BT-Drucksache 17/2599

Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Missbrauch von Rufnummern und unlauterer Telefonwerbung

Vom 19. Juli 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2599
17. Wahlperiode 19. 07. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Caren Lay, Karin Binder, Alexander Süßmair,
Dr. Kirsten Tackmann und der Fraktion DIE LINKE.

Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Missbrauch von Rufnummern
und unlauterer Telefonwerbung

Gewinnversprechen mit Rückrufaufforderung auf teure Mehrwertdienste-Ruf-
nummern, Telefonterror durch automatische Anwählcomputer (sogenannte Pre-
dictive Dialer) und unerwünschte Telefonwerbung sind Belästigungen, denen
sich Verbraucherinnen und Verbraucher seit Jahren ausgesetzt sehen. 108 141
Verbraucheranfragen und -beschwerden wegen Rufnummernmissbrauchs und
unverlangter Werbeanrufe gingen 2009 bei der Bundesnetzagentur ein. Die
Beschwerdezahl hat sich damit im Vergleich zum Jahr 2007 verdoppelt. Seit
Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung im
August 2009 sind bei der Bundesnetzagentur allein wegen unlauterer Telefon-
werbung 57 000 Beschwerden bis April 2010 eingegangen (Bericht des ARD-
Magazins „Panorama“, www.daserste.de, am 1. Juli 2010). Die Verbraucher-
zentralen haben von März 2010 bis Juni 2010 innerhalb von vier Monaten
40 753 Beschwerden wegen unerlaubter Telefonwerbung registriert.

Nach dem Telekommunikationsgesetz (TKG) ist die Bundesnetzagentur für
Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (Bundesnetzagen-
tur) die zuständige Behörde, die gegen den Missbrauch von Rufnummern und
unlautere Telefonwerbung vorgehen kann. Laut ihrem Jahresbericht ist sie 2009
4 718-mal in dieser Hinsicht aktiv geworden. Präventiv hat sie 44-mal reagiert
und Rufnummern noch vor einer missbräuchlichen Nutzung abschalten lassen.
Wegen unerlaubter Telefonwerbung hat sie von August 2009 bis April 2010
neun Bußgeldverfahren eingeleitet.

Die behördlichen Maßnahmen stehen in keinem Verhältnis zu den eingegange-
nen Beschwerden. Die bisherigen Instrumentarien und gesetzlichen Regelungen
scheinen nicht auszureichen, Rufnummernmissbrauch und unlautere Telefon-
werbung effektiv und nachhaltig zu reduzieren. Der am 14. Juli 2010 von dem
Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. vorgestellte Zwischenbericht zu ihrer
Erhebung von Verbraucherbeschwerden wegen unerlaubter Werbeanrufe bestä-
tigt: Unerlaubte Telefonwerbung und dabei untergeschobene Verträge nehmen
nicht ab.
Wir fragen daher die Bundesregierung:

1. Wann ist mit den Ergebnissen der Evaluierung des Gesetzes zur Bekämpfung
unerlaubter Telefonwerbung und zur Verbesserung des Verbraucherschutzes
bei besonderen Vertriebsformen durch das Bundesministerium der Justiz zu
rechnen?

Drucksache 17/2599 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2. Wann und mit welchen verbraucherschützenden Inhalten plant die Bundes-
regierung eine Novellierung des TKG?

3. Wie viele Beschwerden wegen Rufnummernmissbrauchs und unerlaubter
Telefonwerbung sind von August 2009 bis Juli 2010 bei der Bundesnetz-
agentur eingegangen?

4. Wie hoch schätzt die Bundesregierung die Dunkelziffer von nicht bei der
Bundesnetzagentur durch Verbraucherinnen und Verbraucher gemeldete
Rufnummernmissbräuche einschließlich unlauterer Telefonwerbung ein?

5. Wie schätzt die Bundesregierung das Wissen der Verbraucherinnen und
Verbraucher über die Rechte und Pflichten der Bundesnetzagentur beim
Kampf gegen Rufnummernmissbrauch und unlautere Telefonwerbung ein,
und wie werden die Verbraucherinnen und Verbraucher über diese für sie
bei telefonischer Belästigung relevante Anlaufstelle informiert?

Sind weitere Maßnahmen der Verbraucherinformation geplant?

6. Wie oft hat die Bundesnetzagentur 2008, 2009 und 2010 von sich aus Er-
mittlungen gegen Unternehmen wegen des Missbrauchs von Rufnummern
und unerlaubter Telefonwerbung eingeleitet?

Wie viele Ermittlungen basieren auf Verlangen von a) Verbraucherverbän-
den und b) individuellen Verbraucherbeschwerden?

7. Welche Erfahrungen hat die Bundesnetzagentur dahingehend gemacht, ob
ihre Maßnahmen greifen und den Missbrauch von Rufnummern einschließ-
lich unlauterer Telefonwerbung nachhaltig eindämmen?

8. Wie bewertet die Bundesregierung die Effektivität der Maßnahmen der
Bundesnetzagentur bei der Bekämpfung von Rufnummernmissbrauch und
unlauterer Telefonwerbung?

9. Wie viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen befassen sich bei der Bundes-
netzagentur mit der Bekämpfung des Rufnummernmissbrauchs und unlau-
terer Telefonwerbung?

10. Wie lange benötigt die Bundesnetzagentur, um auf die erste missbräuch-
liche Nutzung einer Rufnummer bzw. erste Verbraucherbeschwerde mit
Maßnahmen zu reagieren?

11. Aus welchen Gründen hat die Bundesnetzagentur 2009 nur 44 Rufnummern
präventiv abgeschaltet?

12. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, präventiv die Verbrauche-
rinnen und Verbraucher stärker zu schützen und es nicht erst zu Missbräu-
chen von Rufnummern und unlauterer Telefonwerbung kommen zu lassen?

13. Inwiefern prüft die Bundesnetzagentur vor Erteilung einer Rufnummer die
Seriosität von Antragstellern unter Verbraucherschutzgesichtspunkten, und
welche Gesichtspunkte spielen hierbei gegebenenfalls eine Rolle?

Wie oft hat die Bundesnetzagentur die Zuteilung einer Nummer im Sinne
von § 6 Nummer 1 Buchstabe b der Telekommunikations-Nummerierungs-
verordnung (TNV) in den Jahren 2008, 2009 und 2010 abgelehnt, weil sie
die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften als nicht gewährleistet sah?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/2599

14. Hat die Bundesnetzagentur in Erwägung gezogen, vor Erteilung einer Mehr-
wertdienstrufnummer von dem Unternehmen eine Kaution zu verlangen?

Wenn ja, wie oft hat sie diese Möglichkeit genutzt?

Wenn nein, was hindert sie daran, eine solche Kaution zu verlangen?

15. Was müsste nach Auffassung der Bundesregierung im TKG bzw. in der Pra-
xis geändert werden, um die Zulassung von unseriösen Anbietern von vorn-
herein zu unterbinden?

Ist geplant, die Prüfung von Geschäftsmodellen mit einzubeziehen?

16. Welche zehn Geschäftsmodelle wurden 2009 untersagt, und um welche
Unternehmen und Einzelpersonen handelte es sich?

Wurden die Geschäftsmodelle vor Erteilung einer Rufnummer geprüft, und
wenn nein, warum nicht?

17. Wie oft und aus welchen Gründen konnte die Bundesnetzagentur von An-
fang 2009 bis Juli 2010 keine Maßnahmen gegen Unternehmen wegen Ruf-
nummernmissbrauchs und unlauterer Telefonwerbung einleiten, weil die
Voraussetzungen für eine gesicherte Kenntnis im Sinne von § 67 Absatz 1
TKG nicht erfüllt waren?

18. Welche Angaben benötigt die Bundesnetzagentur, um „gesicherte Kennt-
nisse“ vom Missbrauch einer Rufnummer im Sinne von § 67 TKG zu haben?

19. Wie viele Verfahren wegen unerlaubter Telefonwerbung mussten im Zeit-
raum August 2009 bis Juli 2010 eingestellt werden, weil die Bundesnetz-
agentur keinen Einblick in die Verkehrsdaten der Netzbetreiber nehmen
konnte, obwohl Verstöße vorlagen?

20. Wie erklärt die Bundesregierung, dass den 57 000 Verbraucherbeschwerden
im Zeitraum von August 2009 bis April 2010 lediglich neun verhängte Buß-
gelder wegen unerlaubter Werbeanrufe gegenüberstehen?

Wie hoch waren die einzelnen Bußgelder?

Um welche Unternehmen handelte es sich?

Sind weitere Bußgeldverfahren offen oder in Planung?

21. Wie häufig wichen 2009 Betreiber bei Sperrung einer Rufnummer unter
gleichbleibender Firmenbezeichnung auf eine andere Nummer aus?

22. Wie häufig wurden 2009 andere Servicenummern missbraucht, um die für
0900-Nummern geltenden Schutzmaßnahmen zu umgehen, und welche
Rufnummern sind hierbei besonders betroffen?

23. Wie häufig wurde der Bundesnetzagentur 2009 der Einsatz von sog. Pre-
dictive Dialern bekannt, und lässt sich aus dieser Zahl schließen, dass diese
Anwahlmethode bei Unternehmen oder Callcentern mittlerweile weitver-
breitet ist?

24. Wie viele Unternehmen wurden 2009 wegen des Einsatzes sog. Predictive
Dialer ermahnt, und warum wurden deren Rufnummern, mit Ausnahme von
acht Anordnungen, nicht abgeschaltet?

Um welche Unternehmen handelte es sich, und wie haben die Unternehmen
auf die Ermahnung reagiert?

25. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung gegen die missbräuchliche
Verwendung sogenannter Predictive Dialer, um Verbraucherinnen und Ver-
braucher vor dieser massiven Belästigung und dem Eingriff in die Privat-
sphäre stärker zu schützen?

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26. Welche Mindestvoraussetzungen muss ein Unternehmen erfüllen, um Dia-
ler (Anwählprogramme) im Sinne von § 66f TKG nutzen zu können, und
wie oft hat die Bundesnetzagentur bisher die Registrierung von Dialern
abgelehnt, weil die Antragsteller nicht die erforderliche Zuverlässigkeit im
Sinne von § 66 Absatz 3 TKG erfüllten?

Berlin, den 16. Juli 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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