweitstim-
men entsprechen, die „nur lokal relevanten“ Erststimmen für die Direktkandidaten dürften
nicht dem Wählerwillen des gesamten Volkes zugerechnet werden. Nur dadurch sei die „un-
logische Situation“ entstanden, dass statt der „Sollstärke“ von 598 Sitzen 622 Sitze verteilt
worden seien. Damit hätten die die Regierungskoalition bildenden Parteien ein politisches
Gewicht von 55,52 Prozent, obwohl sie nur von 48,4 Prozent der Bürger gewählt worden sei-
en. Das Grundgesetz gehe aber davon aus, dass die Mehrheit entscheide. Auch sei nicht ver-
einbar mit Artikel 20 Absatz 2 GG, nach dem alle Gewalt vom Volke ausgehe, dass es eine
politische Macht von 7,12 Prozent gebe, die nicht durch die Wählerstimmen legitimiert sei,
aber in der konkreten Situation den Ausschlag gebe.
Wegen der Einzelheiten des Vortrags des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten
Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Der Vortrag des Einspruchsführers lässt keinen Wahlfehler erkennen.
Die vom Einspruchsführer vermisste Möglichkeit, auf dem Stimmzettel „Enthaltung“ oder
„Nein“ anzukreuzen, ist im geltenden Bundestagswahlrecht nicht vorgesehen. Das Bundes-
wahlgesetz (BWG) und die Bundeswahlordnung (BWO) enthalten keine Vorschrift, die es
dem Wähler ermöglichen würde, sich durch eine entsprechende Kennzeichnung der Stimme
zu enthalten oder mit einer Nein-Stimme gegen einen oder alle Wahlvorschläge zu stimmen.
Nach § 34 Absatz 2 BWG gibt der Wähler seine Erst- und Zweitstimme in der Weise ab, dass
er durch ein auf den Stimmzettel gesetztes Kreuz oder auf andere Weise eindeutig kenntlich
macht, welchem Bewerber bzw. welcher Landesliste sie gelten sollen. Entsprechend sieht

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 99 - Drucksache 17/3100

§ 45 Absatz 1 BWO in Verbindung mit Anlage 26 zur BWO vor, dass der Stimmzettel (nur)
Felder für die Kennzeichnung der aufgeführten Wahlkreisbewerber und Landeslisten enthält.
Anders als der Einspruchsführer offenbar meint, ist es durchaus möglich – und vom Grund-
satz der Wahlfreiheit umfasst –, keinem der Wahlvorschläge seine Stimme zu geben. Wenn
der Stimmzettel keine Kennzeichnung enthält, sind allerdings beide Stimmen gemäß § 39
Absatz 1 Nummer 2 in Verbindung mit § 39 Absatz 1 Satz 2 BWG als ungültig zu werten.
Enthält der Stimmzettel nur eine Stimmabgabe, so ist nach § 39 Absatz 1 Satz 4 BWG die
nicht abgegebene Stimme ungültig. Der Gesetzgeber hat sich damit dafür entschieden, dass
sich der Wähler lediglich durch eine Nichtteilnahme an der Wahl der Stimme enthalten kann.
Sobald er sich an der Wahl beteiligt, unterscheidet das Bundeswahlgesetz nur noch zwischen
gültigen und ungültigen Stimmen (vgl. Bundestagsdrucksachen 14/1560, Anlage 76; 15/1150,
Anlage 39; Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 39 Rn. 18), wobei eine
ungültige Stimme dieselbe Wirkung entfaltet wie eine Stimmenthaltung.

Soweit der Einspruchsführer in der - den Vorgaben des Bundeswahlgesetzes und der Bun-
deswahlordnung entsprechenden - Gestaltung der Stimmzettel einen Verstoß gegen den ver-
fassungsrechtlichen Grundsatz der freien Wahl gemäß Artikel 38 Absatz 1 GG sieht, ist zu-
nächst darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in
ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit von
Wahlrechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfas-
sungsgericht vorbehalten worden (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26
bis 28; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24). Un-
abhängig davon bestehen aus Sicht des Wahlprüfungsausschusses keine Zweifel an der Ver-
fassungsmäßigkeit der genannten Regelungen des Bundeswahlgesetzes. Zwar umfasst der
Grundsatz der Freiheit der Wahl auch die Freiheit der Stimmabgabe (Schreiber, Kommentar
zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 1 Rn. 24). Danach steht es dem Wahlbürger frei, beide Stim-
men, nur eine oder auch keine Stimme abzugeben, ein Stimmensplitting vorzunehmen oder
die Erst- und/oder Zweitwahl bewusst ungültig vorzunehmen (Schreiber, a. a. O.). Ein An-
spruch auf die Einräumung der Möglichkeit zur Abgabe einer Nein-Stimme oder einer
Stimmenthaltung auf dem Stimmzettel lässt sich hieraus aber nicht ableiten. Ergänzend sei
darauf hingewiesen, dass dies auch sinnwidrig wäre. Denn der Zweck der angefochtenen
Wahl war, die Abgeordneten des 17. Deutschen Bundestages zu bestimmen. Dies ist nur mög-
lich, wenn die Wähler positiv entscheiden, welche der aufgestellten Bewerber in den Bundes-
tag einziehen sollen. Stimmenthaltungen und Nein-Stimmen könnten eine solche Entschei-
dung jedoch nicht herbeiführen (vgl. Bundestagsdrucksache 14/1560, Anlage 100).

Der Vorwurf des Einspruchsführers, durch die Gestaltung des Stimmzettels seien die Wähler
genötigt worden, ihre Stimmen entgegen ihrem wahren Willen abzugeben, ist angesichts der
im Rahmen der Wahlfreiheit eröffneten, oben dargestellten Handlungsoptionen bei der
Stimmabgabe unbegründet. Der Grundsatz der geheimen Wahl, der den wichtigsten instituti-

Drucksache 17/3100 - 100 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

onellen Schutz der Wahlfreiheit darstellt (BVerfGE 99, 1, 13; Schreiber, Kommentar zum
BWG, 8. Auflage, 2009, § 1 Rn. 19), und dessen Verletzung der Einspruchsführer nicht be-
hauptet hat, stellt vielmehr sicher, dass jeder Wähler sein Wahlrecht frei von jeder unzulässi-
gen Einflussnahme auf seine Entschließungsfreiheit ausüben kann. Soweit der Einspruchsfüh-
rer über die Gestaltung des Stimmzettels hinaus die Ausübung eines die Wahlfreiheit be-
schränkenden Drucks im Vorfeld der Wahl behauptet, fehlt es an jedem konkreten Tatsachen-
vortrag, der dies belegen könnte.

Auch soweit der Einspruchsführer die Verteilung der Sitze im 17. Deutschen Bundestag rügt,
liegt kein Verstoß gegen wahlrechtliche Vorschriften vor. Seine Forderung, die Zusammen-
setzung des 17. Deutschen Bundestages müsse exakt das Ergebnis der abgegeben Zweitstim-
men widerspiegeln, und zugleich dürfe die Zahl der Abgeordneten die in § 1 Absatz 1 BWG
vorgesehene Größe von 598 Abgeordneten nicht überschreiten, entspricht nicht den Vorgaben
des geltenden Bundestagswahlrechts. Dieses sieht eine allgemeine, unmittelbare, freie, gleiche
und geheime Wahl nach den Grundsätzen einer mit der Personenwahl verbundenen Verhält-
niswahl vor, § 1 Absatz 1 Satz 2 BWG. Von den 598 Abgeordneten, aus denen der Deutsche
Bundestag vorbehaltlich der sich aus dem Gesetz ergebenden Abweichungen besteht, werden
299 nach Kreiswahlvorschlägen in den Wahlkreisen und die Übrigen nach Landeswahlvor-
schlägen (Landeslisten) gewählt, § 1 Absatz 2 BWG. Dafür hat gemäß § 4 BWG jeder Wähler
zwei Stimmen, eine Erststimme für die Wahl eines Wahlkreisabgeordneten und eine Zweit-
stimme für die Wahl einer Landesliste. Der Einspruchsführer ist daher darauf hinzuweisen,
dass er irrt, wenn er den abgegebenen Erststimmen „nur lokale Relevanz“ zuspricht, denn in
jedem Wahlkreis wird gemäß § 5 Satz 1 BWG ein Abgeordneter gewählt, der gemäß Artikel
38 Absatz 1 Satz 2 GG Vertreter des ganzen Volkes ist.
Die vom Einspruchsführer kritisierte Differenz zwischen dem Zweitstimmenanteil der Partei-
en und der Sitzverteilung im 17. Deutschen Bundestag sowie die Abweichung von der in § 1
Absatz 1 Satz 1 BWG festgelegten Anzahl von 598 Abgeordneten beruhen auf der - zutref-
fenden - Anwendung des Bundeswahlgesetzes. Beides folgt zum einen aus dem Entstehen
von 24 sogenannten Überhangmandaten. Hierbei handelt es sich um Sitze, die eine Partei in
den Wahlkreisen errungen hat und die ihr gemäß § 6 Absatz 5 Satz 1 BWG auch dann ver-
bleiben, wenn sie die nach dem Ergebnis der für die Landeslisten abgegebenen Zweitstimmen
ermittelte Mandatszahl übersteigen. In einem solchen Fall sieht das Gesetz ausdrücklich eine
Erhöhung der Gesamtzahl der Sitze im Deutschen Bundestag um die Unterschiedszahl ohne
weiteren Ausgleich vor, § 6 Absatz 5 Satz 2 BWG. Diese Regelung hat das Bundesverfas-
sungsgericht in seinem Urteil vom 10. April 1997 (BVerfGE 95, 335 ff.) grundsätzlich für
verfassungsgemäß erachtet. Im Rahmen der ihm vom Bundesverfassungsgericht aus einem
anderen Grund aufgegebenen Änderung des Bundeswahlgesetzes bis zum 30. Juni 2011 (Ur-
teil vom 3. Juli 2008, BVerfGE 121, 266 ff.) wird der Gesetzgeber über die Berechnung der
Sitzzuteilung bei künftigen Wahlen neu entscheiden. In dem genannten Urteil hat das Bun-
desverfassungsgericht ausdrücklich klargestellt, dass eine Verteilung der Sitze im 17. Deut-

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 101 - Drucksache 17/3100

schen Bundestag nach den bestehenden gesetzlichen Regelungen zulässig ist (BVerfGE 121,
266, 315 f.).
Zum anderen können sich schon deshalb nicht sämtliche abgegebenen Zweitstimmen in Sit-
zen im 17. Deutschen Bundestag abbilden, weil nicht alle mit Landeslisten zur Wahl angetre-
tenen Parteien das in § 6 Absatz 6 Satz 1 BWG vorgesehene Quorum von mindestens fünf
Prozent der Zweitstimmen oder drei Direktmandaten erreicht haben. Die Verfassungsmäßig-
keit dieser Regelung wird vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung bestä-
tigt (vgl. zuletzt BVerfGE 122, 304, 314 f. mit weiteren Nachweisen; s. auch Bundestags-
drucksache 16/900, Anlage 14).

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 103 - Drucksache 17/3100

Anlage 21

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn F.-W. L., 44579 Castrop-Rauxel
- Az.: WP 99/09 -

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 30. September 2010 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem an den Bundeswahlleiter gerichteten Schreiben vom 28. September 2009 hat der
Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag am
27. September 2009 eingelegt. Das Schreiben wurde zunächst an die Landeswahlleiterin des
Landes Nordrhein-Westfalen und von dieser an den Kreiswahlleiter der Stadt Dortmund wei-
tergeleitet. Von diesem wurde es an den Deutschen Bundestag übersandt und ging hier am
18. November 2009 ein.

Der Einspruchsführer beanstandet in seinem Einspruch, dass seinem Bruder die Teilnahme an
der Bundestagswahl verweigert worden sei. Im Wesentlichen trägt er vor, er habe für seinen
Bruder, zu dessen Betreuer er – zuletzt durch einen dem Wahlprüfungsausschuss in Kopie
vorliegenden Beschluss des Amtsgerichts Dortmund vom 4. Januar 2006 – bestellt war,
Briefwahlunterlagen bei der Stadt Dortmund beantragt. Diese seien jedoch bis zum Wahltag
weder an seiner im Antrag angegebenen Anschrift in Castrop-Rauxel noch am Wohnsitz sei-
nes Bruders in Dortmund angekommen. Deshalb sei er am Wahltag mit seinem Bruder gegen
14 Uhr zum zuständigen Wahllokal gefahren. Dort sei seinem Bruder die Teilnahme an der
Wahl mit dem Hinweis darauf, dass er im Wählerverzeichnis als Briefwähler eingetragen sei,
verweigert worden. Der Einspruchsführer ist der Ansicht, dass sein Bruder seines Stimm-
rechts dadurch beraubt worden sei, dass die Stadt die Wahlunterlagen nicht rechtzeitig zur
Verfügung gestellt, aber dennoch einen Sperrvermerk im Wählerverzeichnis angebracht habe.

Drucksache 17/3100 - 104 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

Der Kreiswahlleiter hat zusammen mit der Einspruchsschrift ein an den Einspruchsführer ge-
richtetes Schreiben der Stadt Dortmund vom 13. Oktober 2009 übersandt, in dem unter ande-
rem erläutert wird, dass die Briefwahlunterlagen für seinen Bruder am 1. September 2009
ausgestellt und an dessen Adresse versandt worden seien. Ein Antrag auf Versendung der
Unterlagen an die Adresse des Einspruchsführers als abweichende Versandanschrift habe
nicht vorgelegen. Die Briefwahlunterlagen seien auch nicht wegen Unzustellbarkeit zurück
gesandt worden. Bei der Ausstellung der Briefwahlunterlagen werde automatisch ein Sperr-
vermerk im Wählerverzeichnis gesetzt, um eine doppelte Stimmabgabe zu verhindern. Dieser
könne nur durch einen Einspruch oder die Abgabe einer Versicherung an Eides statt wieder
entfernt werden, was nur bis zum 25. September 2009, 18 Uhr, möglich gewesen sei. Am
Wahltag sei der Wahlvorstand an die Angaben im Wählerverzeichnis gebunden.
Beigefügt hat der Kreiswahlleiter einen handschriftlich ausgefüllten Antrag auf Ausstellung
eines Wahlscheins für den Bruder des Einspruchsführers mit der Bitte um Übersendung an
dessen Anschrift in Dortmund, sowie einen Ausdruck der Sendungsdetails eines Postdienst-
leisters, aus dem hervorgeht, dass dieser am 4. September 2009 um 0.51 Uhr eine Sendung
des Absenders „Stadt Dortmund – Wahlen“ an die Anschrift des Bruders des Einspruchsfüh-
rers angenommen hat.

Die Landeswahlleiterin des Landes Nordrhein-Westfalen hat zu dem Einspruch Stellung ge-
nommen. Sie trägt im Wesentlichen vor, aus dem Antrag auf Ausstellung eines Wahlscheins
ergebe sich, dass der Wahlschein mit den Briefwahlunterlagen an die Adresse des Bruders des
Einspruchsführers habe übersandt werden sollen. Auf den abweichenden Vortrag des Ein-
spruchsführers, er habe die Übersendung an seine eigene Adresse in Castrop-Rauxel „be-
stellt“, komme es mangels näherer Belege daher nicht an. Dass die Briefwahlunterlagen dem
Bruder des Einspruchsführers in Dortmund nicht zugegangen seien, sei nach Aktenlage weder
von diesem noch von seinem ihn betreuenden Bruder vorgetragen worden. Wenn dies glaub-
haft versichert worden wäre, hätte dem Wahlberechtigten noch bis zum Tag vor der Wahl,
12 Uhr, ein neuer Wahlschein erteilt werden können. Am Wahltag habe der Bruder des Ein-
spruchsführers nicht im Wahllokal wählen dürfen, weil für ihn wegen Zusendung des für ihn
beantragten Wahlscheins im Wählerverzeichnis ein Sperrvermerk gemäß § 30 der Bundes-
wahlordnung (BWO) eingetragen gewesen sei und er keinen Wahlschein vorgelegt hätte,
weshalb er vom Wahlvorstand gemäß § 56 Absatz 6 Satz 1 Nummer 2 BWO zurückzuweisen
gewesen sei. Ihrer Stellungnahme hat die Landeswahlleiterin eine Stellungnahme des Kreis-
wahlleiters beigefügt, die inhaltlich im Wesentlichen dem Wahlprüfungsausschuss bereits
vorliegenden Schreiben der Stadt Dortmund an den Einspruchsführers vom 13. Oktober 2009
entspricht.

Die Stellungnahme der Landeswahlleiterin ist dem Einspruchsführer bekannt gegeben wor-
den. Er hat dazu erklärt, er habe, da die beantragten Briefwahlunterlagen nicht am Wohnsitz

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 105 - Drucksache 17/3100

seines Bruders angekommen seien, Mitte September erneut Briefwahlunterlagen für seinen
Bruder angefordert, die an seine Anschrift in Castrop-Rauxel übersandt werden sollten. Hier-
für habe er den Anhang der Wahlbenachrichtigungskarte genutzt. Bis zum Wahltag seien die
Briefwahlunterlagen jedoch weder bei ihm noch bei seinem Bruder angekommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten sowie der übersandten Doku-
mente wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Zwar kann der Wahlprüfungsausschuss letztlich nicht aufklären, ob der Bruder des Ein-
spruchsführers die nach Auskunft der Stadt Dortmund antragsgemäß an seine Anschrift ver-
sandten Briefwahlunterlagen nicht erhalten hat, wie der Einspruchsführer vorträgt. Doch
selbst wenn dies der Fall wäre, kann darin kein Wahlfehler gesehen werden. Denn nach stän-
diger Entscheidungspraxis des Deutschen Bundestages in Wahlprüfungsangelegenheiten trägt
der Wahlberechtigte, der von der durch den Gesetzgeber eingeräumten Möglichkeit der
Briefwahl Gebrauch macht und seine Wahlunterlagen nicht persönlich bei der Gemeinde ab-
holt (vgl. § 28 Absatz 5 BWO), das Risiko, dass die Unterlagen ihn aufgrund des Transports
nicht oder nicht rechtzeitig erreichen. Die Gemeinde trifft hier keine „Bringschuld“, sondern
lediglich eine „Schickschuld“. Sie hat das ihrerseits Erforderliche getan, wenn sie die Unter-
lagen ordnungsgemäß und rechtzeitig ausgestellt und auf ihre Kosten versandt hat (vgl. Bun-
destagsdrucksachen 15/1850, Anlage 27; 15/4750, Anlage 6; 16/3600, Anlagen 20, 25 und 26;
17/1000, Anlagen 3, 4, 6 und 7; 17/2250, Anlagen 7, 14, 16, 19). Diesen Anforderungen ist
die Stadt Dortmund gerecht geworden. Nach Auskunft des zuständigen Kreiswahlleiters wur-
den die Briefwahlunterlagen von der Gemeinde am 1. September 2009 ausgestellt und aus-
weislich des vorgelegten Sendungsprotokolls am 4. September 2009 dem mit der Zustellung
beauftragten Postdienstleister übergeben. Für Zweifel an diesen Angaben besteht aus Sicht
des Wahlprüfungsausschusses kein Anlass.

Auch soweit der Einspruchsführer rügt, dass ihm auf einen von ihm für seinen Bruder Mitte
September 2009 gestellten zweiten Briefwahlantrag keine Briefwahlunterlagen zugesandt
worden seien, lässt sich ein Wahlfehler nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen. Denn
die Stadt Dortmund hätte einem zweiten Briefwahlantrag angesichts der Tatsache, dass sie
bereits am 1. September 2009 einen Wahlschein für den Bruder des Einspruchsführers ausge-
stellt und versandt hatte, nicht ohne Weiteres entsprechen können, da gemäß § 28 Absatz 10
Satz 1 BWO verlorene Wahlscheine nicht ersetzt werden. Allerdings hätte der Eingang eines
zweiten Briefwahlantrags die Gemeinde zu einer Reaktion – in Form einer Ablehnung oder

Drucksache 17/3100 - 106 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

zumindest einer Nachfrage – gegenüber dem Wahlberechtigten oder seinem Betreuer veran-
lassen müssen, wodurch dem Wahlberechtigten frühzeitig die Möglichkeit hätte eröffnet wer-
den können, gemäß § 28 Absatz 10 Satz 2 BWO glaubhaft zu versichern, dass ihm der bean-
tragte Wahlschein nicht zugegangen sei, so dass ihm bis zum Tag vor der Wahl, 12 Uhr, ein
neuer Wahlschein hätte erteilt werden können. Nach Auskunft der Stadt Dortmund lag aller-
dings ein solcher zweiter Antrag bei ihr nicht vor. Der Wahlprüfungsausschuss kann daher
nicht mit Sicherheit aufklären, ob ein zweiter Antrag auf Übersendung von Briefwahlunterla-
gen vom Einspruchsführer tatsächlich abgesandt und der Gemeinde auch zugestellt worden
ist. Letztlich kommt es hierauf vorliegend aber auch nicht an. Denn selbst wenn ein Wahlfeh-
ler vorläge, könnte dieser dem Einspruch nicht zum Erfolg verhelfen, denn nach ständiger
Praxis des Wahlprüfungsausschusses und ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungs-
gerichts können nur solche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinträchtigen, die auf die
Sitzverteilung von Einfluss sind oder sein können (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen
17/1000, Anlagen 10, 15, 19 und 20; 17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18
und 22; BVerfGE 89, 243, 254). Selbst wenn dem Bruder des Einspruchsführers ein weiterer
Wahlschein ausgestellt worden wäre, mit dem er an der Wahl teilgenommen hätte, hätte dies
das Ergebnis der Wahl jedoch nur so geringfügig verändert, dass ein Einfluss auf die Sitzver-
teilung im Deutschen Bundestag ausgeschlossen werden kann.

Soweit sich der Einspruchsführer dagegen wendet, dass sein Bruder von der Stimmabgabe bei
der Urnenwahl zurückgewiesen wurde, liegt kein Verstoß gegen wahlrechtliche Vorschriften
vor. Gemäß § 56 Absatz 6 Nummer 2 BWO hat der Wahlvorstand einen Wähler zurückzu-
weisen, der keinen Wahlschein vorlegt, obwohl sich im Wählerverzeichnis ein Wahlschein-
vermerk befindet, es sei denn, es wird festgestellt, dass er nicht im Wahlscheinverzeichnis
eingetragen ist. Diese Voraussetzungen für die Zurückweisung lagen hier vor, denn der Bru-
der des Einspruchsführers konnte keinen Wahlschein vorlegen, obwohl sich im Wählerver-
zeichnis ein Wahlscheinvermerk befand. Da dem Bruder des Einspruchsführers am 1. Sep-
tember 2009 tatsächlich ein Wahlschein erteilt worden war, war auch die Feststellung ausge-
schlossen, dass er nicht im Wahlscheinverzeichnis eingetragen war.

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 107 - Drucksache 17/3100

Anlage 22

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

der Frau U. T., 53919 Weilerswist
- Az.: WP 100/09 -

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 30. September 2010 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 17. November 2009, das am 18. November 2009 beim Deutschen Bundes-
tag eingegangen ist, hat die Einspruchsführerin Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum
17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 eingelegt.

Die Einspruchsführerin rügt eine Verletzung des Grundsatzes der freien Wahl gemäß Artikel
38 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) dadurch, dass auf dem Stimmzettel nicht mit „Enthal-
tung“ oder „Nein“ gestimmt werden konnte, sowie die Verteilung der Sitze im Deutschen
Bundestag.

Im Wesentlichen trägt die Einspruchsführerin vor, dass die Wahl nicht frei im Sinne von Arti-
kel 38 Absatz 1 GG gewesen sei, weil zu einer freien Wahl auch die Möglichkeit, „Nein“ sa-
gen zu können, gehöre. Dadurch, dass der Stimmzettel kein Kästchen für „Nein“ oder „Ent-
haltung“ vorsehe, werde dies dem Wähler verwehrt. Das Votum für eine Partei oder Person
beinhalte jedoch das Bekenntnis zu dieser Partei oder Person. Dies verstoße gegen das
Grundgesetz, das es verbiete, jemanden zu einem Bekenntnis zu nötigen. Die Einspruchsfüh-
rerin meint, durch die Gestaltung des Stimmzettels sei dem Wähler suggeriert worden, dass er
sich für einen der Vorschläge entscheiden müsse. Das Ergebnis einer derartigen Wahl drücke
nicht den freien politischen Willen des Wählers aus, sondern sei unter psychischem Druck
zustande gekommen. Der Wähler glaube, er sei nur dann „ein guter Bürger und Demokrat“,

Drucksache 17/3100 - 108 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

wenn er wählen gehe, weil ihm dies vor der Wahl „von allen Seiten suggeriert“ werde. Dieser
Druck verfälsche das Wahlergebnis, denn er verleite die Wahlberechtigten dazu, entgegen
ihrem wirklichen Willen zu entscheiden. Damit sei der Grundsatz der freien Wahl gemäß Ar-
tikel 38 GG verletzt und der am 27. September 2009 gewählte Bundestag nicht vom Souverän
legitimiert.

Des Weiteren beanstandet die Einspruchsführerin, dass der Anteil der Sitze der im 17. Deut-
schen Bundestag vertretenen Parteien nicht dem prozentualen Anteil der auf sie entfallenen
Stimmen entspreche. So habe die CDU 27,3 Prozent, die CSU 6,5 Prozent und die FDP 14,6
Prozent, die drei Parteien zusammen mithin 48,4 Prozent der Stimmen erhalten. Es seien aber
der CDU 194, der CSU 45 und der FDP 93 und damit den drei Parteien insgesamt 332 Sitze
zugewiesen worden, was 55,52 Prozent (richtig: 53,38 Prozent) der Sitze entspreche. Die Ein-
spruchsführerin ist der Ansicht, die Sitzverteilung müsse exakt der Verteilung der Zweitstim-
men entsprechen, die „nur lokal relevanten“ Erststimmen für die Direktkandidaten dürften
nicht dem Wählerwillen des gesamten Volkes zugerechnet werden. Nur dadurch sei die „un-
logische Situation“ entstanden, dass statt der „Sollstärke“ von 598 Sitzen 622 Sitze verteilt
worden seien. Damit hätten die die Regierungskoalition bildenden Parteien ein politisches
Gewicht von 55,52 Prozent, obwohl sie nur von 48,4 Prozent der Bürger gewählt worden sei-
en. Das Grundgesetz gehe aber davon aus, dass die Mehrheit entscheide. Auch sei nicht ver-
einbar mit Artikel 20 Absatz 2 GG, nach dem alle Gewalt vom Volke ausgehe, dass es eine
politische Macht von 7,12 Prozent gebe, die nicht durch die Wählerstimmen legitimiert sei,
aber in der konkreten Situation den Ausschlag gebe.
Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Einspruchsführerin wird auf den Inhalt der Akten
Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Der Vortrag der Einspruchsführerin lässt keinen Wahlfehler erkennen.
Die von der Einspruchsführerin vermisste Möglichkeit, auf dem Stimmzettel „Enthaltung“
oder „Nein“ anzukreuzen, ist im geltenden Bundestagswahlrecht nicht vorgesehen. Das Bun-
deswahlgesetz (BWG) und die Bundeswahlordnung (BWO) enthalten keine Vorschrift, die es
dem Wähler ermöglichen würde, sich durch eine entsprechende Kennzeichnung der Stimme
zu enthalten oder mit einer Nein-Stimme gegen einen oder alle Wahlvorschläge zu stimmen.
Nach § 34 Absatz 2 BWG gibt der Wähler seine Erst- und Zweitstimme in der Weise ab, dass
er durch ein auf den Stimmzettel gesetztes Kreuz oder auf andere Weise eindeutig kenntlich
macht, welchem Bewerber bzw. welcher Landesliste sie gelten sollen. Entsprechend sieht

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 109 - Drucksache 17/3100

§ 45 Absatz 1 BWO in Verbindung mit Anlage 26 zur BWO vor, dass der Stimmzettel (nur)
Felder für die Kennzeichnung der aufgeführten Wahlkreisbewerber und Landeslisten enthält.
Anders als die Einspruchsführerin offenbar meint, ist es durchaus möglich – und vom Grund-
satz der Wahlfreiheit umfasst –, keinem der Wahlvorschläge seine Stimme zu geben. Wenn
der Stimmzettel keine Kennzeichnung enthält, sind allerdings beide Stimmen gemäß § 39
Absatz 1 Nummer 2 in Verbindung mit § 39 Absatz 1 Satz 2 BWG als ungültig zu werten.
Enthält der Stimmzettel nur eine Stimmabgabe, so ist nach § 39 Absatz 1 Satz 4 BWG die
nicht abgegebene Stimme ungültig. Der Gesetzgeber hat sich damit dafür entschieden, dass
sich der Wähler lediglich durch eine Nichtteilnahme an der Wahl der Stimme enthalten kann.
Sobald er sich an der Wahl beteiligt, unterscheidet das Bundeswahlgesetz nur noch zwischen
gültigen und ungültigen Stimmen (vgl. Bundestagsdrucksachen 14/1560, Anlage 76; 15/1150,
Anlage 39; Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 39 Rn. 18), wobei eine
ungültige Stimme dieselbe Wirkung entfaltet wie eine Stimmenthaltung.

Soweit die Einspruchsführerin in der - den Vorgaben des Bundeswahlgesetzes und der Bun-
deswahlordnung entsprechenden - Gestaltung der Stimmzettel einen Verstoß gegen den ver-
fassungsrechtlichen Grundsatz der freien Wahl gemäß Artikel 38 Absatz 1 GG sieht, ist zu-
nächst darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in
ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit von
Wahlrechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfas-
sungsgericht vorbehalten worden (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26
bis 28; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24). Un-
abhängig davon bestehen aus Sicht des Wahlprüfungsausschusses keine Zweifel an der Ver-
fassungsmäßigkeit der genannten Regelungen des Bundeswahlgesetzes. Zwar umfasst der
Grundsatz der Freiheit der Wahl auch die Freiheit der Stimmabgabe (Schreiber, Kommentar
zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 1 Rn. 24). Danach steht es dem Wahlbürger frei, beide Stim-
men, nur eine oder auch keine Stimme abzugeben, ein Stimmensplitting vorzunehmen oder
die Erst- und/oder Zweitwahl bewusst ungültig vorzunehmen (Schreiber, a. a. O.). Ein An-
spruch auf die Einräumung der Möglichkeit zur Abgabe einer Nein-Stimme oder einer
Stimmenthaltung auf dem Stimmzettel lässt sich hieraus aber nicht ableiten. Ergänzend sei
darauf hingewiesen, dass dies auch sinnwidrig wäre. Denn der Zweck der angefochtenen
Wahl war, die Abgeordneten des 17. Deutschen Bundestages zu bestimmen. Dies ist nur mög-
lich, wenn die Wähler positiv entscheiden, welche der aufgestellten Bewerber in den Bundes-
tag einziehen sollen. Stimmenthaltungen und Nein-Stimmen könnten eine solche Entschei-
dung jedoch nicht herbeiführen (vgl. Bundestagsdrucksache 14/1560, Anlage 100).

Der Vorwurf der Einspruchsführerin, durch die Gestaltung des Stimmzettels seien die Wähler
genötigt worden, ihre Stimmen entgegen ihrem wahren Willen abzugeben, ist angesichts der
im Rahmen der Wahlfreiheit eröffneten, oben dargestellten Handlungsoptionen bei der
Stimmabgabe unbegründet. Der Grundsatz der geheimen Wahl, der den wichtigsten instituti-

Drucksache 17/3100 - 110 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

onellen Schutz der Wahlfreiheit darstellt (BVerfGE 99, 1, 13; Schreiber, Kommentar zum
BWG, 8. Auflage, 2009, § 1 Rn. 19), und dessen Verletzung die Einspruchsführerin nicht
behauptet hat, stellt vielmehr sicher, dass jeder Wähler sein Wahlrecht frei von jeder unzuläs-
sigen Einflussnahme auf seine Entschließungsfreiheit ausüben kann. Soweit die Einspruchs-
führerin über die Gestaltung des Stimmzettels hinaus die Ausübung eines die Wahlfreiheit
beschränkenden Drucks im Vorfeld der Wahl behauptet, fehlt es an jedem konkreten Tatsa-
chenvortrag, der dies belegen könnte.

Auch soweit die Einspruchsführerin die Verteilung der Sitze im 17. Deutschen Bundestag
rügt, liegt kein Verstoß gegen wahlrechtliche Vorschriften vor. Ihre Forderung, die Zusam-
mensetzung des 17. Deutschen Bundestages müsse exakt das Ergebnis der abgegeben Zweit-
stimmen widerspiegeln, und zugleich dürfe die Zahl der Abgeordneten die in § 1 Absatz 1
BWG vorgesehene Größe von 598 Abgeordneten nicht überschreiten, entspricht nicht den
Vorgaben des geltenden Bundestagswahlrechts. Dieses sieht eine allgemeine, unmittelbare,
freie, gleiche und geheime Wahl nach den Grundsätzen einer mit der Personenwahl verbun-
denen Verhältniswahl vor, § 1 Absatz 1 Satz 2 BWG. Von den 598 Abgeordneten, aus denen
der Deutsche Bundestag vorbehaltlich der sich aus dem Gesetz ergebenden Abweichungen
besteht, werden 299 nach Kreiswahlvorschlägen in den Wahlkreisen und die Übrigen nach
Landeswahlvorschlägen (Landeslisten) gewählt, § 1 Absatz 2 BWG. Dafür hat gemäß § 4
BWG jeder Wähler zwei Stimmen, eine Erststimme für die Wahl eines Wahlkreisabgeordne-
ten und eine Zweitstimme für die Wahl einer Landesliste. Die Einspruchsführerin ist daher
darauf hinzuweisen, dass sie irrt, wenn sie den abgegebenen Erststimmen „nur lokale Rele-
vanz“ zuspricht, denn in jedem Wahlkreis wird gemäß § 5 Satz 1 BWG ein Abgeordneter
gewählt, der gemäß Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 GG Vertreter des ganzen Volkes ist.
Die von der Einspruchsführerin kritisierte Differenz zwischen dem Zweitstimmenanteil der
Parteien und der Sitzverteilung im 17. Deutschen Bundestag sowie die Abweichung von der
in § 1 Absatz 1 Satz 1 BWG festgelegten Anzahl von 598 Abgeordneten beruhen auf der -
zutreffenden - Anwendung des Bundeswahlgesetzes. Beides folgt zum einen aus dem Entste-
hen von 24 sogenannten Überhangmandaten. Hierbei handelt es sich um Sitze, die eine Partei
in den Wahlkreisen errungen hat und die ihr gemäß § 6 Absatz 5 Satz 1 BWG auch dann ver-
bleiben, wenn sie die nach dem Ergebnis der für die Landeslisten abgegebenen Zweitstimmen
ermittelte Mandatszahl übersteigen. In einem solchen Fall sieht das Gesetz ausdrücklich eine
Erhöhung der Gesamtzahl der Sitze im Deutschen Bundestag um die Unterschiedszahl ohne
weiteren Ausgleich vor, § 6 Absatz 5 Satz 2 BWG. Diese Regelung hat das Bundesverfas-
sungsgericht in seinem Urteil vom 10. April 1997 (BVerfGE 95, 335 ff.) grundsätzlich für
verfassungsgemäß erachtet. Im Rahmen der ihm vom Bundesverfassungsgericht aus einem
anderen Grund aufgegebenen Änderung des Bundeswahlgesetzes bis zum 30. Juni 2011 (Ur-
teil vom 3. Juli 2008, BVerfGE 121, 266 ff.) wird der Gesetzgeber über die Berechnung der
Sitzzuteilung bei künftigen Wahlen neu entscheiden. In dem genannten Urteil hat das Bun-
desverfassungsgericht ausdrücklich klargestellt, dass eine Verteilung der Sitze im 17. Deut-

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 111 - Drucksache 17/3100

schen Bundestag nach den bestehenden gesetzlichen Regelungen zulässig ist (BVerfGE 121,
266, 315 f.).
Zum anderen können sich schon deshalb nicht sämtliche abgegebenen Zweitstimmen in Sit-
zen im 17. Deutschen Bundestag abbilden, weil nicht alle mit Landeslisten zur Wahl angetre-
tenen Parteien das in § 6 Absatz 6 Satz 1 BWG vorgesehene Quorum von mindestens fünf
Prozent der Zweitstimmen oder drei Direktmandaten erreicht haben. Die Verfassungsmäßig-
keit dieser Regelung wird vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung bestä-
tigt (vgl. zuletzt BVerfGE 122, 304, 314 f. mit weiteren Nachweisen; s. auch Bundestags-
drucksache 16/900, Anlage 14).

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 113 - Drucksache 17/3100

Anlage 23

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn E. T., 53919 Weilerswist
- Az.: WP 101/09 -

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 30. September 2010 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 17. November 2009, das am 18. November 2009 beim Deutschen Bundes-
tag eingegangen ist, hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum
17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 eingelegt.

Der Einspruchsführer rügt eine Verletzung des Grundsatzes der freien Wahl gemäß Artikel 38
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) dadurch, dass auf dem Stimmzettel nicht mit „Enthaltung“
oder „Nein“ gestimmt werden konnte, sowie die Verteilung der Sitze im Deutschen Bundes-
tag.

Im Wesentlichen trägt der Einspruchsführer vor, dass die Wahl nicht frei im Sinne von Artikel
38 Absatz 1 GG gewesen sei, weil zu einer freien Wahl auch die Möglichkeit, „Nein“ sagen
zu können, gehöre. Dadurch, dass der Stimmzettel kein Kästchen für „Nein“ oder „Enthal-
tung“ vorsehe, werde dies dem Wähler verwehrt. Das Votum für eine Partei oder Person be-
inhalte jedoch das Bekenntnis zu dieser Partei oder Person. Dies verstoße gegen das Grundge-
setz, das es verbiete, jemanden zu einem Bekenntnis zu nötigen. Der Einspruchsführer meint,
durch die Gestaltung des Stimmzettels sei dem Wähler suggeriert worden, dass er sich für
einen der Vorschläge entscheiden müsse. Das Ergebnis einer derartigen Wahl drücke nicht
den freien politischen Willen des Wählers aus, sondern sei unter psychischem Druck zustande
gekommen. Der Wähler glaube, er sei nur dann „ein guter Bürger und Demokrat“, wenn er

Drucksache 17/3100 - 114 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

wählen gehe, weil ihm dies vor der Wahl „von allen Seiten suggeriert“ werde. Dieser Druck
verfälsche das Wahlergebnis, denn er verleite die Wahlberechtigten dazu, entgegen ihrem
wirklichen Willen zu entscheiden. Damit sei der Grundsatz der freien Wahl gemäß Artikel 38
GG verletzt und der am 27. September 2009 gewählte Bundestag nicht vom Souverän legiti-
miert.

Des Weiteren beanstandet der Einspruchsführer, dass der Anteil der Sitze der im 17. Deut-
schen Bundestag vertretenen Parteien nicht dem prozentualen Anteil der auf sie entfallenen
Stimmen entspreche. So habe die CDU 27,3 Prozent, die CSU 6,5 Prozent und die FDP 14,6
Prozent, die drei Parteien zusammen mithin 48,4 Prozent der Stimmen erhalten. Es seien aber
der CDU 194, der CSU 45 und der FDP 93 und damit den drei Parteien insgesamt 332 Sitze
zugewiesen worden, was 55,52 Prozent (richtig: 53,38 Prozent) der Sitze entspreche. Der Ein-
spruchsführer ist der Ansicht, die Sitzverteilung müsse exakt der Verteilung der Zweitstim-
men entsprechen, die „nur lokal relevanten“ Erststimmen für die Direktkandidaten dürften
nicht dem Wählerwillen des gesamten Volkes zugerechnet werden. Nur dadurch sei die „un-
logische Situation“ entstanden, dass statt der „Sollstärke“ von 598 Sitzen 622 Sitze verteilt
worden seien. Damit hätten die die Regierungskoalition bildenden Parteien ein politisches
Gewicht von 55,52 Prozent, obwohl sie nur von 48,4 Prozent der Bürger gewählt worden sei-
en. Das Grundgesetz gehe aber davon aus, dass die Mehrheit entscheide. Auch sei nicht ver-
einbar mit Artikel 20 Absatz 2 GG, nach dem alle Gewalt vom Volke ausgehe, dass es eine
politische Macht von 7,12 Prozent gebe, die nicht durch die Wählerstimmen legitimiert sei,
aber in der konkreten Situation den Ausschlag gebe.
Wegen der Einzelheiten des Vortrags des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten
Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Der Vortrag des Einspruchsführers lässt keinen Wahlfehler erkennen.
Die vom Einspruchsführer vermisste Möglichkeit, auf dem Stimmzettel „Enthaltung“ oder
„Nein“ anzukreuzen, ist im geltenden Bundestagswahlrecht nicht vorgesehen. Das Bundes-
wahlgesetz (BWG) und die Bundeswahlordnung (BWO) enthalten keine Vorschrift, die es
dem Wähler ermöglichen würde, sich durch eine entsprechende Kennzeichnung der Stimme
zu enthalten oder mit einer Nein-Stimme gegen einen oder alle Wahlvorschläge zu stimmen.
Nach § 34 Absatz 2 BWG gibt der Wähler seine Erst- und Zweitstimme in der Weise ab, dass
er durch ein auf den Stimmzettel gesetztes Kreuz oder auf andere Weise eindeutig kenntlich
macht, welchem Bewerber bzw. welcher Landesliste sie gelten sollen. Entsprechend sieht

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 115 - Drucksache 17/3100

§ 45 Absatz 1 BWO in Verbindung mit Anlage 26 zur BWO vor, dass der Stimmzettel (nur)
Felder für die Kennzeichnung der aufgeführten Wahlkreisbewerber und Landeslisten enthält.
Anders als der Einspruchsführer offenbar meint, ist es durchaus möglich – und vom Grund-
satz der Wahlfreiheit umfasst –, keinem der Wahlvorschläge seine Stimme zu geben. Wenn
der Stimmzettel keine Kennzeichnung enthält, sind allerdings beide Stimmen gemäß § 39
Absatz 1 Nummer 2 in Verbindung mit § 39 Absatz 1 Satz 2 BWG als ungültig zu werten.
Enthält der Stimmzettel nur eine Stimmabgabe, so ist nach § 39 Absatz 1 Satz 4 BWG die
nicht abgegebene Stimme ungültig. Der Gesetzgeber hat sich damit dafür entschieden, dass
sich der Wähler lediglich durch eine Nichtteilnahme an der Wahl der Stimme enthalten kann.
Sobald er sich an der Wahl beteiligt, unterscheidet das Bundeswahlgesetz nur noch zwischen
gültigen und ungültigen Stimmen (vgl. Bundestagsdrucksachen 14/1560, Anlage 76; 15/1150,
Anlage 39; Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 39 Rn. 18), wobei eine
ungültige Stimme dieselbe Wirkung entfaltet wie eine Stimmenthaltung.

Soweit der Einspruchsführer in der - den Vorgaben des Bundeswahlgesetzes und der Bun-
deswahlordnung entsprechenden - Gestaltung der Stimmzettel einen Verstoß gegen den ver-
fassungsrechtlichen Grundsatz der freien Wahl gemäß Artikel 38 Absatz 1 GG sieht, ist zu-
nächst darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in
ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit von
Wahlrechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfas-
sungsgericht vorbehalten worden (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26
bis 28; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24). Un-
abhängig davon bestehen aus Sicht des Wahlprüfungsausschusses keine Zweifel an der Ver-
fassungsmäßigkeit der genannten Regelungen des Bundeswahlgesetzes. Zwar umfasst der
Grundsatz der Freiheit der Wahl auch die Freiheit der Stimmabgabe (Schreiber, Kommentar
zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 1 Rn. 24). Danach steht es dem Wahlbürger frei, beide Stim-
men, nur eine oder auch keine Stimme abzugeben, ein Stimmensplitting vorzunehmen oder
die Erst- und/oder Zweitwahl bewusst ungültig vorzunehmen (Schreiber, a. a. O.). Ein An-
spruch auf die Einräumung der Möglichkeit zur Abgabe einer Nein-Stimme oder einer
Stimmenthaltung auf dem Stimmzettel lässt sich hieraus aber nicht ableiten. Ergänzend sei
darauf hingewiesen, dass dies auch sinnwidrig wäre. Denn der Zweck der angefochtenen
Wahl war, die Abgeordneten des 17. Deutschen Bundestages zu bestimmen. Dies ist nur mög-
lich, wenn die Wähler positiv entscheiden, welche der aufgestellten Bewerber in den Bundes-
tag einziehen sollen. Stimmenthaltungen und Nein-Stimmen könnten eine solche Entschei-
dung jedoch nicht herbeiführen (vgl. Bundestagsdrucksache 14/1560, Anlage 100).

Der Vorwurf des Einspruchsführers, durch die Gestaltung des Stimmzettels seien die Wähler
genötigt worden, ihre Stimmen entgegen ihrem wahren Willen abzugeben, ist angesichts der
im Rahmen der Wahlfreiheit eröffneten, oben dargestellten Handlungsoptionen bei der
Stimmabgabe unbegründet. Der Grundsatz der geheimen Wahl, der den wichtigsten instituti-

Drucksache 17/3100 - 116 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

onellen Schutz der Wahlfreiheit darstellt (BVerfGE 99, 1, 13; Schreiber, Kommentar zum
BWG, 8. Auflage, 2009, § 1 Rn. 19), und dessen Verletzung der Einspruchsführer nicht be-
hauptet hat, stellt vielmehr sicher, dass jeder Wähler sein Wahlrecht frei von jeder unzulässi-
gen Einflussnahme auf seine Entschließungsfreiheit ausüben kann. Soweit der Einspruchsfüh-
rer über die Gestaltung des Stimmzettels hinaus die Ausübung eines die Wahlfreiheit be-
schränkenden Drucks im Vorfeld der Wahl behauptet, fehlt es an jedem konkreten Tatsachen-
vortrag, der dies belegen könnte.

Auch soweit der Einspruchsführer die Verteilung der Sitze im 17. Deutschen Bundestag rügt,
liegt kein Verstoß gegen wahlrechtliche Vorschriften vor. Seine Forderung, die Zusammen-
setzung des 17. Deutschen Bundestages müsse exakt das Ergebnis der abgegeben Zweitstim-
men widerspiegeln, und zugleich dürfe die Zahl der Abgeordneten die in § 1 Absatz 1 BWG
vorgesehene Größe von 598 Abgeordneten nicht überschreiten, entspricht nicht den Vorgaben
des geltenden Bundestagswahlrechts. Dieses sieht eine allgemeine, unmittelbare, freie, gleiche
und geheime Wahl nach den Grundsätzen einer mit der Personenwahl verbundenen Verhält-
niswahl vor, § 1 Absatz 1 Satz 2 BWG. Von den 598 Abgeordneten, aus denen der Deutsche
Bundestag vorbehaltlich der sich aus dem Gesetz ergebenden Abweichungen besteht, werden
299 nach Kreiswahlvorschlägen in den Wahlkreisen und die Übrigen nach Landeswahlvor-
schlägen (Landeslisten) gewählt, § 1 Absatz 2 BWG. Dafür hat gemäß § 4 BWG jeder Wähler
zwei Stimmen, eine Erststimme für die Wahl eines Wahlkreisabgeordneten und eine Zweit-
stimme für die Wahl einer Landesliste. Der Einspruchsführer ist daher darauf hinzuweisen,
dass er irrt, wenn er den abgegebenen Erststimmen „nur lokale Relevanz“ zuspricht, denn in
jedem Wahlkreis wird gemäß § 5 Satz 1 BWG ein Abgeordneter gewählt, der gemäß Artikel
38 Absatz 1 Satz 2 GG Vertreter des ganzen Volkes ist.
Die vom Einspruchsführer kritisierte Differenz zwischen dem Zweitstimmenanteil der Partei-
en und der Sitzverteilung im 17. Deutschen Bundestag sowie die Abweichung von der in § 1
Absatz 1 Satz 1 BWG festgelegten Anzahl von 598 Abgeordneten beruhen auf der - zutref-
fenden - Anwendung des Bundeswahlgesetzes. Beides folgt zum einen aus dem Entstehen
von 24 sogenannten Überhangmandaten. Hierbei handelt es sich um Sitze, die eine Partei in
den Wahlkreisen errungen hat und die ihr gemäß § 6 Absatz 5 Satz 1 BWG auch dann ver-
bleiben, wenn sie die nach dem Ergebnis der für die Landeslisten abgegebenen Zweitstimmen
ermittelte Mandatszahl übersteigen. In einem solchen Fall sieht das Gesetz ausdrücklich eine
Erhöhung der Gesamtzahl der Sitze im Deutschen Bundestag um die Unterschiedszahl ohne
weiteren Ausgleich vor, § 6 Absatz 5 Satz 2 BWG. Diese Regelung hat das Bundesverfas-
sungsgericht in seinem Urteil vom 10. April 1997 (BVerfGE 95, 335 ff.) grundsätzlich für
verfassungsgemäß erachtet. Im Rahmen der ihm vom Bundesverfassungsgericht aus einem
anderen Grund aufgegebenen Änderung des Bundeswahlgesetzes bis zum 30. Juni 2011 (Ur-
teil vom 3. Juli 2008, BVerfGE 121, 266 ff.) wird der Gesetzgeber über die Berechnung der
Sitzzuteilung bei künftigen Wahlen neu entscheiden. In dem genannten Urteil hat das Bun-
desverfassungsgericht ausdrücklich klargestellt, dass eine Verteilung der Sitze im 17. Deut-

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 117 - Drucksache 17/3100

schen Bundestag nach den bestehenden gesetzlichen Regelungen zulässig ist (BVerfGE 121,
266, 315 f.).
Zum anderen können sich schon deshalb nicht sämtliche abgegebenen Zweitstimmen in Sit-
zen im 17. Deutschen Bundestag abbilden, weil nicht alle mit Landeslisten zur Wahl angetre-
tenen Parteien das in § 6 Absatz 6 Satz 1 BWG vorgesehene Quorum von mindestens fünf
Prozent der Zweitstimmen oder drei Direktmandaten erreicht haben. Die Verfassungsmäßig-
keit dieser Regelung wird vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung bestä-
tigt (vgl. zuletzt BVerfGE 122, 304, 314 f. mit weiteren Nachweisen; s. auch Bundestags-
drucksache 16/900, Anlage 14).

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 119 - Drucksache 17/3100

Anlage 24

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn R. E.-H., 10829 Berlin
- Az.: WP 102/09 -

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 30. September 2010 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 16. November 2009, das am 19. November 2009 beim Deutschen Bundes-
tag eingegangen ist, hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum
17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 eingelegt.

Der Einspruchsführer rügt eine Verletzung des Grundsatzes der freien Wahl gemäß Artikel 38
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) dadurch, dass auf dem Stimmzettel nicht mit „Enthaltung“
oder „Nein“ gestimmt werden konnte, sowie die Verteilung der Sitze im Deutschen Bundes-
tag.

Im Wesentlichen trägt der Einspruchsführer vor, dass die Wahl nicht frei im Sinne von Artikel
38 Absatz 1 GG gewesen sei, weil zu einer freien Wahl auch die Möglichkeit, „Nein“ sagen
zu können, gehöre. Dadurch, dass der Stimmzettel kein Kästchen für „Nein“ oder „Enthal-
tung“ vorsehe, werde dies dem Wähler verwehrt. Das Votum für eine Partei oder Person be-
inhalte jedoch das Bekenntnis zu dieser Partei oder Person. Dies verstoße gegen das Grundge-
setz, das es verbiete, jemanden zu einem Bekenntnis zu nötigen. Der Einspruchsführer meint,
durch die Gestaltung des Stimmzettels sei dem Wähler suggeriert worden, dass er sich für
einen der Vorschläge entscheiden müsse. Das Ergebnis einer derartigen Wahl drücke nicht
den freien politischen Willen des Wählers aus, sondern sei unter psychischem Druck zustande
gekommen. Der Wähler glaube, er sei nur dann „ein guter Bürger und Demokrat“, wenn er

Drucksache 17/3100 - 120 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

wählen gehe, weil ihm dies vor der Wahl „von allen Seiten suggeriert“ werde. Dieser Druck
verfälsche das Wahlergebnis, denn er verleite die Wahlberechtigten dazu, entgegen ihrem
wirklichen Willen zu entscheiden. Damit sei der Grundsatz der freien Wahl gemäß Artikel 38
GG verletzt und der am 27. September 2009 gewählte Bundestag nicht vom Souverän legiti-
miert.

Des Weiteren beanstandet der Einspruchsführer, dass der Anteil der Sitze der im 17. Deut-
schen Bundestag vertretenen Parteien nicht dem prozentualen Anteil der auf sie entfallenen
Stimmen entspreche. So habe die CDU 27,3 Prozent, die CSU 6,5 Prozent und die FDP 14,6
Prozent, die drei Parteien zusammen mithin 48,4 Prozent der Stimmen erhalten. Es seien aber
der CDU 194, der CSU 45 und der FDP 93 und damit den drei Parteien insgesamt 332 Sitze
zugewiesen worden, was 55,52 Prozent (richtig: 53,38 Prozent) der Sitze entspreche. Der Ein-
spruchsführer ist der Ansicht, die Sitzverteilung müsse exakt der Verteilung der Zweitstim-
men entsprechen, die „nur lokal relevanten“ Erststimmen für die Direktkandidaten dürften
nicht dem Wählerwillen des gesamten Volkes zugerechnet werden. Nur dadurch sei die „un-
logische Situation“ entstanden, dass statt der „Sollstärke“ von 598 Sitzen 622 Sitze verteilt
worden seien. Damit hätten die die Regierungskoalition bildenden Parteien ein politisches
Gewicht von 55,52 Prozent, obwohl sie nur von 48,4 Prozent der Bürger gewählt worden sei-
en. Das Grundgesetz gehe aber davon aus, dass die Mehrheit entscheide. Auch sei nicht ver-
einbar mit Artikel 20 Absatz 2 GG, nach dem alle Gewalt vom Volke ausgehe, dass es eine
politische Macht von 7,12 Prozent gebe, die nicht durch die Wählerstimmen legitimiert sei,
aber in der konkreten Situation den Ausschlag gebe.
Wegen der Einzelheiten des Vortrags des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten
Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Der Vortrag des Einspruchsführers lässt keinen Wahlfehler erkennen.
Die vom Einspruchsführer vermisste Möglichkeit, auf dem Stimmzettel „Enthaltung“ oder
„Nein“ anzukreuzen, ist im geltenden Bundestagswahlrecht nicht vorgesehen. Das Bundes-
wahlgesetz (BWG) und die Bundeswahlordnung (BWO) enthalten keine Vorschrift, die es
dem Wähler ermöglichen würde, sich durch eine entsprechende Kennzeichnung der Stimme
zu enthalten oder mit einer Nein-Stimme gegen einen oder alle Wahlvorschläge zu stimmen.
Nach § 34 Absatz 2 BWG gibt der Wähler seine Erst- und Zweitstimme in der Weise ab, dass
er durch ein auf den Stimmzettel gesetztes Kreuz oder auf andere Weise eindeutig kenntlich
macht, welchem Bewerber bzw. welcher Landesliste sie gelten sollen. Entsprechend sieht

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 121 - Drucksache 17/3100

§ 45 Absatz 1 BWO in Verbindung mit Anlage 26 zur BWO vor, dass der Stimmzettel (nur)
Felder für die Kennzeichnung der aufgeführten Wahlkreisbewerber und Landeslisten enthält.
Anders als der Einspruchsführer offenbar meint, ist es durchaus möglich – und vom Grund-
satz der Wahlfreiheit umfasst –, keinem der Wahlvorschläge seine Stimme zu geben. Wenn
der Stimmzettel keine Kennzeichnung enthält, sind allerdings beide Stimmen gemäß § 39
Absatz 1 Nummer 2 in Verbindung mit § 39 Absatz 1 Satz 2 BWG als ungültig zu werten.
Enthält der Stimmzettel nur eine Stimmabgabe, so ist nach § 39 Absatz 1 Satz 4 BWG die
nicht abgegebene Stimme ungültig. Der Gesetzgeber hat sich damit dafür entschieden, dass
sich der Wähler lediglich durch eine Nichtteilnahme an der Wahl der Stimme enthalten kann.
Sobald er sich an der Wahl beteiligt, unterscheidet das Bundeswahlgesetz nur noch zwischen
gültigen und ungültigen Stimmen (vgl. Bundestagsdrucksachen 14/1560, Anlage 76; 15/1150,
Anlage 39; Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 39 Rn. 18), wobei eine
ungültige Stimme dieselbe Wirkung entfaltet wie eine Stimmenthaltung.

Soweit der Einspruchsführer in der - den Vorgaben des Bundeswahlgesetzes und der Bun-
deswahlordnung entsprechenden - Gestaltung der Stimmzettel einen Verstoß gegen den ver-
fassungsrechtlichen Grundsatz der freien Wahl gemäß Artikel 38 Absatz 1 GG sieht, ist zu-
nächst darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in
ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit von
Wahlrechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfas-
sungsgericht vorbehalten worden (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26
bis 28; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24). Un-
abhängig davon bestehen aus Sicht des Wahlprüfungsausschusses keine Zweifel an der Ver-
fassungsmäßigkeit der genannten Regelungen des Bundeswahlgesetzes. Zwar umfasst der
Grundsatz der Freiheit der Wahl auch die Freiheit der Stimmabgabe (Schreiber, Kommentar
zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 1 Rn. 24). Danach steht es dem Wahlbürger frei, beide Stim-
men, nur eine oder auch keine Stimme abzugeben, ein Stimmensplitting vorzunehmen oder
die Erst- und/oder Zweitwahl bewusst ungültig vorzunehmen (Schreiber, a. a. O.). Ein An-
spruch auf die Einräumung der Möglichkeit zur Abgabe einer Nein-Stimme oder einer
Stimmenthaltung auf dem Stimmzettel lässt sich hieraus aber nicht ableiten. Ergänzend sei
darauf hingewiesen, dass dies auch sinnwidrig wäre. Denn der Zweck der angefochtenen
Wahl war, die Abgeordneten des 17. Deutschen Bundestages zu bestimmen. Dies ist nur mög-
lich, wenn die Wähler positiv entscheiden, welche der aufgestellten Bewerber in den Bundes-
tag einziehen sollen. Stimmenthaltungen und Nein-Stimmen könnten eine solche Entschei-
dung jedoch nicht herbeiführen (vgl. Bundestagsdrucksache 14/1560, Anlage 100).

Der Vorwurf des Einspruchsführers, durch die Gestaltung des Stimmzettels seien die Wähler
genötigt worden, ihre Stimmen entgegen ihrem wahren Willen abzugeben, ist angesichts der
im Rahmen der Wahlfreiheit eröffneten, oben dargestellten Handlungsoptionen bei der
Stimmabgabe unbegründet. Der Grundsatz der geheimen Wahl, der den wichtigsten instituti-

Drucksache 17/3100 - 122 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

onellen Schutz der Wahlfreiheit darstellt (BVerfGE 99, 1, 13; Schreiber, Kommentar zum
BWG, 8. Auflage, 2009, § 1 Rn. 19), und dessen Verletzung der Einspruchsführer nicht be-
hauptet hat, stellt vielmehr sicher, dass jeder Wähler sein Wahlrecht frei von jeder unzulässi-
gen Einflussnahme auf seine Entschließungsfreiheit ausüben kann. Soweit der Einspruchsfüh-
rer über die Gestaltung des Stimmzettels hinaus die Ausübung eines die Wahlfreiheit be-
schränkenden Drucks im Vorfeld der Wahl behauptet, fehlt es an jedem konkreten Tatsachen-
vortrag, der dies belegen könnte.

Auch soweit der Einspruchsführer die Verteilung der Sitze im 17. Deutschen Bundestag rügt,
liegt kein Verstoß gegen wahlrechtliche Vorschriften vor. Seine Forderung, die Zusammen-
setzung des 17. Deutschen Bundestages müsse exakt das Ergebnis der abgegeben Zweitstim-
men widerspiegeln, und zugleich dürfe die Zahl der Abgeordneten die in § 1 Absatz 1 BWG
vorgesehene Größe von 598 Abgeordneten nicht überschreiten, entspricht nicht den Vorgaben
des geltenden Bundestagswahlrechts. Dieses sieht eine allgemeine, unmittelbare, freie, gleiche
und geheime Wahl nach den Grundsätzen einer mit der Personenwahl verbundenen Verhält-
niswahl vor, § 1 Absatz 1 Satz 2 BWG. Von den 598 Abgeordneten, aus denen der Deutsche
Bundestag vorbehaltlich der sich aus dem Gesetz ergebenden Abweichungen besteht, werden
299 nach Kreiswahlvorschlägen in den Wahlkreisen und die Übrigen nach Landeswahlvor-
schlägen (Landeslisten) gewählt, § 1 Absatz 2 BWG. Dafür hat gemäß § 4 BWG jeder Wähler
zwei Stimmen, eine Erststimme für die Wahl eines Wahlkreisabgeordneten und eine Zweit-
stimme für die Wahl einer Landesliste. Der Einspruchsführer ist daher darauf hinzuweisen,
dass er irrt, wenn er den abgegebenen Erststimmen „nur lokale Relevanz“ zuspricht, denn in
jedem Wahlkreis wird gemäß § 5 Satz 1 BWG ein Abgeordneter gewählt, der gemäß Artikel
38 Absatz 1 Satz 2 GG Vertreter des ganzen Volkes ist.
Die vom Einspruchsführer kritisierte Differenz zwischen dem Zweitstimmenanteil der Partei-
en und der Sitzverteilung im 17. Deutschen Bundestag sowie die Abweichung von der in § 1
Absatz 1 Satz 1 BWG festgelegten Anzahl von 598 Abgeordneten beruhen auf der - zutref-
fenden - Anwendung des Bundeswahlgesetzes. Beides folgt zum einen aus dem Entstehen
von 24 sogenannten Überhangmandaten. Hierbei handelt es sich um Sitze, die eine Partei in
den Wahlkreisen errungen hat und die ihr gemäß § 6 Absatz 5 Satz 1 BWG auch dann ver-
bleiben, wenn sie die nach dem Ergebnis der für die Landeslisten abgegebenen Zweitstimmen
ermittelte Mandatszahl übersteigen. In einem solchen Fall sieht das Gesetz ausdrücklich eine
Erhöhung der Gesamtzahl der Sitze im Deutschen Bundestag um die Unterschiedszahl ohne
weiteren Ausgleich vor, § 6 Absatz 5 Satz 2 BWG. Diese Regelung hat das Bundesverfas-
sungsgericht in seinem Urteil vom 10. April 1997 (BVerfGE 95, 335 ff.) grundsätzlich für
verfassungsgemäß erachtet. Im Rahmen der ihm vom Bundesverfassungsgericht aus einem
anderen Grund aufgegebenen Änderung des Bundeswahlgesetzes bis zum 30. Juni 2011 (Ur-
teil vom 3. Juli 2008, BVerfGE 121, 266 ff.) wird der Gesetzgeber über die Berechnung der
Sitzzuteilung bei künftigen Wahlen neu entscheiden. In dem genannten Urteil hat das Bun-
desverfassungsgericht ausdrücklich klargestellt, dass eine Verteilung der Sitze im 17. Deut-

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 123 - Drucksache 17/3100

schen Bundestag nach den bestehenden gesetzlichen Regelungen zulässig ist (BVerfGE 121,
266, 315 f.).
Zum anderen können sich schon deshalb nicht sämtliche abgegebenen Zweitstimmen in Sit-
zen im 17. Deutschen Bundestag abbilden, weil nicht alle mit Landeslisten zur Wahl angetre-
tenen Parteien das in § 6 Absatz 6 Satz 1 BWG vorgesehene Quorum von mindestens fünf
Prozent der Zweitstimmen oder drei Direktmandaten erreicht haben. Die Verfassungsmäßig-
keit dieser Regelung wird vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung bestä-
tigt (vgl. zuletzt BVerfGE 122, 304, 314 f. mit weiteren Nachweisen; s. auch Bundestags-
drucksache 16/900, Anlage 14).

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 125 - Drucksache 17/3100

Anlage 25

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

der Frau B. G., 41539 Dormagen
- Az.: WP 104/09 -

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 30. September 2010 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 14. November 2009, das am 19. November 2009 beim Deutschen Bundes-
tag eingegangen ist, hat die Einspruchsführerin Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum
17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 eingelegt.

Die Einspruchsführerin rügt eine Verletzung des Grundsatzes der freien Wahl gemäß Artikel
38 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) dadurch, dass auf dem Stimmzettel nicht mit „Enthal-
tung“ oder „Nein“ gestimmt werden konnte, sowie die Verteilung der Sitze im Deutschen
Bundestag.

Im Wesentlichen trägt die Einspruchsführerin vor, dass die Wahl nicht frei im Sinne von Arti-
kel 38 Absatz 1 GG gewesen sei, weil zu einer freien Wahl auch die Möglichkeit, „Nein“ sa-
gen zu können, gehöre. Dadurch, dass der Stimmzettel kein Kästchen für „Nein“ oder „Ent-
haltung“ vorsehe, werde dies dem Wähler verwehrt. Das Votum für eine Partei oder Person
beinhalte jedoch das Bekenntnis zu dieser Partei oder Person. Dies verstoße gegen das
Grundgesetz, das es verbiete, jemanden zu einem Bekenntnis zu nötigen. Die Einspruchsfüh-
rerin meint, durch die Gestaltung des Stimmzettels sei dem Wähler suggeriert worden, dass er
sich für einen der Vorschläge entscheiden müsse. Das Ergebnis einer derartigen Wahl drücke
nicht den freien politischen Willen des Wählers aus, sondern sei unter psychischem Druck
zustande gekommen. Der Wähler glaube, er sei nur dann „ein guter Bürger und Demokrat“,

Drucksache 17/3100 - 126 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

wenn er wählen gehe, weil ihm dies vor der Wahl „von allen Seiten suggeriert“ werde. Dieser
Druck verfälsche das Wahlergebnis, denn er verleite die Wahlberechtigten dazu, entgegen
ihrem wirklichen Willen zu entscheiden. Damit sei der Grundsatz der freien Wahl gemäß Ar-
tikel 38 GG verletzt und der am 27. September 2009 gewählte Bundestag nicht vom Souverän
legitimiert.

Des Weiteren beanstandet die Einspruchsführerin, dass der Anteil der Sitze der im 17. Deut-
schen Bundestag vertretenen Parteien nicht dem prozentualen Anteil der auf sie entfallenen
Stimmen entspreche. So habe die CDU 27,3 Prozent, die CSU 6,5 Prozent und die FDP 14,6
Prozent, die drei Parteien zusammen mithin 48,4 Prozent der Stimmen erhalten. Es seien aber
der CDU 194, der CSU 45 und der FDP 93 und damit den drei Parteien insgesamt 332 Sitze
zugewiesen worden, was 55,52 Prozent (richtig: 53,38 Prozent) der Sitze entspreche. Die Ein-
spruchsführerin ist der Ansicht, die Sitzverteilung müsse exakt der Verteilung der Zweitstim-
men entsprechen, die „nur lokal relevanten“ Erststimmen für die Direktkandidaten dürften
nicht dem Wählerwillen des gesamten Volkes zugerechnet werden. Nur dadurch sei die „un-
logische Situation“ entstanden, dass statt der „Sollstärke“ von 598 Sitzen 622 Sitze verteilt
worden seien. Damit hätten die die Regierungskoalition bildenden Parteien ein politisches
Gewicht von 55,52 Prozent, obwohl sie nur von 48,4 Prozent der Bürger gewählt worden sei-
en. Das Grundgesetz gehe aber davon aus, dass die Mehrheit entscheide. Auch sei nicht ver-
einbar mit Artikel 20 Absatz 2 GG, nach dem alle Gewalt vom Volke ausgehe, dass es eine
politische Macht von 7,12 Prozent gebe, die nicht durch die Wählerstimmen legitimiert sei,
aber in der konkreten Situation den Ausschlag gebe.
Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Einspruchsführerin wird auf den Inhalt der Akten
Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Der Vortrag der Einspruchsführerin lässt keinen Wahlfehler erkennen.
Die von der Einspruchsführerin vermisste Möglichkeit, auf dem Stimmzettel „Enthaltung“
oder „Nein“ anzukreuzen, ist im geltenden Bundestagswahlrecht nicht vorgesehen. Das Bun-
deswahlgesetz (BWG) und die Bundeswahlordnung (BWO) enthalten keine Vorschrift, die es
dem Wähler ermöglichen würde, sich durch eine entsprechende Kennzeichnung der Stimme
zu enthalten oder mit einer Nein-Stimme gegen einen oder alle Wahlvorschläge zu stimmen.
Nach § 34 Absatz 2 BWG gibt der Wähler seine Erst- und Zweitstimme in der Weise ab, dass
er durch ein auf den Stimmzettel gesetztes Kreuz oder auf andere Weise eindeutig kenntlich
macht, welchem Bewerber bzw. welcher Landesliste sie gelten sollen. Entsprechend sieht

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 127 - Drucksache 17/3100

§ 45 Absatz 1 BWO in Verbindung mit Anlage 26 zur BWO vor, dass der Stimmzettel (nur)
Felder für die Kennzeichnung der aufgeführten Wahlkreisbewerber und Landeslisten enthält.
Anders als die Einspruchsführerin offenbar meint, ist es durchaus möglich – und vom Grund-
satz der Wahlfreiheit umfasst –, keinem der Wahlvorschläge seine Stimme zu geben. Wenn
der Stimmzettel keine Kennzeichnung enthält, sind allerdings beide Stimmen gemäß § 39
Absatz 1 Nummer 2 in Verbindung mit § 39 Absatz 1 Satz 2 BWG als ungültig zu werten.
Enthält der Stimmzettel nur eine Stimmabgabe, so ist nach § 39 Absatz 1 Satz 4 BWG die
nicht abgegebene Stimme ungültig. Der Gesetzgeber hat sich damit dafür entschieden, dass
sich der Wähler lediglich durch eine Nichtteilnahme an der Wahl der Stimme enthalten kann.
Sobald er sich an der Wahl beteiligt, unterscheidet das Bundeswahlgesetz nur noch zwischen
gültigen und ungültigen Stimmen (vgl. Bundestagsdrucksachen 14/1560, Anlage 76; 15/1150,
Anlage 39; Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 39 Rn. 18), wobei eine
ungültige Stimme dieselbe Wirkung entfaltet wie eine Stimmenthaltung.

Soweit die Einspruchsführerin in der - den Vorgaben des Bundeswahlgesetzes und der Bun-
deswahlordnung entsprechenden - Gestaltung der Stimmzettel einen Verstoß gegen den ver-
fassungsrechtlichen Grundsatz der freien Wahl gemäß Artikel 38 Absatz 1 GG sieht, ist zu-
nächst darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in
ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit von
Wahlrechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfas-
sungsgericht vorbehalten worden (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26
bis 28; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24). Un-
abhängig davon bestehen aus Sicht des Wahlprüfungsausschusses keine Zweifel an der Ver-
fassungsmäßigkeit der genannten Regelungen des Bundeswahlgesetzes. Zwar umfasst der
Grundsatz der Freiheit der Wahl auch die Freiheit der Stimmabgabe (Schreiber, Kommentar
zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 1 Rn. 24). Danach steht es dem Wahlbürger frei, beide Stim-
men, nur eine oder auch keine Stimme abzugeben, ein Stimmensplitting vorzunehmen oder
die Erst- und/oder Zweitwahl bewusst ungültig vorzunehmen (Schreiber, a. a. O.). Ein An-
spruch auf die Einräumung der Möglichkeit zur Abgabe einer Nein-Stimme oder einer
Stimmenthaltung auf dem Stimmzettel lässt sich hieraus aber nicht ableiten. Ergänzend sei
darauf hingewiesen, dass dies auch sinnwidrig wäre. Denn der Zweck der angefochtenen
Wahl war, die Abgeordneten des 17. Deutschen Bundestages zu bestimmen. Dies ist nur mög-
lich, wenn die Wähler positiv entscheiden, welche der aufgestellten Bewerber in den Bundes-
tag einziehen sollen. Stimmenthaltungen und Nein-Stimmen könnten eine solche Entschei-
dung jedoch nicht herbeiführen (vgl. Bundestagsdrucksache 14/1560, Anlage 100).

Der Vorwurf der Einspruchsführerin, durch die Gestaltung des Stimmzettels seien die Wähler
genötigt worden, ihre Stimmen entgegen ihrem wahren Willen abzugeben, ist angesichts der
im Rahmen der Wahlfreiheit eröffneten, oben dargestellten Handlungsoptionen bei der
Stimmabgabe unbegründet. Der Grundsatz der geheimen Wahl, der den wichtigsten instituti-

Drucksache 17/3100 - 128 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

onellen Schutz der Wahlfreiheit darstellt (BVerfGE 99, 1, 13; Schreiber, Kommentar zum
BWG, 8. Auflage, 2009, § 1 Rn. 19), und dessen Verletzung die Einspruchsführerin nicht
behauptet hat, stellt vielmehr sicher, dass jeder Wähler sein Wahlrecht frei von jeder unzuläs-
sigen Einflussnahme auf seine Entschließungsfreiheit ausüben kann. Soweit die Einspruchs-
führerin über die Gestaltung des Stimmzettels hinaus die Ausübung eines die Wahlfreiheit
beschränkenden Drucks im Vorfeld der Wahl behauptet, fehlt es an jedem konkreten Tatsa-
chenvortrag, der dies belegen könnte.

Auch soweit die Einspruchsführerin die Verteilung der Sitze im 17. Deutschen Bundestag
rügt, liegt kein Verstoß gegen wahlrechtliche Vorschriften vor. Ihre Forderung, die Zusam-
mensetzung des 17. Deutschen Bundestages müsse exakt das Ergebnis der abgegeben Zweit-
stimmen widerspiegeln, und zugleich dürfe die Zahl der Abgeordneten die in § 1 Absatz 1
BWG vorgesehene Größe von 598 Abgeordneten nicht überschreiten, entspricht nicht den
Vorgaben des geltenden Bundestagswahlrechts. Dieses sieht eine allgemeine, unmittelbare,
freie, gleiche und geheime Wahl nach den Grundsätzen einer mit der Personenwahl verbun-
denen Verhältniswahl vor, § 1 Absatz 1 Satz 2 BWG. Von den 598 Abgeordneten, aus denen
der Deutsche Bundestag vorbehaltlich der sich aus dem Gesetz ergebenden Abweichungen
besteht, werden 299 nach Kreiswahlvorschlägen in den Wahlkreisen und die Übrigen nach
Landeswahlvorschlägen (Landeslisten) gewählt, § 1 Absatz 2 BWG. Dafür hat gemäß § 4
BWG jeder Wähler zwei Stimmen, eine Erststimme für die Wahl eines Wahlkreisabgeordne-
ten und eine Zweitstimme für die Wahl einer Landesliste. Die Einspruchsführerin ist daher
darauf hinzuweisen, dass sie irrt, wenn sie den abgegebenen Erststimmen „nur lokale Rele-
vanz“ zuspricht, denn in jedem Wahlkreis wird gemäß § 5 Satz 1 BWG ein Abgeordneter
gewählt, der gemäß Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 GG Vertreter des ganzen Volkes ist.
Die von der Einspruchsführerin kritisierte Differenz zwischen dem Zweitstimmenanteil der
Parteien und der Sitzverteilung im 17. Deutschen Bundestag sowie die Abweichung von der
in § 1 Absatz 1 Satz 1 BWG festgelegten Anzahl von 598 Abgeordneten beruhen auf der -
zutreffenden - Anwendung des Bundeswahlgesetzes. Beides folgt zum einen aus dem Entste-
hen von 24 sogenannten Überhangmandaten. Hierbei handelt es sich um Sitze, die eine Partei
in den Wahlkreisen errungen hat und die ihr gemäß § 6 Absatz 5 Satz 1 BWG auch dann ver-
bleiben, wenn sie die nach dem Ergebnis der für die Landeslisten abgegebenen Zweitstimmen
ermittelte Mandatszahl übersteigen. In einem solchen Fall sieht das Gesetz ausdrücklich eine
Erhöhung der Gesamtzahl der Sitze im Deutschen Bundestag um die Unterschiedszahl ohne
weiteren Ausgleich vor, § 6 Absatz 5 Satz 2 BWG. Diese Regelung hat das Bundesverfas-
sungsgericht in seinem Urteil vom 10. April 1997 (BVerfGE 95, 335 ff.) grundsätzlich für
verfassungsgemäß erachtet. Im Rahmen der ihm vom Bundesverfassungsgericht aus einem
anderen Grund aufgegebenen Änderung des Bundeswahlgesetzes bis zum 30. Juni 2011 (Ur-
teil vom 3. Juli 2008, BVerfGE 121, 266 ff.) wird der Gesetzgeber über die Berechnung der
Sitzzuteilung bei künftigen Wahlen neu entscheiden. In dem genannten Urteil hat das Bun-
desverfassungsgericht ausdrücklich klargestellt, dass eine Verteilung der Sitze im 17. Deut-

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 129 - Drucksache 17/3100

schen Bundestag nach den bestehenden gesetzlichen Regelungen zulässig ist (BVerfGE 121,
266, 315 f.).
Zum anderen können sich schon deshalb nicht sämtliche abgegebenen Zweitstimmen in Sit-
zen im 17. Deutschen Bundestag abbilden, weil nicht alle mit Landeslisten zur Wahl angetre-
tenen Parteien das in § 6 Absatz 6 Satz 1 BWG vorgesehene Quorum von mindestens fünf
Prozent der Zweitstimmen oder drei Direktmandaten erreicht haben. Die Verfassungsmäßig-
keit dieser Regelung wird vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung bestä-
tigt (vgl. zuletzt BVerfGE 122, 304, 314 f. mit weiteren Nachweisen; s. auch Bundestags-
drucksache 16/900, Anlage 14).

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 131 - Drucksache 17/3100

Anlage 26

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn R. H., 99867 Gotha
- Az.: WP 106/09 -

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 30. September 2010 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 19. November 2009, das am 20. November 2009 beim Deutschen Bundes-
tag eingegangen ist, hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum
17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 eingelegt.

Der Einspruchsführer rügt eine Verletzung des Grundsatzes der freien Wahl gemäß Artikel 38
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) dadurch, dass auf dem Stimmzettel nicht mit „Enthaltung“
oder „Nein“ gestimmt werden konnte, sowie die Verteilung der Sitze im Deutschen Bundes-
tag.

Im Wesentlichen trägt der Einspruchsführer vor, dass die Wahl nicht frei im Sinne von Artikel
38 Absatz 1 GG gewesen sei, weil zu einer freien Wahl auch die Möglichkeit, „Nein“ sagen
zu können, gehöre. Dadurch, dass der Stimmzettel kein Kästchen für „Nein“ oder „Enthal-
tung“ vorsehe, werde dies dem Wähler verwehrt. Das Votum für eine Partei oder Person be-
inhalte jedoch das Bekenntnis zu dieser Partei oder Person. Dies verstoße gegen das Grundge-
setz, das es verbiete, jemanden zu einem Bekenntnis zu nötigen. Der Einspruchsführer meint,
durch die Gestaltung des Stimmzettels sei dem Wähler suggeriert worden, dass er sich für
einen der Vorschläge entscheiden müsse. Das Ergebnis einer derartigen Wahl drücke nicht
den freien politischen Willen des Wählers aus, sondern sei unter psychischem Druck zustande
gekommen. Der Wähler glaube, er sei nur dann „ein guter Bürger und Demokrat“, wenn er

Drucksache 17/3100 - 132 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

wählen gehe, weil ihm dies vor der Wahl „von allen Seiten suggeriert“ werde. Dieser Druck
verfälsche das Wahlergebnis, denn er verleite die Wahlberechtigten dazu, entgegen ihrem
wirklichen Willen zu entscheiden. Damit sei der Grundsatz der freien Wahl gemäß Artikel 38
GG verletzt und der am 27. September 2009 gewählte Bundestag nicht vom Souverän legiti-
miert.

Des Weiteren beanstandet der Einspruchsführer, dass der Anteil der Sitze der im 17. Deut-
schen Bundestag vertretenen Parteien nicht dem prozentualen Anteil der auf sie entfallenen
Stimmen entspreche. So habe die CDU 27,3 Prozent, die CSU 6,5 Prozent und die FDP 14,6
Prozent, die drei Parteien zusammen mithin 48,4 Prozent der Stimmen erhalten. Es seien aber
der CDU 194, der CSU 45 und der FDP 93 und damit den drei Parteien insgesamt 332 Sitze
zugewiesen worden, was 55,52 Prozent (richtig: 53,38 Prozent) der Sitze entspreche. Der Ein-
spruchsführer ist der Ansicht, die Sitzverteilung müsse exakt der Verteilung der Zweitstim-
men entsprechen, die „nur lokal relevanten“ Erststimmen für die Direktkandidaten dürften
nicht dem Wählerwillen des gesamten Volkes zugerechnet werden. Nur dadurch sei die „un-
logische Situation“ entstanden, dass statt der „Sollstärke“ von 598 Sitzen 622 Sitze verteilt
worden seien. Damit hätten die die Regierungskoalition bildenden Parteien ein politisches
Gewicht von 55,52 Prozent, obwohl sie nur von 48,4 Prozent der Bürger gewählt worden sei-
en. Das Grundgesetz gehe aber davon aus, dass die Mehrheit entscheide. Auch sei nicht ver-
einbar mit Artikel 20 Absatz 2 GG, nach dem alle Gewalt vom Volke ausgehe, dass es eine
politische Macht von 7,12 Prozent gebe, die nicht durch die Wählerstimmen legitimiert sei,
aber in der konkreten Situation den Ausschlag gebe.
Wegen der Einzelheiten des Vortrags des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten
Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Der Vortrag des Einspruchsführers lässt keinen Wahlfehler erkennen.
Die vom Einspruchsführer vermisste Möglichkeit, auf dem Stimmzettel „Enthaltung“ oder
„Nein“ anzukreuzen, ist im geltenden Bundestagswahlrecht nicht vorgesehen. Das Bundes-
wahlgesetz (BWG) und die Bundeswahlordnung (BWO) enthalten keine Vorschrift, die es
dem Wähler ermöglichen würde, sich durch eine entsprechende Kennzeichnung der Stimme
zu enthalten oder mit einer Nein-Stimme gegen einen oder alle Wahlvorschläge zu stimmen.
Nach § 34 Absatz 2 BWG gibt der Wähler seine Erst- und Zweitstimme in der Weise ab, dass
er durch ein auf den Stimmzettel gesetztes Kreuz oder auf andere Weise eindeutig kenntlich
macht, welchem Bewerber bzw. welcher Landesliste sie gelten sollen. Entsprechend sieht

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 133 - Drucksache 17/3100

§ 45 Absatz 1 BWO in Verbindung mit Anlage 26 zur BWO vor, dass der Stimmzettel (nur)
Felder für die Kennzeichnung der aufgeführten Wahlkreisbewerber und Landeslisten enthält.
Anders als der Einspruchsführer offenbar meint, ist es durchaus möglich – und vom Grund-
satz der Wahlfreiheit umfasst –, keinem der Wahlvorschläge seine Stimme zu geben. Wenn
der Stimmzettel keine Kennzeichnung enthält, sind allerdings beide Stimmen gemäß § 39
Absatz 1 Nummer 2 in Verbindung mit § 39 Absatz 1 Satz 2 BWG als ungültig zu werten.
Enthält der Stimmzettel nur eine Stimmabgabe, so ist nach § 39 Absatz 1 Satz 4 BWG die
nicht abgegebene Stimme ungültig. Der Gesetzgeber hat sich damit dafür entschieden, dass
sich der Wähler lediglich durch eine Nichtteilnahme an der Wahl der Stimme enthalten kann.
Sobald er sich an der Wahl beteiligt, unterscheidet das Bundeswahlgesetz nur noch zwischen
gültigen und ungültigen Stimmen (vgl. Bundestagsdrucksachen 14/1560, Anlage 76; 15/1150,
Anlage 39; Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 39 Rn. 18), wobei eine
ungültige Stimme dieselbe Wirkung entfaltet wie eine Stimmenthaltung.

Soweit der Einspruchsführer in der - den Vorgaben des Bundeswahlgesetzes und der Bun-
deswahlordnung entsprechenden - Gestaltung der Stimmzettel einen Verstoß gegen den ver-
fassungsrechtlichen Grundsatz der freien Wahl gemäß Artikel 38 Absatz 1 GG sieht, ist zu-
nächst darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in
ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit von
Wahlrechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfas-
sungsgericht vorbehalten worden (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26
bis 28; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24). Un-
abhängig davon bestehen aus Sicht des Wahlprüfungsausschusses keine Zweifel an der Ver-
fassungsmäßigkeit der genannten Regelungen des Bundeswahlgesetzes. Zwar umfasst der
Grundsatz der Freiheit der Wahl auch die Freiheit der Stimmabgabe (Schreiber, Kommentar
zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 1 Rn. 24). Danach steht es dem Wahlbürger frei, beide Stim-
men, nur eine oder auch keine Stimme abzugeben, ein Stimmensplitting vorzunehmen oder
die Erst- und/oder Zweitwahl bewusst ungültig vorzunehmen (Schreiber, a. a. O.). Ein An-
spruch auf die Einräumung der Möglichkeit zur Abgabe einer Nein-Stimme oder einer
Stimmenthaltung auf dem Stimmzettel lässt sich hieraus aber nicht ableiten. Ergänzend sei
darauf hingewiesen, dass dies auch sinnwidrig wäre. Denn der Zweck der angefochtenen
Wahl war, die Abgeordneten des 17. Deutschen Bundestages zu bestimmen. Dies ist nur mög-
lich, wenn die Wähler positiv entscheiden, welche der aufgestellten Bewerber in den Bundes-
tag einziehen sollen. Stimmenthaltungen und Nein-Stimmen könnten eine solche Entschei-
dung jedoch nicht herbeiführen (vgl. Bundestagsdrucksache 14/1560, Anlage 100).

Der Vorwurf des Einspruchsführers, durch die Gestaltung des Stimmzettels seien die Wähler
genötigt worden, ihre Stimmen entgegen ihrem wahren Willen abzugeben, ist angesichts der
im Rahmen der Wahlfreiheit eröffneten, oben dargestellten Handlungsoptionen bei der
Stimmabgabe unbegründet. Der Grundsatz der geheimen Wahl, der den wichtigsten instituti-

Drucksache 17/3100 - 134 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

onellen Schutz der Wahlfreiheit darstellt (BVerfGE 99, 1, 13; Schreiber, Kommentar zum
BWG, 8. Auflage, 2009, § 1 Rn. 19), und dessen Verletzung der Einspruchsführer nicht be-
hauptet hat, stellt vielmehr sicher, dass jeder Wähler sein Wahlrecht frei von jeder unzulässi-
gen Einflussnahme auf seine Entschließungsfreiheit ausüben kann. Soweit der Einspruchsfüh-
rer über die Gestaltung des Stimmzettels hinaus die Ausübung eines die Wahlfreiheit be-
schränkenden Drucks im Vorfeld der Wahl behauptet, fehlt es an jedem konkreten Tatsachen-
vortrag, der dies belegen könnte.

Auch soweit der Einspruchsführer die Verteilung der Sitze im 17. Deutschen Bundestag rügt,
liegt kein Verstoß gegen wahlrechtliche Vorschriften vor. Seine Forderung, die Zusammen-
setzung des 17. Deutschen Bundestages müsse exakt das Ergebnis der abgegeben Zweitstim-
men widerspiegeln, und zugleich dürfe die Zahl der Abgeordneten die in § 1 Absatz 1 BWG
vorgesehene Größe von 598 Abgeordneten nicht überschreiten, entspricht nicht den Vorgaben
des geltenden Bundestagswahlrechts. Dieses sieht eine allgemeine, unmittelbare, freie, gleiche
und geheime Wahl nach den Grundsätzen einer mit der Personenwahl verbundenen Verhält-
niswahl vor, § 1 Absatz 1 Satz 2 BWG. Von den 598 Abgeordneten, aus denen der Deutsche
Bundestag vorbehaltlich der sich aus dem Gesetz ergebenden Abweichungen besteht, werden
299 nach Kreiswahlvorschlägen in den Wahlkreisen und die Übrigen nach Landeswahlvor-
schlägen (Landeslisten) gewählt, § 1 Absatz 2 BWG. Dafür hat gemäß § 4 BWG jeder Wähler
zwei Stimmen, eine Erststimme für die Wahl eines Wahlkreisabgeordneten und eine Zweit-
stimme für die Wahl einer Landesliste. Der Einspruchsführer ist daher darauf hinzuweisen,
dass er irrt, wenn er den abgegebenen Erststimmen „nur lokale Relevanz“ zuspricht, denn in
jedem Wahlkreis wird gemäß § 5 Satz 1 BWG ein Abgeordneter gewählt, der gemäß Artikel
38 Absatz 1 Satz 2 GG Vertreter des ganzen Volkes ist.
Die vom Einspruchsführer kritisierte Differenz zwischen dem Zweitstimmenanteil der Partei-
en und der Sitzverteilung im 17. Deutschen Bundestag sowie die Abweichung von der in § 1
Absatz 1 Satz 1 BWG festgelegten Anzahl von 598 Abgeordneten beruhen auf der - zutref-
fenden - Anwendung des Bundeswahlgesetzes. Beides folgt zum einen aus dem Entstehen
von 24 sogenannten Überhangmandaten. Hierbei handelt es sich um Sitze, die eine Partei in
den Wahlkreisen errungen hat und die ihr gemäß § 6 Absatz 5 Satz 1 BWG auch dann ver-
bleiben, wenn sie die nach dem Ergebnis der für die Landeslisten abgegebenen Zweitstimmen
ermittelte Mandatszahl übersteigen. In einem solchen Fall sieht das Gesetz ausdrücklich eine
Erhöhung der Gesamtzahl der Sitze im Deutschen Bundestag um die Unterschiedszahl ohne
weiteren Ausgleich vor, § 6 Absatz 5 Satz 2 BWG. Diese Regelung hat das Bundesverfas-
sungsgericht in seinem Urteil vom 10. April 1997 (BVerfGE 95, 335 ff.) grundsätzlich für
verfassungsgemäß erachtet. Im Rahmen der ihm vom Bundesverfassungsgericht aus einem
anderen Grund aufgegebenen Änderung des Bundeswahlgesetzes bis zum 30. Juni 2011 (Ur-
teil vom 3. Juli 2008, BVerfGE 121, 266 ff.) wird der Gesetzgeber über die Berechnung der
Sitzzuteilung bei künftigen Wahlen neu entscheiden. In dem genannten Urteil hat das Bun-
desverfassungsgericht ausdrücklich klargestellt, dass eine Verteilung der Sitze im 17. Deut-

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 135 - Drucksache 17/3100

schen Bundestag nach den bestehenden gesetzlichen Regelungen zulässig ist (BVerfGE 121,
266, 315 f.).
Zum anderen können sich schon deshalb nicht sämtliche abgegebenen Zweitstimmen in Sit-
zen im 17. Deutschen Bundestag abbilden, weil nicht alle mit Landeslisten zur Wahl angetre-
tenen Parteien das in § 6 Absatz 6 Satz 1 BWG vorgesehene Quorum von mindestens fünf
Prozent der Zweitstimmen oder drei Direktmandaten erreicht haben. Die Verfassungsmäßig-
keit dieser Regelung wird vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung bestä-
tigt (vgl. zuletzt BVerfGE 122, 304, 314 f. mit weiteren Nachweisen; s. auch Bundestags-
drucksache 16/900, Anlage 14).

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 137 - Drucksache 17/3100

Anlage 27

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn B. O., 60487 Frankfurt/Main
- Az.: WP 107/09 -

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 30. September 2010 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 15. November 2009, das am 23. November 2009 beim Deutschen Bundes-
tag eingegangen ist, hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum
17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 eingelegt.

Der Einspruchsführer rügt eine Verletzung des Grundsatzes der freien Wahl gemäß Artikel 38
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) dadurch, dass auf dem Stimmzettel nicht mit „Enthaltung“
oder „Nein“ gestimmt werden konnte, sowie die Verteilung der Sitze im Deutschen Bundes-
tag.

Im Wesentlichen trägt der Einspruchsführer vor, dass die Wahl nicht frei im Sinne von Artikel
38 Absatz 1 GG gewesen sei, weil zu einer freien Wahl auch die Möglichkeit, „Nein“ sagen
zu können, gehöre. Dadurch, dass der Stimmzettel kein Kästchen für „Nein“ oder „Enthal-
tung“ vorsehe, werde dies dem Wähler verwehrt. Das Votum für eine Partei oder Person be-
inhalte jedoch das Bekenntnis zu dieser Partei oder Person. Dies verstoße gegen das Grundge-
setz, das es verbiete, jemanden zu einem Bekenntnis zu nötigen. Der Einspruchsführer meint,
durch die Gestaltung des Stimmzettels sei dem Wähler suggeriert worden, dass er sich für
einen der Vorschläge entscheiden müsse. Das Ergebnis einer derartigen Wahl drücke nicht
den freien politischen Willen des Wählers aus, sondern sei unter psychischem Druck zustande
gekommen. Der Wähler glaube, er sei nur dann „ein guter Bürger und Demokrat“, wenn er

Drucksache 17/3100 - 138 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

wählen gehe, weil ihm dies vor der Wahl „von allen Seiten suggeriert“ werde. Dieser Druck
verfälsche das Wahlergebnis, denn er verleite die Wahlberechtigten dazu, entgegen ihrem
wirklichen Willen zu entscheiden. Damit sei der Grundsatz der freien Wahl gemäß Artikel 38
GG verletzt und der am 27. September 2009 gewählte Bundestag nicht vom Souverän legiti-
miert.

Des Weiteren beanstandet der Einspruchsführer, dass der Anteil der Sitze der im 17. Deut-
schen Bundestag vertretenen Parteien nicht dem prozentualen Anteil der auf sie entfallenen
Stimmen entspreche. So habe die CDU 27,3 Prozent, die CSU 6,5 Prozent und die FDP 14,6
Prozent, die drei Parteien zusammen mithin 48,4 Prozent der Stimmen erhalten. Es seien aber
der CDU 194, der CSU 45 und der FDP 93 und damit den drei Parteien insgesamt 332 Sitze
zugewiesen worden, was 55,52 Prozent (richtig: 53,38 Prozent) der Sitze entspreche. Der Ein-
spruchsführer ist der Ansicht, die Sitzverteilung müsse der Verteilung der Zweitstimmen ent-
sprechen, die „nur lokal relevanten“ Erststimmen für die Direktkandidaten dürften nicht dem
Wählerwillen des gesamten Volkes zugerechnet werden. Nur dadurch sei die „unlogische
Situation“ entstanden, dass statt der „Sollstärke“ von 598 Sitzen 622 Sitze verteilt worden
seien. Damit hätten die die Regierungskoalition bildenden Parteien ein politisches Gewicht
von 55,52 Prozent, obwohl sie nur von 48,4 Prozent der Bürger gewählt worden seien. Das
Grundgesetz gehe aber davon aus, dass die Mehrheit entscheide. Auch sei nicht vereinbar mit
Artikel 20 Absatz 2 GG, nach dem alle Gewalt vom Volke ausgehe, dass es eine politische
Macht von 7,12 Prozent gebe, die nicht durch die Wählerstimmen legitimiert sei, aber in der
konkreten Situation den Ausschlag gebe.

Schließlich rügt der Einspruchsführer, dass laut amtlichem Endergebnis 18.896.625 bzw. 30,9
Prozent der Wahlberechtigten „missachtet“ würden, denn diese hätten weder „Nein“ sagen
noch eine der Parteien wählen können. Ihre Abwertung als Nichtwähler oder „ungültige Wäh-
ler“ verstoße gegen das Grundgesetz. Daraus ergebe sich, dass nur 33,7 Prozent der Wahlbe-
rechtigten die die Regierung bildenden Parteien gewählt hätten, diese also den mehrheitlichen
Wählerwillen missachteten und nicht legitimiert seien, eine Regierung zu bilden.
Er vertritt zudem die Auffassung, die Bundesrepublik Deutschland sei ab dem 3. Oktober
1990 „eigentlich ungültig“ geworden, und fordert einen vom Volk gebildeten Verfassungs-
konvent zur Ausarbeitung einer vorläufigen Verfassung und die unverzügliche Ausrufung von
parteienunabhängigen Neuwahlen.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten
Bezug genommen.

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 139 - Drucksache 17/3100

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Der Vortrag des Einspruchsführers lässt keinen Wahlfehler erkennen.
Die vom Einspruchsführer vermisste Möglichkeit, auf dem Stimmzettel „Enthaltung“ oder
„Nein“ anzukreuzen, ist im geltenden Bundestagswahlrecht nicht vorgesehen. Das Bundes-
wahlgesetz (BWG) und die Bundeswahlordnung (BWO) enthalten keine Vorschrift, die es
dem Wähler ermöglichen würde, sich durch eine entsprechende Kennzeichnung der Stimme
zu enthalten oder mit einer Nein-Stimme gegen einen oder alle Wahlvorschläge zu stimmen.
Nach § 34 Absatz 2 BWG gibt der Wähler seine Erst- und Zweitstimme in der Weise ab, dass
er durch ein auf den Stimmzettel gesetztes Kreuz oder auf andere Weise eindeutig kenntlich
macht, welchem Bewerber bzw. welcher Landesliste sie gelten sollen. Entsprechend sieht
§ 45 Absatz 1 BWO in Verbindung mit Anlage 26 zur BWO vor, dass der Stimmzettel (nur)
Felder für die Kennzeichnung der aufgeführten Wahlkreisbewerber und Landeslisten enthält.
Anders als der Einspruchsführer offenbar meint, ist es durchaus möglich – und vom Grund-
satz der Wahlfreiheit umfasst –, keinem der Wahlvorschläge seine Stimme zu geben. Wenn
der Stimmzettel keine Kennzeichnung enthält, sind allerdings beide Stimmen gemäß § 39
Absatz 1 Nummer 2 in Verbindung mit § 39 Absatz 1 Satz 2 BWG als ungültig zu werten.
Enthält der Stimmzettel nur eine Stimmabgabe, so ist nach § 39 Absatz 1 Satz 4 BWG die
nicht abgegebene Stimme ungültig. Der Gesetzgeber hat sich damit dafür entschieden, dass
sich der Wähler lediglich durch eine Nichtteilnahme an der Wahl der Stimme enthalten kann.
Sobald er sich an der Wahl beteiligt, unterscheidet das Bundeswahlgesetz nur noch zwischen
gültigen und ungültigen Stimmen (vgl. Bundestagsdrucksachen 14/1560, Anlage 76; 15/1150,
Anlage 39; Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 39 Rn. 18), wobei eine
ungültige Stimme dieselbe Wirkung entfaltet wie eine Stimmenthaltung.

Soweit der Einspruchsführer in der - den Vorgaben des Bundeswahlgesetzes und der Bun-
deswahlordnung entsprechenden - Gestaltung der Stimmzettel einen Verstoß gegen den ver-
fassungsrechtlichen Grundsatz der freien Wahl gemäß Artikel 38 Absatz 1 GG sieht, ist zu-
nächst darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in
ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit von
Wahlrechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfas-
sungsgericht vorbehalten worden (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26
bis 28; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24). Un-
abhängig davon bestehen aus Sicht des Wahlprüfungsausschusses keine Zweifel an der Ver-
fassungsmäßigkeit der genannten Regelungen des Bundeswahlgesetzes. Zwar umfasst der
Grundsatz der Freiheit der Wahl auch die Freiheit der Stimmabgabe (Schreiber, Kommentar
zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 1 Rn. 24). Danach steht es dem Wahlbürger frei, beide Stim-

Drucksache 17/3100 - 140 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

men, nur eine oder auch keine Stimme abzugeben, ein Stimmensplitting vorzunehmen oder
die Erst- und/oder Zweitwahl bewusst ungültig vorzunehmen (Schreiber, a. a. O.). Ein An-
spruch auf die Einräumung der Möglichkeit zur Abgabe einer Nein-Stimme oder einer
Stimmenthaltung auf dem Stimmzettel lässt sich hieraus aber nicht ableiten. Ergänzend sei
darauf hingewiesen, dass dies auch sinnwidrig wäre. Denn der Zweck der angefochtenen
Wahl war, die Abgeordneten des 17. Deutschen Bundestages zu bestimmen. Dies ist nur mög-
lich, wenn die Wähler positiv entscheiden, welche der aufgestellten Bewerber in den Bundes-
tag einziehen sollen. Stimmenthaltungen und Nein-Stimmen könnten eine solche Entschei-
dung jedoch nicht herbeiführen (vgl. Bundestagsdrucksache 14/1560, Anlage 100).

Der Vorwurf des Einspruchsführers, durch die Gestaltung des Stimmzettels seien die Wähler
genötigt worden, ihre Stimmen entgegen ihrem wahren Willen abzugeben, ist angesichts der
im Rahmen der Wahlfreiheit eröffneten, oben dargestellten Handlungsoptionen bei der
Stimmabgabe unbegründet. Der Grundsatz der geheimen Wahl, der den wichtigsten instituti-
onellen Schutz der Wahlfreiheit darstellt (BVerfGE 99, 1, 13; Schreiber, Kommentar zum
BWG, 8. Auflage, 2009, § 1 Rn. 19), und dessen Verletzung der Einspruchsführer nicht be-
hauptet hat, stellt vielmehr sicher, dass jeder Wähler sein Wahlrecht frei von jeder unzulässi-
gen Einflussnahme auf seine Entschließungsfreiheit ausüben kann. Soweit der Einspruchsfüh-
rer über die Gestaltung des Stimmzettels hinaus die Ausübung eines die Wahlfreiheit be-
schränkenden Drucks im Vorfeld der Wahl behauptet, fehlt es an jedem konkreten Tatsachen-
vortrag, der dies belegen könnte.

Auch soweit der Einspruchsführer die Verteilung der Sitze im 17. Deutschen Bundestag rügt,
liegt kein Verstoß gegen wahlrechtliche Vorschriften vor. Seine Forderung, die Zusammen-
setzung des 17. Deutschen Bundestages müsse exakt das Ergebnis der abgegeben Zweitstim-
men widerspiegeln, und zugleich dürfe die Zahl der Abgeordneten die in § 1 Absatz 1 BWG
vorgesehene Größe von 598 Abgeordneten nicht überschreiten, entspricht nicht den Vorgaben
des geltenden Bundestagswahlrechts. Dieses sieht eine allgemeine, unmittelbare, freie, gleiche
und geheime Wahl nach den Grundsätzen einer mit der Personenwahl verbundenen Verhält-
niswahl vor, § 1 Absatz 1 Satz 2 BWG. Von den 598 Abgeordneten, aus denen der Deutsche
Bundestag vorbehaltlich der sich aus dem Gesetz ergebenden Abweichungen besteht, werden
299 nach Kreiswahlvorschlägen in den Wahlkreisen und die Übrigen nach Landeswahlvor-
schlägen (Landeslisten) gewählt, § 1 Absatz 2 BWG. Dafür hat gemäß § 4 BWG jeder Wähler
zwei Stimmen, eine Erststimme für die Wahl eines Wahlkreisabgeordneten und eine Zweit-
stimme für die Wahl einer Landesliste. Der Einspruchsführer ist daher darauf hinzuweisen,
dass er irrt, wenn er den abgegebenen Erststimmen „nur lokale Relevanz“ zuspricht, denn in
jedem Wahlkreis wird gemäß § 5 Satz 1 BWG ein Abgeordneter gewählt, der gemäß Artikel
38 Absatz 1 Satz 2 GG Vertreter des ganzen Volkes ist.
Die vom Einspruchsführer kritisierte Differenz zwischen dem Zweitstimmenanteil der Partei-
en und der Sitzverteilung im 17. Deutschen Bundestag sowie die Abweichung von der in § 1

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 141 - Drucksache 17/3100

Absatz 1 Satz 1 BWG festgelegten Anzahl von 598 Abgeordneten beruhen auf der - zutref-
fenden - Anwendung des Bundeswahlgesetzes. Beides folgt zum einen aus dem Entstehen
von 24 sogenannten Überhangmandaten. Hierbei handelt es sich um Sitze, die eine Partei in
den Wahlkreisen errungen hat und die ihr gemäß § 6 Absatz 5 Satz 1 BWG auch dann ver-
bleiben, wenn sie die nach dem Ergebnis der für die Landeslisten abgegebenen Zweitstimmen
ermittelte Mandatszahl übersteigen. In einem solchen Fall sieht das Gesetz ausdrücklich eine
Erhöhung der Gesamtzahl der Sitze im Deutschen Bundestag um die Unterschiedszahl ohne
weiteren Ausgleich vor, § 6 Absatz 5 Satz 2 BWG. Diese Regelung hat das Bundesverfas-
sungsgericht in seinem Urteil vom 10. April 1997 (BVerfGE 95, 335 ff.) grundsätzlich für
verfassungsgemäß erachtet. Im Rahmen der ihm vom Bundesverfassungsgericht aus einem
anderen Grund aufgegebenen Änderung des Bundeswahlgesetzes bis zum 30. Juni 2011 (Ur-
teil vom 3. Juli 2008, BVerfGE 121, 266 ff.) wird der Gesetzgeber über die Berechnung der
Sitzzuteilung bei künftigen Wahlen neu entscheiden. In dem genannten Urteil hat das Bun-
desverfassungsgericht ausdrücklich klargestellt, dass eine Verteilung der Sitze im 17. Deut-
schen Bundestag nach den bestehenden gesetzlichen Regelungen zulässig ist (BVerfGE 121,
266, 315 f.).
Zum anderen können sich schon deshalb nicht sämtliche abgegebenen Zweitstimmen in Sit-
zen im 17. Deutschen Bundestag abbilden, weil nicht alle mit Landeslisten zur Wahl angetre-
tenen Parteien das in § 6 Absatz 6 Satz 1 BWG vorgesehene Quorum von mindestens fünf
Prozent der Zweitstimmen oder drei Direktmandaten erreicht haben. Die Verfassungsmäßig-
keit dieser Regelung wird vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung bestä-
tigt (vgl. zuletzt BVerfGE 122, 304, 314 f. mit weiteren Nachweisen; s. auch Bundestags-
drucksache 16/900, Anlage 14).

Anders als der Einspruchsführer meint, bleiben weder die Nichtwähler noch die abgegebenen
ungültigen Stimmen gänzlich unberücksichtigt. Sowohl die Wahlbeteiligung als auch der An-
teil ungültiger Stimmen werden bei der Feststellung des vorläufigen und des endgültigen
Wahlergebnisses festgehalten (vgl. §§ 76 ff. BWO, insbesondere § 76 Absatz 2 Satz 1 Ziff. 1
bis 4 und § 78 Absatz 2 Satz 1 Ziff. 1 bis 3); dies stößt auch in den Medien auf große Auf-
merksamkeit (vgl. Bundestagsdrucksache 16/1800, Anlage 56). Dass nicht abgegebene und
ungültige Stimmen keinen unmittelbaren Einfluss auf die Zusammensetzung des 17. Deut-
schen Bundestages haben konnten, ergibt sich jedoch aus den bereits oben dargestellten wahl-
rechtlichen Entscheidungen des Gesetzgebers. Da die Bundeskanzlerin gemäß Art. 63 GG von
der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages gewählt worden ist, konnten sich solche bei der
Bundestagswahl nicht oder ungültig abgegebenen Stimmen - logischerweise - auch nicht auf
die Bundeskanzlerwahl und damit auf die Bildung der Bundesregierung auswirken.

Den Ansichten des Einspruchsführers zur Wiedervereinigung und seiner Forderung nach der
Einberufung eines Verfassungskonvents ist schließlich nicht im Rahmen der Wahlprüfung

Drucksache 17/3100 - 142 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

nachzugehen, die allein auf die Feststellung von Wahlfehlern und deren Relevanz für die Ver-
teilung der Mandate beschränkt ist (vgl. Bundestagsdrucksache 17/2200, Anlage 13).

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 143 - Drucksache 17/3100

Anlage 28

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn Dipl.-Ing. E. K., 59846 Sundern
- Az.: WP 108/09 -

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 30. September 2010 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 15. November 2009, das am 23. November 2009 beim Deutschen Bundes-
tag eingegangen ist, hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum
17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 eingelegt.

Der Einspruchsführer rügt eine Verletzung des Grundsatzes der freien Wahl gemäß Artikel 38
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) dadurch, dass auf dem Stimmzettel nicht mit „Enthaltung“
oder „Nein“ gestimmt werden konnte, sowie die Verteilung der Sitze im Deutschen Bundes-
tag.

Im Wesentlichen trägt der Einspruchsführer vor, dass die Wahl nicht frei im Sinne von Artikel
38 Absatz 1 GG gewesen sei, weil zu einer freien Wahl auch die Möglichkeit, „Nein“ sagen
zu können, gehöre. Dadurch, dass der Stimmzettel kein Kästchen für „Nein“ oder „Enthal-
tung“ vorsehe, werde dies dem Wähler verwehrt. Das Votum für eine Partei oder Person be-
inhalte jedoch das Bekenntnis zu dieser Partei oder Person. Dies verstoße gegen das Grundge-
setz, das es verbiete, jemanden zu einem Bekenntnis zu nötigen. Der Einspruchsführer meint,
durch die Gestaltung des Stimmzettels sei dem Wähler suggeriert worden, dass er sich für
einen der Vorschläge entscheiden müsse. Das Ergebnis einer derartigen Wahl drücke nicht
den freien politischen Willen des Wählers aus, sondern sei unter psychischem Druck zustande
gekommen. Der Wähler glaube, er sei nur dann „ein guter Bürger und Demokrat“, wenn er

Drucksache 17/3100 - 144 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

wählen gehe, weil ihm dies vor der Wahl „von allen Seiten suggeriert“ werde. Dieser Druck
verfälsche das Wahlergebnis, denn er verleite die Wahlberechtigten dazu, entgegen ihrem
wirklichen Willen zu entscheiden. Damit sei der Grundsatz der freien Wahl gemäß Artikel 38
GG verletzt und der am 27. September 2009 gewählte Bundestag nicht vom Souverän legiti-
miert.

Des Weiteren beanstandet der Einspruchsführer, dass der Anteil der Sitze der im 17. Deut-
schen Bundestag vertretenen Parteien nicht dem prozentualen Anteil der auf sie entfallenen
Stimmen entspreche. So habe die CDU 27,3 Prozent, die CSU 6,5 Prozent und die FDP 14,6
Prozent, die drei Parteien zusammen mithin 48,4 Prozent der Stimmen erhalten. Es seien aber
der CDU 194, der CSU 45 und der FDP 93 und damit den drei Parteien insgesamt 332 Sitze
zugewiesen worden, was 55,52 Prozent (richtig: 53,38 Prozent) der Sitze entspreche. Der Ein-
spruchsführer ist der Ansicht, die Sitzverteilung müsse exakt der Verteilung der Zweitstim-
men entsprechen, die „nur lokal relevanten“ Erststimmen für die Direktkandidaten dürften
nicht dem Wählerwillen des gesamten Volkes zugerechnet werden. Nur dadurch sei die „un-
logische Situation“ entstanden, dass statt der „Sollstärke“ von 598 Sitzen 622 Sitze verteilt
worden seien. Damit hätten die die Regierungskoalition bildenden Parteien ein politisches
Gewicht von 55,52 Prozent, obwohl sie nur von 48,4 Prozent der Bürger gewählt worden sei-
en. Das Grundgesetz gehe aber davon aus, dass die Mehrheit entscheide. Auch sei nicht ver-
einbar mit Artikel 20 Absatz 2 GG, nach dem alle Gewalt vom Volke ausgehe, dass es eine
politische Macht von 7,12 Prozent gebe, die nicht durch die Wählerstimmen legitimiert sei,
aber in der konkreten Situation den Ausschlag gebe.
Wegen der Einzelheiten des Vortrags des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten
Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Der Vortrag des Einspruchsführers lässt keinen Wahlfehler erkennen.
Die vom Einspruchsführer vermisste Möglichkeit, auf dem Stimmzettel „Enthaltung“ oder
„Nein“ anzukreuzen, ist im geltenden Bundestagswahlrecht nicht vorgesehen. Das Bundes-
wahlgesetz (BWG) und die Bundeswahlordnung (BWO) enthalten keine Vorschrift, die es
dem Wähler ermöglichen würde, sich durch eine entsprechende Kennzeichnung der Stimme
zu enthalten oder mit einer Nein-Stimme gegen einen oder alle Wahlvorschläge zu stimmen.
Nach § 34 Absatz 2 BWG gibt der Wähler seine Erst- und Zweitstimme in der Weise ab, dass
er durch ein auf den Stimmzettel gesetztes Kreuz oder auf andere Weise eindeutig kenntlich
macht, welchem Bewerber bzw. welcher Landesliste sie gelten sollen. Entsprechend sieht

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 145 - Drucksache 17/3100

§ 45 Absatz 1 BWO in Verbindung mit Anlage 26 zur BWO vor, dass der Stimmzettel (nur)
Felder für die Kennzeichnung der aufgeführten Wahlkreisbewerber und Landeslisten enthält.
Anders als der Einspruchsführer offenbar meint, ist es durchaus möglich – und vom Grund-
satz der Wahlfreiheit umfasst –, keinem der Wahlvorschläge seine Stimme zu geben. Wenn
der Stimmzettel keine Kennzeichnung enthält, sind allerdings beide Stimmen gemäß § 39
Absatz 1 Nummer 2 in Verbindung mit § 39 Absatz 1 Satz 2 BWG als ungültig zu werten.
Enthält der Stimmzettel nur eine Stimmabgabe, so ist nach § 39 Absatz 1 Satz 4 BWG die
nicht abgegebene Stimme ungültig. Der Gesetzgeber hat sich damit dafür entschieden, dass
sich der Wähler lediglich durch eine Nichtteilnahme an der Wahl der Stimme enthalten kann.
Sobald er sich an der Wahl beteiligt, unterscheidet das Bundeswahlgesetz nur noch zwischen
gültigen und ungültigen Stimmen (vgl. Bundestagsdrucksachen 14/1560, Anlage 76; 15/1150,
Anlage 39; Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 39 Rn. 18), wobei eine
ungültige Stimme dieselbe Wirkung entfaltet wie eine Stimmenthaltung.

Soweit der Einspruchsführer in der - den Vorgaben des Bundeswahlgesetzes und der Bun-
deswahlordnung entsprechenden - Gestaltung der Stimmzettel einen Verstoß gegen den ver-
fassungsrechtlichen Grundsatz der freien Wahl gemäß Artikel 38 Absatz 1 GG sieht, ist zu-
nächst darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in
ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit von
Wahlrechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfas-
sungsgericht vorbehalten worden (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26
bis 28; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24). Un-
abhängig davon bestehen aus Sicht des Wahlprüfungsausschusses keine Zweifel an der Ver-
fassungsmäßigkeit der genannten Regelungen des Bundeswahlgesetzes. Zwar umfasst der
Grundsatz der Freiheit der Wahl auch die Freiheit der Stimmabgabe (Schreiber, Kommentar
zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 1 Rn. 24). Danach steht es dem Wahlbürger frei, beide Stim-
men, nur eine oder auch keine Stimme abzugeben, ein Stimmensplitting vorzunehmen oder
die Erst- und/oder Zweitwahl bewusst ungültig vorzunehmen (Schreiber, a. a. O.). Ein An-
spruch auf die Einräumung der Möglichkeit zur Abgabe einer Nein-Stimme oder einer
Stimmenthaltung auf dem Stimmzettel lässt sich hieraus aber nicht ableiten. Ergänzend sei
darauf hingewiesen, dass dies auch sinnwidrig wäre. Denn der Zweck der angefochtenen
Wahl war, die Abgeordneten des 17. Deutschen Bundestages zu bestimmen. Dies ist nur mög-
lich, wenn die Wähler positiv entscheiden, welche der aufgestellten Bewerber in den Bundes-
tag einziehen sollen. Stimmenthaltungen und Nein-Stimmen könnten eine solche Entschei-
dung jedoch nicht herbeiführen (vgl. Bundestagsdrucksache 14/1560, Anlage 100).

Der Vorwurf des Einspruchsführers, durch die Gestaltung des Stimmzettels seien die Wähler
genötigt worden, ihre Stimmen entgegen ihrem wahren Willen abzugeben, ist angesichts der
im Rahmen der Wahlfreiheit eröffneten, oben dargestellten Handlungsoptionen bei der
Stimmabgabe unbegründet. Der Grundsatz der geheimen Wahl, der den wichtigsten instituti-

Drucksache 17/3100 - 146 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

onellen Schutz der Wahlfreiheit darstellt (BVerfGE 99, 1, 13; Schreiber, Kommentar zum
BWG, 8. Auflage, 2009, § 1 Rn. 19), und dessen Verletzung der Einspruchsführer nicht be-
hauptet hat, stellt vielmehr sicher, dass jeder Wähler sein Wahlrecht frei von jeder unzulässi-
gen Einflussnahme auf seine Entschließungsfreiheit ausüben kann. Soweit der Einspruchsfüh-
rer über die Gestaltung des Stimmzettels hinaus die Ausübung eines die Wahlfreiheit be-
schränkenden Drucks im Vorfeld der Wahl behauptet, fehlt es an jedem konkreten Tatsachen-
vortrag, der dies belegen könnte.

Auch soweit der Einspruchsführer die Verteilung der Sitze im 17. Deutschen Bundestag rügt,
liegt kein Verstoß gegen wahlrechtliche Vorschriften vor. Seine Forderung, die Zusammen-
setzung des 17. Deutschen Bundestages müsse exakt das Ergebnis der abgegeben Zweitstim-
men widerspiegeln, und zugleich dürfe die Zahl der Abgeordneten die in § 1 Absatz 1 BWG
vorgesehene Größe von 598 Abgeordneten nicht überschreiten, entspricht nicht den Vorgaben
des geltenden Bundestagswahlrechts. Dieses sieht eine allgemeine, unmittelbare, freie, gleiche
und geheime Wahl nach den Grundsätzen einer mit der Personenwahl verbundenen Verhält-
niswahl vor, § 1 Absatz 1 Satz 2 BWG. Von den 598 Abgeordneten, aus denen der Deutsche
Bundestag vorbehaltlich der sich aus dem Gesetz ergebenden Abweichungen besteht, werden
299 nach Kreiswahlvorschlägen in den Wahlkreisen und die Übrigen nach Landeswahlvor-
schlägen (Landeslisten) gewählt, § 1 Absatz 2 BWG. Dafür hat gemäß § 4 BWG jeder Wähler
zwei Stimmen, eine Erststimme für die Wahl eines Wahlkreisabgeordneten und eine Zweit-
stimme für die Wahl einer Landesliste. Der Einspruchsführer ist daher darauf hinzuweisen,
dass er irrt, wenn er den abgegebenen Erststimmen „nur lokale Relevanz“ zuspricht, denn in
jedem Wahlkreis wird gemäß § 5 Satz 1 BWG ein Abgeordneter gewählt, der gemäß Artikel
38 Absatz 1 Satz 2 GG Vertreter des ganzen Volkes ist.
Die vom Einspruchsführer kritisierte Differenz zwischen dem Zweitstimmenanteil der Partei-
en und der Sitzverteilung im 17. Deutschen Bundestag sowie die Abweichung von der in § 1
Absatz 1 Satz 1 BWG festgelegten Anzahl von 598 Abgeordneten beruhen auf der - zutref-
fenden - Anwendung des Bundeswahlgesetzes. Beides folgt zum einen aus dem Entstehen
von 24 sogenannten Überhangmandaten. Hierbei handelt es sich um Sitze, die eine Partei in
den Wahlkreisen errungen hat und die ihr gemäß § 6 Absatz 5 Satz 1 BWG auch dann ver-
bleiben, wenn sie die nach dem Ergebnis der für die Landeslisten abgegebenen Zweitstimmen
ermittelte Mandatszahl übersteigen. In einem solchen Fall sieht das Gesetz ausdrücklich eine
Erhöhung der Gesamtzahl der Sitze im Deutschen Bundestag um die Unterschiedszahl ohne
weiteren Ausgleich vor, § 6 Absatz 5 Satz 2 BWG. Diese Regelung hat das Bundesverfas-
sungsgericht in seinem Urteil vom 10. April 1997 (BVerfGE 95, 335 ff.) grundsätzlich für
verfassungsgemäß erachtet. Im Rahmen der ihm vom Bundesverfassungsgericht aus einem
anderen Grund aufgegebenen Änderung des Bundeswahlgesetzes bis zum 30. Juni 2011 (Ur-
teil vom 3. Juli 2008, BVerfGE 121, 266 ff.) wird der Gesetzgeber über die Berechnung der
Sitzzuteilung bei künftigen Wahlen neu entscheiden. In dem genannten Urteil hat das Bun-
desverfassungsgericht ausdrücklich klargestellt, dass eine Verteilung der Sitze im 17. Deut-

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 147 - Drucksache 17/3100

schen Bundestag nach den bestehenden gesetzlichen Regelungen zulässig ist (BVerfGE 121,
266, 315 f.).
Zum anderen können sich schon deshalb nicht sämtliche abgegebenen Zweitstimmen in Sit-
zen im 17. Deutschen Bundestag abbilden, weil nicht alle mit Landeslisten zur Wahl angetre-
tenen Parteien das in § 6 Absatz 6 Satz 1 BWG vorgesehene Quorum von mindestens fünf
Prozent der Zweitstimmen oder drei Direktmandaten erreicht haben. Die Verfassungsmäßig-
keit dieser Regelung wird vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung bestä-
tigt (vgl. zuletzt BVerfGE 122, 304, 314 f. mit weiteren Nachweisen; s. auch Bundestags-
drucksache 16/900, Anlage 14).

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 149 - Drucksache 17/3100

Anlage 29

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

der Frau G. E.-H., 63654 Büdingen
- Az.: WP 109/09 -

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 30. September 2010 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 13. November 2009, das am 23. November 2009 beim Deutschen Bundes-
tag eingegangen ist, hat die Einspruchsführerin Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum
17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 eingelegt.

Die Einspruchsführerin rügt eine Verletzung des Grundsatzes der freien Wahl gemäß Artikel
38 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) dadurch, dass auf dem Stimmzettel nicht mit „Enthal-
tung“ oder „Nein“ gestimmt werden konnte, sowie die Verteilung der Sitze im Deutschen
Bundestag.

Im Wesentlichen trägt die Einspruchsführerin vor, dass die Wahl nicht frei im Sinne von Arti-
kel 38 Absatz 1 GG gewesen sei, weil zu einer freien Wahl auch die Möglichkeit, „Nein“ sa-
gen zu können, gehöre. Dadurch, dass der Stimmzettel kein Kästchen für „Nein“ oder „Ent-
haltung“ vorsehe, werde dies dem Wähler verwehrt. Das Votum für eine Partei oder Person
beinhalte jedoch das Bekenntnis zu dieser Partei oder Person. Dies verstoße gegen das
Grundgesetz, das es verbiete, jemanden zu einem Bekenntnis zu nötigen. Die Einspruchsfüh-
rerin meint, durch die Gestaltung des Stimmzettels sei dem Wähler suggeriert worden, dass er
sich für einen der Vorschläge entscheiden müsse. Das Ergebnis einer derartigen Wahl drücke
nicht den freien politischen Willen des Wählers aus, sondern sei unter psychischem Druck
zustande gekommen. Der Wähler glaube, er sei nur dann „ein guter Bürger und Demokrat“,

Drucksache 17/3100 - 150 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

wenn er wählen gehe, weil ihm dies vor der Wahl „von allen Seiten suggeriert“ werde. Dieser
Druck verfälsche das Wahlergebnis, denn er verleite die Wahlberechtigten dazu, entgegen
ihrem wirklichen Willen zu entscheiden. Damit sei der Grundsatz der freien Wahl gemäß Ar-
tikel 38 GG verletzt und der am 27. September 2009 gewählte Bundestag nicht vom Souverän
legitimiert.

Des Weiteren beanstandet die Einspruchsführerin, dass der Anteil der Sitze der im 17. Deut-
schen Bundestag vertretenen Parteien nicht dem prozentualen Anteil der auf sie entfallenen
Stimmen entspreche. So habe die CDU 27,3 Prozent, die CSU 6,5 Prozent und die FDP 14,6
Prozent, die drei Parteien zusammen mithin 48,4 Prozent der Stimmen erhalten. Es seien aber
der CDU 194, der CSU 45 und der FDP 93 und damit den drei Parteien insgesamt 332 Sitze
zugewiesen worden, was 55,52 Prozent (richtig: 53,38 Prozent) der Sitze entspreche. Die Ein-
spruchsführerin ist der Ansicht, die Sitzverteilung müsse exakt der Verteilung der Zweitstim-
men entsprechen, die „nur lokal relevanten“ Erststimmen für die Direktkandidaten dürften
nicht dem Wählerwillen des gesamten Volkes zugerechnet werden. Nur dadurch sei die „un-
logische Situation“ entstanden, dass statt der „Sollstärke“ von 598 Sitzen 622 Sitze verteilt
worden seien. Damit hätten die die Regierungskoalition bildenden Parteien ein politisches
Gewicht von 55,52 Prozent, obwohl sie nur von 48,4 Prozent der Bürger gewählt worden sei-
en. Das Grundgesetz gehe aber davon aus, dass die Mehrheit entscheide. Auch sei nicht ver-
einbar mit Artikel 20 Absatz 2 GG, nach dem alle Gewalt vom Volke ausgehe, dass es eine
politische Macht von 7,12 Prozent gebe, die nicht durch die Wählerstimmen legitimiert sei,
aber in der konkreten Situation den Ausschlag gebe.
Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Einspruchsführerin wird auf den Inhalt der Akten
Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Der Vortrag der Einspruchsführerin lässt keinen Wahlfehler erkennen.
Die von der Einspruchsführerin vermisste Möglichkeit, auf dem Stimmzettel „Enthaltung“
oder „Nein“ anzukreuzen, ist im geltenden Bundestagswahlrecht nicht vorgesehen. Das Bun-
deswahlgesetz (BWG) und die Bundeswahlordnung (BWO) enthalten keine Vorschrift, die es
dem Wähler ermöglichen würde, sich durch eine entsprechende Kennzeichnung der Stimme
zu enthalten oder mit einer Nein-Stimme gegen einen oder alle Wahlvorschläge zu stimmen.
Nach § 34 Absatz 2 BWG gibt der Wähler seine Erst- und Zweitstimme in der Weise ab, dass
er durch ein auf den Stimmzettel gesetztes Kreuz oder auf andere Weise eindeutig kenntlich
macht, welchem Bewerber bzw. welcher Landesliste sie gelten sollen. Entsprechend sieht

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 151 - Drucksache 17/3100

§ 45 Absatz 1 BWO in Verbindung mit Anlage 26 zur BWO vor, dass der Stimmzettel (nur)
Felder für die Kennzeichnung der aufgeführten Wahlkreisbewerber und Landeslisten enthält.
Anders als die Einspruchsführerin offenbar meint, ist es durchaus möglich – und vom Grund-
satz der Wahlfreiheit umfasst –, keinem der Wahlvorschläge seine Stimme zu geben. Wenn
der Stimmzettel keine Kennzeichnung enthält, sind allerdings beide Stimmen gemäß § 39
Absatz 1 Nummer 2 in Verbindung mit § 39 Absatz 1 Satz 2 BWG als ungültig zu werten.
Enthält der Stimmzettel nur eine Stimmabgabe, so ist nach § 39 Absatz 1 Satz 4 BWG die
nicht abgegebene Stimme ungültig. Der Gesetzgeber hat sich damit dafür entschieden, dass
sich der Wähler lediglich durch eine Nichtteilnahme an der Wahl der Stimme enthalten kann.
Sobald er sich an der Wahl beteiligt, unterscheidet das Bundeswahlgesetz nur noch zwischen
gültigen und ungültigen Stimmen (vgl. Bundestagsdrucksachen 14/1560, Anlage 76; 15/1150,
Anlage 39; Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 39 Rn. 18), wobei eine
ungültige Stimme dieselbe Wirkung entfaltet wie eine Stimmenthaltung.

Soweit die Einspruchsführerin in der - den Vorgaben des Bundeswahlgesetzes und der Bun-
deswahlordnung entsprechenden - Gestaltung der Stimmzettel einen Verstoß gegen den ver-
fassungsrechtlichen Grundsatz der freien Wahl gemäß Artikel 38 Absatz 1 GG sieht, ist zu-
nächst darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in
ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit von
Wahlrechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfas-
sungsgericht vorbehalten worden (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26
bis 28; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24). Un-
abhängig davon bestehen aus Sicht des Wahlprüfungsausschusses keine Zweifel an der Ver-
fassungsmäßigkeit der genannten Regelungen des Bundeswahlgesetzes. Zwar umfasst der
Grundsatz der Freiheit der Wahl auch die Freiheit der Stimmabgabe (Schreiber, Kommentar
zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 1 Rn. 24). Danach steht es dem Wahlbürger frei, beide Stim-
men, nur eine oder auch keine Stimme abzugeben, ein Stimmensplitting vorzunehmen oder
die Erst- und/oder Zweitwahl bewusst ungültig vorzunehmen (Schreiber, a. a. O.). Ein An-
spruch auf die Einräumung der Möglichkeit zur Abgabe einer Nein-Stimme oder einer
Stimmenthaltung auf dem Stimmzettel lässt sich hieraus aber nicht ableiten. Ergänzend sei
darauf hingewiesen, dass dies auch sinnwidrig wäre. Denn der Zweck der angefochtenen
Wahl war, die Abgeordneten des 17. Deutschen Bundestages zu bestimmen. Dies ist nur mög-
lich, wenn die Wähler positiv entscheiden, welche der aufgestellten Bewerber in den Bundes-
tag einziehen sollen. Stimmenthaltungen und Nein-Stimmen könnten eine solche Entschei-
dung jedoch nicht herbeiführen (vgl. Bundestagsdrucksache 14/1560, Anlage 100).

Der Vorwurf der Einspruchsführerin, durch die Gestaltung des Stimmzettels seien die Wähler
genötigt worden, ihre Stimmen entgegen ihrem wahren Willen abzugeben, ist angesichts der
im Rahmen der Wahlfreiheit eröffneten, oben dargestellten Handlungsoptionen bei der
Stimmabgabe unbegründet. Der Grundsatz der geheimen Wahl, der den wichtigsten instituti-

Drucksache 17/3100 - 152 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

onellen Schutz der Wahlfreiheit darstellt (BVerfGE 99, 1, 13; Schreiber, Kommentar zum
BWG, 8. Auflage, 2009, § 1 Rn. 19), und dessen Verletzung die Einspruchsführerin nicht
behauptet hat, stellt vielmehr sicher, dass jeder Wähler sein Wahlrecht frei von jeder unzuläs-
sigen Einflussnahme auf seine Entschließungsfreiheit ausüben kann. Soweit die Einspruchs-
führerin über die Gestaltung des Stimmzettels hinaus die Ausübung eines die Wahlfreiheit
beschränkenden Drucks im Vorfeld der Wahl behauptet, fehlt es an jedem konkreten Tatsa-
chenvortrag, der dies belegen könnte.

Auch soweit die Einspruchsführerin die Verteilung der Sitze im 17. Deutschen Bundestag
rügt, liegt kein Verstoß gegen wahlrechtliche Vorschriften vor. Ihre Forderung, die Zusam-
mensetzung des 17. Deutschen Bundestages müsse exakt das Ergebnis der abgegeben Zweit-
stimmen widerspiegeln, und zugleich dürfe die Zahl der Abgeordneten die in § 1 Absatz 1
BWG vorgesehene Größe von 598 Abgeordneten nicht überschreiten, entspricht nicht den
Vorgaben des geltenden Bundestagswahlrechts. Dieses sieht eine allgemeine, unmittelbare,
freie, gleiche und geheime Wahl nach den Grundsätzen einer mit der Personenwahl verbun-
denen Verhältniswahl vor, § 1 Absatz 1 Satz 2 BWG. Von den 598 Abgeordneten, aus denen
der Deutsche Bundestag vorbehaltlich der sich aus dem Gesetz ergebenden Abweichungen
besteht, werden 299 nach Kreiswahlvorschlägen in den Wahlkreisen und die Übrigen nach
Landeswahlvorschlägen (Landeslisten) gewählt, § 1 Absatz 2 BWG. Dafür hat gemäß § 4
BWG jeder Wähler zwei Stimmen, eine Erststimme für die Wahl eines Wahlkreisabgeordne-
ten und eine Zweitstimme für die Wahl einer Landesliste. Die Einspruchsführerin ist daher
darauf hinzuweisen, dass sie irrt, wenn sie den abgegebenen Erststimmen „nur lokale Rele-
vanz“ zuspricht, denn in jedem Wahlkreis wird gemäß § 5 Satz 1 BWG ein Abgeordneter
gewählt, der gemäß Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 GG Vertreter des ganzen Volkes ist.
Die von der Einspruchsführerin kritisierte Differenz zwischen dem Zweitstimmenanteil der
Parteien und der Sitzverteilung im 17. Deutschen Bundestag sowie die Abweichung von der
in § 1 Absatz 1 Satz 1 BWG festgelegten Anzahl von 598 Abgeordneten beruhen auf der -
zutreffenden - Anwendung des Bundeswahlgesetzes. Beides folgt zum einen aus dem Entste-
hen von 24 sogenannten Überhangmandaten. Hierbei handelt es sich um Sitze, die eine Partei
in den Wahlkreisen errungen hat und die ihr gemäß § 6 Absatz 5 Satz 1 BWG auch dann ver-
bleiben, wenn sie die nach dem Ergebnis der für die Landeslisten abgegebenen Zweitstimmen
ermittelte Mandatszahl übersteigen. In einem solchen Fall sieht das Gesetz ausdrücklich eine
Erhöhung der Gesamtzahl der Sitze im Deutschen Bundestag um die Unterschiedszahl ohne
weiteren Ausgleich vor, § 6 Absatz 5 Satz 2 BWG. Diese Regelung hat das Bundesverfas-
sungsgericht in seinem Urteil vom 10. April 1997 (BVerfGE 95, 335 ff.) grundsätzlich für
verfassungsgemäß erachtet. Im Rahmen der ihm vom Bundesverfassungsgericht aus einem
anderen Grund aufgegebenen Änderung des Bundeswahlgesetzes bis zum 30. Juni 2011 (Ur-
teil vom 3. Juli 2008, BVerfGE 121, 266 ff.) wird der Gesetzgeber über die Berechnung der
Sitzzuteilung bei künftigen Wahlen neu entscheiden. In dem genannten Urteil hat das Bun-
desverfassungsgericht ausdrücklich klargestellt, dass eine Verteilung der Sitze im 17. Deut-

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 153 - Drucksache 17/3100

schen Bundestag nach den bestehenden gesetzlichen Regelungen zulässig ist (BVerfGE 121,
266, 315 f.).
Zum anderen können sich schon deshalb nicht sämtliche abgegebenen Zweitstimmen in Sit-
zen im 17. Deutschen Bundestag abbilden, weil nicht alle mit Landeslisten zur Wahl angetre-
tenen Parteien das in § 6 Absatz 6 Satz 1 BWG vorgesehene Quorum von mindestens fünf
Prozent der Zweitstimmen oder drei Direktmandaten erreicht haben. Die Verfassungsmäßig-
keit dieser Regelung wird vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung bestä-
tigt (vgl. zuletzt BVerfGE 122, 304, 314 f. mit weiteren Nachweisen; s. auch Bundestags-
drucksache 16/900, Anlage 14).

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 155 - Drucksache 17/3100

Anlage 30

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

der Vereinigung …, 02965 Hoyerswerda
vertreten durch Herrn W. S., 02977 Hoyerswerda

- Az.: WP 116/09 -

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 30. September 2010 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 22. November 2009, das beim Wahlprüfungsausschuss am 24. November
2009 eingegangen ist, hat die Einspruchsführerin, vertreten durch ihren stellvertretenden
Bundesvorsitzenden und Generalsekretär, Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum
17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 eingelegt.

Die Einspruchsführerin rügt eine Verletzung des Grundsatzes der freien Wahl gemäß Artikel
38 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) dadurch, dass auf dem Stimmzettel nicht mit „Enthal-
tung“ oder „Nein“ gestimmt werden konnte, sowie die Verteilung der Sitze im Deutschen
Bundestag.

Im Wesentlichen trägt die Einspruchsführerin vor, dass die Wahl nicht frei im Sinne von Arti-
kel 38 Absatz 1 GG gewesen sei, weil zu einer freien Wahl auch die Möglichkeit, „Nein“ sa-
gen zu können, gehöre. Dadurch, dass der Stimmzettel kein Kästchen für „Nein“ oder „Ent-
haltung“ vorsehe, werde dies dem Wähler verwehrt. Das Votum für eine Partei oder Person
beinhalte jedoch das Bekenntnis zu dieser Partei oder Person. Dies verstoße gegen das
Grundgesetz, das es verbiete, jemanden zu einem Bekenntnis zu nötigen. Die Einspruchsfüh-
rerin meint, durch die Gestaltung des Stimmzettels sei dem Wähler suggeriert worden, dass er
sich für einen der Vorschläge entscheiden müsse. Das Ergebnis einer derartigen Wahl drücke
nicht den freien politischen Willen des Wählers aus, sondern sei unter psychischem Druck

Drucksache 17/3100 - 156 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

zustande gekommen. Der Wähler glaube, er sei nur dann „ein guter Bürger und Demokrat“,
wenn er wählen gehe, weil ihm dies vor der Wahl „von allen Seiten suggeriert“ werde. Dieser
Druck verfälsche das Wahlergebnis, denn er verleite die Wahlberechtigten dazu, entgegen
ihrem wirklichen Willen zu entscheiden. Damit sei der Grundsatz der freien Wahl gemäß Ar-
tikel 38 GG verletzt und der am 27. September 2009 gewählte Bundestag nicht vom Souverän
legitimiert.

Des Weiteren beanstandet die Einspruchsführerin, dass der Anteil der Sitze der im 17. Deut-
schen Bundestag vertretenen Parteien nicht dem prozentualen Anteil der auf sie entfallenen
Stimmen entspreche. So habe die CDU 27,3 Prozent, die CSU 6,5 Prozent und die FDP 14,6
Prozent, die drei Parteien zusammen mithin 48,4 Prozent der Stimmen erhalten. Es seien aber
der CDU 194, der CSU 45 und der FDP 93 und damit den drei Parteien insgesamt 332 Sitze
zugewiesen worden, was 55,52 Prozent (richtig: 53,38 Prozent) der Sitze entspreche. Die Ein-
spruchsführerin ist der Ansicht, die Sitzverteilung müsse der Verteilung der Zweitstimmen
entsprechen, die „nur lokal relevanten“ Erststimmen für die Direktkandidaten dürften nicht
dem Wählerwillen des gesamten Volkes zugerechnet werden. Nur dadurch sei die „unlogische
Situation“ entstanden, dass statt der „Sollstärke“ von 598 Sitzen 622 Sitze verteilt worden
seien. Damit hätten die die Regierungskoalition bildenden Parteien ein politisches Gewicht
von 55,52 Prozent, obwohl sie nur von 48,4 Prozent der Bürger gewählt worden seien. Das
Grundgesetz gehe aber davon aus, dass die Mehrheit entscheide. Auch sei nicht vereinbar mit
Artikel 20 Absatz 2 GG, nach dem alle Gewalt vom Volke ausgehe, dass es eine politische
Macht von 7,12 Prozent gebe, die nicht durch die Wählerstimmen legitimiert sei, aber in der
konkreten Situation den Ausschlag gebe.

Die Einspruchsführerin vertritt schließlich die Auffassung, das Wahlrecht der ehemaligen
DDR sei demokratischer und freier als das der Bundesrepublik Deutschland gewesen, weil die
Möglichkeit bestanden habe, durch Streichung eines oder mehrerer Kandidaten der Einheits-
liste gegen diese zu stimmen, und fordert ein neues Wahlrecht, das Gegenstimmen zulässt, da
nur so die Wahlbeteiligung erhöht werden könne.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Einspruchsführerin wird auf den Inhalt der Akten
Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Der Vortrag der Einspruchsführerin lässt keinen Wahlfehler erkennen.

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 157 - Drucksache 17/3100

Die von der Einspruchsführerin vermisste Möglichkeit, auf dem Stimmzettel „Enthaltung“
oder „Nein“ anzukreuzen, ist im geltenden Bundestagswahlrecht nicht vorgesehen. Das Bun-
deswahlgesetz (BWG) und die Bundeswahlordnung (BWO) enthalten keine Vorschrift, die es
dem Wähler ermöglichen würde, sich durch eine entsprechende Kennzeichnung der Stimme
zu enthalten oder mit einer Nein-Stimme gegen einen oder alle Wahlvorschläge zu stimmen.
Nach § 34 Absatz 2 BWG gibt der Wähler seine Erst- und Zweitstimme in der Weise ab, dass
er durch ein auf den Stimmzettel gesetztes Kreuz oder auf andere Weise eindeutig kenntlich
macht, welchem Bewerber bzw. welcher Landesliste sie gelten sollen. Entsprechend sieht
§ 45 Absatz 1 BWO in Verbindung mit Anlage 26 zur BWO vor, dass der Stimmzettel (nur)
Felder für die Kennzeichnung der aufgeführten Wahlkreisbewerber und Landeslisten enthält.
Anders als die Einspruchsführerin offenbar meint, ist es durchaus möglich – und vom Grund-
satz der Wahlfreiheit umfasst –, keinem der Wahlvorschläge seine Stimme zu geben. Wenn
der Stimmzettel keine Kennzeichnung enthält, sind allerdings beide Stimmen gemäß § 39
Absatz 1 Nummer 2 in Verbindung mit § 39 Absatz 1 Satz 2 BWG als ungültig zu werten.
Enthält der Stimmzettel nur eine Stimmabgabe, so ist nach § 39 Absatz 1 Satz 4 BWG die
nicht abgegebene Stimme ungültig. Der Gesetzgeber hat sich damit dafür entschieden, dass
sich der Wähler lediglich durch eine Nichtteilnahme an der Wahl der Stimme enthalten kann.
Sobald er sich an der Wahl beteiligt, unterscheidet das Bundeswahlgesetz nur noch zwischen
gültigen und ungültigen Stimmen (vgl. Bundestagsdrucksachen 14/1560, Anlage 76; 15/1150,
Anlage 39; Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 39 Rn. 18), wobei eine
ungültige Stimme dieselbe Wirkung entfaltet wie eine Stimmenthaltung.

Soweit die Einspruchsführerin in der - den Vorgaben des Bundeswahlgesetzes und der Bun-
deswahlordnung entsprechenden - Gestaltung der Stimmzettel einen Verstoß gegen den ver-
fassungsrechtlichen Grundsatz der freien Wahl gemäß Artikel 38 Absatz 1 GG sieht, ist zu-
nächst darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in
ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit von
Wahlrechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfas-
sungsgericht vorbehalten worden (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26
bis 28; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24). Un-
abhängig davon bestehen aus Sicht des Wahlprüfungsausschusses keine Zweifel an der Ver-
fassungsmäßigkeit der genannten Regelungen des Bundeswahlgesetzes. Zwar umfasst der
Grundsatz der Freiheit der Wahl auch die Freiheit der Stimmabgabe (Schreiber, Kommentar
zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 1 Rn. 24). Danach steht es dem Wahlbürger frei, beide Stim-
men, nur eine oder auch keine Stimme abzugeben, ein Stimmensplitting vorzunehmen oder
die Erst- und/oder Zweitwahl bewusst ungültig vorzunehmen (Schreiber, a. a. O.). Ein An-
spruch auf die Einräumung der Möglichkeit zur Abgabe einer Nein-Stimme oder einer
Stimmenthaltung auf dem Stimmzettel lässt sich hieraus aber nicht ableiten. Ergänzend sei
darauf hingewiesen, dass dies auch sinnwidrig wäre. Denn der Zweck der angefochtenen
Wahl war, die Abgeordneten des 17. Deutschen Bundestages zu bestimmen. Dies ist nur mög-

Drucksache 17/3100 - 158 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

lich, wenn die Wähler positiv entscheiden, welche der aufgestellten Bewerber in den Bundes-
tag einziehen sollen. Stimmenthaltungen und Nein-Stimmen könnten eine solche Entschei-
dung jedoch nicht herbeiführen (vgl. Bundestagsdrucksache 14/1560, Anlage 100).

Der Vorwurf der Einspruchsführerin, durch die Gestaltung des Stimmzettels seien die Wähler
genötigt worden, ihre Stimmen entgegen ihrem wahren Willen abzugeben, ist angesichts der
im Rahmen der Wahlfreiheit eröffneten, oben dargestellten Handlungsoptionen bei der
Stimmabgabe unbegründet. Der Grundsatz der geheimen Wahl, der den wichtigsten instituti-
onellen Schutz der Wahlfreiheit darstellt (BVerfGE 99, 1, 13; Schreiber, Kommentar zum
BWG, 8. Auflage, 2009, § 1 Rn. 19), und dessen Verletzung die Einspruchsführerin nicht
behauptet hat, stellt vielmehr sicher, dass jeder Wähler sein Wahlrecht frei von jeder unzuläs-
sigen Einflussnahme auf seine Entschließungsfreiheit ausüben kann. Soweit die Einspruchs-
führerin über die Gestaltung des Stimmzettels hinaus die Ausübung eines die Wahlfreiheit
beschränkenden Drucks im Vorfeld der Wahl behauptet, fehlt es an jedem konkreten Tatsa-
chenvortrag, der dies belegen könnte.

Auch soweit die Einspruchsführerin die Verteilung der Sitze im 17. Deutschen Bundestag
rügt, liegt kein Verstoß gegen wahlrechtliche Vorschriften vor. Ihre Forderung, die Zusam-
mensetzung des 17. Deutschen Bundestages müsse exakt das Ergebnis der abgegeben Zweit-
stimmen widerspiegeln, und zugleich dürfe die Zahl der Abgeordneten die in § 1 Absatz 1
BWG vorgesehene Größe von 598 Abgeordneten nicht überschreiten, entspricht nicht den
Vorgaben des geltenden Bundestagswahlrechts. Dieses sieht eine allgemeine, unmittelbare,
freie, gleiche und geheime Wahl nach den Grundsätzen einer mit der Personenwahl verbun-
denen Verhältniswahl vor, § 1 Absatz 1 Satz 2 BWG. Von den 598 Abgeordneten, aus denen
der Deutsche Bundestag vorbehaltlich der sich aus dem Gesetz ergebenden Abweichungen
besteht, werden 299 nach Kreiswahlvorschlägen in den Wahlkreisen und die Übrigen nach
Landeswahlvorschlägen (Landeslisten) gewählt, § 1 Absatz 2 BWG. Dafür hat gemäß § 4
BWG jeder Wähler zwei Stimmen, eine Erststimme für die Wahl eines Wahlkreisabgeordne-
ten und eine Zweitstimme für die Wahl einer Landesliste. Die Einspruchsführerin ist daher
darauf hinzuweisen, dass sie irrt, wenn sie den abgegebenen Erststimmen „nur lokale Rele-
vanz“ zuspricht, denn in jedem Wahlkreis wird gemäß § 5 Satz 1 BWG ein Abgeordneter
gewählt, der gemäß Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 GG Vertreter des ganzen Volkes ist.
Die von der Einspruchsführerin kritisierte Differenz zwischen dem Zweitstimmenanteil der
Parteien und der Sitzverteilung im 17. Deutschen Bundestag sowie die Abweichung von der
in § 1 Absatz 1 Satz 1 BWG festgelegten Anzahl von 598 Abgeordneten beruhen auf der -
zutreffenden - Anwendung des Bundeswahlgesetzes. Beides folgt zum einen aus dem Entste-
hen von 24 sogenannten Überhangmandaten. Hierbei handelt es sich um Sitze, die eine Partei
in den Wahlkreisen errungen hat und die ihr gemäß § 6 Absatz 5 Satz 1 BWG auch dann ver-
bleiben, wenn sie die nach dem Ergebnis der für die Landeslisten abgegebenen Zweitstimmen
ermittelte Mandatszahl übersteigen. In einem solchen Fall sieht das Gesetz ausdrücklich eine

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 159 - Drucksache 17/3100

Erhöhung der Gesamtzahl der Sitze im Deutschen Bundestag um die Unterschiedszahl vor,
§ 6 Absatz 5 Satz 2 BWG. Diese Regelung hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil
vom 10. April 1997 (BVerfGE 95, 335 ff.) grundsätzlich für verfassungsgemäß erachtet. Im
Rahmen der ihm vom Bundesverfassungsgericht aus einem anderen Grund aufgegebenen Än-
derung des Bundeswahlgesetzes bis zum 30. Juni 2011 (Urteil vom 3. Juli 2008, BVerfGE
121, 266 ff.) wird der Gesetzgeber über die Berechnung der Sitzzuteilung bei künftigen Wah-
len neu entscheiden. In dem genannten Urteil hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich
klargestellt, dass eine Verteilung der Sitze im 17. Deutschen Bundestag nach den bestehenden
gesetzlichen Regelungen zulässig ist (BVerfGE 121, 266, 315 f.).
Zum anderen können sich schon deshalb nicht sämtliche abgegebenen Zweitstimmen in Sit-
zen im 17. Deutschen Bundestag abbilden, weil nicht alle mit Landeslisten zur Wahl angetre-
tenen Parteien das in § 6 Absatz 6 Satz 1 BWG vorgesehene Quorum von mindestens fünf
Prozent der Zweitstimmen oder drei Direktmandaten erreicht haben. Die Verfassungsmäßig-
keit dieser Regelung wird vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung bestä-
tigt (vgl. zuletzt BVerfGE 122, 304, 314 f. mit weiteren Nachweisen; s. auch Bundestags-
drucksache 16/900, Anlage 14).

Abgesehen davon, dass der Wahlprüfungsausschuss die Bewertung der Einspruchsführerin,
dass das Wahlrecht der DDR demokratischer und freier gewesen sei als das der Bundesrepub-
lik Deutschland, für abwegig hält, ist der Frage, ob und in welcher Weise das geltende Wahl-
recht zu ändern sei, nicht im Rahmen der Wahlprüfung nachzugehen, die allein auf die Fest-
stellung von Wahlfehlern und deren Relevanz für die Verteilung der Mandate beschränkt ist
(Bundestagsdrucksache 17/2200, Anlage 13).

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 161 - Drucksache 17/3100

Anlage 31

Beschlussempfehlung

Zu dem Wahleinspruch

1. der Partei FREIE UNION, vertreten durch die Bundesvorsitzende,
Frau Dr. G. P.,90513 Zirndorf

2. der Partei FREIE UNION Landesverband Bayern, vertreten durch den Landesvorsitzenden,
Herrn O. S., 92428 Neunburg v. W.
3. der Frau Dr. G. P., 90513 Zirndorf

- Az.: WP 117/09 -

Verfahrensbevollmächtigter:
Rechtsanwalt O. S., 92428 Neunburg v. W.

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 30. September 2010 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem per Telefax an den Deutschen Bundestag gerichteten Schreiben vom 24. November
2009, das beim Wahlprüfungsausschuss am selben Tag eingegangen ist, haben die Ein-
spruchsführer gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag am 27. September
2009 Einspruch eingelegt. Sie beanstanden die Nichtzulassung der Landesliste Bayern der
FREIEN UNION bei der Bundestagswahl 2009.

Sie machen geltend, dass der Partei FREIE UNION mit der Landesliste Bayern die Teilnahme
an der Wahl zum 17. Deutschen Bundestags versagt worden sei, obgleich sämtliche Voraus-
setzungen in formeller und materieller Hinsicht erfüllt gewesen seien. Die Durchführung der
Wahl zum 17. Deutschen Bundestag sei daher unter Verletzung des Demokratiegrundsatzes
des Artikel 20 Absatz 1 und Absatz 2 des Grundgesetzes (GG), des Gewährleistungsrechts der
Partei, an der modernen Demokratie mitzuwirken, gemäß Artikel 21 GG, der formalen Wahl-
rechts- und Chancengleichheit der Parteien sowie der Verletzung des Grundsatzes der Offen-

Drucksache 17/3100 - 162 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

heit der Wahl, abgeleitet aus Artikel 38 Absatz 1 GG in Verbindung mit Artikel 21 Absatz 1
GG, Artikel 3 Absatz 1 GG, durchgeführt worden.

Die Einspruchsführer tragen vor, dass die Partei FREIE UNION in der ersten Sitzung des
Bundeswahlausschusses zur Wahl des 17. Deutschen Bundestages am 17. Juli 2009 als Partei
gemäß § 18 Absatz 4 Nummer 2 des Bundeswahlgesetzes (BWG) anerkannt worden sei. Am
23. Juli 2009 um 17.55 Uhr - fünf Minuten vor Ablauf der Einreichungsfrist - sei die Landes-
liste der Partei für Bayern von mehreren Mitgliedern der Partei und des Landesvorstandes im
Büro des Landeswahlleiters übergeben worden. Sämtliche weitere Unterlagen, wie die ausrei-
chende Anzahl von Unterstützungsunterschriften und Wählbarkeitsbescheinigungen sowie
eidesstattliche Versicherungen der Bewerber, seien beigefügt gewesen. Nach kurzer Durch-
sicht der Unterlagen habe der stellvertretende Landeswahlleiter festgestellt, dass die Nieder-
schrift gemäß Anlage 23 zur Bundeswahlordnung (BWO) zwar vom Schriftführer, nicht je-
doch von der Leiterin der Versammlung, Frau Dr. P., unterzeichnet gewesen sei. Die anwe-
senden Parteivertreter seien auf diesen Mangel hingewiesen worden. Daraufhin habe die
3. stellvertretende Landesvorsitzende, Frau R., telefonisch mit Frau Dr. P. Kontakt aufge-
nommen und den Sachverhalt erörtert. Gemäß dem in diesem Telefonat erteilten Auftrag von
Frau Dr. P. habe der Landesvorsitzende, Herr Rechtsanwalt S., die Niederschrift in ihrem
Auftrag unterzeichnet. Im Anschluss daran habe Frau R. nochmals mit Frau Dr. P. gesprochen
und sich telefonisch ermächtigen lassen, die Niederschrift mit dem Namen von Frau Dr. P. zu
unterzeichnen. Sie habe die Niederschrift entsprechend an der für den Leiter der Versamm-
lung vorgesehenen Stelle mit Dr. G. P. unterzeichnet. Auch habe Frau Dr. P. gegenüber dem
stellvertretenden Landeswahlleiter telefonisch die Richtigkeit der Dokuments bestätigt. Der
stellvertretende Landeswahlleiter habe darauf hingewiesen, dass weder die telefonische Aner-
kennung des Dokuments noch die Unterschrift durch einen Vertreter die Anforderungen des
Wahlrechts erfülle, sondern die Unterschrift im Original bis Fristablauf vorliegen müsse. Am
29. Juli 2009 sei beim Landeswahlleiter des Freistaates Bayern ein weiteres Exemplar der
Niederschrift gemäß Anlage 23 zur BWO eingegangen, das nunmehr von Frau Dr. P. unter-
zeichnet war. Auf diesem Zweitexemplar der Niederschrift seien jedoch aufgrund eines
Übermittlungsfehlers nur acht Bewerber anstelle der ursprünglich 26 auf der Landesliste er-
sichtlich gewesen.

Der Landeswahlausschuss des Landes Bayern habe die Landesliste der Partei FREIE UNION
in seiner Sitzung am 31. Juli 2009 einstimmig mit der Begründung zurückgewiesen, dass die
Niederschrift über die Mitgliederversammlung sowie der Aufstellung der Bewerber für die
Landesliste nach Anlage 23 zur BWO nur vom Schriftführer, nicht aber von der Leiterin der
Versammlung unterzeichnet gewesen sei und eine nachträgliche Heilung diese Formmangels
nicht möglich gewesen sei. Gegen diese Entscheidung sei Beschwerde beim Landeswahlleiter
des Freistaates Bayern sowie beim Bundeswahlleiter eingelegt worden. In der 2. Sitzung des

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 163 - Drucksache 17/3100

Bundeswahlausschusses vom 6. August 2009 sei die Beschwerde mit vier gegen vier Stim-
men durch Mehrgewichtung der Stimme des Bundeswahlleiters zurückgewiesen worden.

Zur Begründung ihres Einspruchs führen die Einspruchsführer insbesondere aus, dass die Ent-
scheidungen durch den Landes- und den Bundeswahlausschuss unter Verkennung des § 54
Absatz 2 BWG ergangen seien. Hiernach müssten vorgeschriebene Erklärungen persönlich
und handschriftlich unterzeichnet sein und bei der zuständigen Stelle im Original vorliegen.
Nach der irrigen Rechtsansicht des Landes- und des Bundeswahlausschusses stelle die Nie-
derschrift über die Beschlussfassung der Mitglieder- oder Vertreterversammlung, in der die
Bewerber aufgestellt und ihre Reihenfolge auf der Landesliste festgelegt worden seien, eine
derartige Erklärung dar. Hierzu werde sich auf § 39 Absatz 4 Nummer 3 BWO berufen. Diese
Vorschrift habe jedoch lediglich zum Gegenstand, dass die Niederschrift nach dem Muster der
Anlage 23 zur BWO gefertigt werden solle. Mithin handele es sich um eine bloße Soll-
Vorschrift und dies bedeute nur, dass im Regelfall so zu verfahren sei, jedoch in Ausnahme-
fällen anders vorgegangen werden könne. Vorliegend handele es sich um eine solchen Aus-
nahmefall, da keinerlei Zweifel an der materiellen Richtigkeit der Niederschrift vorlägen. Ei-
ne zwingende Formvorschrift könne in der Anlage 23 zur BWO nicht gesehen werden.

Darüber hinaus sei nach dem Wortlaut des § 54 Absatz 2 BWG dieser auf "vorgeschriebene
Erklärungen" beschränkt. Unabhängig davon, dass die Unterzeichnung der Niederschrift auf-
grund der Soll-Vorschrift des § 39 Absatz 4 Nummer 3 BWO nicht zwingend vorgeschrieben
sei, stelle die Unterzeichnung der Niederschrift keine Erklärung im Sinne des § 54 Absatz 2
BWG dar. Die Erklärungen nach dem BWG seien ausdrücklich normiert, etwa in § 23 oder
§ 24 BWG. § 54 Absatz 2 BWG stelle eine Ausnahmevorschrift dar und sei dementsprechend
einschränkend dahingehend auszulegen, dass mit der Formulierung des § 54 Absatz 2 BWG
der besondere Begriff der Erklärung etwa in § 23 BWG gemeint sei. Darüber hinaus sei die
Unterzeichnung einer Niederschrift keine wahlrechtliche Willenserklärung. Es handele es sich
um einen Verlaufsbericht der Versammlung. Eine Willenserklärung bedürfe demgegenüber
der Äußerung eines Rechtsfolgewillens, also die Kundgabe eines Willens, die einen Rechtser-
folg beabsichtige. Dieser sei nicht in der Unterzeichnung einer Niederschrift zu sehen.

Unabhängig davon gelte im deutschen Recht der Grundsatz, dass sich jedermann bei Willens-
erklärungen vertreten lassen könne. Vorliegend sei eine Vertretung durch Herrn Rechtsanwalt
S. und Frau R. als Ermächtigte erfolgt. Die Vertretungsbefugnis sei dem stellvertretenden
Landeswahlleiter auch nachgewiesen worden. Eine derartige Stellvertretung werde für Proto-
kollunterzeichnungen nach dem Vereinsrecht oder dem Parteiengesetz (PartG) nicht ausge-
schlossen.

Ferner sei nach § 21 Absatz 6 BWG lediglich eine Ausfertigung der Niederschrift beizufügen.
Hierfür sei aber keine Ausfertigung im Sinne des Beurkundungsrechts notwendig. Es reiche

Drucksache 17/3100 - 164 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

insoweit eine Abschrift, Fotokopie oder Durchschrift. Danach müssten sich keine Unterschrif-
ten im Original auf der Ausfertigung befinden.

Selbst wenn die Unterschrift erforderlich gewesen wäre, sei jedenfalls eine Heilung des
Formmangels eingetreten. Das Bundeswahlgesetz verlange in § 27 Absatz 5 in Verbindung
mit § 25 Absatz 1 ausdrücklich, dass der Landeswahlleiter bei Mängeln im Wahlantrag sofort
die Vertrauensperson der Partei benachrichtigt und zur Beseitigung der Mängel auffordert.
Doch dies sei ausweislich der zweiten Sitzung des Bundeswahlausschusses vom 6. August
2009 nicht erfolgt. Erst mit Datum vom 28. Juli 2009 habe der Landeswahlleiter dem Ver-
trauensmann, Herrn K., mitgeteilt, dass nach weiterer Prüfung der beim Landeswahlleiter
eingereichten Landesliste der FREIEN UNION bis zum Ablauf der Einreichungsfrist keine
von der Versammlungsleiterin gemäß den gesetzlichen Bestimmungen unterzeichnete Nieder-
schrift über die Versammlung zur Aufstellung der Bewerber (Anlage 23 BWO) vorgelegt
worden sei. Unmittelbar darauf sei die fehlende Unterschrift nachgereicht worden. Mithin
habe der Bundeswahlausschuss seinerseits in dieser Angelegenheit gegen Formvorschriften
verstoßen, sodass es ihnen verwehrt sei, sich gleichfalls darauf zu berufen.

Entscheidend sei, dass es sich bei der Protokollunterschrift selbst bei Vorliegen eines Form-
fehlers um einen heilbaren und auch geheilten Formverstoß handele. § 25 Absatz 2 BWG füh-
re aus, dass nach Ablauf der Einreichungsfrist noch Mängel geheilt werden könnten, wenn ein
an sich gültiger Wahlvorschlag vorliege. Mithin garantiere der Gesetzgeber einen Mängelbe-
seitigungsanspruch über § 25 Absatz 1 BWG. Ein an sich gültiger Wahlvorschlag im Sinne
von § 25 Absatz 2 BWG habe vorgelegen und ein möglicher Formverstoß habe geheilt wer-
den können. Anderenfalls ginge die Vorschrift des § 25 BWG völlig ins Leere. Darüber hin-
aus habe Frau Dr. P. auch handschriftlich die Eidesstattliche Versicherung unterzeichnet und
somit strafbewehrt die Verantwortung für die Richtigkeit der geforderten Angaben des Wahl-
protokolls übernommen.

Durch die ablehnenden Entscheidungen des Landes- und des Bundeswahlausschusses sei es
der Partei verwehrt gewesen, an der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag teilzunehmen. Die
Einspruchsführerin zu 3. sei zudem durch die angegriffenen Entscheidungen an der Ausübung
ihres passiven Wahlrechts in unzulässiger Weise gehindert worden. Dies verstoße gegen Arti-
kel 38 Absatz 2 GG. Der Wahlfehler sei auch mandatserheblich. Die Partei FREIE UNION
habe am Wahlwochenende zum 17. Deutschen Bundestag eine Umfrage über Emnid in Auf-
trag gegeben. Diese sei bei der repräsentativen Umfrage zu dem Ergebnis gekommen, dass die
Partei FREIE UNION bei der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag vier Prozent bundesweit
erzielt hätte. Im Rahmen dieser Umfrage sei zu berücksichtigen, dass die Partei FREIE
UNION sich überwiegend auf Bayern beziehe, was sich schon aus dem Umstand ergebe, dass
etwa die Hälfte aller Mitglieder der Partei aus Bayern stamme. Darüber hinaus genieße Frau
Dr. P. als Spitzenkandidatin der Partei einen erheblichen positiven Bekanntheitsgrad. So sei

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 165 - Drucksache 17/3100

sie unter anderem jahrelang Kandidatin der CSU und Spitzenkandidatin der Freien Wähler in
Bayern gewesen, die bei der letzten Landtagswahl über zehn Prozent Stimmenanteil erreicht
hätten. Das tatsächliche Wahlergebnis für die FREIE UNION in Bayern dürfte deshalb deut-
lich über den bundesweiten Durchschnitt von vier Prozent der Zweitstimmen im Falle einer
Wahlbeteiligung gelegen haben. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass keine Wahlwerbung
durch die Partei aufgrund der Nichtzulassung zur Bundestagswahl stattgefunden habe, die das
Ergebnis deutlich erhöht haben würde. Zudem sei der Effekt einer höheren Wahlbeteiligung
durch die Schaffung einer weiteren Wahlalternative nicht auszuschließen. Insoweit müsse von
einem Mindestprozentsatz der Wählerzweitstimmen von vier Prozent und einem wahrschein-
lichen Wert von 10,4 Prozent ausgegangen werden, der dem Potential der Freien Wähler bei
der letzten Landtagswahl entspreche. Aufgrund der bisherigen Tätigkeit von Frau Dr. P. bei
der CSU und den Freien Wählern sowie der politischen Inhalte liege das Wählerpotential eher
im konservativen Parteienspektrum, sodass Stimmverluste im Falle der Teilnahme bei den
Grünen, Linken und der SPD weniger zu erwarten gewesen wären als im konservativeren
Lager der CSU und FDP. Auch wenn davon ausgegangen werden müsse, dass der Partei
FREIE UNION aufgrund der Fünf-Prozent-Hürde ein Einzug in den Bundestag nicht gelun-
gen wäre, hätte es im Falle ihrer Teilnahme Verschiebungen in der Mandatsverteilung zu
Gunsten von SPD, Grünen und Linken und zu Lasten von FDP und CSU geben können.

Die Einspruchsführer beantragen:

1. Die Wahl zum 17. Deutschen Bundestag vom 27. September 2009 wird im Bundesland
Bayern für ungültig erklärt.

2. Die Wahl wird im Bundesland Bayern gemäß § 44 BWG und § 83 BWO wiederholt mit
der Maßgabe, dass die Landesliste Bayern der Partei FREIE UNION unter Streichung

der Nr. 11 Herrn Dr. S.E.
der Nr. 13 Herrn H.G.
der Nr. 19 Herrn H.T.
der Nr. 21 Herrn B.J.
der Nr. 23 Herrn B.S.
der Nr. 26 Herrn D.P.
zur Teilnahme an der Wiederholungswahl zum 17. Deutschen Bundestag zugelassen wird.

3. Die Wahl ist einheitlich gemäß § 4 BWG mit der Erststimme zur Wahl in den Wahlkrei-
sen gemäß § 5 BWG und mit den Zweitstimmen zur Wahl nach Landeslisten gemäß § 6
BWG zu wiederholen.
Die Wiederholungswahl im Bundesland Bayern findet nach denselben Vorschriften und
denselben Wahlvorschlägen wie bei der Hauptwahl vom 27. September 2009 unter Einbe-
ziehung der Landesliste Bayern der Partei FREIE UNION nach Ziff. 2 und im Übrigen
nach den Bestimmungen des § 44 BWG und § 83 BWO spätestens sechzig Tage nach

Drucksache 17/3100 - 166 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

Rechtskraft der Entscheidung über die Ungültigkeitserklärung der Wahl im Bundesland
Bayern statt.

Zu dem Wahleinspruch hat der Bundeswahlleiter mit Schreiben vom 30. April 2010 im We-
sentlichen wie folgt Stellung genommen:

Nach dem gemäß § 39 Absatz 4 Nummer 3 BWO vorgesehenen Muster der Anlage 23 sei die
Niederschrift über die Beschlussfassung der Mitglieder- und Vertreterversammlung vom Lei-
ter der Versammlung und dem Schriftführer handschriftlich zu unterschreiben. Mit den Unter-
schriften werde die richtige Wiedergabe des Verlaufs der Versammlung mit der Wahl der
Bewerber bezeugt. Eine vom Versammlungsleiter nicht unterschriebene Niederschrift genüge
nicht den Anforderungen des § 54 Absatz 2 BWG. Als wahlrechtliche Willenserklärung müs-
se die Niederschrift über die Bewerberaufstellung persönlich und handschriftlich von den da-
für autorisierten Personen unterzeichnet sein und dem Landeswahlleiter bzw. dem Landes-
wahlausschuss als der zuständigen Stelle vorliegen. Etwas anderes könne auch nicht deshalb
gelten, weil - wie die Einspruchsführer vortragen - der Gesetzgeber die Einreichung einer
Ausfertigung der Niederschrift als ausreichend ansehe, und damit § 21 Absatz 6 BWG bezo-
gen auf den Regelungsteil „im Original" insoweit eine andere Bestimmung im Sinne von § 54
Absatz 2 BWG darstelle. Aufgrund der Anwendbarkeit der Regelung in § 54 Absatz 2 BWG
auf die Niederschrift als wahlrechtliche Willenserklärung sei die Anwendung der Vorschriften
über die Stellvertretung nach §§ 164 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ausgeschlos-
sen, selbst wenn die Zustimmung des Vertretenen vorliege.

Die mit dem Wahlvorschlag einzureichende Niederschrift stelle nicht nur eine Wiedergabe
vom Verlauf der Versammlung dar, sondern habe - gegenüber der eidesstattlichen Erklärung
nach Anlage 24 zur BWO - auch einen eigenständigen Erklärungsinhalt, nämlich die Wieder-
gabe der in der Versammlung gefassten Beschlüsse. Der Erklärungsgehalt der Niederschrift
nach Anlage 23 zur BWO erstrecke sich u. a. auf die Stimmberechtigung der Erschienenen,
auf die Aufstellung der Bewerber in einer bestimmten Reihenfolge durch Wahl und auf die
Frage, ob bei erhobenen Einwänden der eingereichte Wahlvorschlag tatsächlich der Mehrheit
der Delegierten entsprochen habe. Die Aufstellung der Bewerber und die Festlegung ihrer
Reihenfolge sei der entscheidende innerparteiliche Akt für die Aufstellung der Landesliste
und damit eine wesentliche Grundlage für Folgeentscheidungen der Wahlorgane, insbesonde-
re hinsichtlich der Gestaltung der Stimmzettel im Hinblick auf die dort aufgeführten Bewer-
ber und ihre Reihenfolge. Die eingereichte Niederschrift sei für die Wahlorgane der einzige
Nachweis, dass die in der Versammlung aufgestellten Bewerber und die Festlegung ihrer Rei-
henfolge verantwortlich bezeugt werden. Die Vorlage dieses Nachweises solle eigene Aufklä-
rungen und Prüfungen für die Wahlorgane entbehrlich machen. Die Wahlorgane, die die Er-
füllung der gesetzlichen Voraussetzungen zu prüfen hätten, könnten wegen der in der Regel
kurzfristigen Entscheidungen keine näheren Ermittlungen anstellen, ob die Bestimmung der

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 167 - Drucksache 17/3100

Bewerber demokratischen Grundsätzen entsprochen habe. Dies gelte in besonderem Maße bei
Einreichung der Unterlagen unmittelbar vor Fristablauf.

Erst eine formal gültige Niederschrift nach Anlage 23 zur BWO bilde die Grundlage für die
Abgabe der Versicherung an Eides statt, wie § 27 Absatz 5 in Verbindung mit § 21 Absatz 6
Satz 2 BWG („zwei von der Versammlung bestimmte Teilnehmer") zeige. Von der autorisier-
ten Sitzungsniederschrift hänge die Wirksamkeit der eidesstattlichen Versicherung nach An-
lage 24 zur BWO unmittelbar ab. Die Unterzeichnung der Versicherung an Eides statt durch
die Leiterin der Versammlung der Partei FREIE UNION, Frau Dr. P., könne daher die persön-
liche und handschriftliche Unterzeichnung auf der Niederschrift zur BWO nicht ersetzen.
Wegen der fehlenden persönlichen und handschriftlichen Unterschrift der Versammlungslei-
terin auf der eingereichten Niederschrift habe daher zum maßgeblichen Zeitpunkt gemäß § 27
Absatz 5 in Verbindung mit § 25 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3, 3. Alternative BWG kein gülti-
ger Wahlvorschlag vorgelegen, sodass eine nachträgliche Heilung gemäß § 27 Absatz 5 in
Verbindung mit § 25 Absatz 2 Satz 1 BWG durch Nachholen der Unterschrift sechs Tage
später nicht möglich gewesen sei.

Auf eine Pflichtverletzung des Landeswahlleiters des Freistaates Bayern bei der Prüfung der
Landesliste gemäß § 27 Absatz 5 in Verbindung mit § 25 Absatz 1 BWG, etwa im Hinblick
auf einen fehlenden Hinweis mit dem Ziel rechtzeitiger Mängelbeseitigung, könne sich der
Vorschlagsberechtigte nur berufen, wenn durch den Wahlleiter offenkundige Mängel des
Vorschlags nicht gerügt würden. Die Vorprüfung diene dem Zweck, dass (rechtzeitig) einge-
reichte Wahlvorschläge nicht bereits an offenkundigen und behebbaren, insbesondere forma-
len Mängeln scheitern. Die Beanstandungspflicht setze voraus, dass der festgestellte Mangel
noch behebbar sei. Im vorliegenden Fall habe diese Möglichkeit nach Einreichung des Wahl-
vorschlags am 23. Juli 2009 um 17.55 Uhr nur in dem kurzen Zeitraum bis zum Ablauf der
Frist am selben Tag um 18 Uhr bestanden. Nach diesem Zeitpunkt sei eine Aufforderung zur
Nachholung der fehlenden Unterschrift der Versammlungsleiterin schon mangels Heilbarkeit
des Fehlers, der den Bestand des Wahlvorschlags berührt, nicht mehr in Betracht gekommen.

Auch der Hinweis der Einspruchsführer darauf, dass es sich bei § 39 Absatz 4 Nummer 3
BWO lediglich um eine Soll-Vorschrift handele, lasse für den vorliegenden Fall eine andere
rechtliche Bewertung nicht zu. Soll-Vorschriften seien ebenso wie Muss-Vorschriften ver-
bindlich, erlaubten allerdings bei Vorliegen besonderer atypischer, also vom Normalfall un-
gewöhnlich abweichender, Umstände ausnahmsweise ein Abweichen von der gesetzlich an-
geordneten Regelung. Eine atypische Situation, der hier in Abweichung von den wesentlichen
Inhalten des Musters der Anlage 23 zur BWO eine Stellvertretung nach §§ 164 ff. BGB oder
sogar das Fehlen der persönlichen Unterschrift durch die Versammlungsleiterin rechtfertigen
könne, sei im vorliegenden Fall, bei dem die Unterschrift versehentlich nicht geleistet worden
sei, aber nicht erkennbar. Etwas anderes könne auch nicht für den Fall gelten, dass keine

Drucksache 17/3100 - 168 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

ernsthaften Zweifel an der Richtigkeit des Dokuments bestehen, zumal die Prüfung der Rich-
tigkeit des Inhalts der Niederschrift nur vom hierfür autorisierten Versammlungsleiter selbst
vorgenommen werden könne, was im vorliegenden Fall aus Zeitgründen nicht möglich gewe-
sen sei.

Der Ansicht, dass es sich bei der Anlage 23 dem Wortlaut des § 39 Absatz 4 Nummer 3 BWO
nach lediglich um ein Muster handele, sodass die Unterschrift beispielhaft und daher nicht
verbindlich vorgegeben sei, könne nicht gefolgt werden, da dem Verordnungsgeber insbeson-
dere daran gelegen sei, durch die Vorgabe einer Reihe von Mustern als Anlagen zur BWO
den Wahlorganen die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Wahlvorschläge innerhalb kurzer Zeit-
räume und allgemein deren reibungslose Bearbeitung zu erleichtern. Der Informationsgehalt
der Muster sei daher als verbindlich, lediglich ihre Gestaltung als Empfehlung anzusehen.
Diese Auslegung werde auch durch die oben ausgeführte Bedeutung des Aussagegehalts der
persönlichen Unterschrift auf der Anlage 23 bestätigt. Ohne die vorgesehenen persönlichen
Unterschriften hätte das Formblatt für die Wahlorgane nicht die für die Erfüllung ihrer Auf-
gaben nötige Aussagekraft.

Die Stellungnahme ist den Einspruchsführern bekannt gegeben worden. Sie haben sich hierzu
geäußert und insbesondere ihre bestehenden Rechtsauffassungen noch einmal verdeutlicht.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Wahleinspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Die Entscheidung des Bundeswahlausschusses in seiner 2. Sitzung am 6. August 2009, wo-
nach die Beschwerde der Partei FREIE UNION gegen die Entscheidung des Landeswahlaus-
schusses des Freistaates Bayern vom 31. Juli 2009 zurückgewiesen wurde, ist rechtmäßig. Ein
Wahlfehler liegt damit nicht vor. Nach § 27 Absatz 5 in Verbindung mit § 21 Absatz 6 Satz 1
BWG ist bei Einreichung der Landesliste beim Landeswahlleiter innerhalb der Einreichungs-
frist nach § 19 BWG eine Ausfertigung der Niederschrift über die Beschlussfassung der Mit-
glieder- oder Vertreterversammlung, in der die Bewerber aufgestellt und ihre Reihenfolge in
der Liste festgelegt worden sind, beizufügen. Gemäß § 39 Absatz 4 Nummer 3 BWO soll die
Niederschrift nach dem Muster der Anlage 23 zur BWO gefertigt werden. Dieses Muster sieht
die handschriftliche Unterschrift des Leiters der Versammlung vor. Eine solche handschriftli-
che Unterschrift wurde von der Partei FREIE UNION erst am 29. Juli 2009, damit nach Ab-
lauf der Einreichungsfrist, die am 23. Juli 2009, 18 Uhr, endete, vorgelegt. Die Landesliste
der Partei FREIE UNION wurde daher zu Recht vom Landeswahlausschuss des Freistaates
Bayern zurückgewiesen.

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 169 - Drucksache 17/3100

Die hiergegen vorgetragenen Rechtsauffassungen der Einspruchsführer überzeugen nicht.

1. Die Einspruchsführer machen zunächst geltend, dass das Muster der Anlage 23 zur BWO
keine zwingende Formvorschrift darstelle, da es lediglich auf einer Soll-Vorschrift beruhe.
Der Wahlprüfungsausschuss schließt sich dieser Rechtsmeinung nicht an. Wird in einem
Gesetz das Wort „soll“ verwendet, wird für den Regelfall eine Bindung vorgesehen, und
nur aus wichtigem Grund oder in atypischen Fällen kann von der vom Gesetzgeber für
den Normalfall vorgesehenen Regelung abgewichen werden (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs,
Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Auflage, 2008, § 40 Rn. 26, 27 mit weiteren Nachwei-
sen) Solche Gründe müssen sachlich gerechtfertigt sein und im Zusammenhang mit den
Besonderheiten des betreffenden Rechtsbereichs stehen. Bloße vermeidbare Versäumnisse
der Beteiligten reichen dagegen nicht aus. Anderenfalls läge es in deren Belieben, über die
Geltung oder Nichtgeltung von Gesetzen oder Verordnungen zu entscheiden.

Im vorliegenden Fall handelt es sich unbestritten um eine Vorgabe, die ohne Weiteres von
den Betroffenen hätte erfüllt werden können. Es ist von den Einspruchsführern kein un-
abweisbarer Grund vorgetragen worden, wonach die Leiterin der Versammlung an der
persönlichen Unterschrift unter die Niederschrift innerhalb der Einreichungsfrist nach
§ 19 BWG gehindert gewesen sei. Dass die fehlende Unterschrift tatsächlich nicht mehr
innerhalb der verbliebenen fünf Minuten durch die abwesende Versammlungsleiterin beim
Landeswahlleiter hat nachgeholt werden können, ist dabei auch kein ausreichender sachli-
cher Grund, der mit den Besonderheiten des Wahlrechts im Zusammenhang steht. Viel-
mehr ist dies die Folge eines Versäumnisses, das in den Verantwortungsbereich der Partei
FREIE UNION fällt.

Ein sachlicher Grund für eine zulässige Abweichung von der Soll-Vorschrift in § 39 Ab-
satz 4 Nummer 3 BWO kann auch nicht - wie die Einspruchsführer vortragen - in dem
Umstand gesehen werden, dass das Ergebnis der Wahlen bei der Mitgliederversammlung
und die Richtigkeit der Niederschrift unbestritten ist. Wäre diese Ansicht zutreffend, hätte
der Verordnungsgeber eine persönliche Unterschrift des Versammlungsleiters nur für den
Fall offensichtlicher oder behaupteter Unstimmigkeiten oder Zweifel vorschreiben kön-
nen. Dies hat er nicht getan. Vielmehr geht der Verordnungsgeber - worauf der Bundes-
wahlleiter zutreffend hinweist - davon aus, dass erst durch die Unterschrift des Versamm-
lungsleiters die richtige Wiedergabe des Verlaufs der Versammlung bezeugt wird (Schrei-
ber, Kommentar zum BWG, 8. Aufl., 2009, § 21 Rn. 46).

2. Auch durch die Ausgestaltung der rechtlichen Regelung durch die Vorgabe eines Musters
für die Niederschrift nach § 39 Absatz 4 Nummer 3 BWO ist die Rechtsanwendung nicht
dem Belieben der Betroffenen überlassen. Zutreffend weist der Bundeswahlleiter in seiner

Drucksache 17/3100 - 170 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

Stellungnahme darauf hin, dass dadurch allenfalls die äußere Gestaltungsform, nicht aber
die inhaltlichen Vorgaben, wozu auch die Übernahme der Gewähr durch die persönliche
Unterschrift des Versammlungsleiters zählt, flexibel gehandhabt werden können.

3. Der Hinweis der Einspruchsführer, dass nach § 27 Absatz 5 in Verbindung mit § 21 Ab-
satz 6 BWG nur eine „Ausfertigung“ der Niederschrift einzureichen sei und damit keiner-
lei Unterschriften im Original notwendig seien, kann ebensowenig überzeugen. Es gibt
keine allgemeine Regelung, wonach der Gesetzgeber bei der Vorlage von Ausfertigungen
grundsätzlich auf Formvorgaben verzichtet hätte. Dies widerspräche auch der Funktion
von Ausfertigungen, die darin besteht, die Urkunde im Rechtsverkehr zu vertreten (§ 47
Beurkundungsgesetz). Vielmehr ergibt sich aus dem Muster für die Niederschrift der Mit-
glieder- oder Vertreterversammlung nach Anlage 23 zur BWO, worin ausdrücklich die
handschriftliche Unterschrift des Versammlungsleiters aufgeführt ist, dass der Gesetz-
bzw. Verordnungsgeber an dieser Stelle keine Formerleichterung einführen wollte. Er
folgt hier vielmehr dem Grundsatz der Form- und Fristenstrenge des Wahlrechts.

4. Die danach gesetzlich vorgeschriebene Unterschrift der Versammlungsleiterin konnte
entgegen der Rechtsauffassung der Einspruchsführer auch nicht im Wege der Stellvertre-
tung nach den Regelungen der §§ 164 ff. BGB ersetzt werden. Nach § 54 Absatz 2 BWG
müssen wahlrechtlich vorgeschriebene Erklärungen persönlich und handschriftlich unter-
zeichnet sein, soweit im BWG oder der BWO nichts anderes bestimmt ist. In der Geset-
zesbegründung zu § 54 BWG wird noch hervorgehoben, dass es einer „ausdrücklichen“
Regelung hierzu bedarf (Bundestagsdrucksache 16/7461 Seite 21). Eine ausdrückliche
Ausnahme vom Formerfordernis ist weder dem § 39 BWO noch dem Muster für die Nie-
derschrift zu entnehmen. Vielmehr ergibt sich aus dem Zweck des § 54 Absatz 2 BWG,
der der Rechtsklarheit und Einheitlichkeit dienen soll (Bundestagsdrucksache 16/7461,
a. a. O.), dass auf eine persönliche Unterschrift des Versammlungsleiters nicht verzichtet
werden kann, da nur dadurch die notwendige Rechtsklarheit über den Verlauf der Ver-
sammlung sowie über die Verantwortung für die zutreffende Wiedergabe in der Nieder-
schrift erreicht werden kann, ohne den zuständigen Wahlorganen Überprüfungsaufgaben
zuzuordnen, die sie insbesondere in Anbetracht der engen zeitlichen Vorgaben nach dem
Wahlrecht nicht ordnungsgemäß erfüllen könnten.

Soweit die Einspruchsführer der Auffassung sind, bei der Erstellung der Versammlungs-
niederschrift handele es sich überhaupt nicht um eine „vorgeschriebene Erklärung“ im
Sinne des § 54 Absatz 2 BWG, sondern lediglich um eine Niederschrift ohne jeden
Rechtsfolgewillen, kann ihnen der Wahlprüfungsausschuss ebenfalls nicht folgen. Wie
dargelegt, übernimmt der Versammlungsleiter mit seiner Unterschrift die Gewähr dafür,
dass die Versammlung ordnungsgemäß abgelaufen ist und die Niederschrift dies zutref-
fend wiedergibt. Jede andere Auslegung der gesetzlichen Vorschriften würde die Frage

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 171 - Drucksache 17/3100

aufwerfen, wozu dann Sitzungsniederschriften wahlrechtlich vorgeschrieben sind, wenn
sie keine oder nur diffuse rechtliche Wirkung entfalteten.

Der Wahlprüfungsausschuss ist damit zusammen mit dem Bundeswahlleiter sowie der
einschlägigen Kommentierung des Wahlrechts durch Schreiber (Kommentar zum BWG,
8. Aufl., 2009, § 21 Rn. 46) der Auffassung, dass die Niederschrift vom Leiter der Ver-
sammlung gemäß § 54 Absatz 2 BWG persönlich unterschrieben werden muss und die
Möglichkeit einer Stellvertretung damit ausscheidet.

5. Entgegen der Rechtsmeinung der Einspruchsführer konnte der bestehende Formmangel
durch die Nachreichung einer unterschriebenen Niederschrift am 29. Juli 2009 auch nicht
nachträglich geheilt werden. Nach § 27 Absatz 5 in Verbindung mit § 25 Absatz 2 BWG
können nach Ablauf der Einreichungsfrist nur noch Mängel an sich gültiger Wahlvor-
schläge behoben werden. Ein an sich gültiger Wahlvorschlag im Sinne des § 25 Absatz 2
BWG liegt nach Nummer 3 dieser Vorschrift dann nicht vor, wenn die Nachweise nach
§ 21 BWG nicht erbracht sind. Dazu gehört auch der formelle Nachweis der ordnungsge-
mäßen Aufstellung der Wahlkandidaten durch die Vorlage einer Ausfertigung der Nieder-
schrift über die Mitgliederversammlung (vgl. Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Aufl.,
2009, § 25 Rn. 6 Nummer 5). Da die Niederschrift wie oben dargelegt formgebunden ist,
lag im Falle der Partei FREIE UNION kein an sich gültiger Wahlvorschlag vor, dessen
Mängel nach § 25 Absatz 2 BWG hätten geheilt werden können.

Anders als die Einspruchsführer vertritt der Wahlprüfungsausschuss auch nicht die An-
sicht, dass der Gesetzgeber mit § 25 BWG eine umfassende Garantie auf einen Mängelbe-
seitigungsanspruch geben wollte. Im Gegenteil, § 25 Absatz 2 BWG setzt für eine nach-
trägliche Mängelbehebung hohe Hürden. Schon die Gesetzesformulierung „Mängel kön-
nen nur noch ...“ spricht deutlich gegen eine umfassende Mängelbeseitigungsgarantie.
Diese stünde auch im krassen Gegensatz zu der strengen Regelung der Einreichungsfrist
in § 19 BWG, die der Gesetzgeber als Ausschlussfrist ausgestaltet und bei der er über die
Regelung in § 54 Absatz 2 BWG eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausdrück-
lich ausgeschlossen hat (vgl. Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Aufl., 2009, § 19 Rn.
3). Jede großzügige Regelung zur Mängelbeseitigung würde diese feste Fristvorgabe, die
unerlässlich für einen reibungslosen Ablauf von Bundestagswahlen ist, unterlaufen.

6. Auch die nach § 27 Absatz 5 in Verbindung mit § 21 Absatz 6 Satz 2 BWG fristgerecht
abgegebene eidesstattliche Versicherung der Versammlungsleiterin kann die fehlende Un-
terschrift unter die Niederschrift nicht ersetzen. Der Bundeswahlleiter weist zutreffend da-
rauf hin, dass von der autorisierten Sitzungsniederschrift die Wirksamkeit der eidesstattli-
chen Versicherung unmittelbar abhängt. Daraus folgt, dass es sich hierbei um zwei eigen-

Drucksache 17/3100 - 172 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

ständige wahlrechtliche Erklärungen handelt, bei denen die Unterschriften sich nicht ge-
genseitig ersetzen können.

7. Soweit sich die Einspruchsführer darauf berufen, dass der Landeswahlleiter seiner Ver-
pflichtung nach § 27 Absatz 5 in Verbindung mit § 25 Absatz 1 BWG zur sofortigen
Mängelrüge und Unterrichtung der Vertrauensperson nicht nachgekommen sei, so dass es
dem Bundeswahlausschuss verwehrt sei, sich auf die festgestellten formalen Mängel zu
berufen, steht dies in einem gewissen Gegensatz zum eigenen Vortrag der Einspruchsfüh-
rer. Danach habe der stellvertretende Landeswahlleiter unmittelbar bei Übergabe der Nie-
derschrift auf die fehlende Unterschrift der Sitzungsleiterin hingewiesen. Eine Mängelbe-
seitigung noch innerhalb der Einreichungsfrist, wie sie in § 25 Absatz 1 BWG vorausge-
setzt wird, war nach eigenen Angaben der Einspruchsführer nicht mehr möglich. Da auch
eine spätere Heilung des Mangels, wie oben dargelegt, rechtlich nicht möglich war, ist für
die Annahme einer irgendwie gearteten Pflichtverletzung durch ein Wahlorgan kein
Raum.

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 173 - Drucksache 17/3100

Anlage 32

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

der Frau S. P., 24116 Kiel
- Az.: WP 125/09 -

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 30. September 2010 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 23. November 2009, das am 26. November 2009 beim Deutschen Bundes-
tag eingegangen ist, hat die Einspruchsführerin Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum
17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 eingelegt.

Die Einspruchsführerin rügt eine Verletzung des Grundsatzes der freien Wahl gemäß Artikel
38 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) dadurch, dass auf dem Stimmzettel nicht mit „Enthal-
tung“ oder „Nein“ gestimmt werden konnte, sowie die Verteilung der Sitze im Deutschen
Bundestag.

Im Wesentlichen trägt die Einspruchsführerin vor, dass die Wahl nicht frei im Sinne von Arti-
kel 38 Absatz 1 GG gewesen sei, weil zu einer freien Wahl auch die Möglichkeit, „Nein“ sa-
gen zu können, gehöre. Dadurch, dass der Stimmzettel kein Kästchen für „Nein“ oder „Ent-
haltung“ vorsehe, werde dies dem Wähler verwehrt. Das Votum für eine Partei oder Person
beinhalte jedoch das Bekenntnis zu dieser Partei oder Person. Dies verstoße gegen das
Grundgesetz, das es verbiete, jemanden zu einem Bekenntnis zu nötigen. Die Einspruchsfüh-
rerin meint, durch die Gestaltung des Stimmzettels sei dem Wähler suggeriert worden, dass er
sich für einen der Vorschläge entscheiden müsse. Das Ergebnis einer derartigen Wahl drücke
nicht den freien politischen Willen des Wählers aus, sondern sei unter psychischem Druck
zustande gekommen. Der Wähler glaube, er sei nur dann „ein guter Bürger und Demokrat“,

Drucksache 17/3100 - 174 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

wenn er wählen gehe, weil ihm dies vor der Wahl „von allen Seiten suggeriert“ werde. Dieser
Druck verfälsche das Wahlergebnis, denn er verleite die Wahlberechtigten dazu, entgegen
ihrem wirklichen Willen zu entscheiden. Damit sei der Grundsatz der freien Wahl gemäß Ar-
tikel 38 GG verletzt.
Weiter trägt die Einspruchsführerin vor, dass, wenn man unterstelle, dass ein Nicht- oder
Ungültigwählen einem „Nein“ zu den Parteien entspreche, etwa 28 Prozent der Wahlberech-
tigten bei der Auszählung der Wählerstimmen im Ergebnis unberücksichtigt geblieben seien,
was gegen das Verbot, jemanden wegen seiner politischen Anschauungen zu benachteiligen,
gemäß Artikel 3 Absatz 3 GG verstoße. Der am 27. September 2009 gewählte Bundestag sei
daher nicht vom Souverän legitimiert.

Des Weiteren beanstandet die Einspruchsführerin, dass der Anteil der Sitze der im 17. Deut-
schen Bundestag vertretenen Parteien nicht dem prozentualen Anteil der auf sie entfallenen
Stimmen entspreche. So habe die CDU 27,3 Prozent, die CSU 6,5 Prozent und die FDP 14,6
Prozent, die drei Parteien zusammen mithin 48,4 Prozent der Stimmen erhalten. Es seien aber
der CDU 194, der CSU 45 und der FDP 93 und damit den drei Parteien insgesamt 332 Sitze
zugewiesen worden, was 55,52 Prozent (richtig: 53,38 Prozent) der Sitze entspreche. Die Ein-
spruchsführerin ist der Ansicht, die Sitzverteilung müsse exakt der Verteilung der Zweitstim-
men entsprechen, die „nur lokal relevanten“ Erststimmen für die Direktkandidaten dürften
nicht dem Wählerwillen des gesamten Volkes zugerechnet werden. Nur dadurch sei die „un-
logische Situation“ entstanden, dass statt der „Sollstärke“ von 598 Sitzen 622 Sitze verteilt
worden seien. Damit hätten die die Regierungskoalition bildenden Parteien ein politisches
Gewicht von 55,52 Prozent, obwohl sie nur von 48,4 Prozent der Bürger gewählt worden sei-
en. Das Grundgesetz gehe aber davon aus, dass die Mehrheit entscheide. Auch sei nicht ver-
einbar mit Artikel 20 Absatz 2 GG, nach dem alle Gewalt vom Volke ausgehe, dass es eine
politische Macht von 7,12 Prozent gebe, die nicht durch die Wählerstimmen legitimiert sei,
aber in der konkreten Situation den Ausschlag gebe.
Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Einspruchsführerin wird auf den Inhalt der Akten
Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Der Vortrag der Einspruchsführerin lässt keinen Wahlfehler erkennen.
Die von der Einspruchsführerin vermisste Möglichkeit, auf dem Stimmzettel „Enthaltung“
oder „Nein“ anzukreuzen, ist im geltenden Bundestagswahlrecht nicht vorgesehen. Das Bun-
deswahlgesetz (BWG) und die Bundeswahlordnung (BWO) enthalten keine Vorschrift, die es
dem Wähler ermöglichen würde, sich durch eine entsprechende Kennzeichnung der Stimme

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 175 - Drucksache 17/3100

zu enthalten oder mit einer Nein-Stimme gegen einen oder alle Wahlvorschläge zu stimmen.
Nach § 34 Absatz 2 BWG gibt der Wähler seine Erst- und Zweitstimme in der Weise ab, dass
er durch ein auf den Stimmzettel gesetztes Kreuz oder auf andere Weise eindeutig kenntlich
macht, welchem Bewerber bzw. welcher Landesliste sie gelten sollen. Entsprechend sieht
§ 45 Absatz 1 BWO in Verbindung mit Anlage 26 zur BWO vor, dass der Stimmzettel (nur)
Felder für die Kennzeichnung der aufgeführten Wahlkreisbewerber und Landeslisten enthält.
Anders als die Einspruchsführerin offenbar meint, ist es durchaus möglich – und vom Grund-
satz der Wahlfreiheit umfasst –, keinem der Wahlvorschläge seine Stimme zu geben. Wenn
der Stimmzettel keine Kennzeichnung enthält, sind allerdings beide Stimmen gemäß § 39
Absatz 1 Nummer 2 in Verbindung mit § 39 Absatz 1 Satz 2 BWG als ungültig zu werten.
Enthält der Stimmzettel nur eine Stimmabgabe, so ist nach § 39 Absatz 1 Satz 4 BWG die
nicht abgegebene Stimme ungültig. Der Gesetzgeber hat sich damit dafür entschieden, dass
sich der Wähler lediglich durch eine Nichtteilnahme an der Wahl der Stimme enthalten kann.
Sobald er sich an der Wahl beteiligt, unterscheidet das Bundeswahlgesetz nur noch zwischen
gültigen und ungültigen Stimmen (vgl. Bundestagsdrucksachen 14/1560, Anlage 76; 15/1150,
Anlage 39; Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 39 Rn. 18), wobei eine
ungültige Stimme dieselbe Wirkung entfaltet wie eine Stimmenthaltung.

Soweit die Einspruchsführerin in der - den Vorgaben des Bundeswahlgesetzes und der Bun-
deswahlordnung entsprechenden - Gestaltung der Stimmzettel einen Verstoß gegen den ver-
fassungsrechtlichen Grundsatz der freien Wahl gemäß Artikel 38 Absatz 1 GG sieht, ist zu-
nächst darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in
ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit von
Wahlrechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfas-
sungsgericht vorbehalten worden (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26
bis 28; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24). Un-
abhängig davon bestehen aus Sicht des Wahlprüfungsausschusses keine Zweifel an der Ver-
fassungsmäßigkeit der genannten Regelungen des Bundeswahlgesetzes. Zwar umfasst der
Grundsatz der Freiheit der Wahl auch die Freiheit der Stimmabgabe (Schreiber, Kommentar
zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 1 Rn. 24). Danach steht es dem Wahlbürger frei, beide Stim-
men, nur eine oder auch keine Stimme abzugeben, ein Stimmensplitting vorzunehmen oder
die Erst- und/oder Zweitwahl bewusst ungültig vorzunehmen (Schreiber, a. a. O.). Ein An-
spruch auf die Einräumung der Möglichkeit zur Abgabe einer Nein-Stimme oder einer
Stimmenthaltung auf dem Stimmzettel lässt sich hieraus aber nicht ableiten. Ergänzend sei
darauf hingewiesen, dass dies auch sinnwidrig wäre. Denn der Zweck der angefochtenen
Wahl war, die Abgeordneten des 17. Deutschen Bundestages zu bestimmen. Dies ist nur mög-
lich, wenn die Wähler positiv entscheiden, welche der aufgestellten Bewerber in den Bundes-
tag einziehen sollen. Stimmenthaltungen und Nein-Stimmen könnten eine solche Entschei-
dung jedoch nicht herbeiführen (vgl. Bundestagsdrucksache 14/1560, Anlage 100). Anders als
die Einspruchsführerin meint, bleiben zudem weder die Nichtwähler noch die abgegebenen

Drucksache 17/3100 - 176 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

ungültigen Stimmen gänzlich unberücksichtigt. Sowohl die Wahlbeteiligung als auch der An-
teil ungültiger Stimmen werden bei der Feststellung des vorläufigen und des endgültigen
Wahlergebnisses festgehalten (vgl. §§ 76 ff. BWO, insbesondere § 76 Absatz 2 Satz 1 Ziff. 1
bis 4 und § 78 Absatz 2 Satz 1 Ziff. 1 bis 3); dies stößt auch in den Medien auf große Auf-
merksamkeit (vgl. Bundestagsdrucksache 16/1800, Anlage 56).

Der Vorwurf der Einspruchsführerin, durch die Gestaltung des Stimmzettels seien die Wähler
genötigt worden, ihre Stimmen entgegen ihrem wahren Willen abzugeben, ist angesichts der
im Rahmen der Wahlfreiheit eröffneten, oben dargestellten Handlungsoptionen bei der
Stimmabgabe unbegründet. Der Grundsatz der geheimen Wahl, der den wichtigsten instituti-
onellen Schutz der Wahlfreiheit darstellt (BVerfGE 99, 1, 13; Schreiber, Kommentar zum
BWG, 8. Auflage, 2009, § 1 Rn. 19), und dessen Verletzung die Einspruchsführerin nicht
behauptet hat, stellt vielmehr sicher, dass jeder Wähler sein Wahlrecht frei von jeder unzuläs-
sigen Einflussnahme auf seine Entschließungsfreiheit ausüben kann. Soweit die Einspruchs-
führerin über die Gestaltung des Stimmzettels hinaus die Ausübung eines die Wahlfreiheit
beschränkenden Drucks im Vorfeld der Wahl behauptet, fehlt es an jedem konkreten Tatsa-
chenvortrag, der dies belegen könnte.

Auch soweit die Einspruchsführerin die Verteilung der Sitze im 17. Deutschen Bundestag
rügt, liegt kein Verstoß gegen wahlrechtliche Vorschriften vor. Ihre Forderung, die Zusam-
mensetzung des 17. Deutschen Bundestages müsse exakt das Ergebnis der abgegeben Zweit-
stimmen widerspiegeln, und zugleich dürfe die Zahl der Abgeordneten die in § 1 Absatz 1
BWG vorgesehene Größe von 598 Abgeordneten nicht überschreiten, entspricht nicht den
Vorgaben des geltenden Bundestagswahlrechts. Dieses sieht eine allgemeine, unmittelbare,
freie, gleiche und geheime Wahl nach den Grundsätzen einer mit der Personenwahl verbun-
denen Verhältniswahl vor, § 1 Absatz 1 Satz 2 BWG. Von den 598 Abgeordneten, aus denen
der Deutsche Bundestag vorbehaltlich der sich aus dem Gesetz ergebenden Abweichungen
besteht, werden 299 nach Kreiswahlvorschlägen in den Wahlkreisen und die Übrigen nach
Landeswahlvorschlägen (Landeslisten) gewählt, § 1 Absatz 2 BWG. Dafür hat gemäß § 4
BWG jeder Wähler zwei Stimmen, eine Erststimme für die Wahl eines Wahlkreisabgeordne-
ten und eine Zweitstimme für die Wahl einer Landesliste. Die Einspruchsführerin ist daher
darauf hinzuweisen, dass sie irrt, wenn sie den abgegebenen Erststimmen „nur lokale Rele-
vanz“ zuspricht, denn in jedem Wahlkreis wird gemäß § 5 Satz 1 BWG ein Abgeordneter
gewählt, der gemäß Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 GG Vertreter des ganzen Volkes ist.
Die von der Einspruchsführerin kritisierte Differenz zwischen dem Zweitstimmenanteil der
Parteien und der Sitzverteilung im 17. Deutschen Bundestag sowie die Abweichung von der
in § 1 Absatz 1 Satz 1 BWG festgelegten Anzahl von 598 Abgeordneten beruhen auf der -
zutreffenden - Anwendung des Bundeswahlgesetzes. Beides folgt zum einen aus dem Entste-
hen von 24 sogenannten Überhangmandaten. Hierbei handelt es sich um Sitze, die eine Partei
in den Wahlkreisen errungen hat und die ihr gemäß § 6 Absatz 5 Satz 1 BWG auch dann ver-

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 177 - Drucksache 17/3100

bleiben, wenn sie die nach dem Ergebnis der für die Landeslisten abgegebenen Zweitstimmen
ermittelte Mandatszahl übersteigen. In einem solchen Fall sieht das Gesetz ausdrücklich eine
Erhöhung der Gesamtzahl der Sitze im Deutschen Bundestag um die Unterschiedszahl ohne
weiteren Ausgleich vor, § 6 Absatz 5 Satz 2 BWG. Diese Regelung hat das Bundesverfas-
sungsgericht in seinem Urteil vom 10. April 1997 (BVerfGE 95, 335 ff.) grundsätzlich für
verfassungsgemäß erachtet. Im Rahmen der ihm vom Bundesverfassungsgericht aus einem
anderen Grund aufgegebenen Änderung des Bundeswahlgesetzes bis zum 30. Juni 2011 (Ur-
teil vom 3. Juli 2008, BVerfGE 121, 266 ff.) wird der Gesetzgeber über die Berechnung der
Sitzzuteilung bei künftigen Wahlen neu entscheiden. In dem genannten Urteil hat das Bun-
desverfassungsgericht ausdrücklich klargestellt, dass eine Verteilung der Sitze im 17. Deut-
schen Bundestag nach den bestehenden gesetzlichen Regelungen zulässig ist (BVerfGE 121,
266, 315 f.).
Zum anderen können sich schon deshalb nicht sämtliche abgegebenen Zweitstimmen in Sit-
zen im 17. Deutschen Bundestag abbilden, weil nicht alle mit Landeslisten zur Wahl angetre-
tenen Parteien das in § 6 Absatz 6 Satz 1 BWG vorgesehene Quorum von mindestens fünf
Prozent der Zweitstimmen oder drei Direktmandaten erreicht haben. Die Verfassungsmäßig-
keit dieser Regelung wird vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung bestä-
tigt (vgl. zuletzt BVerfGE 122, 304, 314 f. mit weiteren Nachweisen; s. auch Bundestags-
drucksache 16/900, Anlage 14).

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 179 - Drucksache 17/3100

Anlage 33

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn Dr. D. P., 37083 Göttingen
- Az.: WP 126/09 -

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 30. September 2010 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem Schreiben, das der Bundeswahlleiter an den Deutschen Bundestag weitergeleitet
hat und das hier am 26. November 2009 eingegangen ist, hat der Einspruchsführer Einspruch
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 einge-
legt.

Der Einspruchsführer beanstandet, dass in vielen Wahlbezirken zwangsweise Daten zu wahl-
statistischen Zwecken erhoben worden seien. Dadurch würden die im Grundgesetz veranker-
ten Grundsätze der geheimen und gleichen Wahl verletzt. Die Gleichheit der Wahl werde von
vorneherein nicht gewährleistet, wenn statistische Erhebungen repräsentativ durchgeführt
würden. Dem Gebot der Geheimhaltung komme angesichts der Revolutionierung der Compu-
tertechniken ein neues Gewicht zu. Ein wesentliches Merkmal der geheimen Wahl sei aus
Sicht des Einspruchsführers, dass die Bürger entschieden, was und wie sie wählten. Die statis-
tische Überwachung der Wahl stelle einen starken Eingriff in die Autonomie des Wählers dar.
Dieser könne dann nämlich nicht selbst entscheiden, ob der Staat Informationen über sein
Wahlverhalten erhalten solle oder nicht. Problemlos und ohne Spuren zu hinterlassen, könnten
heute Daten zusammengeführt werden. Es sei deshalb zweifelhaft, ob die Stimmzettel noch
getrennt vom Wählerverzeichnis ausgewertet würden. Der Einspruchsführer regt an, dass die
Wähler künftig selbst entscheiden sollen, ob sie an der repräsentativen Wahlstatistik teilneh-
men und die hierfür relevanten Informationen gegebenenfalls freiwillig mitteilen wollen. Hin-

Drucksache 17/3100 - 180 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

sichtlich der Einzelheiten des Vortrags des Einspruchsführers wird auf den Akteninhalt Bezug
genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Eine Verletzung wahlrechtlicher Vorschriften ist aus dem vorgetragenen Sachverhalt nicht
ersichtlich. Die vom Einspruchsführer beanstandete Durchführung der Wahlstatistik verstößt
nicht gegen Artikel 38 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG), insbesondere nicht gegen die
Grundsätze der geheimen und gleichen Wahl.
Rechtsgrundlage für die allgemeine und die repräsentative Wahlstatistik ist das Wahlstatistik-
gesetz (WStatG) vom 21. Mai 1999, geändert durch Gesetz vom 17. Januar 2002. Diesbezüg-
lich ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche
Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmä-
ßigkeit von Wahlrechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem
Bundesverfassungsgericht vorbehalten worden (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anla-
gen 26 bis 28, 17/1000 Anlagen 5 und 11 mit weiteren Nachweisen). Abgesehen davon sind
die verfassungsrechtlichen Bedenken des Einspruchsführers unbegründet.
Das durch Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG geschützte Wahlgeheimnis wird nicht dadurch be-
rührt, dass die repräsentative Wahlstatistik Rückschlüsse auf das durchschnittliche Wahlver-
halten von Gruppen von Wählern – definiert nach Geschlecht und Zugehörigkeit zu Geburts-
jahresgruppen – zulässt. Denn Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG verbietet nur, dass das Wahl-
verhalten des individuellen Wählers bekannt wird, nicht jedoch das Gewinnen von Erkennt-
nissen über das Wahlverhalten einer Gruppe von Wählern, vorausgesetzt es ist sichergestellt,
dass daraus keine Rückschlüsse auf das Wahlverhalten einzelner Mitglieder der Gruppe gezo-
gen werden können. Das ergibt sich aus der Funktion des Grundsatzes der geheimen Wahl: Er
soll helfen, eine freie Wahl dadurch zu gewährleisten, dass der Einzelne sicher sein kann, dass
ihn mangels Kenntnis niemand wegen seines Wahlverhaltens zur Rechenschaft ziehen kann
(vgl. nur Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 26; 17/1000, Anlage 5). Dessen kann sich
der Einzelne dann sicher sein, wenn lediglich bekannt wird, wie eine bestimmte Anzahl von
Wählern einer bestimmten Gruppe abgestimmt hat, ohne dass festgestellt werden kann, um
welche individuellen Wähler es sich dabei handelt. Auch das Fortschreiten der Computer-
technologie, auf das der Einspruchsführer mit der Befürchtung hinweist, es gefährde das
Wahlgeheimnis, ändert hieran nichts, zumal der Einspruchsführer nicht darlegt, worin die
Gefährdung besteht.
Dass die Vorgaben des Wahlstatistikgesetzes eine Individualisierung des Stimmverhaltens bei
der repräsentativen Wahlstatistik ausschließen und somit den Anforderungen des Grundsatzes
der geheimen Wahl genügen, hat der Deutsche Bundestag bereits mehrfach im Rahmen der

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 181 - Drucksache 17/3100

Wahlprüfung festgestellt (vgl. Bundestagsdrucksachen 15/1150, Anlagen 14 bis 17 und 32;
15/2400, Anlage 1; 16/3600, Anlagen 15 und 16; 17/1000, Anlage 5). Das Wahlgeheimnis
wird durch das Wahlstatistikgesetz u. a. dadurch gewährleistet, dass die Stimmabgabe des
einzelnen Wählers nach Einwerfen seines Stimmzettels in die Wahlurne nicht den sich aus
dem Wählerverzeichnis ergebenden personenbezogenen Angaben zugeordnet werden kann
und somit anonym bleibt (Bundestagsdrucksache 15/1150, Anlage 32). Eine nachträgliche
Zusammenführung der gekennzeichneten Stimmzettel mit den Wählerverzeichnissen ist ge-
setzlich untersagt (§ 5 Absatz 2 Satz 4 WStatG).

Es widerspricht auch nicht dem Grundsatz der gleichen Wahl aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 1
GG, dass aufgrund der verschiedenen Kennzeichnungen die Wähler nicht unter gleichen Be-
dingungen wählen konnten. Denn entscheidend ist, dass unabhängig davon, ob der Ein-
spruchsführer an der Durchführung der repräsentativen Wahlstatistik teilnahm oder nicht und
mit welchem Kennzeichen sein Stimmzettel versehen war, jeder Wähler im Hinblick auf die
Wahlentscheidung die gleichen Optionen hatte und weder Zähl- noch Erfolgswert seiner
Stimme durch die Durchführung der Wahlstatistik berührt wurden (vgl. Bundestagsdrucksa-
chen 15/1150, Anlagen 14 und 17; 16/3600, Anlage 15; 17/1000, Anlage 5).

Soweit der Einspruchsführer vorträgt, wahlstatistische Daten seien „zwangsweise“ erhoben
worden, liegt ebenfalls kein Wahlfehler vor. Die Teilnahme an der Durchführung der reprä-
sentativen Wahlstatistik ist zwar insofern ein Zwang, als der Wähler ohne sie nicht an der
Urnenwahl teilnehmen kann (vgl. Bundestagsdrucksache 16/3600, Anlage 16). Dieser Zwang
bezieht sich aber nicht auf die Entscheidung des Wählers, ob und ggf. wen er wählt, sodass
die Durchführung einer repräsentativen Wahlstatistik jedenfalls nicht – auch wenn der Ein-
spruchsführer dies nicht ausdrücklich vorträgt – gegen den Grundsatz einer freien Wahl ge-
mäß Artikel 38 Absatz 1 GG verstößt (vgl. Bundestagsdrucksachen 15/1150, Anlage 17;
16/3600, Anlage 16). Verstöße gegen andere Wahlrechtsvorschriften sind nicht ersichtlich.

Die Anregung des Einspruchsführers, eine auf freiwilliger Teilnahme basierende Wahlstatis-
tik einzuführen, bedarf nicht der Klärung im Wahlprüfungsverfahren. In diesem ist festzustel-
len, ob ein Verstoß gegen Wahlrechtsvorschriften vorliegt. Dies ist jedoch – wie bereits dar-
gelegt – nicht der Fall.

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 183 - Drucksache 17/3100

Anlage 34

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn S. D., 71735 Eberdingen
- Az.: WP 131/09 -

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 30. September 2010 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 26. November 2009, das am selben Tag per Fax beim Deutschen Bundes-
tag eingegangen ist, hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum
17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 eingelegt.

Der Einspruchsführer rügt eine Verletzung des Grundsatzes der freien Wahl gemäß Artikel 38
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) dadurch, dass auf dem Stimmzettel nicht mit „Enthaltung“
oder „Nein“ gestimmt werden konnte, die Verteilung der Sitze im Deutschen Bundestag, so-
wie die Aufstellung der Landeslisten durch die Parteien.

Im Wesentlichen trägt der Einspruchsführer vor, dass die Wahl nicht frei im Sinne von Artikel
38 Absatz 1 GG gewesen sei, weil zu einer freien Wahl auch die Möglichkeit, „Nein“ sagen
zu können, gehöre. Dadurch, dass der Stimmzettel kein Kästchen für „Nein“ oder „Enthal-
tung“ vorsehe, werde dies dem Wähler verwehrt. Das Votum für eine Partei oder Person be-
inhalte jedoch das Bekenntnis zu dieser Partei oder Person. Dies verstoße gegen das Grundge-
setz, das es verbiete, jemanden zu einem Bekenntnis zu nötigen. Der Einspruchsführer meint,
durch die Gestaltung des Stimmzettels sei dem Wähler suggeriert worden, dass er sich für
einen der Vorschläge entscheiden müsse. Das Ergebnis einer derartigen Wahl drücke nicht
den freien politischen Willen des Wählers aus, sondern sei unter psychischem Druck zustande
gekommen. Der Wähler glaube, er sei nur dann „ein guter Bürger und Demokrat“, wenn er

Drucksache 17/3100 - 184 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

wählen gehe, weil ihm dies vor der Wahl „von allen Seiten suggeriert“ werde. Dieser Druck
verfälsche das Wahlergebnis, denn er verleite die Wahlberechtigten dazu, entgegen ihrem
wirklichen Willen zu entscheiden. Damit sei der Grundsatz der freien Wahl gemäß Artikel 38
GG verletzt und der am 27. September 2009 gewählte Bundestag nicht vom Souverän legiti-
miert.

Des Weiteren beanstandet der Einspruchsführer, dass der Anteil der Sitze der im 17. Deut-
schen Bundestag vertretenen Parteien nicht dem prozentualen Anteil der auf sie entfallenen
Stimmen entspreche. So habe die CDU 27,3 Prozent, die CSU 6,5 Prozent und die FDP 14,6
Prozent, die drei Parteien zusammen mithin 48,4 Prozent der Stimmen erhalten. Es seien aber
der CDU 194, der CSU 45 und der FDP 93 und damit den drei Parteien insgesamt 332 Sitze
zugewiesen worden, was 55,5 Prozent (richtig: 53,4 Prozent) der Sitze entspreche. Der Ein-
spruchsführer ist der Ansicht, hierdurch werde das Wahlergebnis um knapp 15 % verfälscht.
Die Sitzverteilung müsse exakt der Verteilung der Zweitstimmen entsprechen, die „nur lokal
relevanten“ Erststimmen für die Direktkandidaten dürften nicht dem Wählerwillen des gesam-
ten Volkes zugerechnet werden. Nur dadurch sei die „mathematisch unrichtige Situation“
entstanden, dass statt der „Sollstärke“ von 598 Sitzen 622 Sitze verteilt worden seien. Damit
hätten die die Regierungskoalition bildenden Parteien ein politisches Gewicht von 55,5 Pro-
zent, obwohl sie nur von 48,4 Prozent der Bürger gewählt worden seien. Das sei unlogisch,
denn das Grundgesetz gehe davon aus, dass die Mehrheit entscheide. Auch sei nicht vereinbar
mit Artikel 20 Absatz 2 GG, nach dem alle Gewalt vom Volke ausgehe, dass es eine politi-
sche Macht von 7,1 Prozent gebe, die nicht durch die Wählerstimmen legitimiert sei, aber in
der konkreten Situation den Ausschlag gebe.

Schließlich kritisiert der Einspruchsführer, dass über die Besetzung „von ungefähr der Hälfte“
aller Sitze nicht das Volk, sondern die Parteien entschieden. Dies sei grundgesetzwidrig, weil
gemäß Artikel 20 Absatz 2 GG alle Macht vom Volk ausgehen müsse. Die Wahlberechtigten
könnten nicht gemäß Artikel 38 Absatz 1 GG frei und unmittelbar über die auf den vorderen
Listenplätzen der Landeslisten der Parteien nominierten Bewerberinnen und Bewerber ent-
scheiden. Damit hätten sie nicht „alle Gewalt“ darüber, wer aus der Landesliste einer Partei in
den Bundestag gelange, was dazu führe, dass ein Teil der „All-Gewalt“ aus Artikel 20 Absatz
2 GG nicht vom Volk, sondern von wenigen, nicht vom Volk legitimierten Entscheidern in
den Parteien ausgehe. Dadurch werde der Wählerwille ignoriert und die Freiheit und Unmit-
telbarkeit der Wahl „vollkommen auf den Kopf gestellt“. Es sei nicht einmal möglich, „ohne
Blutvergießen“ einen Abgeordneten loszuwerden, der von keinem Bürger je gewählt, aber
von den Parteien auf den ersten Listenplatz gesetzt worden sei. Dies widerspreche jedem Ge-
danken einer demokratischen Wahl und könne eigentlich nur in einem „Un-Rechtsstaat“ ge-
schehen.

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 185 - Drucksache 17/3100

Wegen der Einzelheiten des Vortrags des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten
Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Der Vortrag des Einspruchsführers lässt keinen Wahlfehler erkennen.
Die vom Einspruchsführer vermisste Möglichkeit, auf dem Stimmzettel „Enthaltung“ oder
„Nein“ anzukreuzen, ist im geltenden Bundestagswahlrecht nicht vorgesehen. Das Bundes-
wahlgesetz (BWG) und die Bundeswahlordnung (BWO) enthalten keine Vorschrift, die es
dem Wähler ermöglichen würde, sich durch eine entsprechende Kennzeichnung der Stimme
zu enthalten oder mit einer Nein-Stimme gegen einen oder alle Wahlvorschläge zu stimmen.
Nach § 34 Absatz 2 BWG gibt der Wähler seine Erst- und Zweitstimme in der Weise ab, dass
er durch ein auf den Stimmzettel gesetztes Kreuz oder auf andere Weise eindeutig kenntlich
macht, welchem Bewerber bzw. welcher Landesliste sie gelten sollen. Entsprechend sieht
§ 45 Absatz 1 BWO in Verbindung mit Anlage 26 zur BWO vor, dass der Stimmzettel (nur)
Felder für die Kennzeichnung der aufgeführten Wahlkreisbewerber und Landeslisten enthält.
Anders als der Einspruchsführer offenbar meint, ist es durchaus möglich – und vom Grund-
satz der Wahlfreiheit umfasst –, keinem der Wahlvorschläge seine Stimme zu geben. Wenn
der Stimmzettel keine Kennzeichnung enthält, sind allerdings beide Stimmen gemäß § 39
Absatz 1 Nummer 2 in Verbindung mit § 39 Absatz 1 Satz 2 BWG als ungültig zu werten.
Enthält der Stimmzettel nur eine Stimmabgabe, so ist nach § 39 Absatz 1 Satz 4 BWG die
nicht abgegebene Stimme ungültig. Der Gesetzgeber hat sich damit dafür entschieden, dass
sich der Wähler lediglich durch eine Nichtteilnahme an der Wahl der Stimme enthalten kann.
Sobald er sich an der Wahl beteiligt, unterscheidet das Bundeswahlgesetz nur noch zwischen
gültigen und ungültigen Stimmen (vgl. Bundestagsdrucksachen 14/1560, Anlage 76; 15/1150,
Anlage 39; Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 39 Rn. 18), wobei eine
ungültige Stimme dieselbe Wirkung entfaltet wie eine Stimmenthaltung.

Soweit der Einspruchsführer in der - den Vorgaben des Bundeswahlgesetzes und der Bun-
deswahlordnung entsprechenden - Gestaltung der Stimmzettel einen Verstoß gegen den ver-
fassungsrechtlichen Grundsatz der freien Wahl gemäß Artikel 38 Absatz 1 GG sieht, ist zu-
nächst darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in
ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit von
Wahlrechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfas-
sungsgericht vorbehalten worden (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26
bis 28; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24). Un-
abhängig davon bestehen aus Sicht des Wahlprüfungsausschusses keine Zweifel an der Ver-

Drucksache 17/3100 - 186 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

fassungsmäßigkeit der genannten Regelungen des Bundeswahlgesetzes. Zwar umfasst der
Grundsatz der Freiheit der Wahl auch die Freiheit der Stimmabgabe (Schreiber, Kommentar
zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 1 Rn. 24). Danach steht es dem Wahlbürger frei, beide Stim-
men, nur eine oder auch keine Stimme abzugeben, ein Stimmensplitting vorzunehmen oder
die Erst- und/oder Zweitwahl bewusst ungültig vorzunehmen (Schreiber, a. a. O.). Ein An-
spruch auf die Einräumung der Möglichkeit zur Abgabe einer Nein-Stimme oder einer
Stimmenthaltung auf dem Stimmzettel lässt sich hieraus aber nicht ableiten. Ergänzend sei
darauf hingewiesen, dass dies auch sinnwidrig wäre. Denn der Zweck der angefochtenen
Wahl war, die Abgeordneten des 17. Deutschen Bundestages zu bestimmen. Dies ist nur mög-
lich, wenn die Wähler positiv entscheiden, welche der aufgestellten Bewerber in den Bundes-
tag einziehen sollen. Stimmenthaltungen und Nein-Stimmen könnten eine solche Entschei-
dung jedoch nicht herbeiführen (vgl. Bundestagsdrucksache 14/1560, Anlage 100).

Der Vorwurf des Einspruchsführers, durch die Gestaltung des Stimmzettels seien die Wähler
genötigt worden, ihre Stimmen entgegen ihrem wahren Willen abzugeben, ist angesichts der
im Rahmen der Wahlfreiheit eröffneten, oben dargestellten Handlungsoptionen bei der
Stimmabgabe unbegründet. Der Grundsatz der geheimen Wahl, der den wichtigsten instituti-
onellen Schutz der Wahlfreiheit darstellt (BVerfGE 99, 1, 13; Schreiber, Kommentar zum
BWG, 8. Auflage, 2009, § 1 Rn. 19), und dessen Verletzung der Einspruchsführer nicht be-
hauptet hat, stellt vielmehr sicher, dass jeder Wähler sein Wahlrecht frei von jeder unzulässi-
gen Einflussnahme auf seine Entschließungsfreiheit ausüben kann. Soweit der Einspruchsfüh-
rer über die Gestaltung des Stimmzettels hinaus die Ausübung eines die Wahlfreiheit be-
schränkenden Drucks im Vorfeld der Wahl behauptet, fehlt es an jedem konkreten Tatsachen-
vortrag, der dies belegen könnte.

Die vom Einspruchsführer kritisierte Differenz zwischen dem Zweitstimmenanteil der Partei-
en und der Sitzverteilung im 17. Deutschen Bundestag sowie die Abweichung von der in § 1
Absatz 1 Satz 1 BWG festgelegten Anzahl von 598 Abgeordneten beruhen auf der - zutref-
fenden - Anwendung des Bundeswahlgesetzes. Beides folgt zum einen aus dem Entstehen
von 24 sogenannten Überhangmandaten. Hierbei handelt es sich um Sitze, die eine Partei in
den Wahlkreisen errungen hat und die ihr gemäß § 6 Absatz 5 Satz 1 BWG auch dann ver-
bleiben, wenn sie die nach dem Ergebnis der für die Landeslisten abgegebenen Zweitstimmen
ermittelte Mandatszahl übersteigen. In einem solchen Fall sieht das Gesetz ausdrücklich eine
Erhöhung der Gesamtzahl der Sitze im Deutschen Bundestag um die Unterschiedszahl ohne
weiteren Ausgleich vor, § 6 Absatz 5 Satz 2 BWG. Diese Regelung hat das Bundesverfas-
sungsgericht in seinem Urteil vom 10. April 1997 (BVerfGE 95, 335 ff.) grundsätzlich für
verfassungsgemäß erachtet. Im Rahmen der ihm vom Bundesverfassungsgericht aus einem
anderen Grund aufgegebenen Änderung des Bundeswahlgesetzes bis zum 30. Juni 2011 (Ur-
teil vom 3. Juli 2008, BVerfGE 121, 266 ff.) wird der Gesetzgeber über die Berechnung der
Sitzzuteilung bei künftigen Wahlen neu entscheiden. In dem genannten Urteil hat das Bun-

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 187 - Drucksache 17/3100

desverfassungsgericht ausdrücklich klargestellt, dass eine Verteilung der Sitze im 17. Deut-
schen Bundestag nach den bestehenden gesetzlichen Regelungen zulässig ist (BVerfGE 121,
266, 315 f.).
Zum anderen können sich schon deshalb nicht sämtliche abgegebenen Zweitstimmen in Sit-
zen im 17. Deutschen Bundestag abbilden, weil nicht alle mit Landeslisten zur Wahl angetre-
tenen Parteien das in § 6 Absatz 6 Satz 1 BWG vorgesehene Quorum von mindestens fünf
Prozent der Zweitstimmen oder drei Direktmandaten erreicht haben. Die Verfassungsmäßig-
keit dieser Regelung wird vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung bestä-
tigt (vgl. zuletzt BVerfGE 122, 304, 314 f. mit weiteren Nachweisen; s. auch Bundestags-
drucksache 16/900, Anlage 14).

Zu der Rüge, dass die Wähler nicht über die auf den „vordersten Plätzen“ auf den Landeslis-
ten der Parteien aufgestellten Kandidaten entscheiden könne, ist festzustellen, dass sowohl das
auf Parteien beschränkte Vorschlagsrecht für Landeslisten als auch das System der sogenann-
ten starren oder gebundenen Listenwahl durch das Bundeswahlgesetz vorgegeben sind (vgl.
§ 6 Abs. 4, § 27 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BWG). Abgesehen von der schon zuvor dargelegten
Beschränkung bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Wahlrechtsvorschriften besteht
für den Wahlprüfungsausschuss kein Anlass, an der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelungen
zu zweifeln. Hinsichtlich des auf Parteien beschränkten Vorschlagsrechts für Landeslisten hat
das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass es sich „aus der Natur der Sache“ ergibt und
mit den Wahlrechtsgrundsätzen des Artikel 38 Abs. 1 Satz 1 GG in Einklang steht (BVerfGE
46, 196, 199). Durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist auch geklärt,
dass das System der starren oder gebundenen Listenwahl, wonach die Reihenfolge der Be-
werber auf den Listen von den Parteien festgelegt wird und bei der Stimmabgabe nicht verän-
dert werden kann, sich im Rahmen der dem Gesetzgeber eingeräumten Freiheit zur Ausge-
staltung des Wahlrechts bewegt und nicht gegen die Grundsätze der unmittelbaren, freien und
gleichen Wahl verstößt (vgl. BVerfGE 3, 45, 50 f.; 7, 63, 67 ff; 21, 355, 355 f.; 47, 253, 282).
Zuletzt hat das Bundesverfassungsgericht dies in einem Beschluss vom 15. Januar 2009
(BVerfGE 122, 304, 314) bekräftigt. Der Wahlprüfungsausschuss teilt diese Auffassung (vgl.
zuletzt Bundestagsdrucksache 17/2200, Anlage 13 mit weiteren Nachweisen).
Soweit der Einspruchsführer bemängelt, es sei nicht möglich, einen gewählten Abgeordneten
„loszuwerden“, handelt es sich nicht um die Geltendmachung einer Verletzung von Vorschrif-
ten für die Vorbereitung und Durchführung der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag.

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 189 - Drucksache 17/3100

Anlage 35

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn J. T., 33397 Rietberg
- Az.: WP 135/09 -

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 30. September 2010 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 25. November 2009, das am 26. November 2009 beim Deutschen Bundes-
tag eingegangen ist, hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum
17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 eingelegt.

Der Einspruchsführer rügt eine Verletzung des Grundsatzes der freien Wahl gemäß Artikel 38
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) dadurch, dass auf dem Stimmzettel nicht mit „Enthaltung“
oder „Nein“ gestimmt werden konnte, sowie die Verteilung der Sitze im Deutschen Bundes-
tag.

Im Wesentlichen trägt der Einspruchsführer vor, dass die Wahl nicht frei im Sinne von Artikel
38 Absatz 1 GG gewesen sei, weil zu einer freien Wahl auch die Möglichkeit, „Nein“ sagen
zu können, gehöre. Dadurch, dass der Stimmzettel kein Kästchen für „Nein“ oder „Enthal-
tung“ vorsehe, werde dies dem Wähler verwehrt. Das Votum für eine Partei oder Person be-
inhalte jedoch das Bekenntnis zu dieser Partei oder Person. Dies verstoße gegen das Grundge-
setz, das es verbiete, jemanden zu einem Bekenntnis zu nötigen. Der Einspruchsführer meint,
durch die Gestaltung des Stimmzettels sei dem Wähler suggeriert worden, dass er sich für
einen der Vorschläge entscheiden müsse. Das Ergebnis einer derartigen Wahl drücke nicht
den freien politischen Willen des Wählers aus, sondern sei unter psychischem Druck zustande
gekommen. Der Wähler glaube, er sei nur dann „ein guter Bürger und Demokrat“, wenn er

Drucksache 17/3100 - 190 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

wählen gehe, weil ihm dies vor der Wahl „von allen Seiten suggeriert“ werde. Dieser Druck
verfälsche das Wahlergebnis, denn er verleite die Wahlberechtigten dazu, entgegen ihrem
wirklichen Willen zu entscheiden. Damit sei der Grundsatz der freien Wahl gemäß Artikel 38
GG verletzt und der am 27. September 2009 gewählte Bundestag nicht vom Souverän legiti-
miert.

Des Weiteren beanstandet der Einspruchsführer, dass der Anteil der Sitze der im 17. Deut-
schen Bundestag vertretenen Parteien nicht dem prozentualen Anteil der auf sie entfallenen
Stimmen entspreche. So habe die CDU 27,3 Prozent, die CSU 6,5 Prozent und die FDP 14,6
Prozent, die drei Parteien zusammen mithin 48,4 Prozent der Stimmen erhalten. Es seien aber
der CDU 194, der CSU 45 und der FDP 93 und damit den drei Parteien insgesamt 332 Sitze
zugewiesen worden, was 55,52 Prozent (richtig: 53,38 Prozent) der Sitze entspreche. Der Ein-
spruchsführer ist der Ansicht, die Sitzverteilung müsse exakt der Verteilung der Zweitstim-
men entsprechen, die „nur lokal relevanten“ Erststimmen für die Direktkandidaten dürften
nicht dem Wählerwillen des gesamten Volkes zugerechnet werden. Nur dadurch sei die „un-
logische Situation“ entstanden, dass statt der „Sollstärke“ von 598 Sitzen 622 Sitze verteilt
worden seien. Damit hätten die die Regierungskoalition bildenden Parteien ein politisches
Gewicht von 55,52 Prozent, obwohl sie nur von 48,4 Prozent der Bürger gewählt worden sei-
en. Das Grundgesetz gehe aber davon aus, dass die Mehrheit entscheide. Auch sei nicht ver-
einbar mit Artikel 20 Absatz 2 GG, nach dem alle Gewalt vom Volke ausgehe, dass es eine
politische Macht von 7,12 Prozent gebe, die nicht durch die Wählerstimmen legitimiert sei,
aber in der konkreten Situation den Ausschlag gebe.
Wegen der Einzelheiten des Vortrags des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten
Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Der Vortrag des Einspruchsführers lässt keinen Wahlfehler erkennen.
Die vom Einspruchsführer vermisste Möglichkeit, auf dem Stimmzettel „Enthaltung“ oder
„Nein“ anzukreuzen, ist im geltenden Bundestagswahlrecht nicht vorgesehen. Das Bundes-
wahlgesetz (BWG) und die Bundeswahlordnung (BWO) enthalten keine Vorschrift, die es
dem Wähler ermöglichen würde, sich durch eine entsprechende Kennzeichnung der Stimme
zu enthalten oder mit einer Nein-Stimme gegen einen oder alle Wahlvorschläge zu stimmen.
Nach § 34 Absatz 2 BWG gibt der Wähler seine Erst- und Zweitstimme in der Weise ab, dass
er durch ein auf den Stimmzettel gesetztes Kreuz oder auf andere Weise eindeutig kenntlich
macht, welchem Bewerber bzw. welcher Landesliste sie gelten sollen. Entsprechend sieht

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 191 - Drucksache 17/3100

§ 45 Absatz 1 BWO in Verbindung mit Anlage 26 zur BWO vor, dass der Stimmzettel (nur)
Felder für die Kennzeichnung der aufgeführten Wahlkreisbewerber und Landeslisten enthält.
Anders als der Einspruchsführer offenbar meint, ist es durchaus möglich – und vom Grund-
satz der Wahlfreiheit umfasst –, keinem der Wahlvorschläge seine Stimme zu geben. Wenn
der Stimmzettel keine Kennzeichnung enthält, sind allerdings beide Stimmen gemäß § 39
Absatz 1 Nummer 2 in Verbindung mit § 39 Absatz 1 Satz 2 BWG als ungültig zu werten.
Enthält der Stimmzettel nur eine Stimmabgabe, so ist nach § 39 Absatz 1 Satz 4 BWG die
nicht abgegebene Stimme ungültig. Der Gesetzgeber hat sich damit dafür entschieden, dass
sich der Wähler lediglich durch eine Nichtteilnahme an der Wahl der Stimme enthalten kann.
Sobald er sich an der Wahl beteiligt, unterscheidet das Bundeswahlgesetz nur noch zwischen
gültigen und ungültigen Stimmen (vgl. Bundestagsdrucksachen 14/1560, Anlage 76; 15/1150,
Anlage 39; Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 39 Rn. 18), wobei eine
ungültige Stimme dieselbe Wirkung entfaltet wie eine Stimmenthaltung.

Soweit der Einspruchsführer in der - den Vorgaben des Bundeswahlgesetzes und der Bun-
deswahlordnung entsprechenden - Gestaltung der Stimmzettel einen Verstoß gegen den ver-
fassungsrechtlichen Grundsatz der freien Wahl gemäß Artikel 38 Absatz 1 GG sieht, ist zu-
nächst darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in
ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit von
Wahlrechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfas-
sungsgericht vorbehalten worden (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26
bis 28; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24). Un-
abhängig davon bestehen aus Sicht des Wahlprüfungsausschusses keine Zweifel an der Ver-
fassungsmäßigkeit der genannten Regelungen des Bundeswahlgesetzes. Zwar umfasst der
Grundsatz der Freiheit der Wahl auch die Freiheit der Stimmabgabe (Schreiber, Kommentar
zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 1 Rn. 24). Danach steht es dem Wahlbürger frei, beide Stim-
men, nur eine oder auch keine Stimme abzugeben, ein Stimmensplitting vorzunehmen oder
die Erst- und/oder Zweitwahl bewusst ungültig vorzunehmen (Schreiber, a. a. O.). Ein An-
spruch auf die Einräumung der Möglichkeit zur Abgabe einer Nein-Stimme oder einer
Stimmenthaltung auf dem Stimmzettel lässt sich hieraus aber nicht ableiten. Ergänzend sei
darauf hingewiesen, dass dies auch sinnwidrig wäre. Denn der Zweck der angefochtenen
Wahl war, die Abgeordneten des 17. Deutschen Bundestages zu bestimmen. Dies ist nur mög-
lich, wenn die Wähler positiv entscheiden, welche der aufgestellten Bewerber in den Bundes-
tag einziehen sollen. Stimmenthaltungen und Nein-Stimmen könnten eine solche Entschei-
dung jedoch nicht herbeiführen (vgl. Bundestagsdrucksache 14/1560, Anlage 100).

Der Vorwurf des Einspruchsführers, durch die Gestaltung des Stimmzettels seien die Wähler
genötigt worden, ihre Stimmen entgegen ihrem wahren Willen abzugeben, ist angesichts der
im Rahmen der Wahlfreiheit eröffneten, oben dargestellten Handlungsoptionen bei der
Stimmabgabe unbegründet. Der Grundsatz der geheimen Wahl, der den wichtigsten instituti-

Drucksache 17/3100 - 192 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

onellen Schutz der Wahlfreiheit darstellt (BVerfGE 99, 1, 13; Schreiber, Kommentar zum
BWG, 8. Auflage, 2009, § 1 Rn. 19), und dessen Verletzung der Einspruchsführer nicht be-
hauptet hat, stellt vielmehr sicher, dass jeder Wähler sein Wahlrecht frei von jeder unzulässi-
gen Einflussnahme auf seine Entschließungsfreiheit ausüben kann. Soweit der Einspruchsfüh-
rer über die Gestaltung des Stimmzettels hinaus die Ausübung eines die Wahlfreiheit be-
schränkenden Drucks im Vorfeld der Wahl behauptet, fehlt es an jedem konkreten Tatsachen-
vortrag, der dies belegen könnte.

Auch soweit der Einspruchsführer die Verteilung der Sitze im 17. Deutschen Bundestag rügt,
liegt kein Verstoß gegen wahlrechtliche Vorschriften vor. Seine Forderung, die Zusammen-
setzung des 17. Deutschen Bundestages müsse exakt das Ergebnis der abgegeben Zweitstim-
men widerspiegeln, und zugleich dürfe die Zahl der Abgeordneten die in § 1 Absatz 1 BWG
vorgesehene Größe von 598 Abgeordneten nicht überschreiten, entspricht nicht den Vorgaben
des geltenden Bundestagswahlrechts. Dieses sieht eine allgemeine, unmittelbare, freie, gleiche
und geheime Wahl nach den Grundsätzen einer mit der Personenwahl verbundenen Verhält-
niswahl vor, § 1 Absatz 1 Satz 2 BWG. Von den 598 Abgeordneten, aus denen der Deutsche
Bundestag vorbehaltlich der sich aus dem Gesetz ergebenden Abweichungen besteht, werden
299 nach Kreiswahlvorschlägen in den Wahlkreisen und die Übrigen nach Landeswahlvor-
schlägen (Landeslisten) gewählt, § 1 Absatz 2 BWG. Dafür hat gemäß § 4 BWG jeder Wähler
zwei Stimmen, eine Erststimme für die Wahl eines Wahlkreisabgeordneten und eine Zweit-
stimme für die Wahl einer Landesliste. Der Einspruchsführer ist daher darauf hinzuweisen,
dass er irrt, wenn er den abgegebenen Erststimmen „nur lokale Relevanz“ zuspricht, denn in
jedem Wahlkreis wird gemäß § 5 Satz 1 BWG ein Abgeordneter gewählt, der gemäß Artikel
38 Absatz 1 Satz 2 GG Vertreter des ganzen Volkes ist.
Die vom Einspruchsführer kritisierte Differenz zwischen dem Zweitstimmenanteil der Partei-
en und der Sitzverteilung im 17. Deutschen Bundestag sowie die Abweichung von der in § 1
Absatz 1 Satz 1 BWG festgelegten Anzahl von 598 Abgeordneten beruhen auf der - zutref-
fenden - Anwendung des Bundeswahlgesetzes. Beides folgt zum einen aus dem Entstehen
von 24 sogenannten Überhangmandaten. Hierbei handelt es sich um Sitze, die eine Partei in
den Wahlkreisen errungen hat und die ihr gemäß § 6 Absatz 5 Satz 1 BWG auch dann ver-
bleiben, wenn sie die nach dem Ergebnis der für die Landeslisten abgegebenen Zweitstimmen
ermittelte Mandatszahl übersteigen. In einem solchen Fall sieht das Gesetz ausdrücklich eine
Erhöhung der Gesamtzahl der Sitze im Deutschen Bundestag um die Unterschiedszahl ohne
weiteren Ausgleich vor, § 6 Absatz 5 Satz 2 BWG. Diese Regelung hat das Bundesverfas-
sungsgericht in seinem Urteil vom 10. April 1997 (BVerfGE 95, 335 ff.) grundsätzlich für
verfassungsgemäß erachtet. Im Rahmen der ihm vom Bundesverfassungsgericht aus einem
anderen Grund aufgegebenen Änderung des Bundeswahlgesetzes bis zum 30. Juni 2011 (Ur-
teil vom 3. Juli 2008, BVerfGE 121, 266 ff.) wird der Gesetzgeber über die Berechnung der
Sitzzuteilung bei künftigen Wahlen neu entscheiden. In dem genannten Urteil hat das Bun-
desverfassungsgericht ausdrücklich klargestellt, dass eine Verteilung der Sitze im 17. Deut-

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 193 - Drucksache 17/3100

schen Bundestag nach den bestehenden gesetzlichen Regelungen zulässig ist (BVerfGE 121,
266, 315 f.).
Zum anderen können sich schon deshalb nicht sämtliche abgegebenen Zweitstimmen in Sit-
zen im 17. Deutschen Bundestag abbilden, weil nicht alle mit Landeslisten zur Wahl angetre-
tenen Parteien das in § 6 Absatz 6 Satz 1 BWG vorgesehene Quorum von mindestens fünf
Prozent der Zweitstimmen oder drei Direktmandaten erreicht haben. Die Verfassungsmäßig-
keit dieser Regelung wird vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung bestä-
tigt (vgl. zuletzt BVerfGE 122, 304, 314 f. mit weiteren Nachweisen; s. auch Bundestags-
drucksache 16/900, Anlage 14).

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 195 - Drucksache 17/3100

Anlage 36

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn W. O., 95697 Nagel
- Az.: WP 140/09 -

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 30. September 2010 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 13. November 2009, das am 26. November 2009 beim Deutschen Bundes-
tag eingegangen ist, hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum
17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 eingelegt.

Der Einspruchsführer rügt eine Verletzung des Grundsatzes der freien Wahl gemäß Artikel 38
Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) dadurch, dass auf dem Stimmzettel nicht mit „Enthaltung“
oder „Nein“ gestimmt werden konnte, sowie die Verteilung der Sitze im Deutschen Bundes-
tag.

Im Wesentlichen trägt der Einspruchsführer vor, dass die Wahl nicht frei im Sinne von Artikel
38 Absatz 1 GG gewesen sei, weil zu einer freien Wahl auch die Möglichkeit, „Nein“ sagen
zu können, gehöre. Dadurch, dass der Stimmzettel kein Kästchen für „Nein“ oder „Enthal-
tung“ vorsehe, werde dies dem Wähler verwehrt. Das Votum für eine Partei oder Person be-
inhalte jedoch das Bekenntnis zu dieser Partei oder Person. Dies verstoße gegen das Grundge-
setz, das es verbiete, jemanden zu einem Bekenntnis zu nötigen. Der Einspruchsführer meint,
durch die Gestaltung des Stimmzettels sei dem Wähler suggeriert worden, dass er sich für
einen der Vorschläge entscheiden müsse. Das Ergebnis einer derartigen Wahl drücke nicht
den freien politischen Willen des Wählers aus, sondern sei unter psychischem Druck zustande
gekommen. Der Wähler glaube, er sei nur dann „ein guter Bürger und Demokrat“, wenn er

Drucksache 17/3100 - 196 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

wählen gehe, weil ihm dies vor der Wahl „von allen Seiten suggeriert“ werde. Dieser Druck
verfälsche das Wahlergebnis, denn er verleite die Wahlberechtigten dazu, entgegen ihrem
wirklichen Willen zu entscheiden. Damit sei der Grundsatz der freien Wahl gemäß Artikel 38
GG verletzt und der am 27. September 2009 gewählte Bundestag nicht vom Souverän legiti-
miert.

Des Weiteren beanstandet der Einspruchsführer, dass der Anteil der Sitze der im 17. Deut-
schen Bundestag vertretenen Parteien nicht dem prozentualen Anteil der auf sie entfallenen
Stimmen entspreche. So habe die CDU 27,3 Prozent, die CSU 6,5 Prozent und die FDP 14,6
Prozent, die drei Parteien zusammen mithin 48,4 Prozent der Stimmen erhalten. Es seien aber
der CDU 194, der CSU 45 und der FDP 93 und damit den drei Parteien insgesamt 332 Sitze
zugewiesen worden, was 55,52 Prozent (richtig: 53,38 Prozent) der Sitze entspreche. Der Ein-
spruchsführer ist der Ansicht, die Sitzverteilung müsse exakt der Verteilung der Zweitstim-
men entsprechen, die „nur lokal relevanten“ Erststimmen für die Direktkandidaten dürften
nicht dem Wählerwillen des gesamten Volkes zugerechnet werden. Nur dadurch sei die „un-
logische Situation“ entstanden, dass statt der „Sollstärke“ von 598 Sitzen 622 Sitze verteilt
worden seien. Damit hätten die die Regierungskoalition bildenden Parteien ein politisches
Gewicht von 55,52 Prozent, obwohl sie nur von 48,4 Prozent der Bürger gewählt worden sei-
en. Das Grundgesetz gehe aber davon aus, dass die Mehrheit entscheide. Auch sei nicht ver-
einbar mit Artikel 20 Absatz 2 GG, nach dem alle Gewalt vom Volke ausgehe, dass es eine
politische Macht von 7,12 Prozent gebe, die nicht durch die Wählerstimmen legitimiert sei,
aber in der konkreten Situation den Ausschlag gebe.
Wegen der Einzelheiten des Vortrags des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten
Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Der Vortrag des Einspruchsführers lässt keinen Wahlfehler erkennen.
Die vom Einspruchsführer vermisste Möglichkeit, auf dem Stimmzettel „Enthaltung“ oder
„Nein“ anzukreuzen, ist im geltenden Bundestagswahlrecht nicht vorgesehen. Das Bundes-
wahlgesetz (BWG) und die Bundeswahlordnung (BWO) enthalten keine Vorschrift, die es
dem Wähler ermöglichen würde, sich durch eine entsprechende Kennzeichnung der Stimme
zu enthalten oder mit einer Nein-Stimme gegen einen oder alle Wahlvorschläge zu stimmen.
Nach § 34 Absatz 2 BWG gibt der Wähler seine Erst- und Zweitstimme in der Weise ab, dass
er durch ein auf den Stimmzettel gesetztes Kreuz oder auf andere Weise eindeutig kenntlich
macht, welchem Bewerber bzw. welcher Landesliste sie gelten sollen. Entsprechend sieht

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 197 - Drucksache 17/3100

§ 45 Absatz 1 BWO in Verbindung mit Anlage 26 zur BWO vor, dass der Stimmzettel (nur)
Felder für die Kennzeichnung der aufgeführten Wahlkreisbewerber und Landeslisten enthält.
Anders als der Einspruchsführer offenbar meint, ist es durchaus möglich – und vom Grund-
satz der Wahlfreiheit umfasst –, keinem der Wahlvorschläge seine Stimme zu geben. Wenn
der Stimmzettel keine Kennzeichnung enthält, sind allerdings beide Stimmen gemäß § 39
Absatz 1 Nummer 2 in Verbindung mit § 39 Absatz 1 Satz 2 BWG als ungültig zu werten.
Enthält der Stimmzettel nur eine Stimmabgabe, so ist nach § 39 Absatz 1 Satz 4 BWG die
nicht abgegebene Stimme ungültig. Der Gesetzgeber hat sich damit dafür entschieden, dass
sich der Wähler lediglich durch eine Nichtteilnahme an der Wahl der Stimme enthalten kann.
Sobald er sich an der Wahl beteiligt, unterscheidet das Bundeswahlgesetz nur noch zwischen
gültigen und ungültigen Stimmen (vgl. Bundestagsdrucksachen 14/1560, Anlage 76; 15/1150,
Anlage 39; Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 39 Rn. 18), wobei eine
ungültige Stimme dieselbe Wirkung entfaltet wie eine Stimmenthaltung.

Soweit der Einspruchsführer in der - den Vorgaben des Bundeswahlgesetzes und der Bun-
deswahlordnung entsprechenden - Gestaltung der Stimmzettel einen Verstoß gegen den ver-
fassungsrechtlichen Grundsatz der freien Wahl gemäß Artikel 38 Absatz 1 GG sieht, ist zu-
nächst darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in
ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit von
Wahlrechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfas-
sungsgericht vorbehalten worden (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26
bis 28; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24). Un-
abhängig davon bestehen aus Sicht des Wahlprüfungsausschusses keine Zweifel an der Ver-
fassungsmäßigkeit der genannten Regelungen des Bundeswahlgesetzes. Zwar umfasst der
Grundsatz der Freiheit der Wahl auch die Freiheit der Stimmabgabe (Schreiber, Kommentar
zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 1 Rn. 24). Danach steht es dem Wahlbürger frei, beide Stim-
men, nur eine oder auch keine Stimme abzugeben, ein Stimmensplitting vorzunehmen oder
die Erst- und/oder Zweitwahl bewusst ungültig vorzunehmen (Schreiber, a. a. O.). Ein An-
spruch auf die Einräumung der Möglichkeit zur Abgabe einer Nein-Stimme oder einer
Stimmenthaltung auf dem Stimmzettel lässt sich hieraus aber nicht ableiten. Ergänzend sei
darauf hingewiesen, dass dies auch sinnwidrig wäre. Denn der Zweck der angefochtenen
Wahl war, die Abgeordneten des 17. Deutschen Bundestages zu bestimmen. Dies ist nur mög-
lich, wenn die Wähler positiv entscheiden, welche der aufgestellten Bewerber in den Bundes-
tag einziehen sollen. Stimmenthaltungen und Nein-Stimmen könnten eine solche Entschei-
dung jedoch nicht herbeiführen (vgl. Bundestagsdrucksache 14/1560, Anlage 100).

Der Vorwurf des Einspruchsführers, durch die Gestaltung des Stimmzettels seien die Wähler
genötigt worden, ihre Stimmen entgegen ihrem wahren Willen abzugeben, ist angesichts der
im Rahmen der Wahlfreiheit eröffneten, oben dargestellten Handlungsoptionen bei der
Stimmabgabe unbegründet. Der Grundsatz der geheimen Wahl, der den wichtigsten instituti-

Drucksache 17/3100 - 198 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

onellen Schutz der Wahlfreiheit darstellt (BVerfGE 99, 1, 13; Schreiber, Kommentar zum
BWG, 8. Auflage, 2009, § 1 Rn. 19), und dessen Verletzung der Einspruchsführer nicht be-
hauptet hat, stellt vielmehr sicher, dass jeder Wähler sein Wahlrecht frei von jeder unzulässi-
gen Einflussnahme auf seine Entschließungsfreiheit ausüben kann. Soweit der Einspruchsfüh-
rer über die Gestaltung des Stimmzettels hinaus die Ausübung eines die Wahlfreiheit be-
schränkenden Drucks im Vorfeld der Wahl behauptet, fehlt es an jedem konkreten Tatsachen-
vortrag, der dies belegen könnte.

Auch soweit der Einspruchsführer die Verteilung der Sitze im 17. Deutschen Bundestag rügt,
liegt kein Verstoß gegen wahlrechtliche Vorschriften vor. Seine Forderung, die Zusammen-
setzung des 17. Deutschen Bundestages müsse exakt das Ergebnis der abgegeben Zweitstim-
men widerspiegeln, und zugleich dürfe die Zahl der Abgeordneten die in § 1 Absatz 1 BWG
vorgesehene Größe von 598 Abgeordneten nicht überschreiten, entspricht nicht den Vorgaben
des geltenden Bundestagswahlrechts. Dieses sieht eine allgemeine, unmittelbare, freie, gleiche
und geheime Wahl nach den Grundsätzen einer mit der Personenwahl verbundenen Verhält-
niswahl vor, § 1 Absatz 1 Satz 2 BWG. Von den 598 Abgeordneten, aus denen der Deutsche
Bundestag vorbehaltlich der sich aus dem Gesetz ergebenden Abweichungen besteht, werden
299 nach Kreiswahlvorschlägen in den Wahlkreisen und die Übrigen nach Landeswahlvor-
schlägen (Landeslisten) gewählt, § 1 Absatz 2 BWG. Dafür hat gemäß § 4 BWG jeder Wähler
zwei Stimmen, eine Erststimme für die Wahl eines Wahlkreisabgeordneten und eine Zweit-
stimme für die Wahl einer Landesliste. Der Einspruchsführer ist daher darauf hinzuweisen,
dass er irrt, wenn er den abgegebenen Erststimmen „nur lokale Relevanz“ zuspricht, denn in
jedem Wahlkreis wird gemäß § 5 Satz 1 BWG ein Abgeordneter gewählt, der gemäß Artikel
38 Absatz 1 Satz 2 GG Vertreter des ganzen Volkes ist.
Die vom Einspruchsführer kritisierte Differenz zwischen dem Zweitstimmenanteil der Partei-
en und der Sitzverteilung im 17. Deutschen Bundestag sowie die Abweichung von der in § 1
Absatz 1 Satz 1 BWG festgelegten Anzahl von 598 Abgeordneten beruhen auf der - zutref-
fenden - Anwendung des Bundeswahlgesetzes. Beides folgt zum einen aus dem Entstehen
von 24 sogenannten Überhangmandaten. Hierbei handelt es sich um Sitze, die eine Partei in
den Wahlkreisen errungen hat und die ihr gemäß § 6 Absatz 5 Satz 1 BWG auch dann ver-
bleiben, wenn sie die nach dem Ergebnis der für die Landeslisten abgegebenen Zweitstimmen
ermittelte Mandatszahl übersteigen. In einem solchen Fall sieht das Gesetz ausdrücklich eine
Erhöhung der Gesamtzahl der Sitze im Deutschen Bundestag um die Unterschiedszahl ohne
weiteren Ausgleich vor, § 6 Absatz 5 Satz 2 BWG. Diese Regelung hat das Bundesverfas-
sungsgericht in seinem Urteil vom 10. April 1997 (BVerfGE 95, 335 ff.) grundsätzlich für
verfassungsgemäß erachtet. Im Rahmen der ihm vom Bundesverfassungsgericht aus einem
anderen Grund aufgegebenen Änderung des Bundeswahlgesetzes bis zum 30. Juni 2011 (Ur-
teil vom 3. Juli 2008, BVerfGE 121, 266 ff.) wird der Gesetzgeber über die Berechnung der
Sitzzuteilung bei künftigen Wahlen neu entscheiden. In dem genannten Urteil hat das Bun-
desverfassungsgericht ausdrücklich klargestellt, dass eine Verteilung der Sitze im 17. Deut-

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 199 - Drucksache 17/3100

schen Bundestag nach den bestehenden gesetzlichen Regelungen zulässig ist (BVerfGE 121,
266, 315 f.).
Zum anderen können sich schon deshalb nicht sämtliche abgegebenen Zweitstimmen in Sit-
zen im 17. Deutschen Bundestag abbilden, weil nicht alle mit Landeslisten zur Wahl angetre-
tenen Parteien das in § 6 Absatz 6 Satz 1 BWG vorgesehene Quorum von mindestens fünf
Prozent der Zweitstimmen oder drei Direktmandaten erreicht haben. Die Verfassungsmäßig-
keit dieser Regelung wird vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung bestä-
tigt (vgl. zuletzt BVerfGE 122, 304, 314 f. mit weiteren Nachweisen; s. auch Bundestags-
drucksache 16/900, Anlage 14).

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 201 - Drucksache 17/3100

Anlage 37

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn A. W., 13086 Berlin
- Az.: WP 142/09 -

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 30. September 2010 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 25. November 2009, das am 26. November 2009 beim Deutschen Bundes-
tag eingegangen ist, hat der Einspruchsführer gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deut-
schen Bundestag am 27. September 2009 Einspruch eingelegt.

Der Einspruchsführer beanstandet, dass Briefwähler, nachdem ihnen mit den Briefwahlunter-
lagen bereits ein Stimmzettel zugeschickt worden sei, einen zweiten Stimmzettel erhalten
hätten, wenn sie nicht an der Briefwahl, sondern mit ihrem Wahlschein an der Urnenwahl
teilgenommen hätten. Den ersten, ihnen mit den Briefwahlunterlagen zugesandten Stimmzet-
tel hätten sie nicht an den Wahlvorstand abgeben müssen, was ihnen die Möglichkeit der
Wahlfälschung durch die Abgabe von zwei Stimmzetteln eröffnet habe. Dies könne auch
nicht durch gesetzliche Regelungen wie § 14 Absatz 4 des Bundeswahlgesetzes (BWG) oder
§ 107a des Strafgesetzbuches (StGB) ausgeschlossen werden. Die Richtigkeit des Ergebnisses
der Bundestagswahl sei daher zweifelhaft.
Wegen der Einzelheiten des Vortrags des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten
Bezug genommen.

Drucksache 17/3100 - 202 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Ein Wahlfehler ist aufgrund des vorgetragenen Sachverhalts nicht ersichtlich. Vielmehr ent-
spricht die vom Einspruchsführer monierte Praxis der Wahlvorstände bei der Urnenwahl mit
Wahlschein geltendem Recht. Die vom Einspruchsführer angesprochene Gefahr der Mehr-
fachwahl besteht hierbei aus Sicht des Wahlprüfungsausschusses jedoch nicht, da, anders als
der Einspruchsführer offenbar meint, der Besitz eines Stimmzettels allein nicht zur Stimmab-
gabe berechtigt. Konkrete Anhaltspunkte für tatsächlich erfolgte mehrfache Stimmabgaben
durch Wahlscheininhaber hat der Einspruchsführer nicht vorgetragen.

Zutreffend trägt der Einspruchsführer vor, dass der Inhaber eines Wahlscheins entweder durch
Briefwahl oder durch Stimmabgabe in einem beliebigen Wahllokal an der Wahl des Wahl-
kreises, in dem der Wahlschein ausgestellt ist, teilnehmen kann, § 14 Absatz 3 BWG. Eine
Doppelwahl – sowohl durch Brief- als auch durch Urnenwahl oder, wie vom Einspruchsführer
befürchtet, gar durch mehrfache Urnenwahl - ist hingegen nicht zulässig, denn gemäß § 14
Absatz 4 BWG kann jeder Wahlberechtigte sein Wahlrecht nur einmal ausüben. Das unbefug-
te Wählen steht zudem, wie der Einspruchsführer richtig bemerkt, gemäß § 107a StGB unter
Strafe.

Eine Mehrfachwahl durch Wahlscheininhaber ist jedoch bereits durch die rechtliche Ausge-
staltung der Stimmabgabe mit Wahlschein ausgeschlossen. Denn der Inhaber eines Wahl-
scheins benötigt für die Teilnahme an der Wahl neben einem Stimmzettel in jedem Fall seinen
(gültigen) Wahlschein, unabhängig davon, ob er sich für die Briefwahl oder die Wahl im
Wahllokal entscheidet. Gemäß § 17 Absatz 2 BWG in Verbindung mit § 25 Absatz 1 der
Bundeswahlordnung (BWO) erhält einen Wahlschein, wer in das Wählerverzeichnis eingetra-
gen ist und einen entsprechenden Antrag stellt. Dem Wahlschein wird gemäß § 28 Absatz 3
Nummer 1 BWO ein Stimmzettel beigefügt, den der Wähler im Fall der Briefwahl gemäß
§ 36 BWG in einem verschlossenen Umschlag mit dem Wahlschein an den Kreiswahlleiter
übersenden muss. Hat ein Wahlberechtigter einen Wahlschein erhalten, so wird im Wähler-
verzeichnis in der Spalte für den Vermerk über die Stimmabgabe der Sperrvermerk „Wahl-
schein“ oder „W“ eingetragen (§ 30 BWO). Eine Stimmabgabe im Wahllokal ohne Vorlage
des Wahlscheins ist dann nicht mehr möglich (vgl. § 56 Absatz 6 Nummer 2 BWO).

Entschließt sich der Wahlscheininhaber, nicht im Wege der Briefwahl zu wählen, kann er
gemäß § 59 BWO unter Vorlage seines Wahlscheins am Wahltag an der Urnenwahl in seinem
Wahlkreis teilnehmen. Wie jeder Wähler erhält er, wenn er den Wahlraum betritt, einen amt-
lichen Stimmzettel, § 56 Absatz 1 BWO, den er in der Wahlzelle kennzeichnet und faltet, § 56

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 203 - Drucksache 17/3100

Absatz 2 Satz 1 BWO. Bei der Stimmabgabe nennt der Wahlscheininhaber dem Wahlvorstand
seinen Namen, weist sich aus und übergibt seinen Wahlschein, § 59 Satz 1 BWO. Legt er kei-
nen Wahlschein vor, obwohl sich im Wählerverzeichnis ein Wahlscheinvermerk befindet, ist
er vom Wahlvorstand zurückzuweisen, es sei denn, es wird festgestellt, dass er nicht im
Wahlscheinverzeichnis eingetragen ist, § 56 Absatz 6 Nummer 2 BWO. Der Wahlvorstand
prüft den vorgelegten Wahlschein und beschließt bei Zweifeln über seine Gültigkeit über Zu-
lassung oder Zurückweisung des Inhabers, § 59 Satz 2 und 3 BWO. In jedem Fall behält der
Wahlvorsteher den Wahlschein ein, § 59 Satz 5 BWO, so dass dem Wahlscheininhaber eine
erneute Stimmabgabe nicht möglich ist.

Die vom Einspruchsführer verlangte Pflicht zur Abgabe des mit dem Wahlschein übersandten
amtlichen Stimmzettels beim Wahlvorstand besteht nicht und wäre aus Sicht des Wahlprü-
fungsausschusses auch nicht sinnvoll. Denn zum einen wäre hierdurch das Wahlgeheimnis
des Wahlscheininhabers gefährdet, wenn dieser den Stimmzettel zuhause bereits ausgefüllt
hat. Zum anderen würde damit die Pflicht zum Mitführen des übersandten Stimmzettels bei
der Urnenwahl mit Wahlschein zu einer zusätzlichen Voraussetzung für die Zulassung zur
Stimmabgabe, die das Risiko der Zurückweisung von Wahlberechtigten durch den Wahlvor-
stand unnötig erhöhen würde.

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 205 - Drucksache 17/3100

Anlage 38

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

der Frau S. G., 13595 Berlin
- Az.: WP 149/09 -

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 30. September 2010 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem per Telefax übermittelten, auf den 26. November 2009 datierten Schreiben, das am
27. November 2009 beim Deutschen Bundestag eingegangen ist, hat die Einspruchsführerin
Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag am 27. September
2009 eingelegt.

Die Einspruchsführerin rügt das Bestehen eines Demokratiedefizits mit der Behauptung, dass
Artikel 9 des Grundgesetzes (GG) für Eltern nicht realisierbar sei. Sie begründet ihren Ein-
spruch damit, dass die Bundestagswahl „nicht korrekt auf dem Boden des Grundgesetzes“
stehe und moniert, dass Familienarbeit bei der Berechnung des Bruttoinlandsprodukts (BIP)
nicht berücksichtigt werde. Wegen fehlender Mittel habe daher eine „Familienkammer nach
GG Art. 9“ nicht aufgebaut werden können, während „alle anderen Berufsgruppen und Lob-
byisten“ seit Jahrzehnten etabliert seien. Es sei immer noch nicht absehbar, dass in Zukunft
eine Bundesfamilienkammer eingerichtet werde.
Hinsichtlich der weiteren Ausführungen der Einspruchsführerin wird auf den Inhalt der Akten
Bezug genommen.

Drucksache 17/3100 - 206 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Der Vortrag der Einspruchsführerin lässt keinen Verstoß gegen wahlrechtliche Vorschriften
erkennen, denn er umfasst keine substantiierte Darlegung möglicher Fehler bei der Vorberei-
tung und Durchführung der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag. Die Beanstandung der Ein-
spruchsführerin, dass von ihr als wünschenswert empfundene politische Ziele vor der ange-
fochtenen Wahl nicht umgesetzt worden seien, weist keinen unmittelbaren Bezug zur Vorbe-
reitung und Durchführung der Wahl auf und kann daher nicht zum Gegenstand der Wahlprü-
fung gemacht werden. Da gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes die Wahlprü-
fung nur auf Einspruch erfolgt, der zu begründen ist, sind Wahlbeanstandungen, die einen
konkreten, auf die Wahl bezogenen und der Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag
nicht enthalten, deshalb als unsubstantiiert zurückzuweisen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksa-
chen 16/3600, Anlage 5; 17/1000, Anlagen 13 und 19; 17/2200, Anlagen 6 und 22; 17/2250,
Anlagen 4, 11, 15 und 16; BVerfGE 48, 271, 276; 66, 369, 379; 85, 148, 159; Schreiber,
Kommentar zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 49 Rn. 24).

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 207 - Drucksache 17/3100

Anlage 39

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn A. S., 15344 Strausberg
- Az.: WP 155/09 -

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 30. September 2010 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 26. November 2009, das beim Wahlprüfungsausschuss am 27. November
2009 eingegangen ist, hat der Einspruchsführer gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deut-
schen Bundestag am 27. September 2009 Einspruch eingelegt.

Zur Begründung führt der Einspruchsführer aus, dass es seiner Ansicht nach bei der Bundes-
tagswahl 2009 nicht mit rechten Dingen zugegangen sei. Es sei der nicht ganz unbegründete
Verdacht der Wahlfälschung zu prüfen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet.

Der Vortrag des Einspruchsführers lässt keinen Verstoß gegen wahlrechtliche Vorschriften
erkennen, denn er umfasst keine substantiierte Darlegung möglicher Fehler bei der Vorberei-
tung und Durchführung der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag. Vielmehr stellt der Ein-
spruchsführer lediglich eine Behauptung auf, ohne diese mit konkreten Tatsachenangaben zu
untermauern. Die Wahlprüfung erfolgt jedoch weder von Amts wegen noch findet sie stets in
Gestalt einer Durchprüfung der gesamten Wahl statt. Gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprü-

Drucksache 17/3100 - 208 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

fungsgesetzes erfolgt sie vielmehr nur auf Einspruch, der zu begründen ist. Wahlbeanstan-
dungen, die, wie hier, über nicht belegte Vermutungen oder die bloße Andeutung der Mög-
lichkeit von Wahlfehlern nicht hinausgehen und einen konkreten, der Überprüfung zugängli-
chen Tatsachenvortrag nicht enthalten, sind deshalb als unsubstantiiert zurückzuweisen (vgl.
zuletzt Bundestagsdrucksachen 16/3600, Anlage 5; 17/1000, Anlagen 13 und 19; 17/2200,
Anlagen 6 und 22; 17/2250, Anlagen 4, 11, 15 und 16; BVerfGE 48, 271, 276; 66, 369, 379;
85, 148, 159; Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 49 Rn. 24).

Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 209 - Drucksache 17/3100

Anlage 40

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn H. D., 08280 Aue
- Az.: WP 158/09 -

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag
am 27. September 2009

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 30. September 2010 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird als unzulässig zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem auf den 16. November 2009 datierten Schreiben, das beim Deutschen Bundestag
am 30. November 2009 per Telefax und am 4. Dezember 2009 im Original eingegangen ist,
hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bun-
destag am 27. September 2009 eingelegt.

Der Einspruchsführer beanstandet die Aufstellung der Landesliste der Partei DIE LINKE. in
Berlin. Er ist der Auffassung, die Festlegung der Reihenfolge der Bewerber verstoße gegen
§ 27 Absatz 5 des Bundeswahlgesetzes und § 39 Absatz 4 Ziffer 3 der Bundeswahlordnung,
weil sie nicht in geheimer Wahl erfolgt sei. Denn es sei über jeden Listenplatz einzeln und
zum Teil gleichzeitig abgestimmt worden. Dadurch hätten die Abstimmenden nicht frei und
ungehindert entscheiden können, welcher Bewerber welchen Listenplatz erhalten habe.
Wegen der Einzelheiten des Vortrags des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten
Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist wegen Verfristung unzulässig.

Drucksache 17/3100 - 210 - Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode

Gemäß § 2 Absatz 4 Satz 1 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) müssen Wahleinsprüche
binnen einer Frist von zwei Monaten nach dem Wahltag beim Deutschen Bundestag eingehen.
Bei der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag lief diese Frist am 27. November 2009 ab. Die
vorliegende Einspruchsschrift ist beim Deutschen Bundestag erstmals am 30. November 2009
– und damit nach Ablauf der zweimonatigen Einspruchsfrist – eingegangen. Auf das vom
Einspruchsführer neben seiner Unterschrift notierte frühere Erstellungsdatum kommt es vor-
liegend nicht an. Die Frist in § 2 Absatz 4 WPrüfG ist eine gesetzliche Ausschlussfrist, die
vom Wahlprüfungsausschuss nicht verlängert werden kann. Der Einspruch ist demnach
verfristet.

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