BT-Drucksache 17/2986

Erkenntnisse aus dem Anbau der gentechnisch veränderten Amflora-Kartoffel im Jahr 2010

Vom 17. September 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2986
17. Wahlperiode 17. 09. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Jan van Aken, Karin Binder, Heidrun
Bluhm, Steffen Bockhahn, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, Sabine Stüber,
Alexander Süßmair und der Fraktion DIE LINKE.

Erkenntnisse aus dem Anbau der gentechnisch veränderten Amflora-Kartoffel
im Jahr 2010

Die Agro-Gentechnik ist in Deutschland und der Europäischen Union (EU) um-
stritten. Aktuell sind nur zwei Pflanzen zum kommerziellen Anbau in der EU zu-
gelassen: der gentechnisch veränderte Mais MON810 von Monsanto und die
gentechnisch veränderte Kartoffel Amflora (EH92-527-1) von BASF Plant
Sciences. Der Anbau von MON810 ist in Deutschland verboten. Ein Antrag auf
Wiederzulassung ist in der EU anhängig und könnte bei einer positiven Ent-
scheidung seitens der EU das in Deutschland bestehende Anbauverbot auf-
heben. Dann wäre ein neues Verbot von MON810 notwendig.

Die Amflora-Kartoffel wurde im Jahr 2010 in Deutschland nur auf einem Feld
in Mecklenburg-Vorpommern kommerziell angebaut. Bereits seit einigen Jahren
wird südlich der Müritz mit der BASF-Knolle experimentiert. Auf ca. 15 bis
20 Hektar auf einem Acker der Gemarkung Zepkow wurde die Knolle von
einem Landwirt ausgebracht. Am Rande dieses Feldes fanden sowohl Werbe-
und Lobbyveranstaltungen von BASF statt als auch zahlreiche Proteste von
Gentechnikkritikerinnen und Gentechnikkritikern. Von der kritischen Öffent-
lichkeit wurde ein starker Befall der Kartoffelpflanzen mit Viren festgestellt.
Der zuständige Landwirtschaftsminister Mecklenburg-Vorpommerns, Till
Backhaus, äußerte Ende Juli 2010 in einem Interview (Schweriner Volkszeitung,
24. Juli 2010), er sehe die Grundlagen des Kartoffelanbaus gefährdet: „Die Gen-
Kartoffel gefährdet die einzigen Gesundlagen in Deutschland, weil die Amflora
einen erhöhten Virusbefall hat. Gesundlagen gibt es in Europa nur noch zwei: in
Schottland und in MV.“

Die Bundesregierung hat sich – im Gegensatz zu den Regierungen aus Öster-
reich und Luxemburg – nicht für ein nationalstaatliches Verbot der BASF-Kar-
toffel entschieden. Die im Gentechnikgesetz vorgeschriebene nähere Bestim-
mung so genannter pflanzenartspezifischer Vorgaben (in der Gentechnik-Pflan-
zenerzeugungsverordnung) für den Anbau der Amflora-Kartoffel wurde nicht
rechtzeitig vor der Ausbringung der Knollen erarbeitet. Diese rechtliche Vor-
schrift zur Erzielung der so genannten Koexistenz – also der Trennung zwischen

gentechnisch veränderten und normalen Pflanzen – liegt immer noch nicht vor.
Angesichts von Anfang September 2010 festgestellten Verunreinigungen eines
Amflora-Ackers in Schweden durch die BASF-Kartoffel Amadea ist das Prinzip
der so genannten Koexistenz erneut in die Kritik geraten.

Drucksache 17/2986 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Warum wurde im Jahr 2010 nicht wie angemeldet auf einer Fläche von
20 Hektar, sondern nur auf einer Fläche von 15 Hektar die gentechnisch
veränderte Amflora-Kartoffel in der Gemarkung Zepkow ausgebracht?

2. Wie viele Kilogramm der gentechnisch veränderten Amflora-Kartoffel
wurden insgesamt im Jahr 2010 geerntet?

3. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Sicherstellung des
Erntegutes und der noch nicht geernteten Amflora-Kartoffeln durch die zu-
ständigen Behörden in Mecklenburg-Vorpommern?

4. Wie viele Kilogramm wogen die geernteten Amflora-Kartoffeln im Durch-
schnitt?

Wie verhält sich dieses Durchschnittsgewicht zu den entsprechenden
Werten aus den Freisetzungsversuchen in den Jahren 2007 bis 2009 in
Bütow/Dambeck bzw. Zepkow?

5. Wie viele Kartoffeln (ca.) sind im Jahr 2010 auf den Äckern zurückgeblie-
ben, und wie wurden diese Ernterückstände erfasst?

Was war der Grund für diese Ernterückstände?

Wie wurde anschließend mit den Ernterückständen (Knollen und Kraut)
umgegangen?

Welche Sicherheitsvorkehrungen wurden getroffen, um Menschen und
Tiere von dem Erntegut fernzuhalten?

Wie wurde die Ernte überwacht?

6. Wie, wo und durch wen wurden die Ernten der Amflora-Freisetzungen
2007 und 2008 und die Erntereste der Freisetzungen 2007 bis 2009 in
Bütow/Dambeck und Zepkow entsorgt?

Wer hat die Vernichtung dieser Reste überwacht und protokolliert?

7. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Kontrollen der zuständi-
gen Behörden, ob durch die Freisetzungsversuche in den Jahren 2007 bis
2009 Amflora-Kartoffeln verschleppt und in der Umgebung der Standorte
im Jahr 2010 gewachsen sind?

8. Ist der Bundesregierung bekannt, wo das durch die Ernte 2010 gewonnene
Amflora-Pflanzgut im Jahr 2011 zum Anbau ausgebracht werden soll?

9. Gibt es für die Amflora-Kartoffel einen Antrag auf Feldanerkennung ge-
mäß Pflanzkartoffelverordnung?

Welche Konsequenzen hätte dies auf die nächste Anbausaison, wenn er
nicht gestellt oder abschlägig beschieden würde?

Ist ohne Feldanerkennung das Ziel des Anbaus, die Saatgutgewinnung
bzw. -vermehrung für das Folgejahr, nicht erfüllt?

Gab es in der Vergangenheit Anträge gemäß Pflanzkartoffelverordnung für
Amflora?

10. Wurden 2010 in der Bundesrepublik Deutschland gentechnisch veränderte
Kartoffeln außerhalb der im Standortregister dokumentierten Freisetzungen
(z. B. für Sortenzulassungen) ausgebracht?

Gab es solche Ausbringungen in der Vergangenheit in Bütow/Dambeck
und/oder in der Gemarkung Zepkow?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/2986

11. Wann wird die Bundesregierung die Regelungen zur Sicherung der Koexis-
tenz bei gentechnisch veränderten Kartoffeln (pflanzenartspezifische Vor-
gaben in der Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung) vorlegen?

12. Welche wissenschaftlichen Grundlagen werden zur Erarbeitung dieser
Regelungen konkret hinzugezogen, und wer erarbeitet konkret den Ent-
wurf?

13. Wie wird die Bundesregierung die Erfahrungen aus dem Amflora-Anbau im
Jahr 2010 und den Freisetzungsversuchen der Vorjahre in die Erarbeitung
der Koexistenzvorgaben einfließen lassen?

Wie wird die Bundesregierung die Erfahrungen der Amflora-Kontamina-
tionen durch die gentechnisch veränderten Amadea-Kartoffeln im König-
reich Schweden im Jahr 2010 einfließen lassen?

14. Welche wissenschaftlichen Untersuchungen hat die Bundesregierung durch
wen zur Erarbeitung der Koexistenz-Vorgaben anbaubegleitend am Am-
flora-Acker in der Gemarkung Zepkow durchführen lassen?

15. Liegen der Bundesregierung Informationen über im Jahr 2010 aufgetretene
Amflora-Durchwuchskartoffeln, welche aus den vorangegangenen Freiset-
zungsversuchen stammen könnten, in der Gemarkung Zepkow vor?

16. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Krankheitsvorkommen
auf dem Amflora-Acker in der Gemarkung Zepkow (bitte Nennung der
Krankheiten, Erreger und Ausmaß)?

17. Wann wurden dort von wem Missbildungen der Kartoffelpflanzen festge-
stellt?

Wie hoch war die Befallsdichte?

18. Wann wurden diese Untersuchungen von wem veröffentlicht?

19. Was ist der Bundesregierung über den Verbleib der blau gekennzeichneten
virenbefallenen und aus dem Bestand genommenen Amflora-Kartoffel-
pflanzen bekannt?

Wie viele Pflanzen wurden markiert und entfernt?

20. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über eine mögliche infektiöse
oder anderweitige Belastung des Amflora-Saatgutes bereits vor der Aus-
bringung in der Gemarkung Zepkow?

21. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über virenbefallene Amflora-
Äcker im Königreich Schweden und der Tschechischen Republik?

Handelt es sich hierbei um die gleichen Erreger wie in der Gemarkung
Zepkow?

Sind bereits während der Lagerung Krankheiten aufgetreten, und von wem
wurde das überwacht bzw. dokumentiert?

22. Sind die dort von Viren befallenen Amflora-Kartoffeln als Saatgut für das
Anbaujahr 2011 zugelassen?

Welche Verwendung können die von Viren befallenen Amflora-Kartoffeln
haben, wenn sie im Jahr 2011 nicht als Saatgut genutzt werden dürfen?

23. Wie ist die Krankheitsbelastung der Amflora-Kartoffel im Jahr 2010 im
Vergleich zu den Freisetzungen in Bütow/Dambeck und Zepkow in den
Jahren 2007 bis 2009 einzuschätzen?

Gab es quantitativ gleiche oder unterschiedliche Ausfälle, waren es die
gleichen oder unterschiedliche Krankheiten bzw. Erreger?

Drucksache 17/2986 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

24. Wie wurden andere in der Gemarkung Zepkow liegende Kartoffeläcker vor
der Ausbreitung von Krankheiten geschützt?

25. Wie groß muss der Mindestabstand zu anderem gewerblichem oder priva-
tem Kartoffelanbau sein?

26. Ist der Bundesregierung eine besondere Virenanfälligkeit der Amflora-Kar-
toffel bekannt?

Wenn ja, um welche Viren handelt es sich hierbei, und wie wurden oder
werden solche potentiellen Risiken vorsorglich wissenschaftlich unter-
sucht?

Gibt es einen Zusammenhang zwischen der gentechnischen Veränderung
und der Virenanfälligkeit?

27. Ist der Bundesregierung eine besondere Virenanfälligkeit der Amadea-
Kartoffel bekannt?

Wenn ja, um welche Viren handelt es sich hierbei, und wie wurden oder
werden solche potentiellen Risiken vorsorglich wissenschaftlich unter-
sucht?

Gibt es einen Zusammenhang zwischen der gentechnischen Veränderung
und der Virenanfälligkeit?

28. Wie verträgt sich ggf. die Virenanfälligkeit mit einem Anbau in Gesund-
lagen, die es außer in Mecklenburg-Vorpommern europaweit nur in Schott-
land gibt?

Geht vom Anbau von Amflora-Kartoffeln eine Gefahr für die einheimische
Gesundlage aus?

29. Fanden in der Gemarkung Zepkow im Jahr 2010 Demonstrationen, Feldbe-
setzungen, Feldbefreiungen oder andere Formen des zivilen Ungehorsams
statt?

Wenn ja, hatte dies Folgen für den Ablauf des Anbaus und die Zulassung
des Erntegutes als Pflanzgut für das Jahr 2011?

30. Was ist über den Verbleib der am 8. Juli bzw. am 29. Juli 2010 von Dritten
herausgerissenen Kartoffelpflanzen bekannt?

Wer hat den Verbleib dieser Pflanzen kontrolliert?

31. Welche Imageschäden durch den Amflora-Anbau sind nach Ansicht der
Bundesregierung für andere kartoffelanbauende Betriebe im südlichen
Mecklenburg-Vorpommern zu befürchten bzw. bereits festzustellen?

32. Welche weiteren gentechnisch veränderten Kartoffeln befinden sich in
einem EU-Zulassungsverfahren, und welche Position hat die Bundesregie-
rung bezüglich der Notwendigkeit ihres Anbaus in der Bundesrepublik
Deutschland?

33. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Freisetzungsversuche und
-standorte der neu beantragten BASF-Kartoffel namens Amadea (BASF-
Pressemitteilung vom 31. August 2010)?

34. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die gentechnisch ver-
änderte Kartoffel namens „Fortuna“?

Wo wurde diese mit welchem Ziel bereits freigesetzt?

35. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den Verbleib der vom
Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Rainer Brüderle, und
BASF-Vorständen am 31. August 2010 geernteten Amflora-Kartoffeln?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/2986

36. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Anbauflächen, Ernte-
erträge und Krankheitsvorkommen der beiden konventionell gezüchteten
Stärkekartoffeln namens „Henriette“ und „Eliane“?

37. Welche Rückschlüsse zieht die Bundesregierung aus dem Auftreten von
Amadea-Karoffeln in einem Amflora-Acker in Schweden für ihre grund-
sätzliche Haltung zur Erreichung der so genannten Koexistenz – also der
vollständigen Trennung von gentechnisch veränderten und unveränderten
Pflanzen?

38. Welche Rückschlüsse zieht die Bundesregierung aus den Äußerungen des
Landwirtschaftsministers von Mecklenburg-Vorpommern, Till Backhaus,
(www.agrarheute.com vom 9. September 2010), „die Amflora-Kartoffel
müsse nach den Verunreinigungsfällen durch Amadea-Kartoffeln und der
Aussage der BASF, es handle sich vermutlich um eine Verwechslung (AFP,
9. September 2010), verboten werden“?

Berlin, den 15. September 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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