BT-Drucksache 17/2796

Erfahrungen mit dem Ehrenmal der Bundeswehr

Vom 23. August 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2796
17. Wahlperiode 23. 08. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. Lukrezia Jochimsen, Harald Koch,
Jens Petermann und der Fraktion DIE LINKE.

Erfahrungen mit dem Ehrenmal der Bundeswehr

Am 8. September 2009 ist das „Ehrenmal der Bundeswehr“ am Rande des Ber-
liner Bendlerblocks eingeweiht worden. Dort soll der Soldaten, die in Ausübung
ihres Dienstes ums Leben kamen, gedacht werden.

Kritiker haben schon früh darauf hingewiesen, hier werde eine Art Heldenkult
etabliert. Das Ehrenmal ist geprägt von einer Mischung aus Gepränge (goldene
Wand), Mystizismus („cella“) und künstlerisch streitwürdigen Ornamenten.

Das Ehrenmal erhebt mit dem Spruch „Den Toten unserer Bundeswehr. Für
Frieden, Recht und Freiheit“ den Anspruch, eine gültige Interpretation des To-
des „im Dienste“ für die Bundesrepublik Deutschland zu geben. Doch gerade in
Bezug auf die Soldaten, die in Afghanistan zu Tode kommen, wird in der Öffent-
lichkeit, aber auch zunehmend in der Bundeswehr selbst vielfach bestritten, dass
diese tatsächlich im Dienste von Frieden und Freiheit starben.

So stellt sich nicht die Ehrung der Toten als eigentliche Aufgabe des Ehrenmals
dar, sondern ihre Instrumentalisierung. Letztlich geht es darum – das zeigen
auch bislang bekannt gewordene Ansprachen bei Zeremonien am Ehrenmal –
die weitere Tote provozierende Kriegspolitik der Bundesregierung zu rechtfer-
tigen.

Die Frage, ob dieses Konzept aufgeht, ist allerdings offen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele verstorbene Bundeswehrangehörige werden derzeit insgesamt
namentlich am Ehrenmal genannt, und wie viele befinden sich noch in der
Prüfung?

2. Dauert die Namenseinblendung immer noch 10 Sekunden, und wenn nein,
wie lange dauert sie mittlerweile, und wie lange dauert ein kompletter
Namensdurchlauf?

3. Haben sich die Richtlinien für die namentliche Nennung, wie sie auf Bundes-
tagsdrucksache 16/14127 angegeben waren, seither geändert (bitte ggf. neue
Fassung vollständig mitteilen)?
4. Wem obliegt derzeit die Prüfung, ob verstorbene Bundeswehrangehörige na-
mentlich am Ehrenmal genannt werden?

a) Wird die Prüfung nach wie vor von Mitarbeitern der Bundeswehr im
Nebenamt wahrgenommen, und wenn ja, wird die Tätigkeit vergütet
(bitte, soweit unter Datenschutzaspekten möglich, auf die Art sowie Kon-
ditionen der Vergütung eingehen)?

Drucksache 17/2796 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

b) Welche zeitlichen Abstände liegen seit Einweihung des Ehrenmals zwi-
schen Bekanntwerden des Todes, Abschluss der Namensnennungsprü-
fung und ggf. Umsetzung der Namensnennung?

c) Sind die sieben im April 2010 in Afghanistan zu Tode gekommenen Sol-
daten bereits namentlich im Ehrenmal genannt, und wenn ja, an welchem
Tag war die Prüfung der Namensnennung abgeschlossen, und an wel-
chem Tag wurde diese umgesetzt, und wenn nein, warum nicht?

d) In wie vielen Fällen endete die Prüfung der Namensnennungswürdigkeit
seit Einweihung des Ehrenmals negativ und in wie vielen Fällen positiv?

e) Gibt es innerhalb der Bundeswehr eine Beschwerde- oder Revisions-
möglichkeit gegen den Ausgang dieser Prüfung, und wenn ja, wie gestal-
tet sich diese, und welche konkreten Erfahrungen wurden damit ge-
macht?

f) Wurden seit Einweihung des Ehrenmals Namen gestrichen, und wenn ja,
aus welchen Gründen und auf wessen Veranlassung?

5. Wie viele Fälle von Selbsttötungen sind seit dem 8. September 2009 (Ein-
weihung des Ehrenmals) auf Namensnennungswürdigkeit geprüft worden
und mit welchem Ergebnis?

6. Warum prüft das Bundesministerium der Verteidigung nicht, inwiefern
Todesfälle infolge Drogenmissbrauches ebenfalls in einem kausalen Ver-
hältnis zur Diensterfüllung stehen (in dem Sinne, dass überbordender
Stress, Mobbing, posttraumatische Belastungsstörungen oder andere
psychische Ausnahmezustände nach Einsätzen und andere dienstliche
Belastungen zum Drogenmissbrauch führten), bzw. falls eine solche
Prüfung mittlerweile durchgeführt wird, wie viele solcher Fälle werden
inzwischen am Ehrenmal namentlich genannt?

7. Warum gelten Soldaten, die auf dem Weg zwischen Kaserne und Wohnung
tödliche Unfälle erleiden, nicht als verstorben „infolge der Dienstausübung“
und werden dementsprechend nicht im Ehrenmal genannt, wo doch in die-
sem Falle die Kausalität zwischen Diensterfüllung, die eine Anreise notwen-
dig macht, und dem Tod auf diesem Anreiseweg höchst plausibel erscheint?

8. Haben sich seit Einweihung des Ehrenmals Fälle ereignet, in denen Ange-
hörige darum gebeten oder gefordert haben, auf die Nennung einer Soldatin
oder eines Soldaten zu verzichten, und wenn ja, wie viele, und wie hat die
Bundeswehr darauf reagiert?

9. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Resonanz, die das
Ehrenmal hervorruft, insbesondere

a) bei Zivilistinnen und Zivilisten,

b) bei Angehörigen der Verstorbenen,

c) bei unmittelbaren Kameradinnen und Kameraden der Verstorbenen,

d) bei anderen Soldatinnen und Soldaten,

e) durch andere gesellschaftliche Kräfte (Parteien, Kirchen, Verbände, In-
teressengemeinschaften usw.),

f) bei Touristen,

g) und inwiefern liegen der Bundesregierung, da kaum belastbares Zahlen-
material vorliegen dürfte, ungefähre Bilanzen oder Einschätzungen oder
Stimmungsbilder vor (bitte ggf. ausführen)?

10. Welche Gesamtbilanz zieht die Bundesregierung fast ein Jahr nach Einwei-

hung des Ehrenmals, und auf welcher Grundlage erfolgt diese Bilanz?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/2796

11. Wie viele offizielle Anlässe durch Politik bzw. Bundeswehr hat es seit Ein-
weihung am Ehrenmal gegeben (bitte komplett auflisten mit Datum und
Nennung des Anlasses sowie der Teilnehmer)?

12. Welche Bedeutung kommt dem Ehrenmal im Rahmen von Trauerfeierlich-
keiten für

a) in Afghanistan zu Tode gekommene Soldaten,

b) anderweitig infolge der Dienstausübung zu Tode gekommene Soldaten
zu,

und welche Trauerfeierlichkeiten fanden in dieser Hinsicht bislang statt
(bitte Angabe des Datums, des Anlasses sowie des Teilnehmerkreises)?

13. Liegt der Bundesregierung eine Presseauswertung speziell zum Ehrenmal
vor, und wenn ja, wie fasst sie diese zusammen?

14. Hat die Bundesregierung Kenntnis von Protestaktionen, die sich gegen das
Ehrenmal selbst richteten oder am Ort des Ehrenmals erfolgten, und wenn
ja, wie viele derartige Aktionen haben sich seit Einweihung ereignet (bitte
Datum/Zeitraum, Anlass, Inhalt und Veranstalter der Aktion benennen, so-
weit bekannt)?

15. Ist das auf Bundestagsdrucksache 16/14127 angekündigte Nutzungskon-
zept des Ehrenmals mittlerweile erstellt (bitte ggf. als Anlage beifügen),
und wenn nein, warum nicht, und bis wann soll es erstellt sein?

16. Wird die Nutzung durch das Publikum in Form von Kranzniederlegungen
inklusive beschrifteter Schleifen, anderer schriftlicher Mitteilungen oder
sonstiger Hinterlassenschaften regelmäßig oder sporadisch erfasst, und
wenn ja, welche Angaben kann die Bundesregierung darüber machen?

17. Welche inhaltlichen Bezüge gibt es von Seiten rechtsextremer Kräfte auf
das Ehrenmal?

18. Wann und wie lange gab es außerplanmäßige Schließungen des Ehrenmals
wegen

a) Nutzungen durch Politik und Militär von der Innenseite des Bendler-
blocks aus,

b) angemeldeter oder erwarteter Protestaktionen,

c) technischer Probleme mit der verschiebbaren Wand (bitte die Problema-
tik schildern und etwaige Maßnahmen zu ihrer Behebung darlegen),

d) anderer Gründe (bitte aufgliedern)?

19. Wann und wie lange gab es Ausfälle bei der Namenseinblendung, und wel-
che Ursachen hatten diese?

20. Welche Maßnahmen sind bislang unternommen worden sowie in der Pla-
nung, das Ehrenmal bekannter zu machen und mehr Besucher anzuziehen?

21. Sind Maßnahmen zu einer Aufwertung der unmittelbaren Umgebung des
Ehrenmals durchgeführt worden oder beabsichtigt (bitte darlegen)?

22. Welche Öffnungszeiten gelten derzeit, und inwiefern ist hier möglicher-
weise eine Veränderung vorgesehen?

23. Sind bauliche Veränderungen oder Instandsetzungsmaßnahmen am Ehren-
mal beabsichtigt (bitte darlegen)?

Berlin, den 18. August 2010
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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