BT-Drucksache 17/2221

Abschluss von Rückübernahmeabkommen mit der Türkei und weitere Kooperation bei der Flüchtlingsabwehr

Vom 17. Juni 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2221
17. Wahlperiode 17. 06. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Sevim Dag˘delen, Petra Pau,
Jens Petermann, Frank Tempel und der Fraktion DIE LINKE.

Abschluss von Rückübernahmeabkommen mit der Türkei und weitere Kooperation
bei der Flüchtlingsabwehr

Nach einer Meldung in der türkischen Tageszeitung „Hürriyet“ vom 22. Dezem-
ber 2009 sollte bis Ende Januar 2010 ein Rückübernahmeabkommen zwischen
der Türkei und der Europäischen Union (EU) abgeschlossen werden. Wegen aus-
bleibender Fortschritte bei den entsprechenden Verhandlungen hat Bundeskanz-
lerin Dr. Angela Merkel deshalb beim Deutsch-Türkischen Wirtschaftsforum am
30. März 2010 in Istanbul in Aussicht gestellt, ein bilaterales Rückübernahme-
abkommen zu schließen. Die Bundeskanzlerin begründete dies mit der Rolle der
Türkei als Transitland: „Die Türkei ist an ihren Außengrenzen mit vielen Län-
dern verbunden. Aus diesen Ländern kommen wiederum Flüchtlinge, die die
Türkei als Transitland benutzen können. Das muss eingedämmt werden.“ Mitt-
lerweile hat auch die EU ihre Verhandlungen über ein solches Rückübernahme-
abkommen fortgesetzt. Ergebnisse sind noch nicht bekannt geworden.

In diesen Kontext gehört auch der geplante Abschluss eines Kooperationsab-
kommens zwischen der Türkei und der „Europäischen Agentur für die operative
Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Europäischen Union“, FRONTEX.
In den vergangenen Jahren hat sich die EU bemüht, auch für eine technologische
Aufrüstung der türkischen Grenzsicherung zu sorgen, die mit einem zögerlichen
zivilen Umbau des (bislang rein militärischen) Grenzschutzes der Türkei einher-
ging. Diese Aufrüstung wurde von Seiten der EU ungeachtet der Tatsache unter-
stützt, dass damit Flüchtlingen aus dem Iran, dem Irak und den Staaten des Mitt-
leren Osten (Afghanistan, Pakistan) der Transit in die EU deutlich erschwert
wird. In der Türkei erhalten diese Menschen keinen Flüchtlingsschutz, da die
Türkei die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) lediglich auf Flüchtlinge aus
Europa anwendet.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Hat die Bundesregierung Verhandlungen mit der Türkei über ein Rücküber-
nahmeabkommen begonnen, und wenn ja, wie ist der Stand dieser Verhand-
lungen?
2. Verhandelt die Bundesregierung mit der Türkei zugleich über ein Abkommen
zur Erleichterung der Visaerteilung für türkische Staatsangehörige, die in die
Bundesrepublik Deutschland einreisen wollen?

Worin bestehen mögliche Erleichterungen, und welche Gruppen würden da-
von profitieren?

Drucksache 17/2221 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
3. Werden beide Abkommen getrennt voneinander oder gemeinsam ausgehan-
delt?

4. Trifft es zu, dass die EU-Kommission bislang kein Rückübernahmeabkom-
men mit der Türkei ausgehandelt hat, weil diese bislang nicht bereit war,
ihren Vorbehalt gegen die Genfer Flüchtlingskonvention zurückzunehmen?

5. Welche weiteren Widersprüche bestanden zwischen den Vorstellungen der
EU und der Türkei beim Abschluss eines Rückübernahmeabkommens, und
wie sind diese ggf. mittlerweile aufgelöst worden?

6. Stellt das von der EU-Kommission erreichte Ergebnis der Verhandlungen
mit der Türkei über ein Rückübernahmeabkommen auch aus Sicht der Bun-
desregierung einen tragfähigen Kompromiss dar, und wenn nein, warum
nicht, und was sind die Konsequenzen der deutschen Kritik an dem Abkom-
men?

7. Welche EU-Staaten haben nach Kenntnis der Bundesregierung bereits
bilateral Rückübernahmeabkommen mit der Türkei abgeschlossen?

8. Macht die Bundesregierung die Rücknahme des türkischen Vorbehalts zur
GFK zu einer Bedingung für den Abschluss eines eigenen bilateralen Rück-
übernahmeabkommens, wenn nein, warum nicht?

9. Welche Formen der Zusammenarbeit in der Asylpolitik und der Migrations-
kontrolle bestehen bereits zwischen der Bundesrepublik Deutschland und
der Türkei (Austausch von Personal, Seminare, technologische Ausrüstung
etc.)?

10. Was ist nach Kenntnis der Bundesregierung konkret die Zielsetzung und der
Inhalt der geplanten Kooperationsvereinbarung der EU-Grenzschutzagentur
FRONTEX mit der Türkei?

11. Welche Unterstützungsleistungen hat die EU nach Kenntnis der Bundes-
regierung in den vergangenen fünf Jahren an die Türkei geleistet, die der
technologischen oder administrativen Verbesserung der Grenzsicherung
dienen?

12. Welche Maßnahmen hat die Türkei nach Kenntnis der Bundesregierung
ergriffen, um mittels physischer Barrieren (Zäune, Mauern etc.) gegen
unkontrollierte Migration vorzugehen?

13. An welchen Teilen der Landgrenze der Türkei finden sich solche physischen
Sperranlagen?

14. Inwieweit wurde die Errichtung solcher Sperranlagen aus Mitteln der EU
oder Deutschlands gefördert?

15. Hält es die Bundesregierung für vereinbar mit den Zielen und dem Geist der
Genfer Flüchtlingskonvention, Staaten dazu aufzufordern, die Durchreise
von Flüchtlingen „einzudämmen“, wenn diese in dem betreffenden Staat
keinerlei Aussicht auf Schutz haben (sondern im Gegensatz die Rückwei-
sung in den Staat fürchten müssen, aus dem sie geflohen sind)?

Berlin, den 17. Juni 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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