BT-Drucksache 17/2581

Sinn, Zweck, Umfang und Kosten von Patenschaften von Städten, Gemeinden und Landkreisen mit Einheiten der Bundeswehr

Vom 13. Juli 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2581
17. Wahlperiode 13. 07. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Kathrin Vogler, Christine Buchholz, Inge Höger, Ulla Jelpke,
Katrin Kunert, Dr. Kirsten Tackmann, Sahra Wagenknecht, Halina Wawzyniak
und der Fraktion DIE LINKE.

Sinn, Zweck, Umfang und Kosten von Patenschaften von Städten, Gemeinden
und Landkreisen mit Einheiten der Bundeswehr

Eine große Zahl von Städten, Gemeinden und Landkreisen hat eine Patenschaft
mit einem Truppenteil der Bundeswehr abgeschlossen bzw. eine Patenschaft
über eine Kaserne der Bundeswehr oder über ein Kriegsschiff der Bundesmarine
übernommen. Mit diesen Patenschaften wird angestrebt, die Bundeswehr stärker
in Staat und Gesellschaft einzubinden und die Akzeptanz der Bundeswehr in der
Bevölkerung zu erhöhen. Zudem sollen diese Patenschaftsverträge angeblich
Freundschaften der Kommune mit der Bundeswehreinheit besiegeln bzw. dar-
stellen (www.berlin.de).

Angeblich sollen Begegnungen im Rahmen der Patenschaften bei Soldatinnen
und Soldaten sowie Bürgerinnen und Bürgern ein gegenseitiges Verständnis für-
einander erzeugen (www.berlin.de). Unzweifelhaft wird angestrebt, dass in der
Bevölkerung ein Verständnis und eine Akzeptanz der Bundeswehr und ihrer
Ziele entsteht. Mehr als fraglich ist jedoch, dass umgekehrt auch bei den Solda-
tinnen und Soldaten ein Verständnis der Haltung der Bevölkerung angestrebt
oder auch nur geduldet wird, sofern die Bevölkerung wesentliche Ziele und Auf-
träge der Bundeswehr nicht unterstützt. Es fällt den Antragstellern schwer zu
glauben, dass es Zweck der Patenschaften sein soll, in der Bundeswehr ein Ver-
ständnis für die wachsende Ablehnung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan
oder anderer Auslandseinsätze zu schaffen.

Ein Auseinanderfallen der politischen Überzeugungen in der Bevölkerung und
der Bundeswehr scheint nicht in das Programm der Patenschaften zu passen. So
erklärt eine Gemeinde den Zweck der Patenschaft mit einer Einheit der Bundes-
wehr wie folgt: „Die Bevölkerung soll Einblick erhalten in den Auftrag des Sol-
daten. (…) Andererseits soll der Soldat in der Begegnung mit der Bevölkerung
darin bestärkt werden, dass er in der Erfüllung seines Auftrages die erforderliche
Unterstützung und Anerkennung erfährt.“ (www.pyrbaum.de). Eine ablehnende
Haltung der Bevölkerung zur Mission der Bundeswehr bleibt trotz der Umfra-
gewerte zur Ablehnung des Afghanistaneinsatzes unberücksichtigt. Ein Ver-
ständnis der Soldatinnen und Soldaten dieser ablehnenden Haltung in der Bevöl-

kerung scheint auch nicht angestrebt.

Um in der Bevölkerung eine Zustimmung zu Patenschaften mit Truppenteilen zu
fördern, werden überwindbare Defizite bei Infrastrukturmaßnahmen im zivilen
Bereich offensichtlich in Kauf genommen, damit die Gemeinde scheinbar ge-
zwungen ist, auf die Hilfsangebote der Bundeswehr zurückgreifen zu müssen.
So erklärt zum Beispiel das Bezirksamt Reinickendorf von Berlin, dass viele

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Veranstaltungen des Bezirkes Reinickendorf ohne die Unterstützung der Bun-
deswehr überhaupt nicht leistbar wären (www.berlin.de).

Diese Hilfen und Beteiligungen der Bundeswehr betreffen jedoch nicht nur
Einsätze bei Hochwasser, bei denen der zivile Katastrophenschutz überfordert
sein kann, sondern auch die Mitwirkung (und Teilnahme) an Feiern, Unterstüt-
zung der Reservistenarbeit (Sanitätsausbildung, Waffenkunde, Funkübungen,
Schießausbildung u. v. m.), Durchführungen von Durchschlageübungen mit
Übernachten der Soldaten in Privatquartieren sowie sozialkundliche Exkursio-
nen in die Gemeindeverwaltung und Durchführung von feierlichen Gelöbnissen
(www.pyrbaum.de). Häufig findet eine solche Patenschaft auch darin Ausdruck,
dass die Bundeswehr fester Bestandteil des Veranstaltungsprogramms von
Stadtfesten wird und die Bevölkerung mit militärischen Märschen unterhalten
bzw. beschallt wird. Der gleichen Quelle zufolge unterstützte umgekehrt die Ge-
meinde die Bundeswehreinheit bei der Durchführung von Feiern.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welchen Sinn und Zweck sieht die Bundesregierung in Patenschaften zwi-
schen Kommunen und der Bundeswehr?

2. Kann die Bundesregierung einen Überblick über bestehende oder in den
letzten Jahren aufgelöste Patenschaften zwischen Kommunen bzw. Land-
kreisen und Truppenteilen geben (bitte möglichst vollständige Auflistung)?

3. Seit wann gibt es solche Patenschaften?

4. Welche Hierarchieebene entscheidet über das Zustandekommen oder die
Auflösung eines Patenschaftsvertrages einer Bundeswehreinheit mit einer
Kommune?

Benötigen solche Patenschaften auf Seiten der Bundeswehr die Zustim-
mung des Bundesministeriums der Verteidigung oder einer anderen über-
geordneten Stelle des Truppenteils?

Wenn ja, ist eine solche Zustimmung in der Vergangenheit schon verwei-
gert worden, und gegebenenfalls warum?

5. Gibt es seitens der Bundeswehr beziehungsweise des Bundesministeriums
der Verteidigung Richtlinien für die Ausgestaltung solcher Patenschaften
(gegebenenfalls bitte als Anlage anfügen)?

6. Welche Leistungen der Kommunen beziehungsweise Landkreise erwartet
die Bundeswehr im Rahmen einer solchen Patenschaft?

7. Gibt es beim Verteidigungsministerium einen bestimmten Etat für Auf-
wendungen im Rahmen dieser Patenschaften?

Wenn ja, wie hoch war dieser in den letzten fünf Jahren jeweils?

8. Benötigen solche Patenschaften auf Seiten der Gemeinden und Kommunen
eine Zustimmung des kommunalen Parlaments, oder kann die Patenschaft
auch auf dem Verwaltungsweg beschlossen werden?

9. Gibt es Aufkündigungen von Patenschaften durch Kommunen beispiels-
weise aufgrund mangelnder politischer Zustimmung zu den Auslandsein-
sätzen der Bundeswehr oder aus anderen Gründen?

10. Gibt es entsprechende Patenschaften von Kommunen beispielsweise mit
Organisationen aus der Friedensbewegung oder antimilitärischen Gruppie-
rungen?

11. Kann die Bundesregierung einen Überblick darüber geben, wie hoch die

Aufwendungen der Kommunen für die Pflege dieser Patenschaften mit
Bundeswehreinheiten sind?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/2581

12. Gibt es Bestrebungen, für die von einigen Kommunen genannte Abhängig-
keit von Unterstützungsleistungen durch die Bundeswehr (beispielsweise
bei der Durchführung von Veranstaltungen) Abhilfe zu schaffen durch Auf-
bau einer entsprechenden zivilen infrastrukturellen Ausstattung und Unter-
stützungsmöglichkeit?

Berlin, den 13. Juli 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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