BT-Drucksache 17/304

Einrichtung einer Deutschen Digitalen Bibliothek

Vom 17. Dezember 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 17/304
17. Wahlperiode 17. 12. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Lukrezia Jochimsen, Dr. Petra Sitte, Agnes Alpers, Nicole
Gohlke, Dr. Rosemarie Hein, Kathrin Senger-Schäfer und der Fraktion
DIE LINKE.

Einrichtung einer Deutschen Digitalen Bibliothek

Im Rahmen der europäischen Initiative zur Digitalisierung des Kulturerbes ist
im Jahr 2008 die europäische digitale Bibliothek Europeana online gegangen.
Laut Aussagen der EU-Kommission ist jedoch erst ein Prozent der in europäi-
schen Archiven und Bibliotheken lagernden Werke digitalisiert worden. Die
zuständige EU-Kommissarin für Informationsgesellschaft und Medien Viviane
Reding bezeichnete das Urheberrecht als größte Hürde bei der Digitalisierung
des europäischen Kulturerbes, nachdem die Konsultation zum Grünbuch „Ur-
heberrechte in der wissensbestimmten Wirtschaft“ durch die EU-Kommission
ausgewertet wurde.

Das Projekt einer Deutschen Digitalen Bibliothek (DDB) entspringt dieser
europäischen Vorhabenplanung und soll unter dem Dach der Europeana den
Zugang zum digitalisierten deutschen Kulturerbe bündeln, das von etwa
30 000 Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen in Deutschland beherbergt
wird. Für den Aufbau der technischen Infrastruktur werden die Kosten mit
1,3 Mio. Euro und die Kosten für den laufenden Betrieb mit 2,6 Mio. Euro
beziffert. Die eigentlichen Kosten für die Digitalisierung fallen jedoch vor
Ort in den Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen an und betragen in
Deutschland derzeit jährlich etwa 30 Mio. Euro. Dazu kommen die Kosten
für die Verfügbarhaltung auf Servern und die Datensicherung, die derzeit
etwa 28 Mio. Euro betragen. Die wissenschaftlichen Begleitstudien zur Er-
richtung der DDB schlagen eine Erhöhung dieser Mittel „um ein Mehr-
faches“ vor, wenn die DDB bei der Ausweitung der Bestände relevante Fort-
schritte verzeichnen will. Am 2. Dezember 2009 hat die Bundesregierung der
Einrichtung der DDB zugestimmt.

Parallel zu den Projekten Europeana und DDB scannt der Suchmaschinekon-
zern Google seit 2005 nach amerikanischem Recht vergriffene und gemeinfreie
(nicht oder nicht mehr urheberrechtsgeschützte) Werke in den USA und Europa
ein. Mit zehn Millionen gescannten Titeln ist das Projekt deutlich weiter fortge-
schritten als Europeana und DDB.
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie groß ist der Anteil der Werke, die in Deutschland bereits digitalisiert
sind und für die zukünftige Deutsche Digitale Bibliothek zur Verfügung ste-
hen?

Drucksache 17/304 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2. Wie groß ist derzeit der deutsche Anteil am gesamten europäischen Be-
stand an Digitalisaten, der im Rahmen der europäischen digitalen Biblio-
thek (Europeana) gebündelt wird?

3. Welche Ziele setzt sich die Bundesregierung bezüglich des Anteils von
Werken aus deutschen Einrichtungen bei der Europeana?

4. Bis zu welchem Umfang sollten die Bestände in Museen, Bibliotheken und
Archiven aus Sicht der Bundesregierung langfristig digitalisiert werden
(bitte nach Art der Bestände aufschlüsseln)?

5. In welchem Umfang wuchsen die Bestände an digitalisierten Werken in
den letzten Jahren, und ist diese Steigerung aus Sicht der Bundesregierung
zufriedenstellend?

6. Welche Probleme sind aus Sicht der Bundesregierung zu lösen, damit eine
umfassende Digitalisierung des Kulturerbes in Deutschland stattfinden
kann?

7. Inwieweit werden in Deutschland automatisierte Verfahren zur Digitalisie-
rung (Scanroboter) eingesetzt, und welchen Handlungsbedarf sieht die
Bundesregierung in dieser Hinsicht?

8. Sind die Bibliotheken, Museen und Archive aus Sicht der Bundesregierung
angemessen ausgestattet, gegebenenfalls im Rahmen eines zweckgebunde-
nen Budgets, um dem Auftrag zur Digitalisierung des Kulturerbes nach-
kommen zu können?

9. In welcher Höhe stellt die Bundesregierung Mittel unmittelbar für den Auf-
bau und den Betrieb der Deutschen Digitalen Bibliothek zur Verfügung?

10. In welcher Höhe stellt die Bundesregierung Mittel für die Herstellung des
digitalen Inhalts, der über die DDB veröffentlicht werden soll, zur Verfü-
gung?

11. In welcher Höhe haben Länder und Kommunen Mittel für Aufbau und Be-
trieb der DDB zugesagt, und welche Vereinbarung gilt für den Fall, dass
Länder und Kommunen dieser Vereinbarung nicht nachkommen?

12. Plant die Bundesregierung eine finanzielle Unterstützung der Kultur- und
Wissenschaftseinrichtungen bei der Unterhaltung und Pflege der als
Grundlage der DDB notwendigen Serverkapazitäten, Portale und Daten-
banken?

13. Soll auch der Zugang zu so genannten verwaisten und zu vergriffenen Wer-
ken für die Nutzer der DDB kostenlos sein?

14. Welche Eckpunkte der von der Verwertungsgesellschaft WORT (VG
WORT) mit dem Bibliothekenverband, dem Börsenverein des deutschen
Buchhandels und weiteren Verbänden getroffenen Übereinkunft zur Zu-
gänglichmachung von verwaisten Werken sind der Bundesregierung be-
kannt?

15. Wie bewertet die Bundesregierung diese insbesondere bezüglich der Tat-
sache, dass von den Bibliotheken gezahlte Schutzgebühren für verwaiste
Werke nach erfolgloser Suche nach einem Urheber an die bei der VG
WORT registrierten Rechteinhaber fließen sollen?

16. Stellt diese Übereinkunft aus Sicht der Bundesregierung Rechtssicherheit
für die Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen her, falls Rechteinhaber
von vermeintlich verwaisten Werken doch Widerspruch gegen die digitale
Veröffentlichung erheben?
17. Welchen gesetzlichen Weg zur besseren Zugänglichmachung verwaister
Werke verfolgt die Bundesregierung – den einer neuen Schrankenregelung

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/304

für Zwecke von Bildung und Wissenschaft oder eine gesetzliche Veranke-
rung der oben genannten Verfahrens- und Vergütungsregelungen mit maß-
geblicher Verantwortung der Verwertungsgesellschaften?

18. Welchen Nutzen versprechen sich Bund, Länder und Kommunen von der
Kooperation der DDB mit dem kommerziellen E-Book-Shop libreka.de,
der durch den Börsenverein des deutschen Buchhandels betrieben wird und
über den im September 2009 lediglich 32 digitale Bücher verkauft wurden?

19. Wird libreka.de einen exklusiven Zugriff als einzige kommerzielle Buch-
handlung auf das Portal der DDB bekommen?

Wenn ja, sind in den Verträgen Vergütungen für die jeweiligen Leistungen
von DDB und libreka.de vorgesehen?

20. Welche Bestandteile der DDB-Infrastruktur werden im Rahmen des vom
Bund geförderten Forschungsprogramms „THESEUS“ entwickelt?

21. Wie kompatibel sind die im Rahmen des Forschungsprogramms „THESEUS“
entwickelten Suchmaschinen der DDB mit den Programmen, die auf dem
Portal der Europeana zur Anwendung kommen?

22. Wie bewertet die Bundesregierung die Initiative der EU-Kommission, die
Bestände der europäischen digitale Bibliothek Europeana in Kooperation
mit privaten Partnern, möglicherweise auch Google, kurzfristig deutlich zu
erweitern?

23. Ist auch im Rahmen der DDB eine Einbindung der Digitalisate privater Un-
ternehmen, etwa der von Google Book Search, vorgesehen?

24. Welchen Anteil haben bildende und darstellende Werke sowie Film- und
Tonwerke am Bestand der Digitalisate in Deutschland?

25. Welche konkreten Vorhaben plant die Bundesregierung gegebenenfalls in
Zusammenarbeit mit den Ländern zur weiteren Digitalisierung dieser
Werke?

Berlin, den 17. Dezember 2009

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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