BT-Drucksache 17/2200

zu Einsprüchen gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 7. Juni 2009

Vom 17. Juni 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2200
17. Wahlperiode 17. 06. 2010

Zweite Beschlussempfehlung
des Wahlprüfungsausschusses

zu Einsprüchen gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des
Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 7. Juni 2009

A. Problem

Gemäß § 26 Absatz 2 des Europawahlgesetzes (EuWG) finden für das Wahl-
prüfungsverfahren zur Europawahl die Bestimmungen des Wahlprüfungsgeset-
zes (WPrüfG) entsprechende Anwendung. Der Deutsche Bundestag hat danach
über die Einsprüche gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Euro-
päischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 7. Juni 2009 auf
der Grundlage von Beschlussempfehlungen des Wahlprüfungsausschusses zu
entscheiden.

Insgesamt sind 54 Wahleinsprüche eingegangen. Über 24 Wahleinsprüche
hat der Deutsche Bundestag bereits entschieden (vgl. Bundestagsdrucksache
17/1000). Die jetzt zur Beschlussfassung vorgelegten Entscheidungen betreffen
die restlichen 30 Wahlprüfungsverfahren.

B. Lösung

– Zurückweisung von 26 Wahleinsprüchen wegen Unbegründetheit bzw. we-
gen Unzulässigkeit,

– 4 Verfahrenseinstellungen.

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Keine

Drucksache 17/2200 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

1. die aus den Anlagen 1 bis 26 ersichtlichen Beschlussempfehlungen zu Wah-
leinsprüchen anzunehmen;

2. die aus der Anlage 27 ersichtlichen Verfahren einzustellen.

Berlin, den 10. Juni 2010

Der Wahlprüfungsausschuss

Thomas Strobl (Heilbronn)
Vorsitzender und Berichterstatter

Dr. Wolfgang Götzer
Berichterstatter

Marco Wanderwitz
Berichterstatter

Michael Grosse-Brömer
Berichterstatter

Michael Hartmann (Wackernheim)
Berichterstatter

Christian Lange (Backnang)
Berichterstatter

Stephan Thomae
Berichterstatter

Dr. Dagmar Enkelmann
Berichterstatterin

Josef Philip Winkler
Berichterstatter

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/2200

Inhaltsverzeichnis zum Anlagenteil:

Beschlussempfehlungen zu den einzelnen Wahleinsprüchen

Akten-
zeichen Betreff Berichterstatter/in

Anlage
Nr. Seite

EuWP 3/09 Fünf-Prozent-Sperrklausel
Abg. Christian Lange (Backnang)
Abg. Stephan Thomae
Abg. Dr. Dagmar Enkelmann

1 5

EuWP 5/09 Wahlprognosen Abg. Dr. Wolfgang Götzer 2 13

EuWP 7/09 Wählen in JVA u. a.
Abg. Michael Hartmann (Wackernheim)/
Abg. Dr. Dagmar Enkelmann

3 15

EuWP 14/09 Nichtzulassung zur Stimmabgabe Abg. Josef Philip Winkler 4 19

EuWP 15/09 Wahlvorenthaltung Abg. Josef Philip Winkler 5 21

EuWP 19/09 Geheime Wahl u. a. Abg. Josef Philip Winkler 6 23

EuWP 20/09 Faltung des Stimmzettels Abg. Michael Hartmann (Wackernheim) 7 27

EuWP 21/09 Wahlbeteiligung u. a. Abg. Dr. Wolfgang Götzer 8 29

EuWP 28/09 Allgemeine Gründe Abg. Michael Grosse-Brömer 9 33

EuWP 29/09 Wahlwerbung Abg. Christian Lange (Backnang) 10 35

EuWP 30/09 Kandidatenaufstellung Abg. Marco Wanderwitz 11 37

EuWP 33/09 Zählung der Stimmen u. a. Abg. Josef Philip Winkler 12 39

EuWP 35/09 Fünf-Prozent-Sperrklausel u. a.
Abg. Christian Lange (Backnang)
Abg. Stephan Thomae
Abg. Dr. Dagmar Enkelmann

13 41

EuWP 37/09 Fünf-Prozent-Sperrklausel u. a.
Abg. Christian Lange (Backnang)
Abg. Stephan Thomae
Abg. Dr. Dagmar Enkelmann

14 49

EuWP 38/09 Fünf-Prozent-Sperrklausel
Abg. Christian Lange (Backnang)
Abg. Stephan Thomae
Abg. Dr. Dagmar Enkelmann

15 55

EuWP 40/09 Briefwahl Abg. Dr. Dagmar Enkelmann 16 61

EuWP 41/09 Fünf-Prozent-Sperrklausel
Abg. Christian Lange (Backnang)
Abg. Stephan Thomae
Abg. Dr. Dagmar Enkelmann

17 67

EuWP 43/09 Fünf-Prozent-Sperrklausel
Abg. Christian Lange (Backnang)
Abg. Stephan Thomae
Abg. Dr. Dagmar Enkelmann

18 73

EuWP 44/09 Fünf-Prozent-Sperrklausel
Abg. Christian Lange (Backnang)
Abg. Stephan Thomae
Abg. Dr. Dagmar Enkelmann

19 79

EuWP 45/09 Fünf-Prozent-Sperrklausel
Abg. Christian Lange (Backnang)
Abg. Stephan Thomae
Abg. Dr. Dagmar Enkelmann

20 85

Drucksache 17/2200 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Verfahrenseinstellungen (Anlage 27, Seite 119)

EuWP 1/09, EuWP 8/09, EuWP 16/09, EuWP 18/09

Berichterstatter:

Abg. Thomas Strobl (Heilbronn), Vorsitzender

EuWP 46/09 Gestaltung des Stimmzettels Abg. Michael Grosse-Brömer 21 91

EuWP 47/09 Mehrfache Stimmabgabe Abg. Josef Philip Winkler 22 99

EuWP 48/09 Fünf-Prozent-Sperrklausel
Abg. Christian Lange (Backnang)
Abg. Stephan Thomae
Abg. Dr. Dagmar Enkelmann

23 101

EuWP 50/09 Fünf-Prozent-Sperrklausel
Abg. Christian Lange (Backnang)
Abg. Stephan Thomae
Abg. Dr. Dagmar Enkelmann

24 107

EuWP 51/09 Kandidatenaufstellung Abg. Marco Wanderwitz 25 113

EuWP 54/09 Einspruchsfrist Abg. Thomas Strobl (Heilbronn) 26 117

habe als ungeschriebenes Verfassungsrecht auch im Europa-
wahlrecht Gültigkeit. splitterung“ in Betracht. Der Einspruchsführer bezweifelt je-

doch, dass es sich dabei um ein legitimes Ziel des deutschen
reits durch Artikel 3 des Beschlusses und Aktes zur Einfüh-
rung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Abgeordneten
des Europäischen Parlaments vom 20. September 1976, zu-

Linie an den politischen Zielen ihrer (europäischen) Partei
bzw. Fraktion orientierten. Das „Rückkopplungs-Argument“
habe seine Überzeugungskraft spätestens verloren, als die
Die in § 2 Absatz 7 EuWG normierte Fünf-Prozent-Sperr-
klausel nehme den Stimmen, die für Parteien abgegeben
worden seien, welche weniger als fünf Prozent der Gesamt-
stimmen erhalten hätten, jedoch den Erfolgswert, weil diese
Stimmen keinen Einfluss auf die Sitzverteilung im Parla-
ment hätten. Diese Ungleichbehandlung sei verfassungs-
rechtlich nicht gerechtfertigt.

Dem stehe auch nicht das Urteil des Bundesverfassungsge-
richts vom 22. Mai 1979 (BVerfGE 51, 222) entgegen. Denn
seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über
die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel im
EuWG hätten sich sowohl rechtliche als auch tatsächliche
Rahmenbedingungen grundlegend geändert.

Auch sei die Fünf-Prozent-Sperrklausel im EuWG nicht be-

Gesetzgebers handele, denn es sei fraglich, ob diesem über-
haupt die Kompetenz zukomme, für die Funktionsfähigkeit
des Europäischen Parlaments zu sorgen. Zudem zieht der
Einspruchsführer in Zweifel, dass sich der deutsche Bundes-
gesetzgeber bei der Schaffung des EuWG von der Sorge um
die Funktionsfähigkeit des Europäischen Parlaments habe
leiten lassen.

Weiter führt er aus, dass das Argument, die Fünf-Prozent-
Sperrklausel diene der Rückkopplung der (nationalen) Ver-
tretung im Europäischen Parlament an die sie tragenden
wesentlichen politischen Kräfte in den Heimatländern, über-
holt sei, weil sich die Abgeordneten des Europäischen Parla-
ments gerade nicht in nationalen Delegationen, sondern in
transnationalen Fraktionen organisierten und sich in erster
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/2200

Anlage 1

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn P. R., 66386 St. Ingbert
– Az.: EuWP 3/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 7. Juni 2009
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 10. Juni 2010 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 8. Juni 2009, das am 9. Juni 2009 beim
Deutschen Bundestag eingegangen ist, hat der Einspruchs-
führer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl der Abge-
ordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepu-
blik Deutschland am 7. Juni 2009 eingelegt.

Der Einspruchsführer ist der Ansicht, dass die in § 2
Absatz 7 des Europawahlgesetzes (EuWG) geregelte Fünf-
Prozent-Sperrklausel wegen Verstoßes gegen Artikel 3 Ab-
satz 1, Artikel 21 Absatz 1 und Artikel 38 Absatz 1 Satz 1
des Grundgesetzes (GG) verfassungswidrig und nichtig sei.
Dass die Norm gleichwohl bei der Wahl zum Europäischen
Parlament angewendet worden sei, stelle einen Verstoß ge-
gen wesentliche Wahlgrundsätze, nämlich die in Artikel 38
Absatz 1 Satz 1 GG verankerte Gleichheit der Wahl dar.

Die Wahlgleichheit bestehe aus der Zählwert- und der Er-
folgswertgleichheit. Letztere verlange, dass jede abgegebene
Stimme in gleichem Maß Einfluss auf die Sitzverteilung im
Parlament habe. Der Grundsatz der Erfolgswertgleichheit

wonach die Mitgliedstaaten für die Sitzvergabe eine Min-
destschwelle von landesweit bis zu fünf Prozent der abgege-
benen Stimmen festlegen könnten. Diese Regelung stelle
lediglich klar, dass das EU-Recht einer Fünf-Prozent-Sperr-
klausel nicht im Wege stehe, sage aber nichts darüber aus, ob
eine solche Bestimmung auch mit dem Grundgesetz verein-
bar sei.

In diesem Zusammenhang habe das Bundesverfassungsge-
richt in ständiger Rechtsprechung betont, dass die Wahl-
rechtsgleichheit nicht schrankenlos gewährleistet sei, son-
dern aus „zwingenden Gründen“ eingeschränkt werden
könne (BVerfGE 120, 82 ff.). Im hier zu entscheidenden Fall
lägen zwingende Gründe, die die Aufrechterhaltung der
Fünf-Prozent-Sperrklausel in § 2 Absatz 7 EuWG rechtferti-
gen könnten, nicht vor. Jedenfalls aber verstoße § 2 Absatz 7
EuWG gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Als „zwingender Grund“ für die Aufrechterhaltung der
Fünf-Prozent-Sperrklausel im EuWG komme im Ergebnis
allein die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Europäi-
schen Parlaments durch Verhinderung einer „Parteienzer-
letzt geändert durch Beschluss des Rates vom 25. Juni 2002
und 23. September 2002 (Direktwahlakt), gerechtfertigt,

FDP bei den Europawahlen in den Jahren 1984 und 1994 an
der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert sei, obwohl sie zu dieser

Drucksache 17/2200 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Zeit sogar die Bundesregierung mitgetragen habe. Hier habe
die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Verbindung, die sie
eigentlich sichern sollte, gerade unterbrochen.

Auch die seitens der Bundesregierung in dem ersten Verfah-
ren zur Fünf-Prozent-Sperrklausel im EuWG vorgebrachten
Argumente könnten heute nicht mehr als „zwingende Grün-
de“ zur Einschränkung der Wahlrechtsgleichheit herangezo-
gen werden. So könne nicht mehr der Charakter des EuWG
als „Übergangsgesetz“ bis zur Einführung eines unionswei-
ten Wahlrechts zur Rechtfertigung von Eingriffen in die
Gleichheit des Wahlrechts geltend gemacht werden. Desglei-
chen stelle das Argument, die Bürger hätten sich so sehr an
die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags- und Land-
tagswahlen gewöhnt, dass diese auch im Europawahlrecht
zur Anwendung kommen müsse, keinen zwingenden Grund
dar.

Auch der Wunsch, den Einzug extremistischer Parteien in
das Europäische Parlament zu verhindern, sei kein zuläs-
siger zwingender Grund, sondern laut Bundesverfassungs-
gericht – in der Entscheidung zur Sperrklausel im Kommu-
nalwahlrecht in Schleswig-Holstein (BVerfGE 120, 82 ff.) –
ein sachfremdes Motiv. Schließlich könne auch nicht gel-
tend gemacht werden, der Einzug kleinerer Parteien ins
Europäische Parlament müsse verhindert werden, weil diese
hauptsächlich Partikularinteressen verträten und demzu-
folge weniger am Gemeinwohl orientiert seien. Dieses Ar-
gument habe das Bundesverfassungsgericht in seiner Ent-
scheidung zur Sperrklausel im Kommunalwahlrecht in
Schleswig-Holstein widerlegt.

Komme somit allein die Sicherung der Funktionsfähigkeit
des Europäischen Parlaments als „zwingender Grund“ in
Betracht, müsse die Beibehaltung der Fünf-Prozent-Sperr-
klausel im EuWG zur Erreichung dieses Zieles auch geeig-
net, erforderlich und angemessen sein. Dies sei jedoch nicht
der Fall.

Die Fünf-Prozent-Sperrklausel sei ungeeignet, eine Parteien-
zersplitterung im Europäischen Parlament zu verhindern.
Bereits vor Einführung der Direktwahl seien im Europäi-
schen Parlament über fünfzig Parteien vertreten gewesen
und auch in das erste direkt gewählte Parlament seien mehr
als fünfzig verschiedene Parteien eingezogen. Vor der Er-
weiterung der Europäischen Union im Jahre 2004 seien es
bei 15 Mitgliedstaaten bereits 80 nationale Parteien gewesen.
Gegenwärtig seien bei einer Gesamtzahl von 27 Mitglied-
staaten Vertreter von 177 nationalen Parteien im Parlament
vertreten. Damit weise das Europäische Parlament einen ein-
maligen Grad an Parteienzersplitterung auf. Dieser Zuwachs
an Heterogenität in der Zusammensetzung des Europäischen
Parlaments sei nicht zuletzt deshalb eingetreten, weil zahl-
reiche Mitgliedstaaten keine oder weniger hohe Sperrklau-
seln in ihren Europawahlgesetzen vorgesehen hätten, sodass
aus diesen Staaten auch Vertreter kleinerer Parteien in das
Europäische Parlament hätten einziehen können. Daran habe
auch die Sperrklausel im deutschen Recht nichts ändern kön-
nen. Es sei nicht ersichtlich, dass die Arbeitsfähigkeit des
Europäischen Parlaments unter dieser Heterogenität des Ple-
nums gelitten habe. Dies liege daran, dass sich die EU-Par-
lamentarier nicht in nationalen Delegationen, sondern in
transnationalen Fraktionen organisierten. Auf diese Weise

derparteien“ zusammenschließen und in der Kooperation mit
Gleichgesinnten im Europäischen Parlament zu einer be-
achtlichen Gruppe anwachsen. Schließlich sei die Zahl der
denkbaren politischen Ausrichtungen nicht unbegrenzt; viel-
mehr ließen sich die Parteiprogramme nahezu aller europäi-
schen Parteien auf die von den gegenwärtigen Fraktionen
des Europäischen Parlaments bereits repräsentierten politi-
schen Grundströmungen zurückfuhren: Kommunisten/So-
zialisten, Sozialdemokraten, „Grüne“, Liberale, Konservati-
ve, Nationalisten. Die Geschäftsordnung des Europäischen
Parlaments (GOEP) schreibe die Multinationalität der Frak-
tionen sogar ausdrücklich vor, denn gemäß Artikel 29
Absatz 2 GOEP müssten einer Fraktion Mitglieder angehö-
ren, die in mindestens einem Fünftel der Mitgliedstaaten ge-
wählt worden seien.

Die Fünf-Prozent-Sperrklausel in § 2 Absatz 7 EuWG sei
auch nicht erforderlich, um die Arbeitsfähigkeit des Euro-
päischen Parlaments im Rahmen seiner Befugnisse zu si-
chern. Diese blieben weiterhin deutlich hinter denen nationa-
ler Parlamente zurück. Hinsichtlich der Gesetzgebung stehe
dem Europäischen Parlament – im Gegensatz zu den natio-
nalen Parlamenten – kein Initiativrecht zu, dieses liege allei-
ne bei der Kommission. Das maßgebliche Entscheidungs-
organ bei der Rechtssetzung sei der Rat, während das
Europäische Parlament auf die Mitwirkung in den Formen
der Anhörung, der Zusammenarbeit (Artikel 252 des EG-
Vertrags – EGV), der Mitentscheidung (Artikel 251 EGV)
und der Zustimmung beschränkt sei. Im Rahmen des Mitent-
scheidungsverfahrens stehe dem Parlament zwar ein Veto-
recht zu, es könne jedoch nicht gegen den Willen des Rates
Recht setzen. Gleichberechtigt mit dem Rat sei das Parla-
ment nur im Rahmen des Zustimmungsverfahren, welches
jedoch im Vergleich zu den anderen Verfahren quantitativ
die Ausnahme bilde. Auch über ein Budgetrecht im klassi-
schen Sinne verfüge das Parlament nicht. Hinsichtlich der
obligatorischen Ausgaben liege die Letztentscheidungskom-
petenz beim Rat. Lediglich in Bezug auf die nicht obligato-
rischen Ausgaben habe es innerhalb bestimmter Grenzen das
letzte Wort (Artikel 272 EGV).

Im Gegensatz zu den nationalen Parlamenten der Mitglied-
staaten wähle das Europäische Parlament auch keine Regie-
rung, schon weil es eine solche auf europäischer Ebene bis-
lang nicht gebe. Bezüglich der Einsetzung der Kommission
könne das Parlament lediglich die von den Mitgliedstaaten
bzw. dem Rat getroffenen Entscheidungen blockieren,
jedoch keine eigenen Personalvorschläge durchsetzen (Ar-
tikel 214 EGV). Hinsichtlich seiner Kontrollbefugnisse
gegenüber der Kommission seien beim Parlament vor allem
die zahlreichen Frage- und Interpellationsrechte sowie die
Möglichkeit eines Misstrauensvotums (Artikel 201 EGV)
gegenüber der Kommission zu nennen. Gegenüber dem Rat
finde eine parlamentarische Kontrolle nicht statt.

Daher sei zu bezweifeln, dass im Europäischen Parlament
überhaupt ein Bedürfnis nach stabilen Mehrheiten bestehe.
In den vergangenen dreißig Jahre hätten sich allenfalls rech-
nerisch bestimmte Mehrheiten im Europäischen Parlament
ausmachen lassen, in der Praxis hätten sich jedoch nicht star-
re Frontenbildungen, sondern wechselnde Mehrheiten erge-
ben. In dieser Hinsicht sei das Europäische Parlament struk-
könnten sich Vertreter einer Partei, die in ihrem Heimatstaat
als „Splitterpartei“ gälten, mit Vertretern europäischer „Bru-

turell weniger mit den deutschen Parlamenten auf Bundes-
und Landesebene, sondern vielmehr mit Kommunalpar-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/2200

lamenten vergleichbar, für die jedoch das Bundesverfas-
sungsgericht die Erforderlichkeit einer Fünf-Prozent-Sperr-
klausel gerade ausdrücklich verneint habe. Dem könne auch
nicht mit dem Argument begegnet werden, ein Großteil der
Arbeit des Europäischen Parlaments werde in den Ausschüs-
sen geleistet, die unter einer Parteienzersplitterung zu leiden
hätten. Einer möglichen Zersplitterung in den Ausschüssen
könne durch entsprechende geschäftsordnungsrechtliche
Maßnahmen begegnet werden. Überhaupt erscheine es we-
sentlich näherliegend, dass statt des deutschen Wahlgesetz-
gebers das unmittelbar betroffene Europäische Parlament
kraft seiner Organisationsgewalt Maßnahmen zur Bewälti-
gung der mit einer Parteienzersplitterung möglicherweise
einhergehenden Probleme ergreife. In diesem Zusammen-
hang hebt der Einspruchsführer unter Heranziehung der
bereits genannten Entscheidung des Bundesverfassungs-
gerichts hervor, dass nicht jede politische Auseinanderset-
zung als eine Störung der Funktionsfähigkeit des Parlaments
angesehen werden könne. Die Störungen müssten vielmehr
eine gewisse Intensität erreichen, denn es sei gerade das
Wesen der Demokratie, dass verschiedene Positionen aufein-
anderträfen und Kompromisse gefunden werden müssten.

Die Befürchtungen des deutschen Wahlgesetzgebers hin-
sichtlich einer Beeinträchtigung der Arbeitsabläufe im Euro-
päischen Parlament durch einen Einzug von verhältnismäßig
kleinen Parteien seien reine Spekulation und größtenteils
durch die Praxis bereits widerlegt. Das Bundesverfassungs-
gericht habe – in seiner Entscheidung zum schleswig-hol-
steinischen Kommunalwahlrecht – jedoch ausdrücklich klar-
gestellt, dass nur die „mit einiger Wahrscheinlichkeit zu
erwartende“ Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit eines
Parlaments die Erforderlichkeit einer Fünf-Prozent-Sperr-
klausel begründen könne.

In Anbetracht der 99 aus der Bundesrepublik Deutschland zu
besetzenden Sitze im Europäischen Parlament bestehe im
übrigen bereits eine faktische Sperrklausel von etwas mehr
als einem Prozent. Da es bei den Europawahlen stets nur
zwischen einer und vier Parteien gegeben habe, deren Stim-
menergebnis im Bereich zwischen einem und fünf Prozent
gelegen habe, würde die Abschaffung der Fünf-Prozent-
Sperrklausel zahlenmäßig nur sehr wenigen Parteien zu
einem Einzug ins Europäische Parlament verhelfen. Im Hin-
blick auf die im Europäischen Parlament bereits vertretenen
177 Parteien würde sich der Einzug von maximal vier weite-
ren Parteien auf die Funktionsfähigkeit des Parlaments prak-
tisch überhaupt nicht auswirken.

Auf jeden Fall stelle die konkrete Ausgestaltung der Fünf-
Prozent-Sperrklausel im EuWG nicht das relativ mildeste
Mittel dar. Der mit der Regelung des § 2 Absatz 7 EuWG
verbundene Eingriff in die Erfolgswertgleichheit der Stim-
men hätte aus Sicht des Einspruchsführers durch die Mög-
lichkeit abgemildert werden müssen, Folgepräferenzen für
den Fall anzugeben, dass der primär gewählte Wahlvor-
schlag an der Sperrklausel scheitere. Der damit verbundene
Mehraufwand bei der Stimmenauszählung sei im Interesse
der bestmöglichen Verwirklichung der Wahlgleichheit hin-
zunehmen.

In jedem Falle aber sei die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht
verhältnismäßig im engeren Sinne. Da die Fünf-Prozent-

hältnismäßig geringfügiger Störungen im Arbeitsablauf des
Europäischen Parlaments diene, müsse eine Güterabwägung
zu Gunsten der Wahlrechtsgleichheit ausgehen. Allerdings
sei aus den Gesetzesbegründungen (Bundestagsdrucksachen
8/361 sowie 16/7461 und 16/7814) nicht ersichtlich, dass der
Bundesgesetzgeber eine solche Abwägung bei der Be-
schlussfassung über die Einführung des EuWG im Jahr 1979
oder bei dessen Neufassung durch das Gesetz vom 17. März
2008 angestellt habe.

Dieser Wahlfehler habe auch Auswirkungen auf die Sitzver-
teilung, da bei der Sitzverteilung die verfassungswidrige
Fünf-Prozent-Sperrklausel zur Anwendung gebracht worden
sei. Ohne diesen Wahlfehler hätte nach Ansicht des Ein-
spruchsführers auch den „Freien Wählern“, den „Republika-
nern“ und der „Tierschutzpartei“ jeweils ein Sitz zugeteilt
werden müssen.

Der festgestellte Wahlfehler habe aber auch schon im Be-
reich der Wahlhandlung verfälschend auf das Wahlergebnis
und damit auf die Sitzverteilung eingewirkt. So seien die
Wahlberechtigten am Wahltag irrig von der Wirksamkeit der
Fünf-Prozent-Sperrklausel ausgegangen. Es entspreche all-
gemeiner Lebenserfahrung, dass viele Wähler nur davon
absähen, kleineren Parteien ihre Stimme zu geben, weil sie
ohnehin keine Chancen hätten, ins Parlament einzuziehen.
Daher sei es sehr wahrscheinlich, dass die kleineren Parteien
mehr Stimmen erhalten hätten, wenn die Wähler gewusst
hätten, dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel nichtig sei. Die-
ser Fehler könne auch nicht lediglich durch eine Neufestset-
zung der auf Deutschland entfallenden Sitze korrigiert wer-
den, sondern nur durch eine Neuwahl.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags des Ein-
spruchsführers, auch hinsichtlich des zitierten Schrifttums,
wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel in § 2 Absatz 7 EuWG hat das Bundesministe-
rium des Innern Stellung genommen und mitgeteilt, dass aus
seiner Sicht die anlässlich von Entscheidungen über Ein-
sprüche gegen die 6. Direktwahl des Europäischen Parla-
ments im Jahr 2004 vertretene Rechtsauffassung des Wahl-
prüfungsausschusses, die Fünf-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz sei verfassungsrechtlich zulässig (Bun-
destagsdrucksachen 15/4250, Anlage 18 und 15/4750, An-
lagen 20 bis 22), weiterhin aktuell sei.
Aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur
Fünf-Prozent-Klausel bei Kommunalwahlen in Schleswig-
Holstein vom 13. Februar 2008 ergebe sich keine andere
Sichtweise. Das Bundesverfassungsgericht habe in dem
Urteil unter Hinweis auf frühere Entscheidungen festgestellt,
dass es sich bei Gemeindevertretungen und Kreistagen nicht
um Parlamente im Rechtssinn handele. Zur Begründung sei
angeführt worden, dass ihnen in erster Linie verwaltende
Tätigkeiten anvertraut seien, ihnen keine Gesetzgebungs-
funktion zustünde, sie keine Regierung oder ein vergleichba-
res Gremium wählten und ihre Entscheidungen der Rechts-
aufsicht unterlägen (BVerfGE 120, 82, 120). All dies treffe
für das Europäische Parlament, auch in einem entsprechen-
den Sinne, nicht zu. Hier könne auf die vom Wahlprüfungs-
ausschuss bereits gemachten Ausführungen zu den Befug-
nissen des Europäischen Parlaments verwiesen werden,
Sperrklausel einen massiven Eingriff in die Gleichheit der
Wahl darstelle, aber nur – wenn überhaupt – zur Abwehr ver-

wobei insbesondere hervorzuheben sei, dass das Mitent-
scheidungsverfahren gemäß Artikel 251 EGV das Europäi-

Drucksache 17/2200 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

sche Parlament in den meisten Bereichen der gemeinschafts-
rechtlichen Rechtsetzung neben dem Rat zum gleichberech-
tigten Gesetzgeber der Europäischen Union mache und das
Europäische Parlament der Ernennung des Präsidenten und
der übrigen Mitglieder der Kommission zustimmen müsse
(Artikel 214 Absatz 2 Satz 1 EGV) sowie die Kommission
durch ein Misstrauensvotum zum Rücktritt zwingen könne
(Artikel 201 EGV). Über die vom Bundesverfassungsgericht
genannten Kriterien hinaus sei noch anzumerken, dass die
Abgeordneten des Europäischen Parlaments Immunität ge-
nössen (Artikel 6 Absatz 2 des Direktwahlakts), wie auch
die Abgeordneten des Deutschen Bundestages (Artikel 46
GG) und der Landtage, den Mitgliedern kommunaler Volks-
vertretungen dieses Recht jedoch nicht zustehe.
Das Bundesverfassungsgericht habe in dieser Entscheidung
zudem darauf hingewiesen, dass bei Differenzierungen der
Wahlrechtsgleichheit wie einer Fünf-Prozent-Klausel auch
auf die Eingriffsintensität abgestellt werden müsse
(BVerfGE 120, 82, 107). Es habe damit ein Argument bestä-
tigt, das es bei seiner Entscheidung im Jahr 1979 zur Recht-
fertigung der Fünf-Prozent-Klausel bei Europawahlen ange-
führt habe. Damals habe das Bundesverfassungsgericht
darauf verwiesen, dass wegen der jeweiligen Anzahl zu
wählender Abgeordneter die Sperrklausel bei Europawahlen
einen weniger intensiven Eingriff darstelle als bei einer Bun-
destagswahl (BVerfGE 51, 222, 255). Bei der gegenwär-
tigen Größe des Deutschen Bundestages habe die Sperrklau-
sel zur Folge, dass bis zu 30 Bewerbern einer Partei der
Einzug in das Parlament verwehrt werde. Bei den Wahlen
zum Europäischen Parlament könne die Sperrklausel nur
verhindern, dass Gruppierungen von höchstens vier Abge-
ordneten in das Europäische Parlament gelangten.
Schließlich habe das Bundesverfassungsgericht ausgeführt,
dass bei Eingriffen in die Gleichheit der Wahl eine gefestigte
Rechtsüberzeugung und Rechtspraxis Beachtung finden
könne (BVerfGE 120, 82, 107). In der Bundesrepublik
Deutschland gebe es bei Bundestags- und Landtagswahlen
traditionell eine Fünf-Prozent-Sperrklausel. Damit gelte
diese Klausel seit Gründung der Bundesrepublik bei überre-
gionalen Wahlen, d.h. bei Wahlen eines Parlaments im
Rechtssinn. Die Sperrklausel sei damit den Bundesbürgern
als Element demokratischer Wahlen bekannt und vertraut, so
dass sich eine gefestigte Rechtsüberzeugung und Rechts-
praxis gebildet habe. Für das Europawahlgesetz habe sich
der Bundesgesetzgeber insoweit an das Bundestagswahl-
recht angelehnt, das in der Bevölkerung eine hohe Akzep-
tanz genieße.
Abgesehen davon, dass das Europäische Parlament eher mit
einem nationalen Parlament als einer kommunalen Volksver-
tretung zu vergleichen sei, müsse bei der Beurteilung der
Sicherung seiner Funktionsfähigkeit durch eine Fünf-Pro-
zent-Klausel im Europawahlgesetz vorrangig auf das natio-
nale Kontingent der Abgeordneten aus der Bundesrepublik
Deutschland abgestellt werden.
Die Sperrklausel ermögliche in erster Linie die Rückkopp-
lung der deutschen Abgeordneten im Europäischen Parla-
ment mit den tragenden politischen Kräften in Deutschland,
die ihrerseits auf den Rat und die Kommission einwirken
könnten (BVerfGE 51, 222, 235).
Das Europäische Parlament habe eine große Bandbreite an

z. B. im Bereich der Innen- und Justizpolitik, spiele es eine
bedeutende Rolle als Kontrollinstanz von Rat und Kommis-
sion. Der einzelne Abgeordnete sei bei seinen Entscheidun-
gen vielfältigen Einflussnahmen von Lobbyorganisationen
ausgesetzt. Um eigenständig fundierte Entscheidungen tref-
fen zu können, bedürfe er eines „logistischen Rückhalts“.
Diesen finde er z. T. in den Einrichtungen des Europäischen
Parlaments. In zahlreichen Fällen benötigten die Abgeord-
neten allerdings Kenntnisse über die Rechtslage und tatsäch-
liche Situation in ihrem Heimatstaat und die möglichen
Auswirkungen einer bestimmten Rechtsetzung der Gemein-
schaft auf die Situation in ihrem Land. Würden auf diese
Weise die Erkenntnisse aus allen Mitgliedstaaten zusam-
mengeführt, könnten die Abgeordneten fundierte Ent-
scheidungen treffen, die die Auswirkungen europäischer
Gesetzgebung auf die Situation in den Mitgliedstaaten be-
rücksichtigen. Für diese Rückkopplung könnten sich die Ab-
geordneten in erster Linie der nationalen Parteien und Parla-
mente bedienen. Bei Kleinstparteien fehle hierfür nicht nur
der notwendige Apparat, sondern auch die Rückkopplung
über das nationale Parlament, in dem diese Parteien in
Deutschland wegen der bei Bundestagswahlen geltenden
Fünf-Prozent-Klausel nicht vertreten seien. Umgekehrt sei
auch der Deutsche Bundestag für die Wahrnehmung seiner
fortlaufenden Integrationsverantwortung in europapoliti-
schen Angelegenheiten auf die Rückmeldung der deutschen
Abgeordneten des Europaparlaments angewiesen. Soweit es
sich um Materien handele, die in die Gesetzgebungszustän-
digkeit der Länder fielen, oder um Gegenstände, die für ein
Land von besonderem Interesse seien, gelte Gleiches für die
Rückkopplung zwischen den Abgeordneten des Europäi-
schen Parlaments und der Landtage.

Die Zusammenarbeit der Parlamente untereinander spiele
eine wesentliche Rolle für den europäischen politischen Pro-
zess und sei auch institutionell verankert: So enthalte die Ge-
schäftsordnung des Europäischen Parlaments einen eigenen
Abschnitt über die Beziehungen zu den nationalen Parlamen-
ten (Titel VI Artikel 130 bis 132). In der Geschäftsordnung
des Deutschen Bundestages (GO-BT) regele § 93a, dass die
Ausschüsse Mitglieder des Europäischen Parlaments zu ih-
ren Beratungen in Europaangelegenheiten hinzuziehen und
Unionsdokumente gemeinsam mit Ausschüssen des Europä-
ischen Parlaments gleicher Zuständigkeit beraten könnten.
§ 93b GO-BT sehe vor, dass zu den Sitzungen des Ausschus-
ses für die Angelegenheiten der Europäischen Union deut-
sche Mitglieder des Europäischen Parlaments Zutritt erhiel-
ten. Sie seien vom Präsidenten des Deutschen Bundestages
auf Vorschlag der Fraktionen des Deutschen Bundestages,
aus deren Parteien deutsche Mitglieder in das Europäische
Parlament gewählt worden sind, berufen worden. Die berufe-
nen Mitglieder des Europäischen Parlaments seien befugt,
die Beratung von Verhandlungsgegenständen anzuregen so-
wie Auskünfte zu erteilen und Stellung zu nehmen. Diese
wechselseitigen Informationsflüsse und Verflechtungen zwi-
schen nationalen Parlamenten und dem Europäischen Parla-
ment könnten nur von solchen Abgeordneten effektiv genutzt
werden, deren Parteien in beiden Parlamenten vertreten sei-
en.

Die Sperrklausel diene daneben, wenn auch nach Auf-
fassung des Bundesverfassungsgerichts nicht vorrangig, der
legislativen Aufgaben zu bewältigen. Auch in Bereichen, in
denen das Parlament lediglich ein Anhörungsrecht habe, wie

Sicherung einer wirksamen Vertretung des deutschen Volkes
im Europäischen Parlament (BVerfGE 51, 222, 249).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9 – Drucksache 17/2200

Die Regelungen des Europawahlgesetzes bezögen sich aus-
schließlich auf die Wahl der Abgeordneten aus der Bundes-
republik Deutschland. Diese stellten nur einen Teil der
Abgeordneten des Europäischen Parlaments dar. Es sei daher
folgerichtig, bei der Frage der Rechtfertigung einer
Beschränkung der Wahlrechtsgleichheit durch eine Fünf-
Prozent-Klausel in erster Linie nicht das Gesamtparlament,
sondern den von Deutschland aus gewählten Teil der Abge-
ordneten zu betrachten.
Dieser Aspekt werde sowohl durch den Direktwahlakt als
auch durch den EG-Vertrag in der Fassung des Vertrags von
Nizza unterstützt.
Nach Artikel 3 des Direktwahlakts könnten die Mitglied-
staaten eine Mindestschwelle festlegen, die jedoch landes-
weit nicht mehr als 5 Prozent der abgegebenen Stimmen
betragen dürfe. Europarechtlich sei die Fünf-Prozent-Sperr-
klausel daher als zulässig anerkannt. Zahlreiche Mitglied-
staaten der Europäischen Union wie Frankreich, Italien,
Lettland, Litauen, Österreich, Polen, Rumänien, Schweden,
die Slowakei, die Tschechische Republik und Ungarn hätten
von der Möglichkeit der Einführung einer Mindestschwelle
Gebrauch gemacht. Insbesondere habe die Mehrzahl der grö-
ßeren Länder eine Sperrklausel eingeführt. So gebe es in
Deutschland (99 Abgeordnete), Frankreich (72 Abgeordne-
te) und in Polen (50 Abgeordnete) eine Sperrklausel von
5 Prozent, in Italien (72 Abgeordnete) eine Sperrklausel von
4 Prozent. Von den großen Ländern hätten nur Großbritan-
nien mit 72 Abgeordneten und Spanien mit 40 Abgeordneten
keine Sperrklausel. Kleinere Länder bräuchten schon des-
halb z. T. keine Mindestschwelle, weil die für ein Mandat be-
nötigten prozentualen Stimmenanteile die höchstzulässige
Mindestschwelle von 5 Prozent bereits überschritten.
Artikel 3 des Direktwahlakts ermögliche den Mitgliedstaa-
ten in erster Linie dafür zu sorgen, dass das nationale
Abgeordnetenkontingent nicht aus zahlreichen kleineren
Splittergruppen bestehe, sondern aus Abgeordneten, deren
Parteien auch auf nationaler Ebene eine gewisse Bedeutung
hätten. Dies stärke die Handlungsfähigkeit als nationales
Kontingent.
Gleiches ergebe sich durch die Auslegung des EG-Vertrags
in der Fassung des Vertrags von Nizza, der gemeinschafts-
rechtlichen Grundlage für die 7. Direktwahl des Europäi-
schen Parlaments.
Das Europäische Parlament bestehe danach aus Vertretern
der Völker der in der Gemeinschaft zusammengeschlosse-
nen Staaten (Artikel 189 EGV). Zwar sei die Binnenorgani-
sation durch die transnationale Zusammensetzung der Frak-
tionen gekennzeichnet. Auch im Wahlverfahren gebe es
transnationale Elemente wie z. B. die Wahlberechtigung der
Personen mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, gemäß Artikel 18
Absatz 1 EGV. Dies ändere aber nichts daran, dass der Ver-
trag von Abgeordneten ausgehe, die Vertreter der Völker der
in der Gemeinschaft zusammengeschlossenen Staaten seien,
und eben nicht Vertreter von Parteien oder länderübergrei-
fenden Parteibündnissen oder ausschließlich Vertreter eines
europäischen Gedankens.
Die Anbindung der Abgeordneten an ihre Heimatländer sei
demnach in Artikel 189 EGV angelegt. Im Gegensatz zu den
Abgeordneten des Deutschen Bundestages, die das ganze
Volk verträten (Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 erster Halbsatz

lichkeit der EU nicht gebe, sondern das Volk des Mitglied-
staates, das sie gewählt habe. Die Mitgliedstaaten könnten
daher ein – nach den Verträgen zulässiges – Interesse daran
haben, dass ihre Belange möglichst effektiv vertreten wür-
den, und in Verfolgung dieses Interesses eine Sperrklausel
festlegen. Tatsächlich komme es innerhalb der deutschen
Abgeordnetengruppe häufig vor, dass nationale Interessen
bei Abstimmungen vordringlich berücksichtigt würden. Be-
sondere Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit seien die
Arbeitszeitrichtlinie, die CO2-Pkw-Richtlinie oder die Rück-
führungsrichtlinie.
Eine effektive Vertretung des deutschen Volkes, zu der die
Abgeordneten im Europäischen Parlament berufen seien, sei
mit einer Größe einer Abgeordnetengruppe von einem bis
vier Abgeordneten kaum möglich. Daran ändere auch die
Möglichkeit nichts, sich Fraktionen im Europäischen Parla-
ment anzuschließen. Der Zusammenschluss zu Fraktionen
gewährleiste nämlich lediglich, dass die Politik der jeweili-
gen Parteien im Parlament vertreten werde, nicht aber, dass
die einzelnen Abgeordneten einen effektiven Beitrag zur
Vertretung der Interessen ihrer Nation im Parlament leiste-
ten. Im Übrigen sei nicht sicher, dass alle Abgeordneten von
Splitterparteien eine Fraktion fänden, der sie sich anschlie-
ßen könnten. Zwar gehörten die meisten Abgeordneten im
Europäischen Parlament einer Fraktion an; dennoch seien in
der laufenden 7. Wahlperiode zurzeit 27 Mitglieder des
Europäischen Parlaments fraktionslos. Zum Vergleich hierzu
habe der Deutsche Bundestag im Regelfall nur ein bis zwei
fraktionslose Abgeordnete. Gerade Splitterparteien, die sich
nur zu einem eng begrenzten Themenkreis politisch positio-
nierten, könnten nicht ohne Weiteres eine Fraktion finden,
der sie sich anschließen können.
Mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon gelte das Vorste-
hende erst recht. Das Europäische Parlament sei auch nach
der Neuformulierung in Artikel 14 Absatz 2 des EU-Ver-
trags (EUV) kein Repräsentationsorgan eines souveränen
europäischen Volkes, sondern eine Vertretung der Völker der
Mitgliedstaaten. Dies spiegele sich darin, dass es, wie das
Bundesverfassungsgericht festgestellt habe, als Vertretung
der Völker in den jeweils zugewiesenen nationalen Kon-
tingenten von Abgeordneten und nicht als Vertretung der
Unionsbürger nach dem Prinzip der Wahlgleichheit angelegt
sei.
Auch die gestiegene Bedeutung der wechselseitigen Rück-
kopplung von Europäischem Parlament und nationalen Par-
lamenten finde im Vertrag von Lissabon ihren Niederschlag:
So etwa in Artikel 12 EUV, der den aktiven Beitrag der na-
tionalen Parlamente zur guten Arbeitsweise der Union wür-
dige und ihnen zahlreiche Rechte einräume, und im Proto-
koll Nr. 1 über die Rolle der nationalen Parlamente in der
Europäischen Union.
Mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon werde das Euro-
päische Parlament in 95 Prozent der Gesetzgebung zum
gleichberechtigten Gesetzgeber neben dem Rat. Darunter
fielen auch Bereiche, die nach der Rechtsprechung des Bun-
desverfassungsgerichts in besonderer Weise auf den inner-
staatlichen politischen Diskurs angewiesen seien, und in
denen dem Deutschen Bundestag Aufgaben von substanziel-
lem Gewicht verbleiben müssten, wie etwa das Strafrecht
und das Strafverfahren. Unter diesem Gesichtspunkt komme
der Rückkopplung der Abgeordneten des Europäischen Par-
GG), verträten die Abgeordneten des Europäischen Parla-
ments nicht ein „Unionsvolk“, das es mangels Eigenstaat-

laments an die politischen Meinungen in den Fraktionen des
Deutschen Bundestages noch mehr Bedeutung als bisher zu.

Drucksache 17/2200 – 10 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Dasselbe gelte im Gegenzug für die Unterrichtung des Deut-
schen Bundestages über die Beratungen im Europäischen
Parlament, die entsprechend seiner Geschäftsordnung durch
die von den Fraktionen benannten Abgeordneten des Euro-
päischen Parlaments erfolge. Abgeordnete von Kleinstpar-
teien, die im Deutschen Bundestag oder in den Landtagen
kein Pendant fänden, könnten diese Rückkopplung nicht ge-
währleisten.
Die Fünf-Prozent-Sperrklausel in § 2 Absatz 7 EuWG diene
demnach legitimen Zielen und sei zur Erreichung dieser Zie-
le geeignet, erforderlich und angemessen.

Der Einspruchsführer, dem die Stellungnahme bekannt ge-
geben worden ist, hat sich hierzu geäußert. Er zieht die Ar-
gumente des Bundesministeriums des Innern in Zweifel und
bekräftigt die in seinem Einspruch vorgebrachten Darlegun-
gen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten
Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Der Vortrag des Einspruchsführers, die Fünf-Prozent-Sperr-
klausel gemäß § 2 Absatz 7 EuWG verstoße gegen das
Grundgesetz, lässt keinen Wahlfehler erkennen.

Diesbezüglich ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der
Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in
ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens
die Verfassungsmäßigkeit von Wahlrechtsvorschriften nicht
überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundes-
verfassungsgericht vorbehalten worden (vgl. bereits Bundes-
tagsdrucksachen I/2811; zuletzt: 16/1800, Anlagen 26 bis 28;
17/1000, Anlagen 5 und 11 mit weiteren Nachweisen), das
diese Praxis auch stets bestätigt hat, da dem Bundestag inso-
fern die Verwerfungskompetenz fehle (vgl. BVerfGE 89,
291, 300; 121, 266, 290; 122, 304, 307).

Unabhängig hiervon hat sich der Wahlprüfungsausschuss
ausführlich mit der vom Einspruchsführer angesprochenen
Rechtsfrage befasst. Er hält die Vorschrift des § 2 Absatz 7
EuWG für verfassungsgemäß und bestätigt damit seine be-
reits im Zusammenhang mit Anfechtungen der Europawahl
im Jahr 2004 dargelegte Auffassung (s. Bundestagsdruck-
sachen 15/4250, Anlage 18; 15/4750, Anlagen 5, 9, 20
bis 22).

Wie der Deutsche Bundestag und der Wahlprüfungsaus-
schuss in den genannten Entscheidungen ausgeführt haben,
können die Mitgliedstaaten nach Artikel 3 Satz 1 des Direkt-
wahlakts eine Mindestschwelle für die Sitzvergabe fest-
legen. Diese Schwelle darf jedoch nach Satz 2 dieser
Vorschrift landesweit nicht mehr als 5 Prozent der abgegebe-
nen Stimmen betragen. Das Bundesverfassungsgericht hat in
seiner Entscheidung vom 8. Juni 2004 in einem Organstreit-
verfahren zur Fünf-Prozent-Sperrklausel des damaligen § 2
Absatz 6 EuWG (2 BvE 1/04), in dem die diesbezügliche
Organklage der NPD wegen Nichteinhaltung der Frist ge-
mäß § 64 Absatz 3 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes
(BVerfGG) als unzulässig verworfen worden ist, auf die ent-
sprechende Ergänzung des Direktwahlakts im Jahr 2002 hin-
gewiesen und hierzu ausgeführt, dass der Gesetzgeber mit

zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes zum Aus-
druck gebracht habe, dass er an der Fünf-Prozent-Sperr-
klausel festhalten möchte. Er habe sich dabei – so das
Bundesverfassungsgericht – auf die Ermächtigung der Mit-
gliedstaaten im Beschluss des Rates der Europäischen Union
stützen können, eine Sperrklausel zu erlassen. Der Rat der
Europäischen Union hat nach Zustimmung des Europäi-
schen Parlaments mit Beschluss vom 25. Juni und 23. Sep-
tember 2002 (BGBl. 2003 II S. 811) den Direktwahlakt ge-
ändert, damit die Wahlen zum Europäischen Parlament
„gemäß den allen Mitgliedstaaten gemeinsamen Grundsät-
zen stattfinden können, die Mitgliedstaaten zugleich aber die
Möglichkeit erhalten, für Aspekte, die nicht durch diesen
Beschluss geregelt sind, ihre jeweiligen nationalen Vor-
schriften anzuwenden“. Dieser Änderung des Direktwahl-
akts hat der deutsche Gesetzgeber mit Artikel 1 des Zweiten
Gesetzes über die Zustimmung zur Änderung des Direkt-
wahlakts vom 15. August 2003 (BGBl. 2003 II S. 810) zuge-
stimmt. Zwar kann, worauf der Wahlprüfungsausschuss
schon in den genannten Entscheidungen hingewiesen hat, in
dieser nunmehr ausdrücklich verankerten Ermächtigung
zum Erlass einer Fünf-Prozent-Sperrklausel durch den
Direktwahlakt nicht unmittelbar die Verfassungsmäßigkeit
einer solchen Sperrklausel nach dem deutschen Verfassungs-
recht abgeleitet werden, wie der Einspruchsführer zurecht
anmerkt. Der Wahlprüfungsausschuss sieht sie jedoch wei-
terhin als starkes Indiz dafür, dass § 2 Absatz 7 EuWG nicht
gegen das Grundgesetz verstößt.

Das Bundesverfassungsgericht hat in der vom Einspruchs-
führer zitierten Entscheidung vom 22. Mai 1979 die Fünf-
Prozent-Sperrklausel für Wahlen zum Europäischen Parla-
ment einstimmig für grundgesetzkonform angesehen, weil
sie an dem durch besondere, zwingende Gründe gerechtfer-
tigten Ziel, einer übermäßigen Parteienzersplitterung im Eu-
ropäischen Parlament entgegenzuwirken, orientiert sei und
das Maß des zur Erreichung dieses Ziels Erforderlichen nicht
überschreite (BVerfGE 51, 222, 233). Bereits in dieser Ent-
scheidung hat sich das Bundesverfassungsgericht ausdrück-
lich mit den Spezifika des Europäischen Parlaments ausein-
andergesetzt, dessen Aufgabenkreis – wie auch der
Einspruchsführer meint – mit dem der Parlamente der Mit-
gliedstaaten nur bedingt vergleichbar sei. Im Vordergrund
sah das Bundesverfassungsgericht die Ausübung der ver-
traglich verbürgten Beratungs- und Kontrollfunktionen. Da-
gegen seien von den klassischen Aufgaben der Parlamente
das Recht, die Regierung zu wählen und die gesetzgeberi-
schen Funktionen nur in ersten Ansätzen vorhanden
(a. a. O., S. 240 ff.). Hingegen nehme es als Vertretung der
Völker eine wichtige politische Integrationsverantwortung
wahr. Organisation und Arbeitsweise unterschieden sich
nicht wesentlich von derjenigen der nationalen Parlamente
der Mitgliedstaaten. Das Bundesverfassungsgericht betont,
dass der dem Europäischen Parlament im Verfassungsgefüge
der Europäischen Gemeinschaften zugewiesene Aufgaben-
kreis und die ihm auf dem Wege zu einem immer engeren
Zusammenschluss der europäischen Völker zugedachte Rol-
le ein handlungsfähiges Organ erforderten. Das Europäische
Parlament könne die ihm gestellten Aufgaben nur dann wirk-
sam bewältigen, wenn es durch eine, den vielschichtigen
Spezialmaterien angemessene, interne Arbeitsteilung all sei-
dem am 21. August 2003 verkündeten Vierten Gesetz zur
Änderung des Europawahlgesetzes und Neunzehnten Gesetz

nen Mitgliedern die notwendige Sachkenntnis verschaffe
und zu einer überzeugenden Mehrheitsbildung in der Lage

ropäische Parlament als ein unmittelbar von den Unionsbür-
gern gewähltes Vertretungsorgan der Völker in einer supra-
nationalen Gemeinschaft (vgl. BVerfGE 123, 267, 368).
Dieses ist, wie das Bundesministerium des Innern beispiel-
haft darlegt, mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon bei

genzuwirken. Deshalb besteht aus seiner Sicht die verfas-
sungsrechtliche Rechtfertigung für die Fünf-Prozent-Sperr-
klausel bei der Wahl der Abgeordneten des Europäischen
Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland gemäß § 2
Absatz 7 EuWG fort.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11 – Drucksache 17/2200

sei. Beides könne gefährdet werden, wenn die durch die gro-
ße Zahl der Mitgliedstaaten ohnehin nicht vermeidbare Auf-
gliederung des Parlaments in viele Gruppen ein Ausmaß an-
nehme, das dessen Funktionsfähigkeit ernsthaft in Frage
stelle. Dies sei ein zwingender Grund, der Vorkehrungen ge-
gen eine übermäßige Parteienzersplitterung zu rechtfertigen
vermöge (a. a. O., S. 246 f.).

Aus der vom Einspruchsführer ebenfalls mehrfach herange-
zogenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom
13. Februar 2008, der zufolge die Fünf-Prozent-Sperrklausel
bei Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein gegen die
Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit verstößt
(BVerfGE 120, 82), ergibt sich keine Neubewertung der Zu-
lässigkeit der Sperrklausel bei der Europawahl, wie das Bun-
desministerium des Innern in seiner Stellungnahme, der sich
der Wahlprüfungsausschuss in dieser Hinsicht anschließt,
zutreffend dargelegt hat. Dasselbe gilt für weitere kommu-
nalrechtliche Entscheidungen von Landesverfassungsge-
richten (vgl. die Übersicht über die Rechtslage in den Bun-
desländern im Urteil des Staatsgerichtshofs der Freien
Hansestadt Bremen vom 14. Mai 2009 – St 2/08, Rn. 30 ff.).
Denn die in diesen Entscheidungen betroffenen kommuna-
len Vertretungen sind, wie das Bundesverfassungsgericht
feststellt, Organe der Verwaltung, denen in erster Linie
verwaltende Tätigkeiten anvertraut sind (a. a. O., S. 112).
Damit haben sie einen völlig anderen Charakter als das Eu-

95 Prozent der europäischen Gesetzgebung zum gleichbe-
rechtigten Gesetzgeber neben dem Rat geworden, übt ge-
meinsam mit ihm die Haushaltsbefugnisse aus, erfüllt Auf-
gaben der politischen Kontrolle und Beratungsfunktionen
und wählt den Präsidenten der Kommission (vgl. Artikel 14
EUV).

Auch die auf das Europäische Parlament bezogenen Ausfüh-
rungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom
30. Juni 2009 zum Vertrag von Lissabon (BVerfGE 123, 267,
364, 370 ff.) nehmen in keiner Weise Stellung zu der Zuläs-
sigkeit einer Sperrklausel und bieten auch keine anderweiti-
gen Anhaltspunkte für eine notwendige Neubewertung der
Verfassungsmäßigkeit von § 2 Absatz 7 EuWG.

Angesichts der vom Einspruchsführer zutreffend dargeleg-
ten Entwicklung der Anzahl der im Europäischen Parlament
vertretenen Parteien sieht der Wahlprüfungsausschuss die
vom Bundesverfassungsgericht bereits 1979 deutlich ange-
sprochene Gefahr der Zersplitterung heute eher noch ver-
stärkt. Diese ist zwar in erster Linie der erheblich angewach-
senen Zahl der Mitgliedstaaten geschuldet. Vor dem
Hintergrund der beständig erweiterten und mit Inkrafttreten
des Vertrags von Lissabon weiter anwachsenden Kompe-
tenzen des Europäischen Parlaments hält der Wahlprüfungs-
ausschuss es daher für geboten, dieser Zersplitterung im
Rahmen des dem deutschen Gesetzgeber Möglichen entge-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13 – Drucksache 17/2200

spruchsführer mit Schreiben vom 17. Juni 2009 auf das
Begründungserfordernis des § 26 Absatz 2 des Europawahl-

Sofern die nach Schließung der Wahllokale im Laufe des
Abends in Fernsehen und Hörfunk veröffentlichten Progno-
beziehe, beruhten diese u. a. auf sogenannten Wählernach-
befragungen am Wahltag, die von Wahlforschungsinstituten
in ausgewählten Wahlbezirken durchgeführt worden seien.

fahren, die außerhalb wahlrechtlicher Normierungen liegen
(vgl. Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Auflage, 2009,
§ 32 Rn. 8).
gesetzes (EuWG) in Verbindung mit § 2 Absatz 1 und 3 des
Wahlprüfungsgesetzes hingewiesen und anheim gestellt,
weitere konkrete Umstände mitzuteilen, durch die er die gel-
tenden Wahlrechtsvorschriften als verletzt ansehe.

Hierauf hat sich der Einspruchsführer nicht gemeldet.

Der Bundeswahlleiter hat zu dem Einspruch grundsätzlich
erklärt, dass die Ermittlung der vorläufigen und endgültigen
amtlichen Wahlergebnisse bei der Wahl der Abgeordneten
des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland am 7. Juni 2009 unter Beachtung der einschlä-
gigen Rechtsvorschriften erfolgt sei. Soweit sich der Ein-
spruchsführer auf die Veröffentlichung von Prognosen und
Hochrechnungen über Fernsehen, Rundfunk und Internet
nach Schließung der Wahllokale in Deutschland um 18 Uhr

sen und Hochrechnungen sich tatsächlich den amtlichen Er-
gebnissen annähern, spräche dies zudem eher für die Qualität
der Arbeit der beauftragten Meinungsforschungsinstitute.
Wahlrechtliche Vorschriften werden hierdurch nicht verletzt.
Die genannten Prognosen und Hochrechnungen beruhen un-
ter anderem auf den sogenannten Wählernachbefragungen
am Wahltag. Diese sind, wie der Bundeswahlleiter zutref-
fend feststellt, gemäß § 4 EuWG in Verbindung mit § 32
Absatz 2 BWG zulässig, solange die Ergebnisse der Befra-
gungen erst nach Ablauf der Wahlzeit veröffentlicht werden.
Für die Hochrechnungen werden die Ergebnisse aus Wahl-
bezirken, in denen schnell ausgezählt wurde, unter Einbezie-
hung von Erfahrungswerten aus früheren Wahlen und Um-
fragen auf das wahrscheinliche Ergebnis der gesamten Wahl
hochgerechnet. Es handelt sich hierbei um empirische Ver-
Anlage 2

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn H. R., 04209 Leipzig
– Az.: EuWP 5/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 7. Juni 2009
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 10. Juni 2010 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 8. Juni 2009, das beim Deutschen Bun-
destag am 9. Juni 2009 eingegangen ist, hat der Einspruchs-
führer gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des
Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutsch-
land am 7. Juni 2009 Einspruch eingelegt.

Der Einspruchsführer beanstandet in seinem mit „Hellsehe-
rei oder Wahlfälschung?“ überschriebenen Schreiben, dass
in der Bundesrepublik Deutschland die „groben Wahlergeb-
nisse schon weit vor der Auszählung der Stimmen“ bekannt
gewesen und über die Medien verbreitet worden seien. Die
Prognosen und die Hochrechnungen seien nur unwesentlich
von dem vorläufigen amtlichen Ergebnis abgewichen. Dies
könne „nicht mit rechten Dingen zugehen“. Er habe den Ein-
druck, dass die Wahlergebnisse schon vor den Wahlen fest-
gelegt worden seien, und bezweifelt, dass die Millionen ab-
gegebener Stimmen kontrolliert und richtig addiert werden
könnten. Er fühlt sich an die Wahlen in der ehemaligen DDR
erinnert.

Das Sekretariat des Wahlprüfungsausschusses hat den Ein-

Dies sei gemäß § 4 EuWG in Verbindung mit § 32 des Bun-
deswahlgesetzes (BWG) zulässig, solange die Veröffent-
lichung von Ergebnissen der Wählernachbefragungen erst
nach Ablauf der Wahlzeit, also nach Schließung der Wahllo-
kale erfolge.

Dem Einspruchsführer ist die Stellungnahme bekannt gege-
ben worden. Er hat sich hierzu nicht mehr geäußert.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten wird auf
den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Aus dem Vorbringen des Einspruchsführers ist kein Wahl-
fehler ersichtlich. Soweit er behauptet, die geringe Abwei-
chung zwischen den in den Medien veröffentlichten Progno-
sen und Hochrechnungen und dem amtlichen Wahlergebnis
deute auf eine Fälschung der Wahl hin, trägt er keine Tat-
sachen vor, die diese Vermutung belegen können.

ler bei der Stimmabgabe nicht durch die Kenntnis des Wahl-
ausgangs in anderen Mitgliedstaaten beeinflusst werden.

Die niederländischen Wähler hätten bereits am 4. Juni 2009
ihre Stimme abgegeben. Nach Mitteilung des niederländi-
schen Innenministeriums hätten die Wahlausschüsse auf
hinsichtlich des Briefpapiers, des Umschlags und des Portos
zu stellen. So sei der Antrag des Einspruchsführers unter
Hinweis auf die oben genannte Regelung nicht weitergeleitet

berichterstattung eine Wahlbeeinflussung erfolgt sei. Denn
in den 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union stellten
sich derzeit noch keine transnationalen europäischen politi-
Zu den Umständen der Wahlen in Justizvollzugsanstalten
trägt er vor, dass in keiner Haftanstalt seines Bundeslandes
Baden-Württemberg Wahllokale eingerichtet worden seien.
Das Gesetz sehe „nur im äußersten Notfall“ ein Absehen von
dieser Pflicht vor. Ein Wahllokal hätte verhindert, dass nur
„vermögende Gefangene“ ihr Wahlrecht hätten ausüben
können und „arme Gefangene“ faktisch einem Wahlverbot
unterlegen hätten. Dies sei mit dem Verfassungsprinzip der
Freiheit und Gleichheit der Wahl nicht vereinbar. Der Staat
habe die Pflicht, Gefangenen den kostenlosen Zugang zur
Wahl zu ermöglichen. Bisher sei es üblich gewesen, dass An-
träge der Gefangenen auf Teilnahme an der Briefwahl ge-
sammelt und an die Stadtverwaltung weitergeleitet worden
seien. Im Jahr 2009 seien die Gefangenen jedoch angehalten
worden, den Antrag an die Wahlbehörde auf eigene Kosten

Wahlkreisebene am 8. Juni 2009 das Wahlergebnis im Wahl-
kreis für die dort zur Wahl stehenden Kandidaten und Partei-
en öffentlich bekannt gemacht. Am 11. Juni 2009 habe der
Wahlrat der Niederlande das amtliche Ergebnis für die Nie-
derlande festgestellt und bekannt gegeben. Die Medien-
berichterstattung habe auf nicht amtlichen lokalen Einzel-
ergebnissen beruht. Das niederländische Ergebnis sei in
Übereinstimmung mit den Bestimmungen des Direktwahl-
akts mehrere Tage nach dem Ende der Wahl in allen Mit-
gliedstaaten bekannt gegeben worden.

Inwieweit eine Wahlbeeinflussung der Wählerinnen und
Wähler in Deutschland erfolgt sein soll, sei vom Einspruchs-
führer nicht dargelegt, sondern nur behauptet worden. Im
Übrigen sei auch zu bezweifeln, dass infolge der Medien-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 15 – Drucksache 17/2200

Anlage 3

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn T. M.-F., 76646 Bruchsal
– Az.: EuWP 7/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 7. Juni 2009
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 10. Juni 2010 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 10. Juni 2009, das beim Deutschen Bun-
destag am 11. Juni 2009 eingegangen ist, hat der Einspruchs-
führer gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des
Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutsch-
land am 7. Juni 2009 Einspruch eingelegt.

Der Einspruchsführer beanstandet mit seinem Wahlein-
spruch die frühzeitige Veröffentlichung der Wahlergebnisse
in den Niederlanden sowie die Umstände der Teilnahme an
der Wahl für Gefangene in Justizvollzugsanstalten.

Der Einspruchsführer trägt zur Begründung seines Ein-
spruchs vor, dass durch die Bekanntgabe des Wahlergebnis-
ses in den Niederlanden am 4. und 5. Juni 2009 die Wahlen
in der Bundesrepublik Deutschland manipuliert worden sei-
en. Den „hiesigen Wählern“ sei der Wahlausgang in den
Niederlanden bekannt gewesen, so dass sie durch „gezielte
Stimmabgabe die Zusammensetzung des Parlaments“ hätten
manipulieren können. Das vorgesehene Veröffentlichungs-
verbot solle gewährleisten, dass die Wählerinnen und Wäh-

zeitig hätten kaufen können, da die Möglichkeit, Waren zu
kaufen, nur alle zwei bis drei Wochen bestünde. Auf die
Möglichkeit der Übernahme der Kosten im Einzelfalle sei
ebenfalls nicht hingewiesen worden.

Zum Vortrag der frühzeitigen Veröffentlichung des Wahler-
gebnisses in den Niederlanden hat das Bundesministerium
des Innern mit Schreiben vom 9. Juli 2009 wie folgt Stellung
genommen:

Die 7. Direktwahl der Abgeordneten zum Europäischen
Parlament habe in dem Zeitraum vom 4. bis 7. Juni 2009
stattgefunden. Nach Artikel 10 Absatz 2 des Akts zur Ein-
führung allgemeiner Wahlen der Abgeordneten des Euro-
päischen Parlaments (Direktwahlakt) dürfe ein Mitgliedstaat
das ihn betreffende Wahlergebnis erst dann amtlich bekannt
geben, wenn die Wahl in dem Mitgliedstaat, dessen Wähler
innerhalb des Wahlzeitraums als letzte gewählt hätten, abge-
schlossen sei. Nach Mitteilung der Europäischen Kommis-
sion hätten die zuletzt wählenden Mitgliedstaaten am 7. Juni
2009 das Ende der Wahl auf 22.00 Uhr festgelegt.
worden. Es gebe jedoch viele Gefangene, die kein Geld für
Porto und für Umschläge hätten oder sich diese nicht recht-

schen Parteien, sondern nationale Parteien mit überwiegend
nationalen Wahlbewerbern zur Wahl der jeweils nationalen

Drucksache 17/2200 – 16 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Abgeordneten. Die Parteienlandschaft sei zudem in den ver-
schiedenen Mitgliedstaaten nicht bzw. wenig vergleichbar.
Das Wahlverhalten der Wähler orientiere sich daher in erster
Linie an der nationalen Parteienlandschaft.

Die Landeswahlleiterin des Landes Baden-Württemberg hat
zum Vortrag hinsichtlich der Wahlen in Justizvollzugsanstal-
ten am 10. Juli 2009 wie folgt Stellung genommen:

Nach den §§ 8 und 57 Absatz 1 der Europawahlordnung
(EuWO) sollen in Justizvollzugsanstalten bei entsprechen-
dem Bedürfnis und soweit möglich bewegliche Wahlvor-
stände gebildet werden. Die Gemeindebehörden sollen bei
Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen Gelegenheit ge-
ben, dass die in der Anstalt anwesenden Wahlberechtigten,
die für einen Kreis oder den Stadtkreis gültigen Wahlschein
besitzen, in der Anstalt vor dem beweglichen Wahlvorstand
wählen können.

Die Gemeindebehörden seien zur Bildung eines beweg-
lichen Wahlvorstandes jedoch nicht verpflichtet. Der Wahl-
praxis sei hier ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt
worden (Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Auflage,
2009, § 2 Rn. 5). Bei den vergangenen Wahlen hätten die
Gemeinden in aller Regel davon abgesehen, bewegliche
Wahlvorstände einzurichten. Der Einspruchsführer habe
keine Gründe vorgetragen, die auf eine fehlerhafte Ermes-
sensausübung der Gemeinde schließen ließen. Der Ein-
spruchsführer habe auf die Bildung eines beweglichen Wahl-
vorstandes auch keinen Anspruch. Er sei in seinen Rechten
nicht verletzt worden, indem er zur Stimmabgabe auf die
Briefwahl angewiesen gewesen sei. Die Rechtsprechung und
die herrschende Literaturmeinung hätten die Briefwahl als
verfassungskonform beurteilt. Sie verstoße weder gegen die
Grundsätze der Gleichheit und Unmittelbarkeit der Wahl
noch gegen die Wahlfreiheit oder das Wahlgeheimnis und sei
in ihrer Ausformung im Bundeswahlgesetz und in der Bun-
deswahlordnung als mit dem Grundgesetz vereinbar beur-
teilt. Dies gelte auch für die vergleichbaren europawahl-
rechtlichen Bestimmungen.

Soweit Briefwähler bei Postversand ihren Wahlscheinantrag
in einem frankierten Umschlag an die Gemeinde zu senden
gehabt hätten, habe das zuständige Justizministerium darauf
hingewiesen, dass Strafgefangene nach § 28 des Strafvoll-
zugsgesetzes (StVollzG) ein Recht auf Schriftwechsel hät-
ten. Nach Nummer 2 der bundeseinheitlichen Verwaltungs-
vorschrift zu § 28 StVollzG trage zwar grundsätzlich der
Gefangene die Kosten seines Schriftwechsels. Könne er sie
nicht aufbringen, übernehme die Anstalt die Kosten in be-
gründeten Fällen und in angemessenem Umfang. Ein solcher
Fall liege bei den mit der Briefwahl verbundenen Kosten vor.
Somit sei gewährleistet, dass auch bedürftige Gefangene ihr
Wahlrecht ausüben könnten.

Dem Einspruchsführer ist die Stellungnahme der Landes-
wahlleiterin des Landes Baden-Württemberg bekannt gege-
ben worden. Er hat sich hierzu wie folgt geäußert:

Da Hunderte von Gefangenen wahlberechtigt gewesen sei-
en, hätte ein beweglicher Wahlvorstand eingerichtet werden
müssen, da für eine Wohngemeinde mit entsprechender An-
zahl von Wählern selbstverständlich auch ein Wahllokal ein-
gerichtet worden wäre. In der Justizvollzugsanstalt, in der

(auch am Wahltag) seien die Zellen u. a. von 14.00 bis
16.45 Uhr offen, so dass ohne Weiteres z. B. von 14.00 bis
16.00 Uhr ein beweglicher Wahlvorstand hätte eingerichtet
werden können. Die Bundeswahlordnung (BWO) sehe die
Bildung eines solchen auch als Regel vor; nur im Ausnahme-
fall dürfe kein beweglicher Wahlvorstand gebildet werden.
Die Regelung für die Europawahl enthalte die inhaltsgleiche
Bestimmung, wonach bewegliche Wahlvorstände gebildet
werden „sollen“. Durch die Verweigerung des beweglichen
Wahlvorstandes habe die Leitung der Justizvollzugsanstalt
es in der Hand, ob Gefangene wählen können, denn ausge-
hende Post dürfe überwacht werden (vgl. § 29 StVollzG) und
Briefwahlpost sei ausdrücklich nicht von der Überwachung
ausgeschlossen. Dieses Problem habe auch die Fraktion DIE
LINKE. im Bundestag thematisiert (vgl. Bundestagsdruck-
sache 16/12622). Die Leitung der Justizvollzugsanstalt kön-
ne auch (z. B. wenn unbequeme Parteien gewählt werden)
Briefe anhalten, so dass Gefangene nicht hätten wählen kön-
nen.

Hinsichtlich des Vortrags der entstehenden Kosten bei der
Teilnahme an der Wahl trägt er vor, dass der offizielle Aus-
hang in der Justizvollzugsanstalt keinerlei Hinweis auf eine
Kostenübernahme für bedürftige Gefangene enthalten habe.
Vielmehr habe es dort geheißen, dass ausnahmslos „jeder
Häftling selbst“ für die Versendung Sorge zu tragen habe,
wenn er an der Briefwahl habe teilnehmen und die Brief-
wahlunterlagen habe anfordern wollen. Selbst wenn die Jus-
tizvollzugsanstalt für bedürftige Gefangene die Kosten über-
nähme (was sie nicht tue, denn jeder gefangene Wähler
erhalte entweder Taschengeld oder Arbeitslohn, was bewei-
se, dass es sich um eine leere Versprechung der Justiz hande-
le), ändere dies nichts an dem Faktum, dass die Ausübung
des Wahlrechts in illegaler Weise davon abhängig gemacht
werde, dass man Geld investiere. Dem Einspruchsführer ge-
genüber hätten mehrere Insassen bekundet, dass sie es des-
halb ablehnen würden zu wählen. Jeder freie Bürger könne
entweder in ein Wahllokal gehen oder seinen Antrag auf
Erteilung von Briefwahlunterlagen persönlich und kostenlos
bei der Stadt abgeben. Nur Gefangene müssten dafür zahlen,
wählen zu dürfen. Hier treffe also nicht nur die Justizvoll-
zugsanstalt ein Verschulden, sondern die Stadt als Wahl-
behörde, denn sie hätte ggf. eine kostenlose Abholung der
Briefwahlanträge bei der Justizvollzugsanstalt organisieren
müssen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

1. Bei der vom Einspruchsführer beanstandeten „vorzeitigen
Bekanntgabe“ der niederländischen Ergebnisse der Wahl der
Abgeordneten zum Europäischen Parlament handelt es sich
nach überzeugender Darstellung des Bundesministeriums
des Innern nicht um eine „amtliche Bekanntgabe“ der Ergeb-
nisse. Die Medienberichterstattung hat vielmehr auf nicht
amtlichen lokalen Einzelergebnissen beruht. Die amtliche
Bekanntmachung des niederländischen Wahlergebnisses ist
durch die dortigen Behörden auf Wahlkreisebene erst am
8. Juni 2009 erfolgt. Das amtliche Ergebnis für die Nieder-
lande hat der dortige Wahlrat sogar erst am 11. Juni 2009
der Einspruchsführer seine Haft verbüßt, sei dies organisato-
risch problemlos möglich gewesen, denn an Sonntagen

festgestellt und bekannt gegeben. Nach Artikel 10 Absatz 2
des Direktwahlakts dürfen die Mitgliedstaaten das sie betref-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 17 – Drucksache 17/2200

fende Wahlergebnis erst dann amtlich bekannt geben, wenn
die Wahl in dem Mitgliedstaat, dessen Wähler innerhalb des
Wahlzeitraums als letzte gewählt haben, abgeschlossen ist.
Da das Ende der Wahl nach Darstellung des Bundesministe-
riums des Innern am 7. Juni 2009 auf 22.00 Uhr festgelegt
worden ist, ist das niederländische Ergebnis in Übereinstim-
mung mit den Bestimmungen erst nach dem Ende der Wahl
in allen Mitgliedstaaten amtlich bekannt gegeben worden.
Ein Verstoß gegen Artikel 10 Absatz 2 des Direktwahlakts
liegt also nicht vor.

Der Einspruch kann auch keinen Erfolg haben, soweit der
Einspruchsführer behauptet, dass durch das Bekanntwerden
nichtamtlicher Wahlergebnisse in den Niederlanden eine
Wahlbeeinflussung der Wählerinnen und Wähler in Deutsch-
land erfolgt sein soll. So ist es schon nicht nachvollziehbar,
wieso angesichts der Unterschiedlichkeit der Parteienland-
schaft und des Wahlverhaltens der Wähler in den
Niederlanden und in Deutschland eine unzulässige Beein-
flussung stattgefunden haben soll. Entscheidend ist aber,
dass der Einspruchsführer hierzu keine konkreten Tatsachen
vorgetragen hat, die seinen Einspruch untermauern könnten.
Eine nähere Prüfung dieser pauschalen Behauptung durch
den Wahlprüfungsausschuss des Deutschen Bundestags ist
mangels eines hinreichend bestimmten Anfechtungsgegen-
standes nicht geboten.

2. Soweit der Einspruchsführer rügt, dass es „in keinem der
Gefängnisse des Bundeslandes“ ein „Wahllokal“ gegeben
habe, liegt ebenfalls kein Wahlfehler vor. Denn die Wahlvor-
schriften sehen keine generelle Verpflichtung der Wahlbe-
hörden zur Einrichtung einer Gelegenheit zur Urnenwahl in
Justizvollzugsanstalten vor. Wegen des Grundsatzes, dass je-
der Wahlberechtigte nur in dem Wahlkreis wählen kann, in
dessen Wählerverzeichnis er geführt wird (§ 4 des Europa-
wahlgesetzes – EuWG – in Verbindung mit § 14 Absatz 2
des Bundeswahlgesetzes – BWG), ist dies – anders, als der
Einspruchsführer offensichtlich meint – nicht einmal ohne
Weiteres für alle sich in einer Justizvollzugsanstalt aufhal-
tenden Wahlberechtigten möglich.

§ 57 Absatz 1 EuWO sieht zwar vor, dass die Gemeindebe-
hörde bei entsprechendem Bedürfnis und soweit möglich
Gelegenheit geben soll, dass die in sozialtherapeutischen
Anstalten und Justizvollzugsanstalten anwesenden Wahlbe-
rechtigten, die einen für den Kreis oder die kreisfreie Stadt
gültigen Wahlschein besitzen, vor einem beweglichen Wahl-
vorstand wählen. Das bedeutet jedoch zugleich, dass alle
dort anwesenden Wahlberechtigten, die in den Wählerver-
zeichnissen von Gemeinden anderer Kreise oder anderer
kreisfreier Städte geführt werden, insbesondere weil sie dort
zum Stichtag für die Eintragung ins Wählerverzeichnis ge-
meldet waren (vgl. § 15 Absatz 1 EuWO), ihre Stimme nicht
vor dem beweglichen Wahlvorstand abgeben können. Diese
Wahlberechtigten sind, soweit sie nicht dort an der Urnen-
wahl teilnehmen können, wo sie im Wählerverzeichnis ein-
getragen sind, in jedem Fall auf die Stimmabgabe per Brief-
wahl verwiesen.

Davon abgesehen räumt die Regelung, wie der Wahlprü-
fungsausschuss in ständiger Entscheidungspraxis feststellt,
den Gemeindebehörden einen großen Entscheidungsspiel-
raum ein (vgl. Bundestagsdrucksachen 14/2761, Anlage 15;

beweglichen Wahlvorstands, dass ein Bedürfnis für dessen
Einrichtung besteht und die Einrichtung auch möglich ist.
Bei der Entscheidung der Gemeindebehörde über das Vorlie-
gen eines entsprechenden Bedürfnisses ist zu berücksichti-
gen, dass auch die Möglichkeit der Briefwahl besteht (vgl.
Seifert, Bundeswahlrecht, 3. Auflage 1976, zu § 60 BWO,
Nummer 1). Aus Sicht des Wahlprüfungsausschusses be-
steht seit Einführung der Briefwahl keine zwingende Not-
wendigkeit, bewegliche Wahlvorstände in Justizvollzugs-
anstalten einzurichten, sofern nicht besondere Gründe
vorliegen. Derartige Gründe sind vom Einspruchsführer je-
doch nicht vorgetragen worden und für den Ausschuss nicht
ersichtlich.

Auch die Frage, ob die Einrichtung eines beweglichen Wahl-
vorstands überhaupt möglich ist, ist von der Gemeinde-
behörde, die mit Unterstützung der Leitung der Justizvoll-
zugsanstalt die Stimmabgabe vor einem beweglichen
Wahlvorstand zu organisieren hat (vgl. § 57 Absatz 2 und 3
in Verbindung mit § 55 Absatz 3 und § 54 Absatz 6
bis 8 EuWO), zu beurteilen. Hierbei können personelle und
organisatorische Gegebenheiten, insbesondere auch Sicher-
heitserwägungen, eine Rolle spielen.

Nur wenn die genannten Voraussetzungen, also ein Bedürf-
nis und auch die Möglichkeit der Einrichtung eines bewegli-
chen Wahlvorstands, vorliegen, gilt als Rechtsfolge, dass die
Gemeindebehörde Gelegenheit zur Wahl vor einem bewegli-
chen Wahlvorstand geben soll. Die Tatsache, dass eine Ge-
meinde in einer Justizvollzugsanstalt keinen beweglichen
Wahlvorstand einrichtet, verstößt daher nicht ohne Weiteres
gegen die Vorschriften zur Vorbereitung und Durchführung
der Europawahl. Daher lässt jedenfalls die pauschale Fest-
stellung des Einspruchsführers in seiner Einspruchsschrift,
es seien in den Justizvollzugsanstalten des Landes Baden-
Württemberg keine Wahllokale eingerichtet worden, keinen
Wahlfehler erkennen.

Auch der ergänzende Vortrag des Einspruchsführers in sei-
ner Erwiderung auf die Stellungnahme der Landeswahlleite-
rin, „hunderte von Gefangenen“ seien wahlberechtigt gewe-
sen, kann schon deshalb nicht zur Feststellung eines
Bedürfnisses für die Einrichtung eines beweglichen Wahl-
vorstands führen, weil dabei völlig unklar bleibt, ob tatsäch-
lich „hunderte“ Personen in einer konkreten Justizvollzugs-
anstalt – der Einspruchsführer bezieht sich vermutlich auf
die Justizvollzugsanstalt Bruchsal, in der er inhaftiert ist –
die oben dargelegten Voraussetzungen für die Wahl vor dem
beweglichen Wahlvorstand erfüllten. Beispielhaft sei darauf
hingewiesen, dass die Landeswahlleiterin des Landes
Baden-Württemberg auf einen inhaltsgleichen Einspruch des
Einspruchsführers gegen die Bundestagswahl im Jahr 2002
mitgeteilt hat, dass zu dieser Bundestagswahl (lediglich)
40 Personen in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal von Amts
wegen in das Wählerverzeichnis eingetragen gewesen seien
und 36 weitere Personen nach Antrag auf Eintragung in
das Wählerverzeichnis ebenfalls Briefwahlunterlagen erhal-
ten hätten (vgl. Bundestagsdrucksache 15/2400, Anlage 6,
Seite 29).

Im Übrigen bestand für alle wahlberechtigten Gefangenen
die Möglichkeit der Briefwahl. § 59 Absatz 4 EuWO sieht
für die Briefwahl in Justizvollzugsanstalten (wie auch Kran-
15/2400, Anlage 6; 16/3600, Anlage 39). Denn gemäß den
§§ 8 und 57 EuWO ist Voraussetzung für die Bildung eines

kenhäusern, Altenheimen und weiteren Einrichtungen) zu-
sätzliche Vorkehrungen vor, die die Freiheit der Wahl und

hätten wählen können, während arme Gefangene „faktisch
einem Wahlverbot unterlagen“, trägt er keine konkreten Tat-
sachen vor, die die Behauptung, es gebe Gefangene, die aus
Kostengründen keinen Antrag auf Briefwahl hätten stellen
können, untermauern könnten. Im Gegenteil räumt er selbst
in seiner Erwiderung auf die Stellungnahme der Landes-
wahlleiterin ein, „jeder gefangene Wähler“ erhalte „entwe-
der Taschengeld oder Arbeitslohn“.

Soweit er in seiner Erwiderung auf die Stellungnahme der
Landeswahlleiterin ergänzend vorträgt, durch die Briefwahl
sei das Wahlgeheimnis in Gefahr, da die Justizvollzugsan-
stalt die ausgehende Post zensieren dürfe, hat er auch hierzu
keine konkreten Tatsachen vorgetragen, die seine Behaup-
tung untermauern würden. Der in Artikel 38 Absatz 1 Satz 1
des Grundgesetzes (GG) und § 1 EuWG festgelegte Grund-
satz der geheimen Wahl gilt auch für die Briefwahl von Ge-
fangenen. Einer ausdrücklichen Regelung des Verbots der
Kontrolle von Wahlbriefen von Gefangenen bedarf es des-
halb nicht. Soweit der Einspruchsführer auf die Überwa-
chung des Schriftverkehrs gemäß § 29 StVollzG hinweist, ist
dieser Hinweis aus den genannten Gründen falsch. Wahl-
briefe gehören, wie dem Einspruchsführer bereits auf frühere
Wahleinsprüche mitgeteilt wurde, gerade nicht zu dem
Schriftverkehr, der von der Justizvollzugsanstalt überwacht
werden darf (vgl. Bundestagsdrucksachen 14/1560,

Kosten seines Schriftwechsels. Wenn er diese aber nicht
aufbringen kann, übernimmt die Anstalt die Kosten in be-
gründeten Fällen und in angemessenem Umfang. Die
Beurteilung der finanziellen Situation der Gefangenen liegt
dabei in der Zuständigkeit der Leitung der Justizvollzugs-
anstalt.

Der Umstand, dass die Beantragung eines Wahlscheins bei
Gefangenen Kosten verursacht, stellt auch vor dem Hinter-
grund, dass sich der Gleichheitsgrundsatz des Artikels 3
GG nicht auf den Erfolgswert jeder einzelnen Stimme be-
schränkt, sondern auch die Wahlorganisation einschließt,
keinen Wahlfehler dar. Denn gemäß Anlage 3 zu § 18
Absatz 1 EuWO ist die Beantragung eines Wahlscheins auch
für in Freiheit befindliche Wahlberechtigte nur mittels eines
frankierten Umschlags möglich. Es entstehen also hier eben-
falls Kosten für den Umschlag und das Beförderungsentgelt.
Dass Strafgefangene, anders als in Freiheit befindliche
Wahlberechtigte, nicht die unentgeltliche Möglichkeit ha-
ben, die Stimme im Wahllokal ihres Wahlbezirkes abzuge-
ben, stellt ebenfalls keinen Wahlfehler dar, sondern ist mit
der besonderen Situation des Freiheitsentzuges zu erklären.
Die weitere Teilnahme an der Briefwahl ist dagegen gemäß
§ 4 EuWG i. V. m. 36 Absatz 4 BWG grundsätzlich unent-
geltlich, der Bund trägt die Kosten für die Beförderung der
amtlichen Wahlbriefumschläge.
Drucksache 17/2200 – 18 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

das Wahlgeheimnis besonders absichern sollen. Diese Rege-
lung verlangt ausdrücklich, dass in den Einrichtungen Vor-
sorge zu treffen ist, dass der Stimmzettel unbeobachtet
gekennzeichnet und in den Stimmzettelumschlag gelegt wer-
den kann. Die Leitung der Einrichtung bestimmt einen ge-
eigneten Raum, veranlasst dessen Ausstattung und gibt den
Wahlberechtigten bekannt, in welcher Zeit der Raum für die
Ausübung der Briefwahl zur Verfügung steht.

Die Argumente des Einspruchsführers, mit denen er offenbar
belegen möchte, dass die Briefwahl zur Wahrnehmung des
Wahlrechts durch Gefangene untauglich sei, greifen nicht
durch.

Soweit der Einspruchsführer argumentiert, ein Bedürfnis zur
Einrichtung eines beweglichen Wahlvorstands habe deshalb
bestanden, weil wegen der mit dem Briefwahlantrag verbun-
denen Kosten nur vermögende Gefangene auf diesem Weg

Anlage 25; 14/2761, Anlage 15, Seite 67; 15/2400,
Anlage 6; 16/5700, Anlage 23). Im Übrigen hat der Ein-
spruchsführer nicht vorgetragen, dass Wahlbriefe tatsächlich
geöffnet und kontrolliert worden seien.

3. Zu den Rügen des Einspruchsführers, dass nur vermögen-
de Gefangene wählen könnten, weil die Gefangenen die
Kosten für Briefpapier, Briefumschlag und Porto bei der
Briefwahl selbst zu tragen hätten, und dass die Justiz-
vollzugsanstalt Bruchsal die Kostenübernahme auch bei Ge-
fangenen abgelehnt habe, „die keine Umschläge, oder kein
Geld für Briefmarken“ hätten, ist auf § 73 StVollzG hinzu-
weisen, wonach Gefangene in dem Bemühen zu unterstützen
sind, ihr Wahlrecht auszuüben. Zudem haben Gefangene ge-
mäß § 28 StVollzG ein Recht auf Schriftwechsel. Nach
Nummer 2 der bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschrift
zu § 28 StVollzG trägt zwar grundsätzlich der Gefangene die

schein und Personalausweis zur Wahl zugelassen werde.
Dies sei nur in dem örtlich zuständigen Wahlbezirk möglich.
Doch auch in dem zuständigen Wahllokal sei sie nicht zur

persönlich in einem Wahllokal seines Bezirks erschienen sei
und sich mit dem Personalausweis habe legitimieren können,
Berlin mit Schreiben vom 6. August 2009 wie folgt Stellung
genommen:

Die von der Einspruchsführerin zitierte Aussage, dass Wahl-
unterlagen vom Posteingang bis zum Landeswahlbüro acht
Tage benötigen würden, sei nicht korrekt. Zum einen seien
Wahl zugelassen worden. Diese Vorgehensweise sei telefo-
nisch durch das Bezirkswahlamt Lichtenberg bestätigt wor-
den. Trotz Wahlscheines habe man sich geweigert, sie erneut
in das Wählerverzeichnis aufzunehmen und an der Wahl teil-
nehmen zu lasen. Ihr sei erklärt worden, dass bereits mehrere
potenzielle Wähler mit Wahlunterlagen weggeschickt wur-
den. Am 8. Juni 2009 habe sie sich per E-Mail beim Landes-
wahlleiter über diese Vorgehensweise beschwert. Von dort
wurde ihr bestätigt, dass die Auskunft der Wahlhelfer in den
Wahllokalen falsch gewesen sei.

Die Einspruchsführerin bittet mit ihrem Wahleinspruch u. a.
um Überprüfung der Bearbeitungszeit der Briefwahlunter-
lagen und eine bessere Qualifizierung der Wahlhelfer.

Zu dem Wahleinspruch hat der Landeswahlleiter des Landes

jedoch zur Wahl zuzulassen.

Nach der Niederschrift des Wahllokals, in dem die Ein-
spruchsführerin wahlberechtigt gewesen und nach ihren An-
gaben abgewiesen worden sei, habe ein anderer Wahlberech-
tigter mit Wahlschein gewählt. Der Wahlschein sei auch der
Anlage der Niederschrift beigefügt gewesen. Es sei deshalb
davon auszugehen, dass der Wahlvorstand gewusst habe,
dass Wahlberechtigte mit Wahlschein zur Wahl hätten zuge-
lassen werden müssen.

Der Vorfall sei sehr bedauerlich und werde vom Bezirks-
wahlamt zum Anlass genommen, für die Bundestagswahl
noch mehr auf das Thema Umgang mit Briefwahlunterlagen
einzugehen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 19 – Drucksache 17/2200

Anlage 4

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

der Frau I. B., 10315 Berlin
– Az.: EuWP 14/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 7. Juni 2009
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 10. Juni 2010 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 17. Juni 2009, das beim Deutschen Bun-
destag am 19. Juni 2009 eingegangen ist, hat die Einspruchs-
führerin gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten
des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland am 7. Juni 2009 Einspruch eingelegt.

Die Einspruchsführerin beanstandet mit ihrem Schreiben,
dass ihr trotz vorhandener Wahlunterlagen die Teilnahme an
der Urnenwahl nicht ermöglicht worden sei. Zur Begrün-
dung führt sie aus, sie habe ihre Unterlagen zur Teilnahme an
der Briefwahl fristgerecht beantragt, die Unterlagen mit
Schreiben vom 4. Juni 2009 des Bezirkswahlamts des Be-
zirks Berlin-Lichtenberg aber erst am 6. Juni 2009 erhalten.
Dies sei zu spät gewesen, um die Briefwahlunterlagen ter-
mingerecht zurückzusenden.

Deshalb habe sie am Wahltag ein Wahllokal im Wahlkreis
Berlin-Lichtenberg aufgesucht, um an der Urnenwahl teilzu-
nehmen. Dort habe man ihr mitgeteilt, dass sie weder ihre
Briefwahlunterlagen abgeben könne, noch mit ihrem Wahl-

Antragsdatum vom 28. Mai 2009 am 4. Juni 2009, also ge-
nau eine Woche später, im Bezirkswahlamt eingegangen.
Der Antrag sei am gleichen Tag, also am 4. Juni 2009, bear-
beitet und am nächsten Tag dem Postdienstleister übergeben
worden, der die Briefwahlunterlagen am 6. Juni 2009 zuge-
stellt habe. Die Verzögerung habe also vor dem Eingang des
Antrags im Bezirkswahlamt, nämlich beim Transport dort-
hin, gelegen. Das Bezirkswahlamt habe dem Landeswahllei-
ter versichert, dass täglich Post in der Poststelle abgeholt
worden sei. Es sei bedauerlich, dass die Einspruchsführerin
dann am Wahltag von zwei Wahllokalen trotz gültigen Wahl-
scheins abgewiesen wurde. Warum dies passiert sei, habe
das Bezirkswahlamt nicht klären können. In den Schulungen
und in den Hinweisen für die Wahlvorstände, die alle Wahl-
vorsteher vor der Wahl erhalten hätten, sei explizit erklärt
worden, wie zu verfahren sei, wenn Wahlberechtigte mit
ihren Briefwahlunterlagen ins Wahllokal kommen. Danach
hätten zwar geschlossene Wahlbriefe im Wahllokal nicht
entgegengenommen werden dürfen, weil es keinen Boten-
dienst bis 18 Uhr zum Bezirkswahlamt gegeben habe. Mit
dem mitgebrachten Wahlschein sei der Wahlberechtigte, der
Nach Auskunft des zuständigen Bezirkswahlamtes Lichten-
berg sei der Wahlscheinantrag der Einspruchsführerin mit

an den Landeswahlleiter adressierte Briefe ohne Verzöge-
rung zugestellt worden und zum anderen sei der Landes-

nung – Merkblatt zur Briefwahl –; vgl. für Bundestagswah-
len Anlage 9 zu § 26 i. V. m. Anlage 12 zu § 28 Absatz 3 der
Bundeswahlordnung – Merkblatt zur Briefwahl –). Die
Bundesregierung hat auf die entsprechende Prüfbitte des
Wahlprüfungsausschusses nach der Bundestagswahl 2005
festgestellt, dass die Stimmabgabe mit Wahlschein an der
Wahlurne äußerst selten vorkomme, da nur 0,08 Prozent der
Wahlberechtigten auf diese Weise ihre Stimme abgeben wür-
den. Die Rechtslage sei insofern eindeutig, jedoch werde das
Bundesministerium des Innern in derartigen Sonderfällen
„auch vor der nächsten Wahl den Bundeswahlleiter sowie die
Innenressorts der Länder bitten, auf eine wählerorientierte
Haltung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gemein-
debehörden sowie der ehrenamtlichen Wahlhelfer hinzuwir-
ken“. Dies ist im vorliegenden Fall offenkundig nicht durch-
gehend erfolgreich gewesen. Es liegt somit ein Wahlfehler
vor. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Wahl-

deswahlleiter des Landes Berlin überzeugend dargelegt, dass
die einwöchige Verzögerung bei der Zustellung des Antrags
zum Bezirkswahlamt eingetreten ist. Nach Eingang des An-
trags beim Bezirkswahlamt am 4. Juni 2009 sind die Unter-
lagen noch am gleichen Tag an die Einspruchsführerin ver-
sandt worden und dort am 6. Juni 2009 eingegangen. Die
einwöchige Laufzeit stellt jedoch keinen Wahlfehler dar, da
nach der ständigen Praxis des Deutschen Bundestages in
Wahlprüfungsangelegenheiten der Briefwähler das Risiko
trägt, dass Wahlschein und Briefwahlunterlagen ihn nicht
oder nicht rechtzeitig erreichen, sofern die Gemeinde-
behörde die Unterlagen ordnungsgemäß und rechtzeitig er-
teilt und der Post übergeben hat (vgl. Bundestagsdruck-
sachen 13/3035, Anlage 17; 13/3927, Anlage 24; 15/4750,
Anlage 6; 16/3600, Anlage 20, S. 112; Schreiber, Kommen-
tar zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 36 Rn. 11). Das war hier
der Fall.
Drucksache 17/2200 – 20 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

wahlleiter für Briefwahlunterlagen nicht zuständig. Diese
Anträge würden bei den Bezirkswahlämtern gestellt und
auch nur dort bearbeitet. Nach der Wahl seien beim Landes-
wahlleiter auch keine Briefwahlunterlagen eingegangen.

Die Stellungnahme ist der Einspruchsführerin bekannt gege-
ben worden. Sie hat sich hierzu nicht mehr geäußert.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Soweit die Einspruchsführerin vorträgt, dass ihr im Wahl-
lokal mitgeteilt worden sei, dass sie die Briefwahlunterlagen
dort nicht abgeben könne, ist hierin kein Wahlfehler zu se-
hen. Eine Abgabe des Wahlbriefes im Wahllokal ist unzuläs-
sig (vgl. Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Auflage,
2009, § 17 Rn. 16). Jedoch kann der Wahlberechtigte gegen
Abgabe des Wahlscheins und unter Vorlage des Personalaus-
weises seine Stimme im Wahllokal abgeben (Anlage 8 zu
§ 25 i. V. m. Anlage 11 zu § 27 Absatz 3 der Europawahlord-

vorstand in dem Wahllokal, in dem die Einspruchsführerin
wahlberechtigt gewesen und nach ihren Angaben abgewie-
sen worden ist, gewusst hat, dass Wahlberechtigte mit Wahl-
schein zur Wahl zugelassen werden müssen, weil einem an-
deren Wahlberechtigten nach Vorlage des Wahlscheins die
Stimmabgabe gestattet worden ist.

Die Stimme der Einspruchsführerin hätte das Ergebnis der
Europawahl aber nur so geringfügig verändert, dass ein Ein-
fluss auf die Sitzverteilung im Europäischen Parlament aus-
geschlossen werden kann. Nach der ständigen Praxis des
Wahlprüfungsausschusses und der ständigen Rechtspre-
chung des Bundesverfassungsgerichts können aber nur sol-
che Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinträchtigen, die
auf die Sitzverteilung von Einfluss sind oder sein können
(vgl. BVerfGE 89, 243, 254; Bundestagsdrucksache 16/900,
Anlage 20).

Soweit die Einspruchsführerin darauf verweist, dass die von
ihr rechtzeitig beantragten Briefwahlunterlagen bei ihr erst
am Tag vor der Europawahl eingegangen seien, hat der Lan-

sei und in dem zuständigen Wahllokal an seinem neuen
Wohnort Stuttgart an der Europawahl und an weiteren an

einzutragen (§ 15 Absatz 3 EuWO). Die Bestimmung des
Stichtags schließe es nicht aus, mit der Aufstellung des Wäh-
lerverzeichnisses schon früher zu beginnen, allerdings müs-
Das Bürgermeisteramt des seinerzeitigen Wohnsitzes des
Einspruchsführers habe diesem eine Wahlbenachrichtigung
für die Europawahl übermittelt und als Wahlraum das Rat-

neuen Wohnung rückwirkend zum 1. Mai 2009 gemeldet
wurde. Der Einspruchsführer habe die Möglichkeit gehabt,
in Stuttgart die Eintragung in das Wählerverzeichnis zu be-
diesem Tag durchgeführten Wahlen teilnehmen könne. Er sei
dann zu dem vermuteten Wahllokal in Stuttgart gefahren.
Auch dort sei er nicht auf der Wählerliste – auch nicht unter
„diversen Nachmeldungen“ – geführt gewesen. Ein Telefo-
nat der Wahlhelferin habe zum Ergebnis gehabt, dass er im
Computer nicht als Wahlberechtigter aufgeführt und hier
nicht zur Stimmabgabe berechtigt sei. Auf seine Frage, wo er
denn wählen könne, sei ihm erklärt worden, dass die Wahl-
berechtigung für die Europawahl nach Ausgabe der Wahlbe-
rechtigungsscheine bis zu drei Monate nach Ausgabe in dem
ausgestellten Wahlbezirk gelte.

Zu diesem Wahleinspruch hat die Landeswahlleiterin des
Landes Baden-Württemberg mit Schreiben vom 21. Juli
2009 wie folgt Stellung genommen:

se durch einen „Änderungsdienst“ für die Aktualisierung
gesorgt werden (Gensior/Dahnke, Leitfaden für die Vorbe-
reitung und Durchführung der Europawahl 2009, S. 32,
Nummer 1.3). Spätestens am Tag vor der Bereithaltung des
Wählerverzeichnisses zur Einsichtnahme (21. Tag vor der
Wahl, das war am 17. Mai 2009) habe die Gemeinde alle
Wahlberechtigten, die in das Wählerverzeichnis eingetragen
seien, zu benachrichtigen, wie sie ihr Wahlrecht ausüben
können (§ 18 EuWO).

Am Stichtag 3. Mai 2009 sei der Einspruchsführer noch am
alten Wohnort gemeldet gewesen. Die Anmeldung in Stutt-
gart am 4. Mai 2009 und damit nach dem Stichtag habe nicht
zur Amtseintragung des Wahlberechtigten in Stuttgart ge-
führt. Unberücksichtigt bleibe dabei, dass der Bezug der
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 21 – Drucksache 17/2200

Anlage 5

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn S. K., 70619 Stuttgart
– Az.: EuWP 15/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 7. Juni 2009
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 10. Juni 2010 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem Schreiben, das der Kreiswahlleiter des Wahlkrei-
ses Esslingen an den Deutschen Bundestag weitergeleitet hat
und das hier am 23. Juni 2009 eingegangen ist, hat der Ein-
spruchsführer gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordne-
ten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland am 7. Juni 2009 Einspruch eingelegt.

Der Einspruchsführer beanstandet, dass er nicht in das Wäh-
lerverzeichnis eingetragen gewesen und ihm daher die Teil-
nahme an der Wahl verweigert worden sei.

Er habe sich nach seinem Umzug am 4. Mai 2009 von seiner
alten Wohnung in Kirchheim unter Teck ab- und unter der
neuen Anschrift in Stuttgart angemeldet. Die Wahlbenach-
richtigungskarte sei ihm zuvor noch an seine bisherige
Wohnanschrift geschickt worden. Am Wahltag sei er gegen
17 Uhr in das Wahllokal seines ehemaligen Wohnortes
Kirchheim unter Teck zum Wählen gegangen, dort aber von
der Wahl zurückgewiesen worden. Zur Begründung sei ihm
mitgeteilt worden, dass er wegen seines Umzuges und der
Ummeldung aus dem Wählerverzeichnis gestrichen worden

alleiniger Wohnung angemeldet. Bei der Anmeldung sei der
1. Mai 2009 als Tag des Einzugs angegeben worden. Die
Verlegung des Wohnsitzes sei in Stuttgart am 4. Mai 2009
um 9.13 Uhr erfasst worden, die entsprechende elektroni-
sche Rückmeldung an das Meldeamt seines bisherigen
Wohnortes habe am gleichen Tag dort vorgelegen. Da die
Rückmeldungen im Normalfall zentral vom Rechenzentrum
über Nacht weitergeleitet würden, sei die Mitarbeiterin da-
von ausgegangen, dass der Einspruchsführer bereits vor dem
Stichtag beim Meldeamt der Stadt Stuttgart gewesen und
dort in das Wählerverzeichnis aufgenommen worden sei. Sie
habe ihn daher aus dem Wählerverzeichnis seines bisherigen
Wohnortes gestrichen.

Von Amts wegen würden in das Wählerverzeichnis die wahl-
berechtigten Deutschen eingetragen, die in der Gemeinde am
35. Tag (Stichtag) vor der Wahl, also am Sonntag, dem
3. Mai 2009, ihre Wohnung haben (§ 15 Absatz 1 der Euro-
pawahlordnung – EuWO) und an diesem Tag bei der Melde-
behörde gemeldet seien. Nach dem Stichtag zu- oder um-
ziehende wahlberechtigte Deutsche seien nur auf Antrag
haus seines ehemaligen Wohnortes mitgeteilt. Der Ein-
spruchsführer habe sich am 4. Mai 2009 in Stuttgart mit

antragen (§ 15 Absatz 3 EuWO). Dazu sei er von der Stadt
Stuttgart wie alle anderen Personen, die sich ab dem 4. Mai

Drucksache 17/2200 – 22 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2009 mit einer Wohnung angemeldet hätten, durch Aus-
händigung eines zweiseitigen Merkblatts über die Konse-
quenzen des Wohnungswechsels für eine Teilnahme an den
Europa-, Kommunal- und Regionalwahlen informiert wor-
den. An seinem früheren Wohnort hätte der Einspruchsfüh-
rer erst dann aus dem Wählerverzeichnis gestrichen werden
können, wenn die Benachrichtigung der Stadt Stuttgart über
die Eintragung auf Antrag in das Wählerverzeichnis vorge-
legen hätte.

Der Einspruchsführer, dem die Stellungnahme bekannt ge-
geben worden ist, hat sich hierzu im Wesentlichen wie folgt
geäußert:

Bei der Anmeldung in Stuttgart sei ihm, entgegen des
Schreibens der Landeswahlleiterin, kein Merkblatt über die
Konsequenzen eines Wohnungswechsels im Hinblick auf die
Europawahl ausgehändigt worden. Er habe an diesem Tag ei-
nen Zeitverlust von knapp zwei Stunden sowie eine Fahrt
von ca. 90 Kilometern auf sich genommen, um seine Stimme
bei der Europawahl abgeben zu können. Trotz zahlreicher
Telefonate zwischen den beteiligten Wahlkreisen und weite-
ren Wahlverantwortlichen habe er sein Wahlrecht nicht
wahrnehmen dürfen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Die Streichung des Einspruchsführers aus dem Wählerver-
zeichnis von Kirchheim unter Teck stellt einen Wahlfehler
dar. Denn gemäß § 15 Absatz 1 Nummer 1 EuWO werden
die wahlberechtigten Deutschen, die in der Gemeinde am
35. Tag vor der Wahl ihre Wohnung haben, von Amts wegen
in das Wählerverzeichnis eingetragen. Der 35. Tag vor der
Europawahl war Sonntag, der 3. Mai 2009. An diesem Tag
war der Einspruchsführer noch in Kirchheim unter Teck ge-
meldet, da er sich erst am Montag, den 4. Mai 2009, an sei-
nem neuen Wohnort angemeldet hat. Unbeachtlich ist inso-
weit, dass der tatsächliche Umzug bereits am 1. Mai 2009
stattgefunden hat. Gemäß § 15 Absatz 3 Satz 1 EuWO hätte
der Einspruchsführer die Eintragung in das Wählerverzeich-
nis seines Zuzugsorts Stuttgart zwar beantragen können.
Dann hätte gemäß § 15 Absatz 3 Satz 4 EuWO die Gemein-
debehörde des Zuzugsorts unverzüglich die Gemeindebe-
hörde des Fortzugsorts, hier Kirchheim unter Teck, benach-
richtigen müssen, und nur unter dieser Voraussetzung hätte
diese den Wahlberechtigten in ihrem Wählerverzeichnis
streichen dürfen. Einen derartigen Antrag, auf dessen Mög-
lichkeit der Wahlberechtigte gemäß § 15 Absatz 3 Satz 3
EuWO hinzuweisen ist, hat der Einspruchsführer unstreitig
nicht gestellt. Deshalb hätte ihn die Gemeindebehörde des
Fortzugsortes, wie auch die Landeswahlleiterin zutreffend
feststellt, nicht aus dem Wählerverzeichnis streichen dürfen.
Gänzlich unerheblich ist, dass die Mitarbeiterin der Stadt
Kirchheim unter Teck, die die Streichung des Einspruchs-
führers aus dem Wählerverzeichnis veranlasste, offenbar
irrig davon ausging, dass die Rückmeldungen der Melde-
behörden stets über Nacht weitergeleitet würden und die An-
meldung in Stuttgart daher vor dem 3. Mai 2009 erfolgt sein
müsste. Bei Unsicherheiten über den Zeitpunkt der Ummel-

lich der Aufnahme in das dortige Wählerverzeichnis
rückversichern müssen.

Der Wahlprüfungsausschuss erwartet, dass die Gemeindebe-
hörden zukünftig bei Ummeldungen in zeitlicher Nähe zu
dem für die Eintragung in das Wählerverzeichnis maßgeb-
lichen Stichtag besonders sorgfältig vorgehen, damit derarti-
ge Irrtümer, die, wie im vorliegenden Fall, dazu führen kön-
nen, dass ein Wahlberechtigter sein Wahlrecht nicht ausüben
kann, nach Möglichkeit ausgeschlossen werden.

Für den Einspruchsführer selbst bestand – unabhängig da-
von, ob er gemäß § 15 Absatz 3 Satz 3 EuWO bei der An-
meldung in Stuttgart über die Möglichkeit, dort auch die Ein-
tragung ins Wählerverzeichnis zu beantragen, belehrt
worden ist, was er bestreitet – angesichts der klaren Rechts-
lage jedenfalls keine Veranlassung, an seiner Eintragung in
das Wählerverzeichnis zu zweifeln und sie gegebenenfalls
zu überprüfen. Zudem hatte die Stadt Kirchheim unter Teck
dem Einspruchsführer bereits eine Wahlbenachrichtigung
übersandt, auf der ausdrücklich vermerkt war, dass er in das
dortige Wählerverzeichnis eingetragen ist und in dem dor-
tigen Wahllokal auch wählen kann. Auf Grund der Wahlbe-
nachrichtigung kann und darf der Wahlberechtigte davon
ausgehen, dass er in das Wählerverzeichnis eingetragen ist
(Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 14
Rn. 9). Er musste auch nicht von der Möglichkeit des § 24
Absatz 2 des Europawahlgesetzes (vgl. § 17 Absatz 2 des
Bundeswahlgesetzes) Gebrauch machen, einen Wahlschein
aufgrund einer unterbliebenen Eintragung in das Wählerver-
zeichnis zu beantragen. Der Einspruchsführer durfte viel-
mehr darauf vertrauen, dass die Eintragung in das Wähler-
verzeichnis Bestand hatte. Daher musste auch der Umstand,
dass der Einspruchsführer die Wahlbenachrichtigungskarte
mit dem Hinweis auf das an seinem alten Wohnort gelegene
Wahllokal unmittelbar vor seinem Umzug erhalten hat, den
Einspruchsführer nicht zu Zweifeln an der Richtigkeit dieser
Angaben veranlassen.

Soweit auf der vom Bürgermeisteramt verwendeten Wahlbe-
nachrichtigungskarte vermerkt ist, dass diese an den Absen-
der zurückzusenden ist, wenn die Karte unzustellbar oder der
Empfänger verzogen ist, weist der Wahlprüfungsausschuss
darauf hin, dass gemäß Anlage 3 zu § 18 Absatz 1 EuWO
(Muster für die Versendung der Wahlbenachrichtigung) die
Wahlbenachrichtigung im Falle eines Umzugs des Wahlbe-
rechtigten diesem nachzusenden und dem Absender die neue
Anschrift mitzuteilen ist.

Der festgestellte Wahlfehler kann dem Einspruch aber nicht
zum Erfolg verhelfen, denn nach ständiger Praxis des Wahl-
prüfungsausschusses sowie der ständigen Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts können nur solche Wahlfeh-
ler einen Wahleinspruch erfolgreich begründen, die auf die
Mandatsverteilung von Einfluss sind oder hätten sein
können (vgl. Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 20;
BVerfGE 89, 243, 254). Die Stimme des Einspruchsführers
hätte das Ergebnis der Europawahl aber nur so geringfügig
verändert, dass ein Einfluss auf die Sitzverteilung im Euro-
päischen Parlament ausgeschlossen werden kann.

Um derartige Wahlfehler zukünftig zu vermeiden, wird der
Beschluss des Deutschen Bundestages auch an die Landes-
wahlleiterin des Landes Baden-Württemberg übersandt mit
dung hätte sich die Gemeindebehörde des Fortzugsorts zu-
mindest bei der Gemeindebehörde des Zuzugsorts hinsicht-

der Bitte, die zuständigen Gemeindebehörden von der Ent-
scheidung des Bundestages zu unterrichten.

Kabinen fast unvermeidlich hätte beobachten müssen, wie in
den vorderen Kabinen gewählt wurde, da diese nach hinten

Auch sei nach Beendigung der Wahl die Niederschrift nicht
öffentlich verlesen worden.
Weiterhin bemängelt die Einspruchsführerin, dass die Er-
mittlung der Gesamtzahl an Stimmzetteln nicht gemäß § 69

me abgegeben:

In der Gemeinde Möhlau sei das Wahllokal unter Beachtung
offen gewesen seien und der Weg zu den anderen Kabinen
unmittelbar hinter den vorderen Kabinen entlanggeführt
habe. Trotzdem habe die Wahlvorsteherin die Wähler aufge-
fordert, auch die hinteren Kabinen zu nutzen.

Nach Beendigung der Wahlhandlungen sei das betreffende
Wahllokal für einen längeren Zeitraum für die Öffentlichkeit
geschlossen worden, da nach Angabe der Wahlvorsteherin in
dieser Zeit die Briefwahlunterlagen bearbeitet worden seien.
Dem Möhlauer Bürger W., der an der Ermittlung des Wahl-
ergebnisses habe teilnehmen wollen, sei am Wahltag gegen
18.05 Uhr mit dem Hinweis darauf, dass noch Briefwahlun-
terlagen zu bearbeiten seien, der Zutritt verwehrt worden.
Hiermit sei der Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl ver-
letzt worden, da dieser gebiete, dass alle wesentlichen
Schritte der Wahl öffentlicher Überprüfbarkeit unterliegen.

Es falle zudem auf, dass an den gleichzeitig stattfindenden
Kommunalwahlen 902 bzw. 901 Wähler teilgenommen ha-
ben sollen, an den Europawahlen jedoch nur 805 Wähler.
Diese Differenz sei unerklärlich, auch wenn an den Kommu-
nalwahlen bereits Einwohner ab 16 Jahren hätten teilnehmen
können.

Ob die gerügten Mängel Einfluss auf die Mandatsverteilung
gehabt hätten, könne dahinstehen, da jedenfalls durch die
Umstände der Stimmabgabe und insbesondere die Art und
Weise der Stimmauszählung die Bundeswahlordnung erheb-
lich verletzt worden und der Einspruch mithin begründet sei.

Der Landeswahlleiter Sachsen-Anhalt hat hierzu unter Ein-
beziehung des Kreiswahlleiters des Landkreises Wittenberg
mit Schreiben vom 10. August 2009 folgende Stellungnah-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23 – Drucksache 17/2200

Anlage 6

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

der Frau G. W., 06791 Möhlau
– Az.: EuWP 19/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 7. Juni 2009
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 10. Juni 2010 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 10. Juni 2009, das beim Deutschen Bun-
destag am 23. Juni 2009 eingegangen ist, hat die Einspruchs-
führerin gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten
des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland am 7. Juni 2009 Einspruch eingelegt.

Sie beanstandet den Ablauf der Europawahl sowie anderer
Wahlen am 7. Juni 2009 im Wahllokal Sportforum, Am
Stadion in Möhlau. So seien zwei der Wahlkabinen so auf-
gestellt worden, dass man die Wahlhandlungen in diesen Ka-
binen von der im Nachbarraum befindlichen Kegelbahn aus
habe beobachten können, da beide Räume nur durch eine
Verglasung voneinander getrennt seien. Es sei zwar vom
Wahlraum aus nicht erkennbar gewesen, ob sich auf der
Kegelbahn jemand aufgehalten habe, da diese verdunkelt ge-
wesen sei. Kurz nach 18.15 Uhr hätten aber zwei Personen
die Kegelbahn verlassen. Eine weitere Wahlkabine sei von
außen durch ein Fenster von ebener Erde aus einsehbar ge-
wesen. Insgesamt seien die Wahlkabinen so aufgestellt wor-
den, dass man beim Aufsuchen der weiter hinten stehenden

Kontrolle, ob jeder Stapel 20 Stimmzettel enthält, sei unter-
blieben. Anschließend sei die Anzahl der Stapel mit 20 mul-
tipliziert und die restlichen Stimmen addiert worden. Die
Zahlen der Wähler aus dem Wählerverzeichnis seien zu die-
sem Zeitpunkt nicht ermittelt worden. Bei der anschließen-
den Auszählung seien die Stimmzettel vorsortiert worden
und anschließend durch ein Mitglied des Wahlausschusses
gezählt worden. Eine Kontrolle habe nicht stattgefunden.
Auch sei über die als ungültig aussortierten Stimmzettel ent-
gegen § 69 BWO nicht durch den Wahlvorstand abgestimmt
worden, obwohl dieser zwingend über die Gültigkeit der
ausgesonderten Stimmzettel zu entscheiden habe.

Eine Bekanntgabe des Wahlergebnisses sei erst auf Drängen
der anwesenden Möhlauer Bürger W. und K. erfolgt. Beide
seien an ihrem Recht zur Beobachtung gehindert worden, in-
dem ihnen nur aus der Ferne gestattet worden sei, die Vorsor-
tierung zu beobachten. Die Niederschrift zur Wahl sei in ei-
nem durch Stühle und Wahlurnen abgeschirmten Teil des
Wahllokals erfolgt, was eine Beobachtung durch die Öffent-
lichkeit unmöglich gemacht habe. Eine Änderung dieses Zu-
standes sei von der Wahlvorsteherin abgelehnt worden.
der Bundeswahlordnung (BWO) erfolgt sei. Die Stimmzettel
seien zu Stapeln von je 20 Stück gebündelt worden. Eine

des § 39 der Europawahlordnung (EuWO) im gemeinde-
eigenen Sportforum eingerichtet worden. Dieses Wahllokal

Drucksache 17/2200 – 24 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

sei ausgewählt worden, weil es hier auch Wählern mit Be-
hinderung und Mobilitätsbeschränkungen die Teilnahme an
der Wahl erleichtert habe. Eine Einsichtnahme von der Ke-
gelbahn aus sei schon deshalb nicht möglich gewesen, da die
Verglasungen getönt seien und Veranstaltungen an diesem
Tage ausgeschlossen worden seien. Eine unbeobachtete
Stimmabgabe sei daher jederzeit gewährleistet gewesen.

Zu dem behaupteten Verstoß gegen den Grundsatz der Öf-
fentlichkeit sei anzumerken, dass gemäß § 47 EuWO wäh-
rend der Wahlhandlung sowie der Ermittlung und Fest-
stellung des Wahlergebnisses jedermann zum Wahlraum
Zutritt gehabt habe, soweit das ohne Störung des Wahlge-
schäfts möglich gewesen sei. Der Wahlvorstand habe das
Wahlergebnis im Anschluss an die Wahlhandlung ohne Un-
terbrechung zu ermitteln. Eine Aussetzung oder Unterbre-
chung habe es in dem betreffenden Wahllokal aber nicht
gegeben. Nach Stellungnahme des betreffenden Wahlvor-
standes hätten sich um 18.00 Uhr noch drei Wähler im Wahl-
lokal befunden. Diesen sei die Wahl noch zu gewähren
gewesen. Die Öffentlichkeit sei also auch in der Zeit von
18.00 bis etwa 18.15 Uhr, während die Tür zum Wahllokal
geschlossen gewesen sei, durch diese drei Wähler, die sich
noch zur Stimmabgabe im Wahlraum befunden hätten, her-
gestellt gewesen. Die Sperrung des Wahllokals in dieser Zeit
sei erforderlich gewesen, da nach Ablauf der Wahlzeit nur
noch Wähler zur Stimmabgabe zugelassen werden dürften,
die sich im Wahlraum befinden würden. Der Zutritt zum
Wahlraum sei so lange zu sperren gewesen, bis die anwesen-
den Wähler ihre Stimme abgegeben hätten. Danach sei die
Wahlhandlung zu schließen gewesen. Da in der Gemeinde
Möhlau am 7. Juni 2009 neben der Europawahl, Gemeinde-
rats- und Bürgermeisterwahl auch noch eine Bürgeranhö-
rung stattgefunden habe, habe die Wahlhandlung einen län-
geren Zeitraum in Anspruch genommen.

Die drei Wähler hätten bis zur Beendigung der Wahlhand-
lung auch die Tätigkeit des Wahlvorstandes beobachten kön-
nen. Es habe im Ermessen des Wahlvorstandes gelegen zu
entscheiden, auf welche Weise der Zutritt zum Wahlraum
gesperrt werde, um gleichzeitig die ordnungsgemäße
Stimmabgabe der noch anwesenden Wähler sicherzustellen.
Die Kontrollmöglichkeit durch die Öffentlichkeit sei nach
Schluss der Wahlhandlung bestehen geblieben, denn un-
mittelbar nach Abschluss der Stimmabgabe durch die drei
Wähler gegen 18.15 Uhr sei die Tür zum Wahllokal wieder
geöffnet und der Zutritt uneingeschränkt möglich geworden.

Durch die Öffentlichkeit der Stimmenauszählung solle eine
Kontrolle des Auszählvorgangs durch die Bürger ermöglicht
werden. Das bedeute, dass die Ordnungsmäßigkeit des ge-
samten Hergangs der Auszählung der Stimmen beobachtet
werden könne. Nach dem Sachvortrag der Einspruchsführe-
rin könne nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass den
beiden namentlich genannten Bürgern der Gemeinde Möh-
lau eine solche Beobachtung nicht oder nur eingeschränkt er-
möglicht worden sei. Der Einspruch könne aber trotz des
Wahlfehlers – der möglicherweise vorliege – keinen Erfolg
haben, da er keinen Einfluss auf die Mandatsverteilung ge-
habt habe. Auch bei der Ergebnisermittlung seien keine Un-
regelmäßigkeiten festgestellt worden. Durch die Prüfung der
Wahlniederschrift habe festgestellt werden können, dass die
Stimmabgabenvermerke im Wählerverzeichnis mit den ab-

nerischen Unstimmigkeiten aufgetreten seien. Eine Be-
schlussfassung über ungültige Stimmzettel sei schon deshalb
nicht notwendig gewesen, da diese eindeutig zuzuordnen ge-
wesen seien. Die ordnungsgemäße Ergebnisermittlung sei in
der Sitzung des Kreiswahllausschusses am 9. Juni 2009 be-
stätigt worden.

Das Wählverhalten bei den Europa- und Kommunalwahlen
und insbesondere die unterschiedlich hohe Beteiligung an
diesen Wahlen könne nicht bewertet werden.

Die Einspruchsführerin hat hierzu mit Schreiben vom
10. September 2009 im Wesentlichen folgende Stellung-
nahme abgegeben:

Die Tatsache, dass die Kegelbahn am Wahltag für Veranstal-
tungen geschlossen gewesen sei, habe nicht verhindert, dass
kurze Zeit nach 18.15 Uhr zwei Personen die Kegelbahn ver-
lassen hätten.

Der Hinweis, dass der Wahlniederschrift keine Unstimmig-
keiten entnommen werden könnten, sei nicht überzeugend,
da Verschiebungen zwischen gültigen und ungültigen Stim-
men aus der Niederschrift nicht erkannt werden könnten.

In der Zeit von 18.00 bis ca. 18.15 Uhr, in der das betreffende
Wahllokal verschlossen gewesen sei, habe die Briefwahlaus-
zählung angefangen. Ein Verschließen der Tür in diesem Zeit-
raum hätte nicht erfolgen dürfen, da so nicht die ununterbro-
chene Überprüfbarkeit der Wahl gewährleistet gewesen sei.
Selbst wenn sich noch drei Wähler im Wahllokal befunden
hätten, könne dies nicht als Öffentlichkeit angesehen werden,
da diese mit der Wahlhandlung befasst und nicht in der Lage
gewesen wären, die Stimmenauszählung zu beobachten.

Wegen des weiteren Vortrags der Einspruchsführerin wird
auf die in den Akten befindlichen Schreiben vom 10. Juni
2009 und 10. September 2009 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Gemäß § 4 des Europawahlgesetzes gelten für die Wahl der
Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundes-
republik Deutschland die Vorschriften des Zweiten bis Sie-
benten Abschnitts des Bundeswahlgesetzes (BWG) – hierzu
gehören die Vorschriften über die Wahlhandlung – entspre-
chend. Nach § 33 Absatz 1 Satz 1 BWG sind Vorkehrungen
dafür zu treffen, dass der Wähler den Stimmzettel unbeob-
achtet kennzeichnen und falten kann. Dies dient der Gewähr-
leistung des verfassungsrechtlich verbürgten Wahlgeheim-
nisses bei der Stimmabgabe im Rahmen der Urnenwahl.
Dementsprechend bestimmt § 43 Absatz 1 Satz 1 EuWO,
dass die Gemeindebehörde in jedem Wahlraum eine Wahl-
zelle oder mehrere Wahlzellen mit Tischen einrichtet, in de-
nen der Wähler seinen Stimmzettel unbeobachtet kennzeich-
nen und falten kann.

Die Gemeinde Möhlau ist den Anforderungen an eine gehei-
me Wahl durch die von der Einspruchsführerin geschilderte
Aufstellung von Tischkabinen nicht durchgehend nach-
gekommen. Hiernach müssen die Wahlkabinen und alle
sonstigen Schutzvorrichtungen so beschaffen sein, dass nie-
mand beobachten kann, ob und wie der Wähler den Stimm-
gegebenen Stimmen übereigestimmt hätten und auch die
Zählung der Stimmen korrekt erfolgt sei, so dass keine rech-

zettel ausfüllt. Der Wahlberechtigte muss sicher sein können,
nicht daraufhin beobachtet werden zu können, was er mit

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 25 – Drucksache 17/2200

seinem Stimmzettel macht. Dies muss durch einen entspre-
chenden Sichtschutz gewährleistet sein, wobei die an diesen
zu stellenden Anforderungen nicht unverhältnismäßig sein
dürfen. Eine Verletzung des Grundsatzes der geheimen Wahl
liegt vor, wenn sich der Wähler aufgrund der konkreten ört-
lichen Verhältnisse im Wahlraum nicht unbeobachtet fühlen
kann (Bundestagsdrucksachen 15/4250, Anlage 12; 16/1800,
Anlage 50; Schreiber, Kommentar zum BWG, 8. Auflage,
2009, § 33 Rn. 3). Die Einspruchsführerin trägt vor, dass es
möglich gewesen sei, die Wahlberechtigten durch das Fens-
ter der benachbarten Kegelbahn, durch ein Fenster von
außen oder beim Vorbeigehen zu einer anderen Wahlkabine
bei der Wahlhandlung zu beobachten. Die Anordnung der
Wahlkabinen hat den vom Grundsatz der geheimen Wahl ge-
forderten Anforderungen insoweit nicht genügt, als Tisch-
kabinen ohne Vorhang verwendet wurden, die so aufgestellt
waren, dass eine Wahlkabine nur dadurch erreicht werden
konnte, dass eine andere Wahlkabine an ihrer offenen Seite
passiert werden musste. Denn unter diesen Umständen ist es
dem diese Wahlkabine passierenden Wähler i. d. R. ohne be-
sondere Mühe möglich, anhand der Armbewegung des in der
Wahlkabine befindlichen Wählers zu erkennen, ob dieser
den Stimmzettel kennzeichnet (vgl. Bundestagsdrucksache
16/900, Anlage 26), so dass sich dieser Wähler gerade nicht
unbeobachtet fühlen konnte.

Soweit die Einspruchsführerin bemängelt, dass andere Wahl-
kabinen durch Fenster der angrenzenden Kegelbahn oder ein
anderes Fenster von außen einsehbar gewesen seien, ist es
durchaus möglich, dass dieser Vortrag zutreffend ist. Ob der
Blick durch die Scheiben der abgedunkelten Kegelbahn – die
zudem aufgrund des Wahltages für Veranstaltungen gesperrt
war – überhaupt möglich war und ob andere Personen durch
eines der Fenster vom Wahlverhalten eines Wählers tatsäch-
lich Kenntnis erlangt haben, kann dahingestellt bleiben.
Denn auch hier ist bereits in der Möglichkeit der Beobach-
tung der Stimmabgabe ein Wahlfehler zu sehen. Zwar hat die
Einspruchsführerin nicht vorgetragen, dass sie oder andere
Wähler aufgrund des Gefühls, bei der Stimmabgabe beob-
achtet zu werden, eine andere Stimmabgabe vorgenommen
hätten als ursprünglich gewollt. Es ist aber theoretisch mög-
lich, dass das Wahlverhalten aufgrund einer möglichen Be-
obachtung bei der Stimmabgabe beeinflusst wurde. Ein sol-
cher Wahlfehler kann jedoch dem Einspruch nicht zum
Erfolg verhelfen. Denn nach ständiger Praxis des Wahlprü-
fungsausschusses sowie ständiger Rechtsprechung des Bun-
desverfassungsgerichts können nur solche Wahlfehler einen
Wahleinspruch erfolgreich begründen, die auf die Mandats-
verteilung von Einfluss sind oder hätten sein können (vgl.
Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 20; BVerfGE 89, 243,
254). Die Stimmen aus dem betreffenden Wahllokal hätten,
selbst wenn von einer Änderung des Wählerverhaltens aus-
gegangen wird, die die Einspruchsführerin nicht vorgetragen
hat, das Ergebnis der Europawahl aber nur so geringfügig
verändert, dass ein Einfluss auf die Sitzverteilung im Euro-
päischen Parlament ausgeschlossen werden kann.

Soweit die Einspruchsführerin das Abschließen des Wahl-
lokals in der Zeit von 18 Uhr bis etwa 18.15 Uhr bemängelt,
ist darauf hinzuweisen, dass grundsätzlich jedermann wäh-
rend der Wahlhandlung und der Ergebnisermittlung Zutritt
zu den Wahlräumen haben muss, soweit dies ohne Störung

BVerfGE 123, 39, 68 ff.). Der Zutritt zum Wahlraum ist ge-
mäß § 53 Absatz 1 Satz 2 EuWO zwar so lange zu sperren,
bis die anwesenden Wähler ihre Stimme abgegeben haben.
Dabei ist jedoch der Öffentlichkeitsgrundsatz (§ 47 EuWO)
zu beachten.

Das hier festgestellte Abschließen des Wahllokals für einen
Zeitraum von etwa 15 Minuten kann einen Wahlfehler dar-
stellen, soweit es nicht zur Vermeidung von Störungen ge-
schehen ist. Hierzu hat der Landeswahlleiter nur vorgetra-
gen, dass die Öffentlichkeit durch die Anwesenheit der drei
Wähler im Wahlraum hergestellt gewesen sei. Eine Vermei-
dung von Störungen war damit nicht der Grund für das Ab-
schließen. Das Vorhandensein der drei Wähler ist jedoch
nicht ausreichend, um von einem Einhalten des Öffentlich-
keitsgrundsatzes auszugehen. Es liegt somit ein Wahlfehler
vor. Zur Stimmenauszählung ist das Lokal unstreitig wieder
für die Öffentlichkeit zugänglich gewesen. Die Sperrung ist
daher wohl aufgrund eines unzutreffenden Auslegens des
§ 47 EuWO erfolgt. Sie hätte beispielsweise dadurch erfol-
gen können, dass nach 18.00 Uhr zwar der Zutritt zur
Stimmabgabe verweigert, am Wahlverfahren interessierten
Bürgern aber der Zutritt ermöglicht wird. Auch wenn die
Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes einen grund-
legenden Verfahrensmangel darstellt (BVerfG, a. a. O.),
kann daher im vorliegenden Fall mit an Sicherheit grenzen-
der Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass
dieser auf das Wahlergebnis keinen Einfluss hatte, da das
Wahllokal offenbar nur gesperrt worden war, um den anwe-
senden Wählern noch die Stimmabgabe zu ermöglichen.
Auch die Einspruchsführerin hat nicht vorgetragen, dass es
während der Schließung zu Manipulationen gekommen
wäre. Da dieser Fehler also auf die Mandatsverteilung im
Europäischen Parlament keinen Einfluss hatte, ist der Ein-
spruch auch insoweit unbegründet.

Die Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses ist in
§ 37 ff. BWG und § 60 ff. EuWO geregelt. Auch hier gilt der
Öffentlichkeitsgrundsatz, so dass die Auszählung der Stim-
men und die Feststellung des Wahlergebnisses vor den
Augen der Öffentlichkeit zu erfolgen hat. Anwesenden Bür-
gern muss es daher möglich sein, diesen Prozess zu verfol-
gen. Da der Landeswahlleiter mitgeteilt hat, dass es möglich
sei, dass zwei anwesenden Bürgern die Beobachtung des
Vorgangs nicht oder nur eingeschränkt ermöglicht worden
ist, kann ein Wahlfehler nicht ausgeschlossen werden. Auch
dieser wäre aufgrund der bereits dargestellten Voraussetzun-
gen nicht als mandatsrelevant anzusehen. Der Wahlprü-
fungsausschuss hat zu der Rüge der nicht ordnungsgemäßen
Sortierung der Stimmen von einer weiteren Sachaufklärung
abgesehen, da nach der nachvollziehbaren Darstellung des
Landeswahlleiters keine Unregelmäßigkeiten festgestellt
worden sind.

Soweit die Einspruchsführerin weiter vorträgt, dass die Nie-
derschrift nicht öffentlich verlesen worden sei, ist zunächst
festzustellen, dass gemäß § 63 Satz 1 EuWO nur das Ergeb-
nis bekanntzugeben ist. Der Landeswahlleiter ist auf die kon-
krete Rüge nicht eingegangen. Es ist also durchaus möglich,
dass es sich, wie von der Einspruchsführerin vorgetragen,
ereignet hat und das Wahlergebnis nicht bekanntgegeben
worden ist. Auf die Sitzverteilung hätte dieser Wahlfehler,
des Wahlgeschäfts möglich ist (§ 31 Absatz 1 BWG i. V. m.
§ 47 EuWO; vgl. zur Öffentlichkeit der Wahlhandlung auch

wenn er vorliegen würde, aber keinen Einfluss, so dass auch
dieser Sachverhalt keiner weiteren Aufklärung bedarf.

Drucksache 17/2200 destag – 17. Wahlperiode
– 26 – Deutscher Bun

Die Rüge der Einspruchsführerin in Bezug auf die unter-
schiedlich hohe Zahl der abgegebenen Stimmen bei der
Europa- und der Kommunalwahl vermag einen Wahlfehler
nicht zu begründen. Es ist auch nicht erforderlich, den Sach-
verhalt weiter aufzuklären, da das Stimmverhalten der Wäh-
lerinnen und Wähler insoweit keiner Klärung mehr zugäng-
lich ist. Im Übrigen ist es nicht ausgeschlossen, dass
Kommunalwahlen für die Bürger einzelner Gemeinden auf-
grund des größeren Ortsbezuges von größerer Bedeutung
sind als Bundestags- oder Europawahlen und daraus eine un-
terschiedlich hohe Wahlbeteiligung resultiert. Soweit die
Einspruchsführerin in der unterschiedlich hohen Wahlbetei-
ligung ein Indiz für eine mögliche Manipulation der Europa-
wahl sieht, vermag dieser Vortrag dem Einspruch nicht zum
Erfolg zu verhelfen. Denn gemäß § 2 Absatz 1 und 3 des
Wahlprüfungsgesetzes erfolgt die Wahlprüfung nicht von
Amts wegen, sondern auf Einspruch, der zu begründen ist.
Daraus folgt, dass die Behauptung eines Wahlfehlers nicht
lediglich auf bloße Vermutungen, Verdachtsmomente oder
Andeutungen gestützt werden kann, sondern durch einen
substantiierten, der Nachprüfung zugänglichen Tatsachen-
vortrag untermauert werden muss (vgl. Bundestagsdruck-
sache 16/1800, Anlage 26, S. 186 mit weiteren Nachwei-
sen). Daran fehlt es hier, da die Einspruchsführerin nur
Vermutungen über die unterschiedliche Wahlbeteiligung
vorträgt.

können, die nach Abgabe ihrer Stimme die Wahlkabine ver-
lassen hätten und oft vergeblich versucht hätten, den Stimm-

Einhaltung des Wahlgeheimnisses hinzuweisen. Diese Vor-
gabe sei am Wahltag nochmals einem Großteil der Wahlvor-
Landes Nordrhein-Westfalen unter Einbeziehung des Kreis-
wahlleiters der Stadt Köln mit Schreiben vom 11. August
2009 wie folgt Stellung genommen:

sondern nur, wenn ein Bedarf für ein Falten des Stimmzettels
bestehe. So habe, wenn die erste Seite des Stimmzettels er-
kennbar gewesen sei, daraus geschlossen werden können,
zettel so zu halten, dass eine Einsichtnahme nicht möglich
gewesen sei. Eine geheime Wahl sei nach alledem nicht ge-
währleistet gewesen.

Der Einspruchsführer macht weiter geltend, dass die Faltung
des Stimmzettels auch unter dem Gesichtspunkt der Gleich-
heit der Wahl problematisch erscheine, da dadurch die ohne-
hin vorhandene Bevorzugung der großen Parteien durch die
Platzierung an der Spitze des Stimmzettels noch verstärkt
worden sei. Er ist der Ansicht, dass technische Gründe hier-
für nicht vorliegen könnten. Ihm seien Stimmzettel bekannt,
die ein komplettes Entfalten auch dann erfordert hätten,
wenn die Stimmabgabe bei einer der ersten Parteien beab-
sichtigt gewesen sei.

Zu diesem Wahleinspruch hat die Landeswahlleiterin des

stände gegenüber telefonisch wiederholt worden. Zudem
habe sowohl die Wahlbekanntmachung gemäß Anlage 23
EuWO als auch das Großplakat am Eingang jedes Wahl-
lokals (Auszug aus der Wahlbekanntmachung) folgenden
Hinweis in Nummer 3 enthalten:
„Der Stimmzettel muss vom Wähler in einer Wahlzelle des
Wahlraums oder in einem besonderen Nebenraum gekenn-
zeichnet und so gefaltet werden, dass seine Stimmabgabe
nicht erkennbar ist.“
Der Einspruchsführer hat sich zu der Stellungnahme, die ihm
bekanntgegeben worden ist, mit Schreiben vom 13. Septem-
ber 2009 wie folgt geäußert:
Die in der Wahlbekanntmachung der Stadt Köln enthaltene
Pflicht zum Falten des Stimmzettels bestehe nicht immer,
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 27 – Drucksache 17/2200

Anlage 7

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn F. S., 50997 Köln
– Az.: EuWP 20/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 7. Juni 2009
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 10. Juni 2010 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 26. Juni 2009, das am 29. Juni 2009 beim
Wahlprüfungsausschuss eingegangen ist, hat der Ein-
spruchsführer gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordne-
ten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland am 7. Juni 2009 Einspruch eingelegt.

Der Einspruchsführer beanstandet die Gestaltung des bei der
Europawahl 2009 verwendeten Stimmzettels im Hinblick
auf die Verletzung des Wahlgeheimnisses und des Grundsat-
zes der Gleichheit der Wahl. Der Einspruchsführer trägt hier-
zu vor, dass bei dem in Köln verwendeten Stimmzettel mit
einer Länge von fast 94 Zentimetern in zusammengefaltetem
Zustand die ersten drei Parteien sichtbar gewesen seien. Da
der Stimmzettel nach der Kennzeichnung ohne Umschlag in
die Urne einzuwerfen gewesen sei und die Wählerinnen und
Wähler keinen Hinweis erhalten hätten, wie der Stimmzettel
zu falten sei, sei erkennbar geworden, ob eine Wählerin oder
ein Wähler eine der drei Parteien (CDU, SPD und GRÜNE)
gewählt habe.

Man habe deshalb Wählerinnen und Wähler beobachten

dass die Parteien CDU, SPD und GRÜNE äußerlich erkenn-
bar gewesen seien. Es treffe zu, dass in den Wahllokalen kei-
ne Stimmzettelumschläge ausgehändigt worden seien (vgl.
§ 16 Absatz 2 des Europawahlgesetzes – EuWG, § 42 der
Europawahlordnung – EuWO). Die Stimmzettel hätten aber
ohne Weiteres nach manueller Faltung auf die Hälfte verklei-
nert und anschließend in die Wahlurne geworfen werden
können, ohne dass dabei die Stimmabgabe für eine bestimm-
te Partei auf dem Stimmzettel erkennbar geworden wäre.
Auch bei einem Umklappen dieser Seite durch die Wählen-
den habe das Wahlgeheimnis gewahrt werden können.
Der Einspruchsführer habe nicht von konkreten Zurück-
weisungen berichtet, die der Wahlvorsteher aufgrund unzu-
reichend gefalteter Stimmzettel ausgesprochen hätte. Auch
aus dem Wahllokal des Einspruchsführers sowie von allen
anderen Wahllokalen seien keine (weiteren) Beschwerden
diesbezüglich bekannt geworden.
Im Übrigen habe das Wahlamt Köln sämtliche Wahlvorstän-
de im Vorfeld der Wahl angewiesen, bereits bei der Ausgabe
der Stimmzettel die Wahlberechtigten ausdrücklich auf den
Umstand der nachträglichen Stimmzettelfaltung und der
Die im gesamten Wahlgebiet der Stadt Köln eingesetzten
Stimmzettel seien maschinell in der Weise gefaltet gewesen,

dass die Stimmabgabe auf der ersten Seite nicht erfolgt sei.
Umgekehrt sei aber bei einem Zusammenfalten der zuverläs-

Drucksache 17/2200 – 28 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
sige Schluss gegeben, dass die Stimme auf der ersten Seite
abgegeben worden sei. Dies widerspreche dem Grundsatz
der geheimen Wahl.
Außerdem könne der Einspruchsführer nicht erkennen, dass
der Hinweis zur Faltung in der Wahlbekanntmachung ausrei-
chend sei, um die Durchführung einer geheimen Wahl zu ge-
währleisten. Maßgeblich könne doch nur ein Hinweis sein,
der den Wähler auch tatsächlich erreiche. Die Veröffent-
lichung im Amtsblatt der Stadt Köln könne hier nicht genü-
gen. Aufgrund der Besonderheiten des umfangreichen und
sehr langen Wahlzettels reiche ein lediglich schriftlicher
Hinweis nicht aus, um die Grundsätze der geheimen Wahl zu
wahren. Auch die Darstellung der Wahlbekanntmachung auf
einem Großplakat am Eingang zum Wahlraum sei nicht an-
ders zu bewerten, da jedenfalls in dem Wahllokal des Ein-
spruchsführers eine Vielzahl von Kindern gemalter Bilder
die Wahrnehmung des Plakats unangemessen erschwert ha-
be. Ein mündlicher Hinweis auf die korrekte Faltung des
Stimmzettels durch den Wahlvorstand sei weder ihm noch
seiner Ehefrau gegenüber erfolgt.
Wegen des weiteren Einspruchsvorbringens wird auf den In-
halt der Akte verwiesen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.
In der Ausgabe der in der beschriebenen Weise vorgefalteten
Stimmzettel lag zwar möglicherweise ein Wahlfehler (1.). Es
kann aber ausgeschlossen werden, dass dieser sich auf die
Verteilung der 99 Mandate aus der Bundesrepublik Deutsch-
land für das Europäische Parlament ausgewirkt hat (2.).

1. Der Umstand, dass in den Wahllokalen keine Stimmzette-
lumschläge ausgehändigt worden seien, ist zunächst nicht zu
beanstanden. § 16 Absatz 2 EuWG und § 42 EuWO enthal-
ten keine Hinweise darauf, dass bei der Urnenwahl (anders
als bei der Briefwahl, § 38 EuWO) Stimmzettelumschläge
zu verwenden sind.

Ein Wahlfehler kann aber in der Vorfaltung der Stimmzettel
liegen. Gemäß § 16 Absatz 2 Satz 2 EuWG und § 49 Absatz 2
Satz 1 EuWO hat der Wähler den Stimmzettel so zu falten,
dass seine Stimmabgabe nicht erkennbar ist. Tut er das nicht,
hat ihn der Wahlvorstand von der Stimmabgabe zurückzu-
weisen (§ 49 Absatz 6 Nummer 5 EuWO) und ihm auf
Verlangen einen neuen Stimmzettel auszuhändigen (§ 56
Absatz 8 EuWO). Diese Vorschriften entsprechen den für die
Bundestagswahlen geltenden Regelungen (§ 34 Absatz 2
Satz 2 des Bundeswahlgesetzes, § 56 Absatz 2 Satz 1,
Absatz 6 Nummer 5 und Absatz 8 der Bundeswahlordnung).
Auf die korrekte Faltung des Stimmzettels wird in der
Wahlbekanntmachung der Gemeindebehörde (§ 41 Absatz 1
Nummer 3 EuWO) sowie durch einen im Wahllokal anzu-
bringenden Aushang hingewiesen (§ 48 Absatz 2 Satz 1
EuWO). Das Europawahlgesetz und die Europawahlordnung
machen zwar keine Vorgaben, wie die Faltung der Stimmzet-
tel zu erfolgen hat, die an die Wahlberechtigten ausgegeben
werden. Jedoch hat der Wahlvorstand selbstverständlich alles
zu unterlassen, was die praktische Wirksamkeit der in dem
Aushang und der Wahlbekanntmachung enthaltenen Infor-
mationen beeinträchtigt. Insbesondere darf er dem Wähler
weder ausdrücklich noch konkludent eine Faltung des

machen würde (vgl. Bundestagsdrucksache 16/5700,
Anlage 20).

Dies ist jedoch der Fall, wenn er Stimmzettel aushändigt, die
so vorgefaltet sind, dass die Stimmabgabe des Wählers, der
sich bei seiner Faltung an der Vorfaltung orientiert, erkenn-
bar wird. Denn der Wähler darf die Vorfaltung unter norma-
len Umständen als Empfehlung des Wahlvorstandes betrach-
ten, wie er – der Wähler – den Stimmzettel falten sollte, um
den Vorgaben des Wahlrechts gerecht zu werden. Er muss
grundsätzlich nicht damit rechnen, dass dies den Vorgaben
des Wahlrechts nicht entspricht. Sollte ein vorgefalteter
Stimmzettel diesen Vorgaben nicht entsprechen, kann der
Wähler zumindest erwarten, dass er darauf hingewiesen
wird, dass die Vorfaltung nicht als Orientierungshilfe ge-
meint ist (sondern etwa auf ein Versehen oder eine Faltung
beim Transport zurückzuführen ist). Ein solcher – den
Empfehlungscharakter der Vorfaltung neutralisierender –
Hinweis liegt im Regelfall noch nicht vor, wenn der Wahl-
vorstand einen Aushang zur korrekten Faltung des Stimm-
zettels am Eingang des Wahllokals oder in der Wahlkabine
anbringt. Der Wahlvorstand muss vielmehr eindeutig klar-
stellen, dass der Stimmzettel nicht so gefaltet werden soll,
wie es die Vorfaltung nahelegt.

Vorliegend entsprach die Vorfaltung nicht den Vorgaben des
§ 16 Absatz 2 Satz 2 EuWG und § 49 Absatz 2 Satz 1
EuWO (vgl. Bundestagsdrucksache 16/5700, Anlage 20 zu
den gleichlautenden Vorschriften des Bundeswahlgesetzes
und der Bundeswahlordnung). Für den Wahlprüfungsaus-
schuss nicht zu klären bleibt jedoch, ob der Wahlvorstand
den in der Vorfaltung liegenden Empfehlungscharakter neu-
tralisiert hat, indem er bei der Ausgabe jedes Stimmzettels
auf die korrekte Faltung hingewiesen hat. Entgegen den An-
gaben der Landeswahlleiterin soll nach den Angaben des
Einspruchsführers ein solcher Hinweis weder bei ihm noch
bei seiner Ehefrau erfolgt sein.

2. Die Frage kann aber letztlich dahingestellt bleiben. Denn
selbst wenn ein Wahlfehler vorliegen sollte, ist es nach der
allgemeinen Lebenserfahrung fernliegend, dass dieser sich
auf die Sitzverteilung im Europäischen Parlament aus-
gewirkt hat. Denn nach ständiger Praxis des Wahlprüfungs-
ausschusses sowie ständiger Rechtsprechung des Bundes-
verfassungsgerichts können nur solche Wahlfehler einen
Wahleinspruch erfolgreich begründen, die auf die Mandats-
verteilung von Einfluss sind oder hätten sein können (vgl.
Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 20; BVerfGE 89,
243, 254). Es ist nämlich äußerst unwahrscheinlich, dass
Wähler anders gewählt hätten, wenn sie korrekt oder gar
nicht vorgefaltete Stimmzettel ausgehändigt bekommen hät-
ten. Nichts anderes würde gelten, soweit der Wahlvorstand
Wähler, die mit falsch vorgefalteten Stimmzetteln zur Wahl-
urne gegangen sind, entgegen § 49 Absatz 6 Nummer 5
EuWO nicht von der Stimmabgabe zurückgewiesen haben
sollte. In diesem Fall wäre davon auszugehen, dass die zu-
rückgewiesenen Wähler den Stimmzettel neu und diesmal
ordnungsgemäß gefaltet hätten.

Angesichts der durch die Vorfaltung des Stimmzettels ent-
standenen Irritationen wird der Bundestag seine Entschei-
dung der Landeswahlleiterin mitteilen, damit diese Proble-
Stimmzettels nahelegen, die dessen Stimmabgabe erkennbar matik bei künftigen Wahlen vermieden werden kann.

auf einer freien Entscheidung der Wahlberechtigten beruhe.
Eine Rolle bei der Entscheidung des Wählers, ob es ihm zu-

lage von § 26 Absatz 2 des Europawahlgesetzes (EuWG) in
Verbindung mit dem Wahlprüfungsgesetz (WPrüfG) über
Wahlschein von Hilfspersonen bei der Stimmabgabe gefor-
derte Erklärung gewährleiste „keine ausreichende Deckung
mit dem Willen des Wählers“.

Zur Frage der Briefwahl hat der Niedersächsische Landes-
wahlleiter erklärt, die Bedenken des Einspruchsführers ge-
zumuten sei, an der Europawahl teilzunehmen, spiele die
Frage, ob der Präsident des Europäischen Parlaments die
Möglichkeit habe, sich an der Wahlprüfung zu beteiligen.
Dies sei jedoch gerade nicht der Fall.

Weiter trägt der Einspruchsführer vor, gesetzliche Vorausset-
zung für die Briefwahl im Land Niedersachsen sei gemäß
§ 36 des Bundeswahlgesetzes (BWG), dass das Verhältnis
der Anzahl der Briefwähler zu der Gesamtzahl der Wähler in
einem angemessenen Verhältnis stehe und nach Abzug der
Briefwähler noch eine unmittelbare Wahlbeteiligung im
Wahllokal von mindestens einem Drittel verbleibe. In
Niedersachsen habe die Wahlbeteiligung in den Wahllokalen
jedoch weit unter einem Drittel gelegen.

Der Einspruchsführer macht außerdem geltend, die auf dem

Wahleinsprüche entscheide, zuständig seien. Das Europäi-
sche Parlament befinde nach dem Wortlaut des Artikels 12
Satz 2 des Direktwahlakts über die Anfechtungen, die auf
Grund der Vorschriften dieses Akts – mit Ausnahme der in-
nerstaatlichen Vorschriften, auf die darin verwiesen werde –
vorgebracht werden könnten. Artikel 3 der Geschäftsord-
nung des Europäischen Parlaments führe hierzu aus: Das
Parlament entscheide über „etwaige Anfechtungen, die auf-
grund der Bestimmungen des Direktwahlakts geltend ge-
macht werden, nicht aber über diejenigen, die auf die natio-
nalen Wahlgesetze gestützt werden.“

Der Einspruchsführer sieht sich durch die – ihm bekannt-
gegebene – Stellungnahme in seiner Ansicht bestätigt, dass
das Europawahlgesetz keine Beteiligung des Präsidenten des
Europäischen Parlaments an der Wahlprüfung vorsehe.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29 – Drucksache 17/2200

Anlage 8

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn H. H., 29308 Winsen/Aller
– Az.: EuWP 21/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 7. Juni 2009
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 10. Juni 2010 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 23. Juni 2009, das am 29. Juni 2009 beim
Wahlprüfungsausschuss eingegangen ist, hat der Ein-
spruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl der
Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundes-
republik Deutschland am 7. Juni 2009 eingelegt. Mit Schrei-
ben vom 5. Juli, 10. Juli, 13. Juli, 17. Juli und 12. September
2009 sowie 6. April 2010 hat er seinen Wahleinspruch er-
gänzt.

Der Einspruchsführer beanstandet im Wesentlichen die ge-
ringe Wahlbeteiligung in Niedersachsen (Schreiben vom
23. Juni, 13. Juli und 12. September 2009), die Briefwahl mit
Unterstützung einer Hilfsperson (Schreiben vom 23. Juni
2009), den hohen Anteil an Briefwählern (Schreiben vom
10. Juli 2009) sowie die Art der Bekanntmachung im amtli-
chen Mitteilungsblatt der Gemeinde Winsen (Schreiben vom
23. Juni 2009 und 26. September 2009).

Der Einspruchsführer trägt sinngemäß vor, die vergleichs-
weise sehr geringe Wahlbeteiligung in Niedersachsen deute
darauf hin, dass die Nichtteilnahme an der Europawahl nicht

achtens „nicht die Einzelbedeutung der über die Wahl veröf-
fentlichten beiden Gegenstände berücksichtigt“ worden sei.
Die hierbei in Bezug genommene Anlage hat er auch auf
weitere Aufforderung des Sekretariats des Wahlprüfungs-
ausschusses nicht übersandt. Mit Schreiben, das am 28. Sep-
tember 2009 beim Deutschen Bundestag eingegangen ist, hat
er den Vortrag hinsichtlich des amtlichen Mitteilungsblatts
der Gemeinde Winsen um die Behauptung ergänzt, die Be-
kanntmachung hätte vom Bürgermeister gegengezeichnet
werden müssen. Erstmals erwähnt er in diesem Schreiben,
dass er sich auf das Mitteilungsblatt vom 14. Mai 2009 be-
ziehe.

Zu der Frage der fehlenden Beteiligung des Präsidenten des
Europäischen Parlaments an der Wahlprüfung hat das Bun-
desministerium des Innern erläutert, dass für die Prüfung der
Gültigkeit der Wahl zum Europäischen Parlament sowohl
das Europäische Parlament selbst, das eine Wahlprüfung auf
der Grundlage von Artikel 12 des Beschlusses und Akts zur
Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Abgeord-
neten des Europäischen Parlaments (Direktwahlakt) vor-
nehme, als auch der Deutsche Bundestag, der auf der Grund-
Schließlich erklärt er in seiner Einspruchsschrift, dass im
amtlichen Mitteilungsblatt der Gemeinde Winsen seines Er-

gen die Briefwahl seien unbegründet. Insbesondere enthalte
das Bundeswahlgesetz keinerlei Vorschriften hinsichtlich

Drucksache 17/2200 – 30 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

etwaiger Höchstquoten für das Verhältnis von Brief- und Ur-
nenwählern. Er weist darauf hin, dass bei der Europawahl am
7. Juni 2009 42,2 Prozent der Wahlberechtigten in Nieder-
sachsen ihre Stimme abgegeben hätten. Von diesen Wähle-
rinnen und Wählern hätten 12,3 Prozent von der Möglichkeit
der Briefwahl Gebrauch gemacht. Die Briefwahl sei verfas-
sungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Der Einspruchsführer hat hierauf mit Schreiben vom 21. Ok-
tober 2009 erwidert, dass zu berücksichtigen sei, dass die
Briefwahl als Ausnahme zu bewerten und nur nach strengen
Voraussetzungen zulässig sei. Deren Einhaltung scheine ihm
zweifelhaft, zudem seien auch andere Grundvoraussetzun-
gen wie die Prüfung der Wirksamkeit des Briefwahlantrags
und der Verhinderungsgründe nicht eingehalten worden.

Wegen der Einzelheiten insbesondere des Vortrags des Ein-
spruchsführers wird auf den Inhalt der Akten Bezug genom-
men.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist teilweise unzulässig, im Übrigen unbe-
gründet.

I.

Hinsichtlich des Vortrags des Einspruchsführers zur fehlen-
den Gegenzeichnung einer die Europawahl betreffenden Be-
kanntmachung durch den Bürgermeister im Amtsblatt der
Gemeinde Winsen ist der Einspruch wegen Verfristung un-
zulässig. Denn diese Behauptung hat der Einspruchsführer
erstmals in seinem am 28. September 2009 beim Deutschen
Bundestag eingegangenen Schreiben vom 26. September
2009 und damit nach Ablauf der Frist von zwei Monaten
nach dem Wahltag gemäß § 2 Absatz 4 Satz 1 des Wahlprü-
fungsgesetzes in Verbindung mit § 26 Absatz 2 EuWG am
7. August 2009 vorgetragen.

Ebenfalls wegen Verfristung unzulässig ist der Einspruch,
soweit der Einspruchsführer geltend macht, die Prüfung der
Wirksamkeit der Briefwahlanträge und der Verhinderungs-
gründe als Grundvoraussetzungen der Briefwahl sei nicht er-
folgt. Dies hat er erstmals in seiner Erwiderung vom 21. Ok-
tober 2009 auf die Stellungnahme des Landeswahlleiters
angeführt.

II.

Im Übrigen ist der Einspruch unbegründet, denn der Vortrag
des Einspruchsführers lässt keinen Wahlfehler erkennen.

Soweit der Einspruchsführer seinen Einspruch auf die seiner
Ansicht nach geringe Wahlbeteiligung in einem Bundesland
stützt, trägt er keine Tatsachen vor, die auf einen Verstoß ge-
gen Vorschriften für die Vorbereitung oder Durchführung der
Wahlen hindeuten. Es gibt keine Vorschrift, die eine Min-
destwahlbeteiligung bei der Europawahl vorschreibt (vgl.
Bundestagsdrucksache 15/4750, Anlage 22). Die Andeutung
des Einspruchsführers, die Wahlberechtigten hätten über ihre
Wahlteilnahme nicht frei entscheiden können, wird von ihm
nicht weiter belegt. Auch den von ihm postulierten Zusam-
menhang zwischen der Frage der Wahlbeteiligung und der
Zuständigkeit für die Prüfung der Wahl der Abgeordneten

zutreffend darlegt, im Rahmen der jeweiligen Zuständig-
keiten nach Artikel 12 des Direktwahlakts bzw. § 26 Ab-
satz 2 EuWG i. V. m. dem Wahlprüfungsgesetz sowohl beim
Europäischen Parlament als auch beim Deutschen Bundes-
tag liegt, hat der Einspruchsführer nicht nachvollziehbar er-
läutert.

Soweit der Einspruchsführer einen Verstoß gegen § 36 BWG
geltend macht, weil nach Abzug der Briefwähler der verblei-
bende Anteil der an der Urnenwahl im Wahllokal teilneh-
menden Wähler im Land Niedersachsen unter einem Drittel
gelegen habe, unterliegt er sowohl einem Rechts- als auch
einem Tatsachenirrtum. Weder in § 36 BWG, der die Brief-
wahl regelt und gemäß § 4 EuWG auch für Europawahlen
Anwendung findet, noch in anderen für die Europawahl an-
wendbaren Vorschriften finden sich Vorgaben für das zuläs-
sige Verhältnis zwischen Brief- und Urnenwählern, wie der
Niedersächsische Landeswahlleiter zutreffend ausgeführt
hat. Zudem irrt – was für die rechtliche Beurteilung aller-
dings unerheblich ist – der Einspruchsführer auch in seiner
Berechnung, denn im Land Niedersachsen lag nach Angabe
des Landeswahlleiters die Wahlbeteiligung bei 42,2 Prozent
und der Anteil der Briefwähler daran bei 12,3 Prozent, so
dass tatsächlich 37 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stim-
me im Wahllokal abgegeben haben.

Auch der Vortrag des Einspruchsführers, die auf dem Wahl-
schein von Hilfspersonen bei der Stimmabgabe geforderte
Erklärung gewährleiste keine ausreichende Deckung mit
dem Willen des Wählers, lässt keine Anhaltspunkte für das
Vorliegen eines Wahlfehlers erkennen.

Der Einspruchsführer bezieht sich hier auf die Vorgabe des
§ 36 Absatz 2 BWG, der gemäß § 2 EuWG auch für Europa-
wahlen Anwendung findet. Danach hat bei der Briefwahl der
Wähler oder, wenn er sich bei der Kennzeichnung des
Stimmzettels einer Hilfsperson bedient, diese Hilfsperson
auf dem Wahlschein gegenüber dem Kreiswahlleiter an
Eides statt zu versichern, dass der Stimmzettel persönlich
oder gemäß dem erklärten Willen des Wählers gekennzeich-
net worden ist. Der Hilfe einer anderen Person darf sich ein
Briefwähler dann bedienen, wenn er des Lesens unkundig
oder wegen einer körperlichen Beeinträchtigung an der
Wahlrechtsausübung gehindert ist (§ 36 Absatz 1 Satz 2
i. V. m. § 33 Absatz 2 BWG, vgl. auch Schreiber, Kommen-
tar zum BWG, 8. Auflage, 2009, § 36 Rn. 14). Im Falle einer
Manipulation der eidesstattlichen Versicherung scheint ein
Wahlfehler zwar nicht ausgeschlossen. Aus dem Vortrag des
Einspruchsführers geht jedoch nicht substantiiert hervor,
dass derartige Manipulationen tatsächlich stattgefunden hät-
ten. Allein die Behauptung, dass die Gefahr eines Wahlfeh-
lers bestehen könnte, genügt für dessen Feststellung nicht.
Vielmehr muss unter Angabe konkreter, der Überprüfung zu-
gänglicher Tatsachen dargelegt werden, dass sich diese Ge-
fahr auch realisiert hat, das heißt, dass ein Wahlfehler nicht
nur möglich war, sondern auch aufgetreten ist. Dies folgt
daraus, dass gemäß § 2 Absatz 1 und 3 WPrüfG, der gemäß
§ 26 Absatz 2 EuWG auch für die Prüfung der Wahl der
Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundes-
republik Deutschland gilt, die Wahlprüfung nicht von Amts
wegen, sondern nur auf Einspruch, der zu begründen ist, er-
folgt (vgl. Bundestagsdrucksache 16/1800, Anlage 26 mit
weiteren Nachweisen). Zudem ist der Wahlprüfungsaus-
des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland, die, wie das Bundesministerium des Innern

schuss der Ansicht, dass die genannten Vorschriften die
Möglichkeit des Missbrauchs zwar nicht vollständig aus-

Deutscher Bundestag – 17. rucksache 17/2200
Wahlperiode – 31 – D

schließen, aber doch auf ein verfassungsmäßig hinnehmba-
res Maß herabsetzen, zumal die Abgabe einer falschen Ver-
sicherung an Eides statt nach § 156 des Strafgesetzbuchs
strafbar ist. Eine Missbräuche völlig ausschließende Kon-
trolle der Wähler würde den Wahlvorgang nicht unerheblich
beeinträchtigen und so zu technischen Schwierigkeiten bei
der Durchführung der Wahl führen. Außerdem würde eine
solche Kontrolle dem Ziel, dass möglichst viele Wahlberech-
tigte an der Wahl teilnehmen, entgegenstehen (vgl. Bundes-
tagsdrucksache 13/3927, Anlage 36).

Soweit der Vortrag des Einspruchsführers bezüglich des amt-
lichen Mitteilungsblatts der Gemeinde Winsen nicht bereits
unzulässig ist (vgl. unter I.), lässt er jedenfalls keinen Wahl-
fehler erkennen. Denn die Behauptung des Einspruchsfüh-
rers, im amtlichen Mitteilungsblatt der Gemeinde Winsen sei
„nicht die Einzelbedeutung der über die Wahl veröffentlich-
ten beiden Gegenstände berücksichtigt“ worden, enthält kei-
ne konkrete und nachvollziehbare Darlegung möglicher Ver-
stöße gegen Wahlrechtsvorschriften.

ben äußert er im Wesentlichen seine Missbilligung hinsicht-
lich der Entscheidungen deutscher Gerichte sowie deren

schen Bundestag beabsichtigt, ist der Einspruch unzulässig,
da er nicht innerhalb der auch für Einsprüche gegen die
Entscheidungsgründe

sche Recht uneingeschränkt einräumt.

Die weiteren angesprochenen Themen weisen keinerlei Be-
Duldung durch den Deutschen Bundestag. In seinem Schrei-
ben vom 8. Juli 2009 findet sich zudem der Satz „Gegen
Bundestagswahlen ist Einspruch eingereicht“. Wegen der
Einzelheiten des Vortrags wird auf den Inhalt der Akten ver-
wiesen.

Der Einspruchsführer, der nach Auskunft des Kreiswahllei-
ters der Stadt Karlsruhe in das Wählerverzeichnis eingetra-
gen ist, ist mit Schreiben vom 13. Juli 2009 vom Sekretariat
des Wahlprüfungsausschusses auf das Begründungserforder-
nis gemäß § 26 Absatz 2 des Europawahlgesetzes (EuWG)
in Verbindung mit § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsge-
setzes (WPrüfG) hingewiesen und gebeten worden, mitzu-
teilen, welchen konkreten Wahlfehler er geltend mache.
Hierauf hat sich der Einspruchsführer nicht mehr geäußert.

Bundestagswahl geltenden Frist von zwei Monaten nach
dem Wahltag (§ 2 Absatz 3 WPrüfG) beim Bundestag ein-
gegangen ist.

2. Der Vortrag des Einspruchsführers lässt jedenfalls keinen
Wahlfehler erkennen, da er keine substantiierte Darlegung
möglicher Fehler bei der Vorbereitung und Durchführung
der Europawahl umfasst. Insbesondere beruht die von dem
Einspruchsführer erklärte Nichtteilnahme an der Wahl zum
Europäischen Parlament und weiteren Wahlen offensichtlich
auf seinem eigenen Entschluss, und nicht etwa auf einem
Ausschluss durch die Wahlbehörden. Der in das Wähler-
verzeichnis eingetragene Einspruchsführer macht mit seiner
Entscheidung, aus Protest nicht zu wählen, aus freien
Stücken von einer Möglichkeit Gebrauch, die ihm das deut-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 33 – Drucksache 17/2200

Anlage 9

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn H. G., 76139 Karlsruhe
– Az.: EuWP 28/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 7. Juni 2009
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 10. Juni 2010 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 8. Mai und 8. Juli 2009, die beim Wahl-
prüfungsausschuss am 12. Mai beziehungsweise 10. Juli
2009 eingegangen sind, hat der Einspruchsführer einen
Wahleinspruch eingelegt.

Auf sein Schreiben vom 8. Mai 2009 hat das Sekretariat des
Wahlprüfungsausschusses den Einspruchsführer mit Schrei-
ben vom 13. Mai 2009 darauf hingewiesen, dass ein Ein-
spruch gegen die Gültigkeit einer Europawahl oder einer
Wahl zum Deutschen Bundestag nur innerhalb einer Frist
von zwei Monaten nach der Wahl zulässig sei. Daraufhin hat
er sich mit dem Schreiben vom 8. Juli 2009 wieder gemeldet.

In seinen mit „Verein Gegen Nazismus in deutscher Justiz“
überschriebenen Schreiben teilt der Einspruchsführer mit,
dass er und andere Menschen aus dem Ausland nicht an Eu-
ropawahlen, Bundestagswahlen und Kommunalwahlen teil-
nähmen, solange die deutsche Justiz ihre Grundrechte miss-
achte. Wenn Russland und China „die Konvention“ beachten
müssten, müsse auch Deutschland dies tun. In seinen Schrei-

republik Deutschland am 7. Juni 2009 richtet. Er ist jedoch
unbegründet.

1. Zwar ist das erste Schreiben des Einspruchsführers bereits
am 12. Mai 2009, und damit vor Beginn des Laufs der Ein-
spruchsfrist – sowohl gegen die Wahl der Abgeordneten des
Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutsch-
land am 7. Juni 2009 als auch gegen die Wahl zum 17. Deut-
schen Bundestag am 27. September 2009 –, beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Nachdem er vom Sekretariat des
Wahlprüfungsausschusses auf die Frist für Wahleinsprüche
hingewiesen worden ist, hat sich der Einspruchsführer mit
seinem zweiten Schreiben vom 8. Juli 2009 jedoch innerhalb
der in § 26 Absatz 2 EuWG in Verbindung mit § 2 Absatz 4
WPrüfG vorgesehenen Frist von zwei Monaten nach dem
Tag der Europawahl gemeldet und damit, soweit er sich ge-
gen die Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parla-
ments aus der Bundesrepublik Deutschland am 7. Juni 2009
richtet, fristgerecht Einspruch eingelegt. Soweit der Ein-
spruchsführer allerdings – zugleich oder gar ausschließlich –
einen Einspruch gegen die Gültigkeit einer Wahl zum Deut-
Der Einspruch ist zulässig, soweit er sich gegen die Wahl der
Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundes-

zug zu einer Wahl auf und können daher nicht zum
Gegenstand eines Wahlprüfungsverfahrens gemacht werden.

wurde der „Die Grauen Generationspartei“ aufgegeben, dem
Bundeswahlleiter unverzüglich mitzuteilen, dass sie ab so-

zember 2009 hierzu geäußert.
teilnehmen. Deshalb müsse auch er die ihm entstandenen
Kosten selbst tragen.

rechtlichen Angelegenheit, die, wie der Bundeswahlleiter
zutreffend feststellt, mit der Wahl weder inhaltlich noch zeit-
lich zwingend verknüpft ist. Anders als vom Einspruchsfüh-
fort nicht mehr die Bezeichnung „Generationspartei“ als Na-
mensbestandteil führe.

Mit Urteil vom 3. Juni 2009 hob das Landgericht Berlin
diese einstweilige Verfügung auf. Bei der Europawahl am
7. Juni 2009 erreichte der Wahlvorschlag „DIE GRAUEN –
Generationspartei“ bundesweit 0,2 Prozent.

Zur Begründung seines Einspruchs trägt der Einspruchsfüh-
rer vor, dass durch den Gerichtsbeschluss eine „Wahlwer-
bung über Wochen“ verhindert worden sei, bis das Verbot
wenige Tage vor der Europawahl aufgehoben worden sei.
Dadurch habe seine Kandidatur hinsichtlich der Wählerstim-
men sehr gelitten, insbesondere habe der Wahlvorschlag die
Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwinden können und
könne auch nicht an der staatlichen Parteienfinanzierung

Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten sowie
der Gerichtsentscheidungen wird auf den Inhalt der Akten
Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Der vorgetragene Sachverhalt lässt keinen Wahlfehler erken-
nen. Ein Wahlfehler liegt dann vor, wenn Regelungen über
die Vorbereitung und Durchführung einer Wahl nicht einge-
halten werden. Dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall.
Denn bei der vom Einspruchsführer zum Gegenstand des
Einspruchs gemachten einstweiligen Verfügung des Landge-
richts handelt es sich um eine Entscheidung in einer namens-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 35 – Drucksache 17/2200

Anlage 10

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn R. G., 85716 Unterschleißheim
– Az.: EuWP 29/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 7. Juni 2009
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 10. Juni 2010 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 5. Juli 2009, das am 7. Juli 2009 beim
Deutschen Bundestag eingegangen ist, hat der Einspruchs-
führer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl der Abge-
ordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepu-
blik Deutschland am 7. Juni 2009 eingelegt. Er macht eine
Behinderung bei der Wahlwerbung durch einen Gerichtsbe-
schluss geltend.

Der Einspruchsführer kandidierte bei der Europawahl auf
der Liste „DIE GRAUEN – Generationspartei“. Mit Be-
schluss vom 8. Mai 2009 erließ das Landgericht Berlin auf
Antrag von „50Plus Das Generationen-Bündnis“, das eben-
falls mit einem Wahlvorschlag zur Europawahl antrat, eine
einstweilige Verfügung, mit der den „Die Grauen Genera-
tionspartei“ untersagt wurde, die Bezeichnung „Genera-
tionspartei“ als Namensbestandteil zu führen, zu verwenden
oder sonst wie zu benutzen. Für den Fall der Zuwiderhand-
lung wurde ein Ordnungsgeld von bis zu 50 000 Euro, ersatz-
weise eine an ihrem Vorsitzenden zu vollstreckende Ord-
nungshaft von bis zu sechs Monaten angedroht. Zugleich

Im vorliegenden Fall liege kein Verstoß gegen formelles
oder materielles Wahlrecht in einem weit zu verstehenden
Sinn vor. Auch seien keine Rechtsverstöße gegen anderwei-
tige Rechtsvorschriften oder Rechtsgrundsätze erkennbar.
Der Erlass einer einstweiligen Verfügung durch die ordent-
liche Gerichtsbarkeit stelle keinen Wahlfehler dar. Namens-
rechtliche Streitigkeiten zwischen Parteien seien zivilrecht-
liche Streitigkeiten, die mit der Wahlvorbereitung weder
inhaltlich noch zeitlich zwingend verknüpft seien. Die Wahl-
prüfung erstrecke sich auf die Einhaltung der Wahlrechtsvor-
schriften und von Rechtsvorschriften mit Bezug zum Wahl-
verfahren. Eine Streitigkeit zwischen zwei Parteien um die
Namensführung gehöre nicht zum Wahlverfahren bzw. zur
Wahlvorbereitung, auch wenn die Streitigkeit unmittelbar
vor der Wahl geführt worden sei. Für einen Schaden, der
durch die Verhinderung der Wahlwerbung möglicherweise
entstanden sei, kämen ausschließlich privatrechtliche Scha-
denersatzansprüche gegen die Verfügungsklägerin in Be-
tracht.

Der Einspruchsführer, dem diese Stellungnahme zur Kennt-
nis gegeben worden ist, hat sich mit Schreiben vom 8. De-
Zu dem Wahleinspruch hat der Bundeswahlleiter im Wesent-
lichen wie folgt Stellung genommen:

rer behauptet, wurde den „DIE GRAUEN“ hierdurch auch
nicht die Wahlwerbung verboten, sondern lediglich die Füh-

Drucksache 17/2200 destag – 17. Wahlperiode
– 36 – Deutscher Bun

rung der die Bezeichnung „DIE GRAUEN“ ergänzenden
Bezeichnung „Generationspartei“ als Namensbestandteil un-
tersagt. Die entscheidungserheblichen namensschutzrechtli-
chen Vorschriften beinhalten keine Regelungen über die Vor-
bereitung oder Durchführung einer Wahl. Zudem wird aus
dem Vortrag des Einspruchsführers nicht deutlich, inwiefern
den „DIE GRAUEN“ eine Wahlwerbung lediglich unter Ver-
wendung des ersten Teils des Namens, der zugleich die
Kurzbezeichnung darstellte, nicht möglich gewesen sein
soll.

Soweit der Einspruchsführer geltend macht, durch das
Nichterreichen der für die Teilnahme an der staatlichen Teil-
finanzierung nach dem Parteiengesetz (PartG) seien ihm per-
sönlich Kosten entstanden, kann bereits deshalb kein Wahl-
fehler vorliegen, weil es sich bei den hier einschlägigen
Vorschriften des § 18 ff. PartG ebenfalls nicht um Regelun-
gen über die Vorbereitung und Durchführung einer Wahl
handelt.

werden können. Die Stimmabgabe habe nicht mehr unbeein-
flusst stattfinden können. Auch die mit dem Wahlkreisvor-

auszufüllen. So seien die bei staatlichen Wahlen zur Siche-
rung des Wahlgeheimnisses – etwa in § 4 EuWG in Verbin-
Zudem ist er der Auffassung, dass bei dieser Art der Bewer-
berauswahl durch die entstehende Gruppendynamik „inter-
essante Persönlichkeiten“ ausgebremst und die Chancen ein-

Dem Einspruchsführer ist die Stellungnahme bekannt gege-
ben worden. Er hat sich in einem Schreiben vom 11. Februar
2009 dazu geäußert und bestreitet die Auffassung des Bun-
schlag vorgelegte eidesstattliche Versicherung sei insoweit
unrichtig, als damit die geheime Abstimmung behauptet
werde, da die Unterzeichner offensichtlich der irrigen Mei-
nung gewesen seien, es genüge, wenn die Zettel gefaltet ab-
gegeben würden. Gleiches gelte im Wesentlichen für die De-
legiertenversammlung der FDP am 17. Januar 2009 in Berlin
und die Aufstellungsversammlung der CSU am 17. Januar
2009 in München sowie möglicherweise bei allen in das
Europaparlament gewählten Parteien.

Der Einspruchsführer macht geltend, dass bei Aufstellungs-
versammlungen keine anderen Grundsätze gelten könnten
als bei der Wahl selbst. Wenn ein Wähler seinen Stimmzettel
außerhalb der Wahlkabine und/oder zusammen mit anderen
Personen ausfüllen würde, würde dies strikt unterbunden.

dung mit § 33 des Bundeswahlgesetzes (BWG) – zwingend
vorgeschriebenen besonderen Schutzvorrichtungen wie
Wahlkabinen und Wahlurnen bei Bewerberaufstellungsver-
fahren nicht erforderlich. Für die geheime Stimmabgabe ge-
nüge es in der Regel, dass die Stimmzettel verdeckt gekenn-
zeichnet und ohne Einblicknahme anderer abgegeben
werden könnten.

Der Einspruchsführer habe selbst angegeben, dass bei der
Kandidatenaufstellung der SPD am 8. Dezember 2008
Wahlkabinen zur Verfügung gestanden hätten. Insofern sei
kein Verstoß gegen den Grundsatz der geheimen Wahl gege-
ben. Auch für die beiden weiteren vom Einspruchsführer ge-
nannten Parteien sei dem Bundeswahlleiter kein entspre-
chender Verstoß bekannt geworden.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 37 – Drucksache 17/2200

Anlage 11

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn A. M., 81827 München
– Az.: EuWP 30/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 7. Juni 2009
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 10. Juni 2010 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 14. Juli 2009, das beim Deutschen
Bundestag am selben Tag eingegangen ist, hat der Ein-
spruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl der
Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundes-
republik Deutschland am 7. Juni 2009 eingelegt. Mit einem
weiteren Schreiben vom 24. Juli 2009, das am 27. Juli 2009
beim Deutschen Bundestag eingegangen ist, hat er seinen
Einspruch ergänzt.

Der Einspruchsführer macht die Verletzung des Wahl-
geheimnisses bei der Aufstellung der Wahlvorschläge meh-
rerer politischer Parteien geltend.

Er trägt im Wesentlichen vor, dass die Mitglieder der SPD
bei der Delegiertenversammlung am 8. Dezember 2008 in
Berlin nicht verpflichtet gewesen seien, die Stimmzettel in
einer Wahlkabine oder hinter einer Wahlblende auszufüllen.
Es habe kein Zwang bestanden, die wenigen vorhandenen
Wahlkabinen zu benutzen. Damit sei es möglich gewesen,
dass die Stimmabgabe von Sitznachbarn habe beobachtet

Abstimmung liege auch im Interesse aller Parteien, die Bes-
ten in die Parlamente zu entsenden.

Der Bundeswahlleiter hat zu dem Wahleinspruch wie folgt
Stellung genommen:

Aus dem Grundsatz der innerparteilichen Demokratie nach
Artikel 21 Absatz 1 Satz 3 des Grundgesetzes folge, dass die
Aufstellung von Kandidaten für Europawahlen sich nach be-
stimmten Mindestregeln einer demokratischen Wahl vollzie-
hen müsse. § 10 des Europawahlgesetzes (EuWG) normiere
diesen Kernbestand an Verfahrensgrundsätzen für die Auf-
stellung der Bewerber von Parteien und politischen Vereini-
gungen; seine Beachtung sei unverzichtbare Voraussetzung
eines ordnungsgemäßen Wahlvorschlages. Hierzu gehöre
gemäß § 10 Absatz 3 Satz 1 EuWG auch die Wahl der Ver-
treter für die Vertreterversammlungen und der Bewerber in
geheimer Abstimmung. Der von dem Einspruchsführer ge-
rügte Verstoß gegen den Grundsatz der geheimen Wahl liege
jedoch nicht bereits deshalb vor, weil die Delegierten nicht
gezwungen gewesen seien, ihre Stimmzettel zur Aufstellung
der Bewerber in einer Wahlkabine oder hinter einer Blende
zelner Kandidaten reduziert würden. Die wirklich geheime deswahlleiters, es liege kein Wahlfehler vor. Hinsichtlich der

Wahlgeheimnisses, insbesondere die obligatorische Benut-
zung von Wahlzellen und Wahlurnen, in Kraft gesetzt. Eine
geheime Wahl im Sinne des § 10 Absatz 3 Satz 1 EuWG er-
fordert vielmehr lediglich, dass schriftlich mit Stimmzetteln
abgestimmt wird und diese verdeckt gekennzeichnet und oh-
ne Einsichtnahme anderer abgegeben werden können (vgl.
zuletzt Bundestagsdrucksache 16/3600, Anlage 5 zu § 21
Absatz 3 Satz 1 BWG m. w. N.). So ist auch in der in
Anlage 18 zu § 32 Absatz 4 Nummer 3 der Europawahlord-
nung (EuWO) enthaltenen Musterniederschrift über die Auf-
stellungsversammlung nur von einer verdeckten Abstim-
mung mit einheitlichen Stimmzetteln die Rede, nicht von
einer Verwendung von Wahlzellen und Wahlurnen. Diese im
Vergleich zur Wahl der Abgeordneten geringeren Anforde-
rungen bei der Wahl der Parteibewerber entsprechen dem
jeweiligen Charakter dieser Wahlen und ihrem Verhältnis
zueinander: Einerseits sind die unverzichtbaren Vorausset-
zungen für einen demokratischen Wahlvorgang auch im Vor-
feld der eigentlichen Wahl und gegenüber an der Wahlvorbe-
reitung beteiligten Dritten, auch wenn sie, wie die Parteien,
keine amtlichen Wahlorgane sind (vgl. § 5 EuWG), zu
sichern. Andererseits ist zugleich die Autonomie der Partei-
en zu wahren und im Interesse eines größtmöglichen Be-
standsschutzes der einmal durch Wahl hervorgebrachten

Zwang zur Nutzung von Wahlzellen und Wahlurnen besteht.
Vor diesem Hintergrund kann von einem Verstoß gegen das
Gebot der geheimen Abstimmung über die aufzustellenden
Listenbewerber nicht bereits dann ausgegangen werden,
wenn lediglich festgestellt werden kann, dass die Möglich-
keit bestand, Einblick in das Abstimmungsverhalten anderer
zu nehmen (vgl. Bundestagsdrucksache 16/3600, Anlage 5).
Dass es tatsächlich zu solchen Einsichtnahmen und Beein-
flussungen der Abstimmenden gekommen ist, hat der Ein-
spruchsführer nicht vorgetragen. Aber hierauf kommt es
auch nicht an.

Da kein Verstoß gegen den Grundsatz der geheimen Wahl
festgestellt werden kann, bestehen auch keinerlei An-
haltspunkte für die pauschal erhobene Behauptung des
Einspruchsführers, die – gemäß § 32 Absatz 4 Nummer 3 in
Verbindung mit Anlage 19 EuWO dem Wahlvorschlag bei-
zufügende – Versicherung an Eides statt, dass die Listen-
bewerber in geheimer Abstimmung gewählt worden seien,
sei falsch.

Hinsichtlich der vom Einspruchsführer behaupteten fehlen-
den Chancengleichheit der Bewerber fehlt es bereits an
einem hinreichend konkreten Tatsachenvortrag, der einer
Überprüfung im Wahlprüfungsverfahren zugänglich wäre.
Drucksache 17/2200 – 38 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt
der Akten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Der Vortrag des Einspruchsführers lässt keinen Wahlfehler
erkennen.

Ein Verstoß gegen den Grundsatz der geheimen Wahl liegt
nicht vor. Zwar sind gemäß § 10 Absatz 3 Satz 1 EuWG die
in einem Wahlvorschlag benannten Bewerber in geheimer
Abstimmung zu wählen. Nach ständiger Entscheidungspra-
xis des Deutschen Bundestages in Wahlprüfungsangelegen-
heiten werden damit aber nicht die für die Wahl der Abge-
ordneten geltenden strengen Vorgaben für die Wahrung des

Volksvertretungen die Erheblichkeit von Wahlfehlern, die
Dritte begehen können, eng und strikt zu begrenzen (vgl.
Bundestagsdrucksache 16/3600, Anlage 5; BVerfGE 89, 243,
251, 253). Dem Postulat des Einspruchsführers, dass an die
Wahl der Listenbewerber die gleichen Maßstäbe wie an die
Wahl der Abgeordneten anzulegen seien, kann daher nicht
gefolgt werden.

Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen die dargestellten, aus
§ 10 Absatz 3 Satz 1 EuWG folgenden Vorgaben ergeben
sich aus dem Vortrag des Einspruchsführers nicht. So trägt er
selbst vor, dass schriftlich mit Stimmzetteln abgestimmt
wurde und diese auch verdeckt gekennzeichnet werden
konnten. Soweit der Einspruchsführer geltend macht, es sei
möglich gewesen, das Abstimmungsverhalten von Delegier-
ten zu beobachten, mag dies zutreffen. Es handelt sich dabei
jedoch um eine zwangsläufige Folge der oben dargestellten
Auslegung des § 10 Absatz 3 Satz 1 EuWG, wonach kein

zugleich Wahlvorsteherin war, habe gedroht, ihn aus dem
Wahllokal zu weisen, als er dort während einer Zeit, in der er

Ausübung seiner Wahlhandlung noch an der Beobachtung
des Wahlgeschehens im Rahmen des Öffentlichkeitsprinzips
gehindert worden. Im Übrigen dürfe der Wahlvorstand Ruhe
die Möglichkeit zur Konkretisierung seines Vortrags gege-
ben worden. Er hat sich hierauf nicht geäußert.

Hingegen habe die Wahlvorsteherin eingeräumt, dass das
Wahllokal zwischen dem Ende der Wahlhandlung und dem
Beginn der Stimmenauszählung verschlossen gewesen sei.
nicht am Wahlgeschehen beteiligt gewesen sei, einen Be-
kannten begrüßt habe. Außerdem äußert er den Verdacht,
dass die Briefwahlstimmen nicht richtig ausgezählt worden
seien. Ferner macht er Bedenken gegen die Anzahl der als
ungültig angesehenen Wählerstimmen geltend und bittet um
Überprüfung. Der Einspruchsführer trägt weiter vor, dass die
Wahlvorsteherin um 18 Uhr das Wahllokal habe abschließen
lassen. Das Öffnen der Wahlbriefe habe unter Ausschluss der
Öffentlichkeit stattgefunden. Erst auf das Klopfen eines Bür-
gers an der Tür sei diese wieder geöffnet worden.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags des Einspruchsführers,
der sich zugleich gegen die zeitgleich mit der Europawahl
durchgeführte Kommunalwahl wendet, wird auf den Inhalt
der Akten Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 21. Juli 2009 ist dem Einspruchsführer

und Ordnung im Wahllokal sicherstellen, falls diese durch
die Begrüßung möglicherweise gestört worden sei.

Hinsichtlich der Briefwahl trage der Einspruchsführer keine
konkreten Tatsachen für einen Wahlfehler vor, sondern halte
einen solchen lediglich für möglich. Eine Vermutung reiche
als Begründung für einen zulässigen Wahleinspruch jedoch
nicht aus.

Die vorgetragenen Bedenken gegen die Anzahl der als un-
gültig angesehenen Wählerstimmen hätten ausschließlich
die Auswertung der ungültigen Stimmen bei den Kommu-
nalwahlen betroffen. Tatsachen, die einen entsprechenden
Wahlfehler bei der Auszählung der Stimmen für die Europa-
wahl begründen könnten, seien nicht berichtet worden.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39 – Drucksache 17/2200

Anlage 12

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn R.R., 55595 Mandel
– Az.: EuWP 33/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 7. Juni 2009
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 10. Juni 2010 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit zwei Schreiben vom 17. und 30. Juni 2009, die der Lan-
deswahlleiter des Landes Rheinland-Pfalz an den Deutschen
Bundestag weitergeleitet hat und die hier am 16. Juli 2009
eingegangen sind, hat der Einspruchsführer Einspruch gegen
die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen
Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 7. Juni
2009 eingelegt. Gegenstand des Einspruchs sind Vorgänge
im Zusammenhang mit der Vorbereitung und Durchführung
der Wahl im Wohnort des Einspruchsführers.

Der Einspruchsführer trägt vor, er vermute, dass das Wähler-
verzeichnis fehlerhaft gewesen sei, denn es hätten Bürger an
der Wahl teilgenommen, die schon seit Jahren nicht mehr im
Ort wohnten. Hinsichtlich der Arbeitsaufteilung innerhalb
des Wahlvorstands kritisiert er, dass die Mitglieder einer bei
den Kommunalwahlen in Mandel kandidierenden Wähler-
gruppe durch „raffinierte und einseitige Arbeitseinsatzpla-
nung“ nicht am Wahlvorstandstisch hätten sitzen dürfen, wo-
durch ihnen die Einsicht in das Wählerverzeichnis verwehrt
worden sei. Er behauptet weiter, die Ortsbürgermeisterin, die

Punkten unter Einbeziehung der Verbandsgemeinde Rüdes-
heim und der Ortsbürgermeisterin wie folgt Stellung genom-
men:

Das Wählerverzeichnis für die Ortsgemeinde sei nicht feh-
lerhaft gewesen. Es habe nur Personen erfasst, die bei der
Europawahl wahlberechtigt gewesen seien, wie die zustän-
dige Verbandsgemeinde Rüdesheim festgestellt habe. Im
Übrigen habe der Einspruchsführer nicht vortragen können,
welche konkreten Personen nicht wahlberechtigt gewesen
seien, aber trotzdem in das Wählerverzeichnis aufgenom-
men worden seien. Auch bezüglich der Stimmenauszählung
trage der Einspruchsführer keinen konkreten Wahlfehler vor.

Die Mitglieder des Wahlvorstandes seien einvernehmlich für
die durchzuführenden Arbeiten in entsprechende Gruppen
eingeteilt worden. Unregelmäßigkeiten bei der konkreten
Durchführung seien nicht belegt.

Das Vorbringen des Einspruchsführers bezüglich der Andro-
hung eines Verweises aus dem Wahlraum lasse keinen Wahl-
mangel erkennen. Der Einspruchsführer sei weder an der
Der Landeswahlleiter des Landes Rheinland-Pfalz hat zu
den einzelnen in diesem Wahleinspruch angesprochenen

Dies könne einen Verstoß gegen das in § 10 Absatz 1 Satz 1
des Bundeswahlgesetzes kodifizierte Öffentlichkeitsprinzip

darstellen, da dadurch die theoretische Möglichkeit einer
von der Öffentlichkeit unbeobachteten Manipulation bestan-
den habe. Der Wahlfehler habe jedoch keine Auswirkungen
auf die Mandatsverteilung. Hierzu hat der Landeswahlleiter
eine mit „Prüfung der Mandatsrelevanz“ überschriebene
Tabelle mit Modellrechnungen übersandt, aus denen sich er-
gibt, dass in der Ortsgemeinde Mandel 362 gültige Stimmen
abgegeben wurden, deren theoretisch fehlerhafte Zurech-
nung das Wahlergebnis auf Bundesebene nicht beeinflusst
hätte.

Wegen der Einzelheiten der Stellungnahme wird auf den In-
halt der Akten verwiesen.

Der Inhalt der Stellungnahme des Landeswahlleiters des
Landes Rheinland-Pfalz ist dem Einspruchsführer bekannt
gegeben worden; er hat sich hierzu nicht mehr geäußert.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Die vom Einspruchsführer geäußerten Vermutungen, das
Wählerverzeichnis könne fehlerhaft sein, die Stimmen der
Briefwähler könnten falsch gezählt worden sein und die er-
mittelte Anzahl der als ungültig gewerteten Stimmzettel
könnte unrichtig sein, können einen Wahlfehler nicht be-
gründen. Hierbei handelt es sich jeweils um reine Mut-
maßungen, die vom Einspruchsführer nicht mit Tatsachen
belegt wurden. Derartige Verdachtsäußerungen reichen je-
doch nicht aus, um den inhaltlichen Anforderungen an die
Begründung eines Wahleinspruchs aus § 26 Absatz 2 des
Europawahlgesetzes in Verbindung mit § 2 Absatz 3 des
Wahlprüfungsgesetzes zu genügen. Diese Substantiierungs-
pflicht entspricht der Ausgestaltung der Wahlprüfung, die
nicht von Amts wegen und auch nicht in Gestalt einer Durch-
prüfung der gesamten Wahl stattfindet, sondern nur auf
Einspruch erfolgt, der genügend substantiierte Tatsachen zu
enthalten hat (vgl. z. B. Bundestagsdrucksache 16/1800, An-
lagen 46, 47, 48).

Auch aus dem Vorbringen des Einspruchsführers hinsicht-
lich der Zusammensetzung und Arbeitseinteilung des Wahl-
vorstands lassen sich keine einen Wahlfehler begründenden
Tatsachen entnehmen. Allein die Tatsache, dass kein Mit-
glied einer bestimmten Wählergruppe für eine Aufgabe am
Vorstandstisch, die Einblick in das Wählerverzeichnis
erlaubt hätte, eingeteilt worden ist, genügt hierfür nicht.
Zudem kommt dem Wahlvorsteher bei der Berufung
und Einteilung von Wahlvorstandsmitgliedern ein relativ
großer Ermessensspielraum zu (vgl. Bundestagsdrucksache
15/1150, Anlage 6). Nach überzeugendem und überdies un-
widersprochen gebliebenem Vortrag des Landeswahlleiters
erfolgte die Einteilung der Mitglieder des Wahlvorstandes
für die durchzuführenden Aufgaben einvernehmlich und
sind Unregelmäßigkeiten bei der konkreten Durchführung
nicht bekannt.

Soweit der Einspruchsführer geltend macht, die Wahlvorste-
herin habe gedroht, ihn aus dem Wahlraum zu weisen, als er
dort einen Bekannten begrüßte, lässt sich ebenfalls kein
Wahlfehler erkennen. Nach dem Vortrag des Landeswahllei-

ters ist davon auszugehen, dass es sich bei der Androhung
um eine zulässige Ordnungsmaßnahme der Wahlvorsteherin
gemäß § 48 der Europawahlordnung (EuWO), wonach der
Wahlvorstand für Ruhe und Ordnung im Wahlraum sorgt,
gehandelt hat. Dem Vorbringen des Einspruchsführers lässt
sich auch nicht entnehmen, dass er durch diese Androhung
etwa in der Wahrnehmung seines Wahlrechts oder in der Be-
obachtung des Wahlgeschehens behindert worden sei.

Ein Wahlfehler könnte jedoch darin zu sehen sein, dass die
Wahlvorsteherin den Wahlraum nach Ablauf der Wahlzeit
um 18 Uhr kurzzeitig verschlossen hat. Dies lässt sich vor-
liegend jedoch nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen.
Denn § 53 EuWO sieht ausdrücklich vor, dass nach der Be-
kanntgabe des Ablaufs der Wahlzeit der Zutritt zum Wahl-
raum so lange zu sperren ist, bis alle noch anwesenden
Wähler ihre Stimme abgegeben haben. Ob hierfür ein Ab-
schließen des Raumes erforderlich ist, hängt von den Um-
ständen des Einzelfalls ab. In jedem Fall ist § 47 EuWO zu
beachten, wonach während der Wahlhandlung sowie der Er-
mittlung und Feststellung jedermann zum Wahlraum Zutritt
hat, soweit das ohne Störung des Wahlgeschäfts möglich ist.
Einen Verstoß hiergegen in der Form, dass die Öffentlichkeit
vor dem Abschließen des Raumes verwiesen worden sei, hat
der Einspruchsführer nicht vorgetragen. Vielmehr räumt er
selber ein, dass die Tür auf Klopfen einer Person sofort wie-
der geöffnet wurde.

Jedoch beginnt die Ermittlung des Wahlergebnisses gemäß
§ 60 Satz 1 EuWO erst im Anschluss an die Wahlhandlung.
Zu diesem Zeitpunkt kann § 53 EuWO die Sperrung des Zu-
tritts zu einem Wahlraum nicht mehr rechtfertigen. Im vor-
liegenden Fall lässt sich nicht abschließend klären, ob die
Tür zum Zeitpunkt des Beginns der Ermittlung des Wahler-
gebnisses noch verschlossen war. Während der Einspruchs-
führer behauptet, dass mit dem Öffnen der Wahlbriefe be-
reits begonnen worden sei, während die Tür verschlossen
war, trägt der Landeswahlleiter, gestützt auf die Stellungnah-
me der Wahlvorsteherin, vor, die Tür sei vor Beginn der Aus-
zählung wieder geöffnet worden.

Im Übrigen würde der vom Einspruchsführer behauptete
Wahlfehler, wenn er nachweislich stattgefunden hätte, dem
Einspruch nicht zum Erfolg verhelfen, weil der Fehler für
das Wahlergebnis nicht erheblich wäre. Zum einen liegen
schon keinerlei Anhaltspunkte für eine während der Zeit, in
der der Wahlraum verschlossen war, erfolgte Manipulation
des Wahlergebnisses in Mandel vor. Zum anderen ergibt sich
aus der vom Landeswahlleiter vorgelegten Berechnung, dass
selbst bei einer theoretischen maximalen Verschiebung der
in der Ortsgemeinde Mandel abgegebenen 362 gültigen
Stimmen sich die Mandatsverteilung der 99 Abgeordneten
des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland nicht geändert hätte. Nach ständiger Entschei-
dungspraxis des Wahlprüfungsausschusses und des Deut-
schen Bundestages und ständiger Rechtsprechung des Bun-
desverfassungsgerichts kann eine Wahlanfechtung jedoch
nur dann Erfolg haben, wenn sie auf einen Wahlfehler
gestützt wird, der auf die Sitzverteilung von Einfluss ist
oder sein kann (vgl. nur Bundestagsdrucksache 16/1800,
Anlage 32 und BVerfGE 89, 243, 254).
Drucksache 17/2200 – 40 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

schwachen Mitgliedstaates habe etwa das zwölffache
Stimmgewicht des Bürgers eines bevölkerungsstarken. Dies

faches der Stimmen kleiner Mitgliedstaaten betrugen, aus
dem Europäischen Parlament ausgesperrt worden.
ins Parlament eingezogen seien und die für sie abgegebenen
Stimmen sogar ein negatives Gewicht gehabt hätten, weil sie
den Parteien zugeschlagen worden seien, die die Hürde über-

Die tatsächliche Situation sei ebenfalls eine ganz andere als
vor 30 Jahren. Damals seien im Europäischen Parlament
sei beim derzeitigen Stand der Integration allerdings nicht zu
ändern und deshalb auch verfassungsrechtlich hinzunehmen.
Durch die deutsche Fünf-Prozent-Klausel, durch die Millio-
nen Stimmen ohne Erfolg blieben, werde aber eine Un-
gleichheit von viel größerer Intensität geschaffen. Dieses
Mehr an Ungerechtigkeit, das keineswegs durch die Struktur
der Europäischen Union bedingt sei, bestehe einmal im Ver-
hältnis zu anderen deutschen Wählern, Kandidaten und Par-
teien, deren Stimmen berücksichtigt würden. 10,8 Prozent
der in Deutschland abgegebenen Stimmen seien 2009 ent-
wertet worden und nicht den Parteien und Vereinigungen zu-
gute kommen, für die sie gedacht gewesen seien. Die Fünf-
Prozent-Klausel habe dazu geführt, dass die bei der Europa-
wahl 2009 von ihr betroffenen sieben Parteien und politi-
schen Vereinigungen mit insgesamt acht Kandidaten nicht

Dennoch habe das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1979
die Fünf-Prozent-Klausel des EuWG für verfassungsmäßig
erklärt. Seitdem hätten sich aber die Beurteilungsmaßstäbe
deutlich verschärft, wie sich aus neueren Entscheidungen
des Bundesverfassungsgerichts und der Landesverfassungs-
gerichte zur Fünf-Prozent-Klausel im Kommunalwahlrecht
ergebe und durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts
zum Lissabon-Vertrag vom 30. Juni 2009 bestätigt werde.
Das Bundesverfassungsgericht habe im sog. Lissabon-Urteil
die grundlegende Bedeutung des Wahlrechts hervorgehoben,
wegen der Minderung des Gewichts des Wahlrechts zum
Deutschen Bundestag aufgrund der Übertragung von Kom-
petenzen auf die Europäische Union durch den Lissabon-
Vertrag die Möglichkeit einer Verletzung des Wahlrechts der
Bürger gesehen und ihnen ein Anfechtungsrecht zugebilligt.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 41 – Drucksache 17/2200

Anlage 13

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn Prof. Dr. H. H. v. A., 67346 Speyer
– Az.: EuWP 35/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 7. Juni 2009
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 10. Juni 2010 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 23. Juli 2009, das beim Deutschen Bun-
destag am 24. Juli 2009 eingegangen ist, hat der Einspruchs-
führer gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des
Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutsch-
land am 7. Juni 2009 Einspruch eingelegt.

Mit seinem Wahleinspruch wendet sich der Einspruchsfüh-
rer gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel und gegen das so-
genannte System „starrer Listen“.

Der Einspruchsführer begründet seinen Einspruch damit,
dass die in § 2 Absatz 7 des Europawahlgesetzes (EuWG)
festgeschriebene Fünf-Prozent-Klausel bei der Berechnung
der Sitzverteilung zugrundegelegt worden sei, obwohl diese
Vorschrift gegen das Demokratieprinzip (Artikel 20 Ab-
satz 1 des Grundgesetzes – GG), die Wahlgleichheit der
Bürger (Artikel 38 Absatz 1 GG) und die Chancengleichheit
der Parteien (Artikel 21 Absatz 1 GG) verstoße.

Das Stimmgewicht bei Europawahlen sei zwar in jedem Mit-
gliedstaat unterschiedlich, der Bürger eines bevölkerungs-

Dass dies die Gleichheit der Wahl der Bürger und die Chan-
cengleichheit der Parteien und politischen Vereinigungen be-
einträchtige, sei allgemein anerkannt. Die verfassungsrecht-
liche Beurteilung hänge deshalb davon ab, ob der Eingriff
sich durch zwingende Gründe rechtfertigen lasse.

Die Ungerechtigkeit bestehe aber auch im Verhältnis zu
Wählern, Kandidaten und Parteien anderer Staaten. Denn
durch die Fünf-Prozent-Klausel würden in einem bevölke-
rungsreichen Land wie Deutschland sehr viel mehr Stimmen
entwertet als in kleinen Staaten. Das sei wohl auch der
Grund, warum keiner der anderen großen Mitgliedstaaten
seinen Wählern eine auf das ganze Land bezogene Fünf-Pro-
zent-Klausel zumute, wie sie in Deutschland zu finden sei.
Eine deutsche Partei oder politische Vereinigung habe 2009
zum Überwinden der Hürde mehr Wählerstimmen bekom-
men müssen als Estland, Malta, Slowenien und Zypern
zusammen benötigt hätten, um insgesamt 24 Abgeordnete
nach Brüssel zu schicken. Bei der Wahl im Jahr 1994 sei die
FDP trotz ihrer 1 443 146 Stimmen (4,1 Prozent) und 1999
trotz ihrer 820 106 Stimmen (3,0 Prozent), die ein Mehr-
sprungen hätten, die aber die Bürger gerade nicht gewählt
hätten. Es handele sich um rund 2,8 Millionen Stimmen.

40 Parteien aus neun Mitgliedstaaten vertreten gewesen,
heute seien es 162 Parteien aus 27 Staaten. Damals hätten die

Drucksache 17/2200 – 42 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

81 deutschen Mitglieder 20 Prozent der 410 Mitglieder des
Parlaments ausgemacht. Heute stellten die 99 deutschen Ver-
treter nur noch 13 Prozent der 736 Europaparlamentarier,
und die acht deutschen Abgeordneten, denen die Fünf-Pro-
zent-Klausel den Einzug ins Europäische Parlament ver-
wehrt habe, hätten nur ein Prozent der Mitglieder des Euro-
päischen Parlaments ausgemacht.

Wenn die Beurteilungsmaßstäbe, die tatsächliche Lage oder
beides sich wandelten, sei der Gesetzgeber zu einer Überprü-
fung von Sperrklauseln verpflichtet. Eine pflichtgemäß sorg-
fältige Überprüfung der Fünf-Prozent-Klausel und die Dar-
legung zwingender Gründe für ihre Beibehaltung fehle
jedoch. Spätestens nach dem Urteil des Bundesverfassungs-
gerichts zur Fünf-Prozent-Klausel im schleswig-holsteini-
schen Kommunalwahlrecht hätte der Gesetzgeber auch hin-
sichtlich der Fünf-Prozent-Klausel bei der Europawahl
reagieren müssen. Dass er dies immer noch nicht getan habe,
erkläre sich wohl daraus, dass es ausreichende Gründe für
die Beibehaltung der Fünf-Prozent-Klausel bei der Europa-
wahl gar nicht gebe, der Gesetzgeber aber dennoch so lange
wie möglich an der Klausel festhalten möchte, die den im
Bundestag vertretenen Parteien zusätzliche – illegitime –
Mandate verschaffe. Hier werde deutlich, dass der Gesetzge-
ber bei Überprüfung der Fünf-Prozent-Klausel in eigener Sa-
che entscheide. Gesetzgebung in eigener Sache weise aber
nur eine geringe Richtigkeitschance auf und bedürfe deshalb
besonderer Kontrolle durch die Öffentlichkeit, durch sach-
verständige Wissenschaftler und durch die Verfassungs-
rechtsprechung.

Sperrklauseln widersprächen den Grundsätzen der Demo-
kratie, der Gleichheit der Wahl und der Chancengleichheit
der Parteien. Sie seien verfassungswidrig, es sei denn, sie lie-
ßen sich durch zwingende Gründe des öffentlichen Wohles
rechtfertigen. Wolle der Gesetzgeber eine Sperrklausel auf-
rechterhalten, reichten deshalb nach neuerer Rechtsprechung
abstrakte Behauptungen nicht mehr aus. Der Gesetzgeber
müsse vielmehr im Wege einer sorgfältigen Realanalyse dar-
legen, dass solche zwingenden Gründe mit einiger Wahr-
scheinlichkeit wirklich vorlägen. Der Nachweis einer erheb-
lichen Funktionsstörung der Arbeit des Europäischen
Parlaments bei Wegfall der deutschen Fünf-Prozent-Klausel
werde vom Gesetzgeber jedoch nicht erbracht und sei auch
gar nicht zu erbringen. Die Erschwerung der Beschlussfas-
sung des Europäischen Parlaments, die zusätzliche Parteien
verursachen könnten, würde, wenn sie denn überhaupt vor-
läge, keinesfalls ausreichen, um die Fünf-Prozent-Klausel zu
rechtfertigen. Das Europäische Parlament wähle – im Ge-
gensatz zum Bundestag und zu den Landtagen – keine
Regierung. Dies ähnele der Situation in den Kommunen, wo
der Verwaltungschef seit der Einführung seiner Direktwahl
ebenfalls nicht mehr von der Volksvertretung, dem Gemein-
derat oder Kreistag, gewählt werde und die Rechtsprechung
deshalb den Sperrklauseln ihre Berechtigung abgesprochen
habe. Hinzu komme, wie das Bundesverfassungsgericht im
Lissabon-Urteil hervorhebe, dass sich im Europäischen Par-
lament keine Regierungs- und Oppositionsfraktionen gegen-
überstünden und deshalb die Wähler auch keine Richtungs-
entscheidungen träfen, die durch kleine Parlamentsparteien
erschwert werden könnten. Damit verliere auch der Um-
stand, dass die Befugnisse des Europäischen Parlaments seit

(Bundestagsdrucksache 15/4750, Anlage 21), seine Schlüs-
sigkeit. Denn diese Erweiterung habe gerade nicht dazu ge-
führt, dass das Europäische Parlament Mehrheitsentschei-
dungen, derentwegen die Fünf-Prozent-Klausel in den
nationalen deutschen Parlamenten bestünde, treffen könne.

Angesichts der 162 im Europäischen Parlament vertretenen
Parteien könne es nicht schaden, wenn Abgeordnete einiger
weiterer deutscher Parteien, die bisher leer ausgegangen sei-
en, ins Parlament einzögen, zumal es dabei nur um
ein Prozent der Mitglieder des gesamten Europäischen Par-
laments gehe. Im Übrigen sei zu erwarten, dass sich die Ab-
geordneten der deutschen Parteien, die nach Wegfall der
Fünf-Prozent-Klausel ins Parlament kämen, den dort bereits
bestehenden Fraktionen eingliederten. Eine Beeinträchti-
gung der Funktionen des Europäischen Parlaments sei des-
halb nicht zu befürchten.

Erst recht nicht zu rechtfertigen sei, dass es nicht ausreiche,
in einem Bundesland fünf Prozent zu erreichen. Durch Er-
streckung der Sperrklausel auf das ganze Bundesgebiet sä-
hen sich selbst große Regionalparteien wie die CSU einer
Hürde von bis zu 40 Prozent gegenüber. Bei Bundestags-
wahlen könnten Regionalparteien die Fünf-Prozent-Klausel
mit drei Direktmandaten außer Kraft setzen. Bei Europawah-
len gebe es mangels Direktmandaten eine solche Grundman-
datsklausel nicht. Politische Vereinigungen mit regionalem
Schwerpunkt wie die „FREIEN WÄHLER“ seien durch die
Klausel ausgesperrt, obwohl sie in Bayern bei der Europa-
wahl am 7. Juni 2009 6,7 Prozent der Stimmen erlangt hät-
ten. Würden fünf Prozent in einem Bundesland genügen,
wären bei der Europawahl 2009 die „FREIEN WÄHLER“
mit zwei Abgeordneten im Europäischen Parlament ver-
treten. Dass ein Auswechseln von zwei Abgeordneten
(0,27 Prozent der 732 Mitglieder des Europäischen Parla-
ments) das Funktionieren des Europäischen Parlaments we-
sentlich beeinträchtigen könne, erscheine von vornherein
ausgeschlossen.

An der Verfassungs- und Rechtswidrigkeit der Fünf-Prozent-
Klausel ändere auch der europäische Direktwahlakt nichts.
Sein 2002 eingefügter Artikel 3 erlaube den Mitgliedstaaten,
bei der Europawahl eine Sperrklausel festzulegen. Doch da-
bei handele es sich lediglich um eine Kann-Vorschrift. Vor-
geschrieben sei nur, dass die Klausel, falls der Gesetzgeber
sie einführe, nicht mehr als 5 Prozent betragen dürfe. Hin-
sichtlich der Zulässigkeit von Sperrklauseln bleibe der deut-
sche Gesetzgeber hingegen in vollem Umfang an das Grund-
gesetz gebunden. Das stelle auch Artikel 8 Absatz 2 des
Direktwahlakts klar, wonach die innerstaatlichen Vorschrif-
ten den Besonderheiten in den Mitgliedstaaten Rechnung
tragen könnten, solange sie das in Artikel 1 des Direktwahl-
aktes vorgeschriebene Verhältniswahlsystem nicht in Frage
stellten. Auch der Deutsche Bundestag räume ein, dass der
Direktwahlakt nicht die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Pro-
zent-Klausel begründe, sondern die Bindung des deutschen
Gesetzgebers an das Grundgesetz unberührt lasse (Bundes-
tagsdrucksache 15/4750, Anlage 21). Das müsse erst recht
gelten, wenn man berücksichtige, dass die Gleichheit der
Wahl im Demokratieprinzip wurzele, welches über
Artikel 79 Absatz 3 und Artikel 23 Absatz 1 Satz 1 GG
„europarechtfest“ sei, wie das Bundesverfassungsgericht im
1979 erheblich erweitert worden seien, auf den der Bundes-
tag sich bei Zurückweisung von Einsprüchen berufen habe

Lissabon-Urteil bestätigt habe. Deshalb könne – anders als
der Bundestag ohne jede Begründung behauptet habe – der

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 43 – Drucksache 17/2200

Direktwahlakt auch kein Indiz für die Verfassungsmäßigkeit
der Sperrklausel darstellen.

Der Deutsche Bundestag stelle sich zwar auf den Stand-
punkt, er habe im Rahmen der Wahlprüfung die Verfas-
sungsmäßigkeit von Vorschriften gar nicht zu überprüfen.
Dies sei allein Sache des Bundesverfassungsgerichts. Doch
in Fällen der vorliegenden Art dürfe sich der Gesetzgeber
nicht hinter dem Gericht verstecken, sondern sei unmittelbar
selbst gefordert. Das hätten die Gerichte immer wieder
betont. Der Deutsche Bundestag habe aufgrund der verän-
derten tatsächlichen Verhältnisse und der verschärften
Rechtsprechung der Verfassungsgerichte die verfassungs-
rechtliche Pflicht, die Fünf-Prozent-Klausel im Europa-
wahlrecht zu prüfen und aufzuheben und müsse deshalb so-
gleich selbst tätig werden.

Des Weiteren ist der Einspruchsführer der Ansicht, dass das
in § 2, insbesondere Absatz 5, den §§ 9, 15 und 16 EuWG
verankerte System der starren Listen gegen den verfassungs-
rechtlichen Grundsatz der unmittelbaren und freien Wahl der
Abgeordneten durch das Volk und damit gegen Artikel 20
Absatz 1, Artikel 28 Absatz 1 Satz 2, Artikel 38 Absatz 1
Satz 1 GG verstoße.

Er begründet seinen Einspruch damit, dass Deutsche bei
Europawahlen nur eine Stimme für eine vorgegebene Partei-
liste abgeben könnten. Aufgrund der starren Listen stünden
jedoch regelmäßig bis zu drei Viertel der 99 Abgeordneten,
die Deutschland nach Brüssel schicke, schon vorher nament-
lich fest. Die Europawahl als „Direktwahl“ zu bezeichnen,
wie es üblich sei, erscheine deshalb als semantische Ver-
schleierung der wahren Verhältnisse. Würden die Parteien
die Abgeordneten erst nach der Wahl benennen, wäre die Be-
einträchtigung der Freiheit und Unmittelbarkeit der Wahl of-
fensichtlich. Es könne aber keinen Unterschied machen, ob
die Bestimmung der Abgeordneten durch die Parteien vor
der Wahl durch ihre Platzierung auf sicheren Listenplätzen
oder nach der Wahl erfolge.

Das Bundesverfassungsgericht habe am Beispiel der Bun-
destagswahlen starre Listen mit Urteil vom 3. Juli 1957 für
verfassungsmäßig erklärt. Dies sei also vor mehr als einem
halben Jahrhundert geschehen, so dass auch hier eine Über-
prüfung angezeigt erscheine, zumal der Gesetzgeber über die
Gestaltung der Listen ebenfalls in eigener Sache entscheide.
Auch hier sei deshalb eine strenge Kontrolle durch die Ver-
fassungsrechtsprechung erforderlich. Ebenso stelle sich des-
halb die Frage nach zwingenden Rechtfertigungsgründen.
Artikel 21 Absatz 1 GG, wonach die Parteien an der politi-
schen Willensbildung des Volkes lediglich mitwirkten, kön-
ne keine Rechtfertigung darstellen. Denn eine solche Mit-
wirkung bestehe auch nach einer Flexibilisierung der Listen,
weil die Parteien weiterhin die Listen aufstellten und die
Kandidaten vorschlügen. Nach dem Lissabon-Urteil des
Bundesverfassungsgerichts, das die zentrale Bedeutung des
Artikels 38 GG erneut hervorgehoben habe, sei es nun erfor-
derlich, die zahlreichen Empfehlungen, die Listen zu flexibi-
lisieren, umgehend umzusetzen.

Zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel in § 2 Absatz 7 EuWG ist das Bundesministe-
rium des Innern um Stellungnahme gebeten worden und hat
mitgeteilt, dass aus seiner Sicht die anlässlich von Entschei-

sung des Wahlprüfungsausschusses, die Fünf-Prozent-
Sperrklausel im Europawahlgesetz sei verfassungsrechtlich
zulässig (Bundestagsdrucksachen 15/4250, Anlage 18 und
15/4750, Anlagen 20 bis 22), weiterhin aktuell sei.
Aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur
Fünf-Prozent-Klausel bei Kommunalwahlen in Schleswig-
Holstein vom 13. Februar 2008 ergebe sich keine andere
Sichtweise. Das Bundesverfassungsgericht habe in dem Ur-
teil unter Hinweis auf frühere Entscheidungen festgestellt,
dass es sich bei Gemeindevertretungen und Kreistagen nicht
um Parlamente im Rechtssinn handele. Zur Begründung sei
angeführt worden, dass ihnen in erster Linie verwaltende
Tätigkeiten anvertraut seien, ihnen keine Gesetzgebungs-
funktion zustünde, sie keine Regierung oder ein vergleichba-
res Gremium wählten und ihre Entscheidungen der Rechts-
aufsicht unterlägen (BVerfGE 120, 82, 120). All dies treffe
für das Europäische Parlament, auch in einem entsprechen-
den Sinne, nicht zu. Hier könne auf die vom Wahlprüfungs-
ausschuss bereits gemachten Ausführungen zu den Befug-
nissen des Europäischen Parlaments verwiesen werden,
wobei insbesondere hervorzuheben sei, dass das Mitent-
scheidungsverfahren gemäß Artikel 251 des EG-Vertrages
(EGV) das Europäische Parlament in den meisten Bereichen
der gemeinschaftsrechtlichen Rechtsetzung neben dem Rat
zum gleichberechtigten Gesetzgeber der Europäischen
Union mache und das Europäische Parlament der Ernennung
des Präsidenten und der übrigen Mitglieder der Kommission
zustimmen müsse (Artikel 214 Absatz 2 Satz 1 EGV) sowie
die Kommission durch ein Misstrauensvotum zum Rücktritt
zwingen könne (Artikel 201 EGV). Über die vom Bundes-
verfassungsgericht genannten Kriterien hinaus sei noch
anzumerken, dass die Abgeordneten des Europäischen Par-
laments Immunität genössen (Artikel 6 Absatz 2 des Direkt-
wahlakts), wie auch die Abgeordneten des Deutschen Bun-
destages (Artikel 46 GG) und der Landtage, den Mitgliedern
kommunaler Volksvertretungen dieses Recht jedoch nicht
zustehe.
Das Bundesverfassungsgericht habe in dieser Entscheidung
zudem darauf hingewiesen, dass bei Differenzierungen der
Wahlrechtsgleichheit wie einer Fünf-Prozent-Klausel auch
auf die Eingriffsintensität abgestellt werden müsse
(BVerfGE 120, 82, 107). Es habe damit ein Argument bestä-
tigt, das es bei seiner Entscheidung im Jahr 1979 zur Recht-
fertigung der Fünf-Prozent-Klausel bei Europawahlen ange-
führt habe. Damals habe das Bundesverfassungsgericht
darauf verwiesen, dass wegen der jeweiligen Anzahl zu wäh-
lender Abgeordneter die Sperrklausel bei Europawahlen
einen weniger intensiven Eingriff darstelle als bei einer Bun-
destagswahl (BVerfGE 51, 222, 255). Bei der gegenwärtigen
Größe des Deutschen Bundestages habe die Sperrklausel zur
Folge, dass bis zu 30 Bewerbern einer Partei der Einzug in
das Parlament verwehrt werde. Bei den Wahlen zum Euro-
päischen Parlament könne die Sperrklausel nur verhindern,
dass Gruppierungen von höchstens vier Abgeordneten in das
Europäische Parlament gelangten.
Schließlich habe das Bundesverfassungsgericht ausgeführt,
dass bei Eingriffen in die Gleichheit der Wahl eine gefestigte
Rechtsüberzeugung und Rechtspraxis Beachtung finden
könne (BVerfGE 120, 82, 107). In der Bundesrepublik
Deutschland gebe es bei Bundestags- und Landtagswahlen
traditionell eine Fünf-Prozent-Sperrklausel. Damit gelte die-
dungen über Einsprüche gegen die 6. Direktwahl des Euro-
päischen Parlaments im Jahr 2004 vertretene Rechtsauffas-

se Klausel seit Gründung der Bundesrepublik bei überregio-
nalen Wahlen, d. h. bei Wahlen eines Parlaments im Rechts-

Drucksache 17/2200 – 44 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

sinn. Die Sperrklausel sei damit den Bundesbürgern als
Element demokratischer Wahlen bekannt und vertraut, so
dass sich eine gefestigte Rechtsüberzeugung und Rechtspra-
xis gebildet habe. Für das Europawahlgesetz habe sich der
Bundesgesetzgeber insoweit an das Bundestagswahlrecht
angelehnt, das in der Bevölkerung eine hohe Akzeptanz ge-
nieße.
Abgesehen davon, dass das Europäische Parlament eher mit
einem nationalen Parlament als einer kommunalen Volksver-
tretung zu vergleichen sei, müsse bei der Beurteilung der
Sicherung seiner Funktionsfähigkeit durch eine Fünf-Pro-
zent-Klausel im Europawahlgesetz vorrangig auf das natio-
nale Kontingent der Abgeordneten aus der Bundesrepublik
Deutschland abgestellt werden.
Die Sperrklausel ermögliche in erster Linie die Rückkopp-
lung der deutschen Abgeordneten im Europäischen Parla-
ment mit den tragenden politischen Kräften in Deutschland,
die ihrerseits auf den Rat und die Kommission einwirken
könnten (BVerfGE 51, 222, 235).
Das Europäische Parlament habe eine große Bandbreite an
legislativen Aufgaben zu bewältigen. Auch in Bereichen, in
denen das Parlament lediglich ein Anhörungsrecht habe, wie
z. B. im Bereich der Innen- und Justizpolitik, spiele es eine
bedeutende Rolle als Kontrollinstanz von Rat und Kommis-
sion. Der einzelne Abgeordnete sei bei seinen Entscheidun-
gen vielfältigen Einflussnahmen von Lobbyorganisationen
ausgesetzt. Um eigenständig fundierte Entscheidungen tref-
fen zu können, bedürfe er eines „logistischen Rückhalts“.
Diesen finde er z. T. in den Einrichtungen des Europäischen
Parlaments. In zahlreichen Fällen benötigten die Abgeord-
neten allerdings Kenntnisse über die Rechtslage und tatsäch-
liche Situation in ihrem Heimatstaat und die möglichen
Auswirkungen einer bestimmten Rechtsetzung der Gemein-
schaft auf die Situation in ihrem Land. Würden auf diese
Weise die Erkenntnisse aus allen Mitgliedstaaten zusam-
mengeführt, könnten die Abgeordneten fundierte Ent-
scheidungen treffen, die die Auswirkungen europäischer
Gesetzgebung auf die Situation in den Mitgliedstaaten be-
rücksichtigen. Für diese Rückkopplung könnten sich die Ab-
geordneten in erster Linie der nationalen Parteien und Parla-
mente bedienen. Bei Kleinstparteien fehle hierfür nicht nur
der notwendige Apparat, sondern auch die Rückkopplung
über das nationale Parlament, in dem diese Parteien in
Deutschland wegen der bei Bundestagswahlen geltenden
Fünf-Prozent-Klausel nicht vertreten seien. Umgekehrt sei
auch der Deutsche Bundestag für die Wahrnehmung seiner
fortlaufenden Integrationsverantwortung in europapoliti-
schen Angelegenheiten auf die Rückmeldung der deutschen
Abgeordneten des Europaparlaments angewiesen. Soweit es
sich um Materien handele, die in die Gesetzgebungszustän-
digkeit der Länder fielen, oder um Gegenstände, die für ein
Land von besonderem Interesse seien, gelte Gleiches für die
Rückkopplung zwischen den Abgeordneten des Europäi-
schen Parlaments und der Landtage.
Die Zusammenarbeit der Parlamente untereinander spiele ei-
ne wesentliche Rolle für den europäischen politischen Pro-
zess und sei auch institutionell verankert: So enthalte die Ge-
schäftsordnung des Europäischen Parlaments einen eigenen
Abschnitt über die Beziehungen zu den nationalen Parla-
menten (Titel VI Artikel 130 bis 132). In der Geschäftsord-
nung des Deutschen Bundestages (GO-BT) regele § 93a,

ziehen und Unionsdokumente gemeinsam mit Ausschüssen
des Europäischen Parlaments gleicher Zuständigkeit beraten
könnten. § 93b GO-BT sehe vor, dass zu den Sitzungen des
Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen
Union deutsche Mitglieder des Europäischen Parlaments
Zutritt erhielten. Sie seien vom Präsidenten des Deutschen
Bundestages auf Vorschlag der Fraktionen des Deutschen
Bundestages, aus deren Parteien deutsche Mitglieder in das
Europäische Parlament gewählt worden sind, berufen wor-
den. Die berufenen Mitglieder des Europäischen Parlaments
seien befugt, die Beratung von Verhandlungsgegenständen
anzuregen sowie Auskünfte zu erteilen und Stellung zu
nehmen. Diese wechselseitigen Informationsflüsse und
Verflechtungen zwischen nationalen Parlamenten und dem
Europäischen Parlament könnten nur von solchen Abgeord-
neten effektiv genutzt werden, deren Parteien in beiden Par-
lamenten vertreten seien.
Die Sperrklausel diene daneben, wenn auch nach Auffas-
sung des Bundesverfassungsgerichts nicht vorrangig, der Si-
cherung einer wirksamen Vertretung des deutschen Volkes
im Europäischen Parlament (BVerfGE 51, 222, 249).
Die Regelungen des Europawahlgesetzes bezögen sich aus-
schließlich auf die Wahl der Abgeordneten aus der Bundes-
republik Deutschland. Diese stellten nur einen Teil der Ab-
geordneten des Europäischen Parlaments dar. Es sei daher
folgerichtig, bei der Frage der Rechtfertigung einer Be-
schränkung der Wahlrechtsgleichheit durch eine Fünf-Pro-
zent-Klausel in erster Linie nicht das Gesamtparlament,
sondern den von Deutschland aus gewählten Teil der Abge-
ordneten zu betrachten.
Dieser Aspekt werde sowohl durch den Direktwahlakt als
auch durch den EG-Vertrag in der Fassung des Vertrags von
Nizza unterstützt.
Nach Artikel 3 des Direktwahlakts könnten die Mitglied-
staaten eine Mindestschwelle festlegen, die jedoch landes-
weit nicht mehr als 5 Prozent der abgegebenen Stimmen
betragen dürfe. Europarechtlich sei die Fünf-Prozent-Sperr-
klausel daher als zulässig anerkannt. Zahlreiche Mitglied-
staaten der Europäischen Union wie Frankreich, Italien,
Lettland, Litauen, Österreich, Polen, Rumänien, Schweden,
die Slowakei, die Tschechische Republik und Ungarn hätten
von der Möglichkeit der Einführung einer Mindestschwelle
Gebrauch gemacht. Insbesondere habe die Mehrzahl der grö-
ßeren Länder eine Sperrklausel eingeführt. So gebe es in
Deutschland (99 Abgeordnete), Frankreich (72 Abgeordne-
te) und in Polen (50 Abgeordnete) eine Sperrklausel von
5 Prozent, in Italien (72 Abgeordnete) eine Sperrklausel von
4 Prozent. Von den großen Ländern hätten nur Großbritan-
nien mit 72 Abgeordneten und Spanien mit 40 Abgeordneten
keine Sperrklausel. Kleinere Länder bräuchten schon des-
halb z. T. keine Mindestschwelle, weil die für ein Mandat
benötigten prozentualen Stimmenanteile die höchstzulässige
Mindestschwelle von 5 Prozent bereits überschritten.
Artikel 3 des Direktwahlakts ermögliche den Mitgliedstaa-
ten in erster Linie dafür zu sorgen, dass das nationale Abge-
ordnetenkontingent nicht aus zahlreichen kleineren Splitter-
gruppen bestehe, sondern aus Abgeordneten, deren Parteien
auch auf nationaler Ebene eine gewisse Bedeutung hätten.
Dies stärke die Handlungsfähigkeit als nationales Kontin-
gent.
dass die Ausschüsse Mitglieder des Europäischen Parla-
ments zu ihren Beratungen in Europaangelegenheiten hinzu-

Gleiches ergebe sich durch die Auslegung des EG-Vertrags
in der Fassung des Vertrags von Nizza, der gemeinschafts-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 45 – Drucksache 17/2200

rechtlichen Grundlage für die 7. Direktwahl des Europäi-
schen Parlaments.
Das Europäische Parlament bestehe danach aus Vertretern
der Völker der in der Gemeinschaft zusammengeschlosse-
nen Staaten (Artikel 189 EGV). Zwar sei die Binnenorgani-
sation durch die transnationale Zusammensetzung der Frak-
tionen gekennzeichnet. Auch im Wahlverfahren gebe es
transnationale Elemente wie z. B. die Wahlberechtigung der
Personen mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, gemäß Artikel 18
Absatz 1 EGV. Dies ändere aber nichts daran, dass der Ver-
trag von Abgeordneten ausgehe, die Vertreter der Völker der
in der Gemeinschaft zusammengeschlossenen Staaten seien,
und eben nicht Vertreter von Parteien oder länderübergrei-
fenden Parteibündnissen oder ausschließlich Vertreter eines
europäischen Gedankens.
Die Anbindung der Abgeordneten an ihre Heimatländer sei
demnach in Artikel 189 EGV angelegt. Im Gegensatz zu den
Abgeordneten des Deutschen Bundestages, die das ganze
Volk verträten (Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 erster Halbsatz
GG), verträten die Abgeordneten des Europäischen Parla-
ments nicht ein „Unionsvolk“, das es mangels Eigenstaat-
lichkeit der EU nicht gebe, sondern das Volk des Mitglied-
staates, das sie gewählt habe. Die Mitgliedstaaten könnten
daher ein – nach den Verträgen zulässiges – Interesse daran
haben, dass ihre Belange möglichst effektiv vertreten wür-
den, und in Verfolgung dieses Interesses eine Sperrklausel
festlegen. Tatsächlich komme es innerhalb der deutschen
Abgeordnetengruppe häufig vor, dass nationale Interessen
bei Abstimmungen vordringlich berücksichtigt würden. Be-
sondere Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit seien die
Arbeitszeitrichtlinie, die CO2-Pkw-Richtlinie oder die Rück-
führungsrichtlinie.
Eine effektive Vertretung des deutschen Volkes, zu der die
Abgeordneten im Europäischen Parlament berufen seien, sei
mit einer Größe einer Abgeordnetengruppe von einem bis
vier Abgeordneten kaum möglich. Daran ändere auch die
Möglichkeit nichts, sich Fraktionen im Europäischen Parla-
ment anzuschließen. Der Zusammenschluss zu Fraktionen
gewährleiste nämlich lediglich, dass die Politik der jeweili-
gen Parteien im Parlament vertreten werde, nicht aber, dass
die einzelnen Abgeordneten einen effektiven Beitrag zur
Vertretung der Interessen ihrer Nation im Parlament leiste-
ten. Im Übrigen sei nicht sicher, dass alle Abgeordneten von
Splitterparteien eine Fraktion fänden, der sie sich anschlie-
ßen könnten. Zwar gehörten die meisten Abgeordneten im
Europäischen Parlament einer Fraktion an; dennoch seien in
der laufenden 7. Wahlperiode zurzeit 27 Mitglieder des
Europäischen Parlaments fraktionslos. Zum Vergleich hierzu
habe der Deutsche Bundestag im Regelfall nur ein bis zwei
fraktionslose Abgeordnete. Gerade Splitterparteien, die sich
nur zu einem eng begrenzten Themenkreis politisch positio-
nierten, könnten nicht ohne Weiteres eine Fraktion finden,
der sie sich anschließen können.
Mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon gelte das Vorste-
hende erst recht. Das Europäische Parlament sei auch nach
der Neuformulierung in Artikel 14 Absatz 2 des EU-Ver-
trags (EUV) kein Repräsentationsorgan eines souveränen
europäischen Volkes, sondern eine Vertretung der Völker der
Mitgliedstaaten. Dies spiegele sich darin, dass es, wie das
Bundesverfassungsgericht festgestellt habe, als Vertretung

tingenten von Abgeordneten und nicht als Vertretung der
Unionsbürger nach dem Prinzip der Wahlgleichheit angelegt
sei.
Auch die gestiegene Bedeutung der wechselseitigen Rück-
kopplung von Europäischem Parlament und nationalen Par-
lamenten finde im Vertrag von Lissabon ihren Niederschlag:
So etwa in Artikel 12 EUV, der den aktiven Beitrag der na-
tionalen Parlamente zur guten Arbeitsweise der Union wür-
dige und ihnen zahlreiche Rechte einräume, und im Proto-
koll Nr. 1 über die Rolle der nationalen Parlamente in der
Europäischen Union.
Mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon werde das Euro-
päische Parlament in 95 Prozent der Gesetzgebung zum
gleichberechtigten Gesetzgeber neben dem Rat. Darunter
fielen auch Bereiche, die nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts in besonderer Weise auf den in-
nerstaatlichen politischen Diskurs angewiesen seien, und in
denen dem Deutschen Bundestag Aufgaben von substanziel-
lem Gewicht verbleiben müssten, wie etwa das Strafrecht
und das Strafverfahren. Unter diesem Gesichtspunkt komme
der Rückkopplung der Abgeordneten des Europäischen Par-
laments an die politischen Meinungen in den Fraktionen des
Deutschen Bundestages noch mehr Bedeutung als bisher zu.
Dasselbe gelte im Gegenzug für die Unterrichtung des Deut-
schen Bundestages über die Beratungen im Europäischen
Parlament, die entsprechend seiner Geschäftsordnung durch
die von den Fraktionen benannten Abgeordneten des Euro-
päischen Parlaments erfolge. Abgeordnete von Kleinstpar-
teien, die im Deutschen Bundestag oder in den Landtagen
kein Pendant fänden, könnten diese Rückkopplung nicht ge-
währleisten.
Die Fünf-Prozent-Sperrklausel in § 2 Absatz 7 EuWG diene
demnach legitimen Zielen und sei zur Erreichung dieser Zie-
le geeignet, erforderlich und angemessen.

Dem Einspruchsführer ist die Stellungnahme bekannt gege-
ben worden. Er zieht die Argumente des Bundesministe-
riums des Innern grundsätzlich in Zweifel.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten
wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

1. Soweit der Einspruchsführer geltend macht, die Fünf-Pro-
zent-Sperrklausel gemäß § 2 Absatz 7 EuWG verstoße ge-
gen das Grundgesetz, liegt kein Wahlfehler vor.

Diesbezüglich ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der
Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in
ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens
die Verfassungsmäßigkeit von Wahlrechtsvorschriften nicht
überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundes-
verfassungsgericht vorbehalten worden (vgl. bereits Bundes-
tagsdrucksachen I/2811; zuletzt: 16/1800, Anlagen 26 bis 28;
17/1000, Anlagen 5 und 11 mit weiteren Nachweisen), das
diese Praxis auch stets bestätigt hat, da dem Bundestag inso-
fern die Verwerfungskompetenz fehle (vgl. BVerfGE 89,
291, 300; 121, 266, 290; 122, 304, 307).

Unabhängig hiervon hat sich der Wahlprüfungsausschuss

der Völker in den jeweils zugewiesenen nationalen Kon- ausführlich mit der vom Einspruchsführer angesprochenen

Drucksache 17/2200 – 46 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Rechtsfrage befasst. Er hält die Vorschrift des § 2 Absatz 7
EuWG für verfassungsgemäß und bestätigt damit seine be-
reits im Zusammenhang mit Anfechtungen der Europawahl
im Jahr 2004 dargelegten Auffassung (s. Bundestagsdruck-
sachen 15/4250, Anlage 18; 15/4750, Anlagen 5, 9, 20 bis 22).

Wie der Deutsche Bundestag und der Wahlprüfungsaus-
schuss in den genannten Entscheidungen ausgeführt haben,
können die Mitgliedstaaten nach Artikel 3 Satz 1 des Direkt-
wahlakts eine Mindestschwelle für die Sitzvergabe fest-
legen. Diese Schwelle darf jedoch nach Satz 2 dieser Vor-
schrift landesweit nicht mehr als 5 Prozent der abgegebenen
Stimmen betragen. Das Bundesverfassungsgericht hat in sei-
ner Entscheidung vom 8. Juni 2004 in einem Organstreitver-
fahren zur Fünf-Prozent-Sperrklausel des damaligen § 2
Absatz 6 EuWG (2 BvE 1/04), in dem die diesbezügliche
Organklage der NPD wegen Nichteinhaltung der Frist ge-
mäß § 64 Absatz 3 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes
(BVerfGG) als unzulässig verworfen worden ist, auf die ent-
sprechende Ergänzung des Direktwahlakts im Jahr 2002 hin-
gewiesen und hierzu ausgeführt, dass der Gesetzgeber mit
dem am 21. August 2003 verkündeten Vierten Gesetz zur
Änderung des Europawahlgesetzes und Neunzehnten Gesetz
zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes zum Aus-
druck gebracht habe, dass er an der Fünf-Prozent-Sperrklau-
sel festhalten möchte. Er habe sich dabei – so das Bundesver-
fassungsgericht – auf die Ermächtigung der Mitgliedstaaten
im Beschluss des Rates der Europäischen Union stützen kön-
nen, eine Sperrklausel zu erlassen. Der Rat der Europäischen
Union hat nach Zustimmung des Europäischen Parlaments
mit Beschluss vom 25. Juni und 23. September 2002
(BGBl. 2003 II S. 811) den Direktwahlakt geändert, damit
die Wahlen zum Europäischen Parlament „gemäß den allen
Mitgliedstaaten gemeinsamen Grundsätzen stattfinden kön-
nen, die Mitgliedstaaten zugleich aber die Möglichkeit erhal-
ten, für Aspekte, die nicht durch diesen Beschluss geregelt
sind, ihre jeweiligen nationalen Vorschriften anzuwenden“.
Dieser Änderung des Direktwahlakts hat der deutsche Ge-
setzgeber mit Artikel 1 des Zweiten Gesetzes über die Zu-
stimmung zur Änderung des Direktwahlakts vom 15. August
2003 (BGBl. 2003 II S. 810) zugestimmt. Zwar kann, wor-
auf der Wahlprüfungsausschuss schon in den genannten Ent-
scheidungen hingewiesen hat, in dieser nunmehr ausdrück-
lich verankerten Ermächtigung zum Erlass einer Fünf-
Prozent-Sperrklausel durch den Direktwahlakt nicht unmit-
telbar die Verfassungsmäßigkeit einer solchen Sperrklausel
nach dem deutschen Verfassungsrecht abgeleitet werden.
Der Wahlprüfungsausschuss sieht sie jedoch weiterhin als
starkes Indiz dafür, dass § 2 Absatz 7 EuWG nicht gegen das
Grundgesetz verstößt.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung
vom 22. Mai 1979 die Fünf-Prozent-Sperrklausel für Wahlen
zum Europäischen Parlament einstimmig für grundgesetz-
konform angesehen, weil sie an dem durch besondere, zwin-
gende Gründe gerechtfertigten Ziel, einer übermäßigen
Parteienzersplitterung im Europäischen Parlament entgegen-
zuwirken, orientiert sei und das Maß des zur Erreichung die-
ses Ziels Erforderlichen nicht überschreite (BVerfGE 51,
222, 233). Bereits in dieser Entscheidung hat sich das Bun-
desverfassungsgericht ausdrücklich mit den Spezifika des
Europäischen Parlaments auseinandergesetzt, dessen Aufga-

verfassungsgericht die Ausübung der vertraglich verbürgten
Beratungs- und Kontrollfunktionen. Dagegen seien von den
klassischen Aufgaben der Parlamente das Recht, die Regie-
rung zu wählen und die gesetzgeberischen Funktionen nur in
ersten Ansätzen vorhanden (a. a. O., S. 240 ff.). Hingegen
nehme es als Vertretung der Völker eine wichtige politische
Integrationsverantwortung wahr. Organisation und Arbeits-
weise unterschieden sich nicht wesentlich von derjenigen
der nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten. Das Bundes-
verfassungsgericht betont, dass der dem Europäischen Parla-
ment im Verfassungsgefüge der Europäischen Gemeinschaf-
ten zugewiesene Aufgabenkreis und die ihm auf dem Wege
zu einem immer engeren Zusammenschluss der europäi-
schen Völker zugedachte Rolle ein handlungsfähiges Organ
erforderten. Das Europäische Parlament könne die ihm ge-
stellten Aufgaben nur dann wirksam bewältigen, wenn es
durch eine, den vielschichtigen Spezialmaterien angemesse-
ne, interne Arbeitsteilung all seinen Mitgliedern die notwen-
dige Sachkenntnis verschaffe und zu einer überzeugenden
Mehrheitsbildung in der Lage sei. Beides könne gefährdet
werden, wenn die durch die große Zahl der Mitgliedstaaten
ohnehin nicht vermeidbare Aufgliederung des Parlaments in
viele Gruppen ein Ausmaß annehme, das dessen Funktions-
fähigkeit ernsthaft in Frage stelle. Dies sei ein zwingender
Grund, der Vorkehrungen gegen eine übermäßige Parteien-
zersplitterung zu rechtfertigen vermöge (a. a. O., S. 246 f.).

Aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom
13. Februar 2008, der zufolge die Fünf-Prozent-Sperrklausel
bei Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein gegen die
Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit verstößt
(BVerfGE 120, 82), ergibt sich keine Neubewertung der Zu-
lässigkeit der Sperrklausel bei der Europawahl, wie das Bun-
desministerium des Innern in seiner Stellungnahme, der sich
der Wahlprüfungsausschuss in dieser Hinsicht anschließt,
zutreffend dargelegt hat. Dasselbe gilt für weitere kommu-
nalrechtliche Entscheidungen von Landesverfassungsge-
richten (vgl. die Übersicht über die Rechtslage in den Bun-
desländern im Urteil des Staatsgerichtshofs der Freien
Hansestadt Bremen vom 14. Mai 2009 – St 2/08, Rn. 30 ff.).
Denn die in diesen Entscheidungen betroffenen kommuna-
len Vertretungen sind, wie das Bundesverfassungsgericht
feststellt, Organe der Verwaltung, denen in erster Linie ver-
waltende Tätigkeiten anvertraut sind (a. a. O., S. 112). Da-
mit haben sie einen völlig anderen Charakter als das Europäi-
sche Parlament als ein unmittelbar von den Unionsbürgern
gewähltes Vertretungsorgan der Völker in einer supranatio-
nalen Gemeinschaft (vgl. BVerfGE 123, 267, 368). Dieses
ist, wie das Bundesministerium des Innern beispielhaft dar-
legt, mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon bei
95 Prozent der europäischen Gesetzgebung zum gleichbe-
rechtigten Gesetzgeber neben dem Rat geworden, übt ge-
meinsam mit ihm die Haushaltsbefugnisse aus, erfüllt Auf-
gaben der politischen Kontrolle und Beratungsfunktionen
und wählt den Präsidenten der Kommission (vgl. Artikel 14
EUV).

Auch die auf das Europäische Parlament bezogenen Ausfüh-
rungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom
30. Juni 2009 zum Vertrag von Lissabon (BVerfGE 123, 267,
364, 370 ff.) nehmen in keiner Weise Stellung zu der Zuläs-
benkreis mit dem der Parlamente der Mitgliedstaaten nur
bedingt vergleichbar sei. Im Vordergrund sah das Bundes-

sigkeit einer Sperrklausel und bieten entgegen der Ansicht
des Einspruchsführers auch keine anderweitigen Anhalts-

fungsmaßstab für die Verfassungsmäßigkeit des EuWG allein
die Wahlgleichheit zwischen den Wahlberechtigten, die die
Abgeordneten aus der Bundesrepublik Deutschland wählen,
sein kann. Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seinem
Urteil zum Vertrag von Lissabon festgestellt, dass die Zusam-
mensetzung des Europäischen Parlaments nicht in der Weise
gleichheitsgerecht sein müsse, dass auf Unterschiede im

ob das geltende verfassungsgemäße Recht durch eine andere
Ausgestaltung, die dem Wähler bei der Stimmabgabe einen
Einfluss auf die Liste gibt, ersetzt werden sollte, ist nicht im
Rahmen der Wahlprüfung nachzugehen, die allein auf die
Feststellung von Wahlfehlern und deren Relevanz für die
Verteilung der Mandate beschränkt ist (vgl. auch Bundes-
tagsdrucksache 15/1150, Anlage 35).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 47 – Drucksache 17/2200

punkte für eine notwendige Neubewertung der Verfassungs-
mäßigkeit von § 2 Absatz 7 EuWG.

Angesichts der vom Einspruchsführer zutreffend dargeleg-
ten Entwicklung der Anzahl der im Europäischen Parlament
vertretenen Abgeordneten und Parteien sieht der Wahlprü-
fungsausschuss die vom Bundesverfassungsgericht bereits
1979 deutlich angesprochene Gefahr der Zersplitterung heu-
te eher noch verstärkt. Diese ist zwar in erster Linie der er-
heblich angewachsenen Zahl der Mitgliedstaaten geschuldet.
Vor dem Hintergrund der beständig erweiterten und mit In-
krafttreten des Vertrags von Lissabon weiter anwachsenden
Kompetenzen des Europäischen Parlaments hält der Wahl-
prüfungsausschuss es daher für geboten, dieser Zersplitte-
rung im Rahmen des dem deutschen Gesetzgeber Möglichen
entgegenzuwirken. Deshalb besteht aus seiner Sicht die ver-
fassungsrechtliche Rechtfertigung für die Fünf-Prozent-
Sperrklausel bei der Wahl der Abgeordneten des Europäi-
schen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland ge-
mäß § 2 Absatz 7 EuWG fort.

Soweit der Einspruchsführer weiterhin eine Verletzung der
Wahlrechtsgleichheit zwischen Wahlberechtigten in der Bun-
desrepublik Deutschland und in anderen, kleineren Mitglied-
staaten geltend macht, weil in der Bundesrepublik Deutschland
durch die Fünf-Prozent-Klausel erheblich mehr Wählerstim-
men nicht gewertet würden, ist darauf zu verweisen, dass Prü-

Stimmgewicht der Unionsbürger in Abhängigkeit von der Be-
völkerungszahl verzichtet werde (BVerfGE 123, 267, 371).

2. Soweit der Einspruchsführer auch die Verfassungswidrig-
keit des Systems „starrer Listen“ (§ 9 Absatz 2 und § 2 Ab-
satz 5 EuWG) behauptet, ist ein Wahlfehler ebenfalls nicht
festzustellen.

Abgesehen von der schon zuvor dargelegten Beschränkung
bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Wahlrechts-
vorschriften besteht kein Anlass, an der Verfassungsmäßig-
keit des Systems „starrer Listen“, wonach die Reihenfolge
der Bewerber auf den Listen der Parteien festgelegt ist und
bei der Stimmabgabe nicht verändert werden kann, zu zwei-
feln. Durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungs-
gerichts ist geklärt, dass das System der starren oder gebun-
denen Listenwahl sich im Rahmen der dem Gesetzgeber ein-
geräumten Freiheit zur Ausgestaltung des Wahlrechts
bewegt und nicht gegen die Grundsätze der unmittelbaren,
freien und gleichen Wahl verstößt (vgl. BVerfGE 3, 45, 50 f.;
7, 63, 67 ff; 21, 355, 355 f.; 47, 253, 282). Zuletzt hat das
Bundesverfassungsgericht dies in einem Beschluss vom
15. Januar 2009 (BVerfGE 122, 304, 314) bekräftigt. Der
Wahlprüfungsausschuss teilt diese Auffassung (vgl. z. B.
Bundestagsdrucksache 15/4750, Anlage 5 zur Europawahl;
Bundestagsdrucksachen 15/1150, Anlage 35; 16/3600, An-
lage 8; 16/5700, Anlage 15 zur Bundestagswahl). Der Frage,

rer den Text des gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei der
Europawahl gerichteten Einspruchs EuWP 38/09 – mit Aus-
nahme von dessen letzten zwei Seiten – in Wortlaut und

habe jedoch in verschiedenen Fällen „ganz allgemein“ ent-
schieden, dass Entscheidungen des Deutschen Bundestages
worben. Mehrere an Bundestags- und Europaabgeordnete
der Partei gerichtete Anfragen per E-Mail seien jedoch nicht
beantwortet worden. Auf dem „Europaparteitag“ habe der

päischen Parlaments im Jahr 2004 vertretene Rechtsauf-
fassung des Wahlprüfungsausschusses, die Fünf-Prozent-
Sperrklausel im Europawahlgesetz sei verfassungsrechtlich
Schriftbild identisch in seine Einspruchsschrift eingefügt.
Hierzu wird auf den Inhalt der Akten sowie den Tatbestand
der Beschlussempfehlung zu dem genannten Einspruch in
dieser Drucksache Bezug genommen. In einem weiteren
Schreiben, das am 2. Oktober 2010 beim Wahlprüfungsaus-
schuss eingegangen ist, trägt der Einspruchsführer ergän-
zend vor, die Fünf-Prozent-Sperrklausel sei auf europäischer
Ebene sinnlos, weil ohnehin 162 Parteien im neu gewählten
Europäischen Parlament vertreten seien, keine Regierung
gewählt werde und kleinere Parteien sich in der Regel größe-
ren Fraktionen verwandter europäischer Parteifamilien an-
schlössen.

2. Weiter macht der Einspruchsführer geltend, er habe sich
bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für einen Listenplatz be-

in eigener Sache zumindest problematisch seien. Der Ein-
spruchsführer schlägt vor, einen Senat des Bundesverwal-
tungsgerichts mit der Wahlprüfung zu beauftragen oder ein
Gremium zu schaffen, das aus Abgeordneten und einer
Mehrheit von Richtern zusammengesetzt sei.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags des Einspruchsführers
wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel in § 2 Absatz 7 EuWG ist das Bundesministe-
rium des Innern um Stellungnahme gebeten worden und hat
mitgeteilt, dass aus seiner Sicht die anlässlich von Entschei-
dungen über Einsprüche gegen die 6. Direktwahl des Euro-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49 – Drucksache 17/2200

Anlage 14

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn C. M. S., 60327 Frankfurt/Main
– Az.: EuWP 37/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 7. Juni 2009
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 10. Juni 2010 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem per Telefax übermittelten Schreiben vom 30. Juli
2009, das beim Wahlprüfungsausschuss am 31. Juli 2009
eingegangen ist, hat der Einspruchsführer Einspruch gegen
die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen
Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 7. Juni
2009 eingelegt. Die Begründung seines Einspruch hat er mit
Schreiben vom 2. August 2009, das beim Wahlprüfungsaus-
schuss am 3. August 2009 eingegangen ist, erweitert.

Der Einspruchsführer beanstandet die in § 2 Absatz 7 des
Europawahlgesetzes (EuWG) vorgeschriebene Fünf-Pro-
zent-Sperrklausel (1.) und das Verfahren der Kandidatenauf-
stellung einer politischen Partei (2.). Er macht Verstöße ge-
gen die Unmittelbarkeit (3.) und Öffentlichkeit (4.) der Wahl
geltend und wendet sich gegen die Wahlprüfung durch den
Wahlprüfungsausschuss des Deutschen Bundestages (5.).

I.

1. Zur Begründung seines Einspruchs hat der Einspruchsfüh-

dert worden sei, habe der Einspruchsführer sich entschlos-
sen, nicht gegen ihn zu kandidieren.

3. Zugleich sei der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl
verletzt, weil die Wähler keinen Einfluss auf die Kandidaten-
aufstellung hätten. Nach Artikel 190 Absatz 1 des EG-Ver-
trags (EGV) müssten die Abgeordneten des Europäischen
Parlaments in allgemeiner unmittelbarer Wahl gewählt wer-
den. Allerdings hätten sich viele Parteifunktionäre schon so
sehr an das übliche, die Wähler entmachtende Wahlverfah-
ren gewöhnt, dass sie die Parteien mit dem Volk verwechsel-
ten.

4. Außerdem macht der Einspruchsführer Ausführungen da-
zu, dass die Verwendung eines Abstimmungscomputers ge-
gen den Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl verstoße.

5. Schließlich trägt der Einspruchsführer vor, der Wahlprü-
fungsausschuss sei in seiner Zusammensetzung nicht verfas-
sungsgemäß. Denn die Wahlprüfung müsse mit einer Neu-
tralität und Distanz durchgeführt werden, die derjenigen
eines Richters gleichkomme. Das Bundesverfassungsgericht
spätere Spitzenkandidat mehr Redezeit bekommen als ande-
re Kandidaten. Da dadurch die Chancengleichheit vermin-

zulässig (Bundestagsdrucksachen 15/4250, Anlage 18 und
15/4750, Anlagen 20 bis 22), weiterhin aktuell sei.

Drucksache 17/2200 – 50 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur
Fünf-Prozent-Klausel bei Kommunalwahlen in Schleswig-
Holstein vom 13. Februar 2008 ergebe sich keine andere
Sichtweise. Das Bundesverfassungsgericht habe in dem Ur-
teil unter Hinweis auf frühere Entscheidungen festgestellt,
dass es sich bei Gemeindevertretungen und Kreistagen nicht
um Parlamente im Rechtssinn handele. Zur Begründung sei
angeführt worden, dass ihnen in erster Linie verwaltende Tä-
tigkeiten anvertraut seien, ihnen keine Gesetzgebungsfunk-
tion zustünde, sie keine Regierung oder ein vergleichbares
Gremium wählten und ihre Entscheidungen der Rechtsauf-
sicht unterlägen (BVerfGE 120, 82, 120). All dies treffe für
das Europäische Parlament, auch in einem entsprechenden
Sinne, nicht zu. Hier könne auf die vom Wahlprüfungsaus-
schuss bereits gemachten Ausführungen zu den Befugnissen
des Europäischen Parlaments verwiesen werden, wobei ins-
besondere hervorzuheben sei, dass das Mitentscheidungs-
verfahren gemäß Artikel 251 EGV das Europäische Parla-
ment in den meisten Bereichen der gemeinschaftsrechtlichen
Rechtsetzung neben dem Rat zum gleichberechtigten Ge-
setzgeber der Europäischen Union mache und das Euro-
päische Parlament der Ernennung des Präsidenten und der
übrigen Mitglieder der Kommission zustimmen müsse
(Artikel 214 Absatz 2 Satz 1 EGV) sowie die Kommission
durch ein Misstrauensvotum zum Rücktritt zwingen könne
(Artikel 201 EGV). Über die vom Bundesverfassungsgericht
genannten Kriterien hinaus sei noch anzumerken, dass die
Abgeordneten des Europäischen Parlaments Immunität ge-
nössen (Artikel 6 Absatz 2 des Direktwahlakts), wie auch
die Abgeordneten des Deutschen Bundestages (Artikel 46
des Grundgesetzes – GG) und der Landtage, den Mitgliedern
kommunaler Volksvertretungen dieses Recht jedoch nicht
zustehe.
Das Bundesverfassungsgericht habe in dieser Entscheidung
zudem darauf hingewiesen, dass bei Differenzierungen
der Wahlrechtsgleichheit wie einer Fünf-Prozent-Klausel
auch auf die Eingriffsintensität abgestellt werden müsse
(BVerfGE 120, 82, 107). Es habe damit ein Argument bestä-
tigt, das es bei seiner Entscheidung im Jahr 1979 zur Recht-
fertigung der Fünf-Prozent-Klausel bei Europawahlen ange-
führt habe. Damals habe das Bundesverfassungsgericht
darauf verwiesen, dass wegen der jeweiligen Anzahl zu wäh-
lender Abgeordneter die Sperrklausel bei Europawahlen
einen weniger intensiven Eingriff darstelle als bei einer Bun-
destagswahl (BVerfGE 51, 222, 255). Bei der gegenwärtigen
Größe des Deutschen Bundestages habe die Sperrklausel zur
Folge, dass bis zu 30 Bewerbern einer Partei der Einzug in
das Parlament verwehrt werde. Bei den Wahlen zum Euro-
päischen Parlament könne die Sperrklausel nur verhindern,
dass Gruppierungen von höchstens vier Abgeordneten in das
Europäische Parlament gelangten.
Schließlich habe das Bundesverfassungsgericht ausgeführt,
dass bei Eingriffen in die Gleichheit der Wahl eine gefestigte
Rechtsüberzeugung und Rechtspraxis Beachtung finden
könne (BVerfGE 120, 82, 107). In der Bundesrepublik
Deutschland gebe es bei Bundestags- und Landtagswahlen
traditionell eine Fünf-Prozent-Sperrklausel. Damit gelte die-
se Klausel seit Gründung der Bundesrepublik bei überregio-
nalen Wahlen, d.h. bei Wahlen eines Parlaments im Rechts-
sinn. Die Sperrklausel sei damit den Bundesbürgern als
Element demokratischer Wahlen bekannt und vertraut, so

Bundesgesetzgeber insoweit an das Bundestagswahlrecht
angelehnt, das in der Bevölkerung eine hohe Akzeptanz ge-
nieße.
Abgesehen davon, dass das Europäische Parlament eher mit
einem nationalen Parlament als einer kommunalen Volksver-
tretung zu vergleichen sei, müsse bei der Beurteilung der
Sicherung seiner Funktionsfähigkeit durch eine Fünf-Pro-
zent-Klausel im Europawahlgesetz vorrangig auf das natio-
nale Kontingent der Abgeordneten aus der Bundesrepublik
Deutschland abgestellt werden.
Die Sperrklausel ermögliche in erster Linie die Rückkopp-
lung der deutschen Abgeordneten im Europäischen Parla-
ment mit den tragenden politischen Kräften in Deutschland,
die ihrerseits auf den Rat und die Kommission einwirken
könnten (BVerfGE 51, 222, 235).
Das Europäische Parlament habe eine große Bandbreite an
legislativen Aufgaben zu bewältigen. Auch in Bereichen, in
denen das Parlament lediglich ein Anhörungsrecht habe, wie
z. B. im Bereich der Innen- und Justizpolitik, spiele es eine
bedeutende Rolle als Kontrollinstanz von Rat und Kommis-
sion. Der einzelne Abgeordnete sei bei seinen Entscheidun-
gen vielfältigen Einflussnahmen von Lobbyorganisationen
ausgesetzt. Um eigenständig fundierte Entscheidungen tref-
fen zu können, bedürfe er eines „logistischen Rückhalts“.
Diesen finde er z. T. in den Einrichtungen des Europäischen
Parlaments. In zahlreichen Fällen benötigten die Abgeordne-
ten allerdings Kenntnisse über die Rechtslage und tatsäch-
liche Situation in ihrem Heimatstaat und die möglichen
Auswirkungen einer bestimmten Rechtsetzung der Gemein-
schaft auf die Situation in ihrem Land. Würden auf diese
Weise die Erkenntnisse aus allen Mitgliedstaaten zusam-
mengeführt, könnten die Abgeordneten fundierte Entschei-
dungen treffen, die die Auswirkungen europäischer Ge-
setzgebung auf die Situation in den Mitgliedstaaten
berücksichtigen. Für diese Rückkopplung könnten sich die
Abgeordneten in erster Linie der nationalen Parteien und
Parlamente bedienen. Bei Kleinstparteien fehle hierfür nicht
nur der notwendige Apparat, sondern auch die Rückkopp-
lung über das nationale Parlament, in dem diese Parteien in
Deutschland wegen der bei Bundestagswahlen geltenden
Fünf-Prozent-Klausel nicht vertreten seien. Umgekehrt sei
auch der Deutsche Bundestag für die Wahrnehmung seiner
fortlaufenden Integrationsverantwortung in europapoliti-
schen Angelegenheiten auf die Rückmeldung der deutschen
Abgeordneten des Europaparlaments angewiesen. Soweit es
sich um Materien handele, die in die Gesetzgebungszustän-
digkeit der Länder fielen, oder um Gegenstände, die für ein
Land von besonderem Interesse seien, gelte Gleiches für die
Rückkopplung zwischen den Abgeordneten des Europäi-
schen Parlaments und der Landtage.
Die Zusammenarbeit der Parlamente untereinander spiele
eine wesentliche Rolle für den europäischen politischen Pro-
zess und sei auch institutionell verankert: So enthalte die Ge-
schäftsordnung des Europäischen Parlaments einen eigenen
Abschnitt über die Beziehungen zu den nationalen Parla-
menten (Titel VI Artikel 130 bis 132). In der Geschäftsord-
nung des Deutschen Bundestages (GO-BT) regele § 93a,
dass die Ausschüsse Mitglieder des Europäischen Parla-
ments zu ihren Beratungen in Europaangelegenheiten hinzu-
ziehen und Unionsdokumente gemeinsam mit Ausschüssen
des Europäischen Parlaments gleicher Zuständigkeit beraten
dass sich eine gefestigte Rechtsüberzeugung und Rechtspra-
xis gebildet habe. Für das Europawahlgesetz habe sich der

könnten. § 93b GO-BT sehe vor, dass zu den Sitzungen des
Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 51 – Drucksache 17/2200

Union deutsche Mitglieder des Europäischen Parlaments Zu-
tritt erhielten. Sie seien vom Präsidenten des Deutschen Bun-
destages auf Vorschlag der Fraktionen des Deutschen Bun-
destages, aus deren Parteien deutsche Mitglieder in das
Europäische Parlament gewählt worden sind, berufen wor-
den. Die berufenen Mitglieder des Europäischen Parlaments
seien befugt, die Beratung von Verhandlungsgegenständen
anzuregen sowie Auskünfte zu erteilen und Stellung zu neh-
men. Diese wechselseitigen Informationsflüsse und Ver-
flechtungen zwischen nationalen Parlamenten und dem
Europäischen Parlament könnten nur von solchen Abgeord-
neten effektiv genutzt werden, deren Parteien in beiden Par-
lamenten vertreten seien.
Die Sperrklausel diene daneben, wenn auch nach Auffas-
sung des Bundesverfassungsgerichts nicht vorrangig, der Si-
cherung einer wirksamen Vertretung des deutschen Volkes
im Europäischen Parlament (BVerfGE 51, 222, 249).
Die Regelungen des Europawahlgesetzes bezögen sich aus-
schließlich auf die Wahl der Abgeordneten aus der Bundes-
republik Deutschland. Diese stellten nur einen Teil der Ab-
geordneten des Europäischen Parlaments dar. Es sei daher
folgerichtig, bei der Frage der Rechtfertigung einer Be-
schränkung der Wahlrechtsgleichheit durch eine Fünf-Pro-
zent-Klausel in erster Linie nicht das Gesamtparlament,
sondern den von Deutschland aus gewählten Teil der Abge-
ordneten zu betrachten.
Dieser Aspekt werde sowohl durch den Direktwahlakt als
auch durch den EG-Vertrag in der Fassung des Vertrags von
Nizza unterstützt.
Nach Artikel 3 des Direktwahlakts könnten die Mitglied-
staaten eine Mindestschwelle festlegen, die jedoch landes-
weit nicht mehr als 5 Prozent der abgegebenen Stimmen be-
tragen dürfe. Europarechtlich sei die Fünf-Prozent-Sperr-
klausel daher als zulässig anerkannt. Zahlreiche Mitglied-
staaten der Europäischen Union wie Frankreich, Italien,
Lettland, Litauen, Österreich, Polen, Rumänien, Schweden,
die Slowakei, die Tschechische Republik und Ungarn hätten
von der Möglichkeit der Einführung einer Mindestschwelle
Gebrauch gemacht. Insbesondere habe die Mehrzahl der
größeren Länder eine Sperrklausel eingeführt. So gebe es in
Deutschland (99 Abgeordnete), Frankreich (72 Abgeordne-
te) und in Polen (50 Abgeordnete) eine Sperrklausel von
5 Prozent, in Italien (72 Abgeordnete) eine Sperrklausel von
4 Prozent. Von den großen Ländern hätten nur Großbritan-
nien mit 72 Abgeordneten und Spanien mit 40 Abgeordneten
keine Sperrklausel. Kleinere Länder bräuchten schon des-
halb z. T. keine Mindestschwelle, weil die für ein Mandat be-
nötigten prozentualen Stimmenanteile die höchstzulässige
Mindestschwelle von 5 Prozent bereits überschritten.
Artikel 3 des Direktwahlakts ermögliche den Mitgliedstaa-
ten in erster Linie dafür zu sorgen, dass das nationale Abge-
ordnetenkontingent nicht aus zahlreichen kleineren Splitter-
gruppen bestehe, sondern aus Abgeordneten, deren Parteien
auch auf nationaler Ebene eine gewisse Bedeutung hätten.
Dies stärke die Handlungsfähigkeit als nationales Kontin-
gent.
Gleiches ergebe sich durch die Auslegung des EG-Vertrags
in der Fassung des Vertrags von Nizza, der gemeinschafts-
rechtlichen Grundlage für die 7. Direktwahl des Europäi-
schen Parlaments.
Das Europäische Parlament bestehe danach aus Vertretern

sation durch die transnationale Zusammensetzung der Frak-
tionen gekennzeichnet. Auch im Wahlverfahren gebe es
transnationale Elemente wie z. B. die Wahlberechtigung der
Personen mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, gemäß Artikel 18
Absatz 1 EGV. Dies ändere aber nichts daran, dass der Ver-
trag von Abgeordneten ausgehe, die Vertreter der Völker der
in der Gemeinschaft zusammengeschlossenen Staaten seien,
und eben nicht Vertreter von Parteien oder länderübergrei-
fenden Parteibündnissen oder ausschließlich Vertreter eines
europäischen Gedankens.
Die Anbindung der Abgeordneten an ihre Heimatländer sei
demnach in Artikel 189 EGV angelegt. Im Gegensatz zu den
Abgeordneten des Deutschen Bundestages, die das ganze
Volk verträten (Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 erster Halbsatz
GG), verträten die Abgeordneten des Europäischen Parla-
ments nicht ein „Unionsvolk“, das es mangels Eigenstaat-
lichkeit der EU nicht gebe, sondern das Volk des Mitglied-
staates, das sie gewählt habe. Die Mitgliedstaaten könnten
daher ein – nach den Verträgen zulässiges – Interesse daran
haben, dass ihre Belange möglichst effektiv vertreten wür-
den, und in Verfolgung dieses Interesses eine Sperrklausel
festlegen. Tatsächlich komme es innerhalb der deutschen
Abgeordnetengruppe häufig vor, dass nationale Interessen
bei Abstimmungen vordringlich berücksichtigt würden. Be-
sondere Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit seien die
Arbeitszeitrichtlinie, die CO2-Pkw-Richtlinie oder die Rück-
führungsrichtlinie.
Eine effektive Vertretung des deutschen Volkes, zu der die
Abgeordneten im Europäischen Parlament berufen seien, sei
mit einer Größe einer Abgeordnetengruppe von einem bis
vier Abgeordneten kaum möglich. Daran ändere auch die
Möglichkeit nichts, sich Fraktionen im Europäischen Parla-
ment anzuschließen. Der Zusammenschluss zu Fraktionen
gewährleiste nämlich lediglich, dass die Politik der jeweili-
gen Parteien im Parlament vertreten werde, nicht aber, dass
die einzelnen Abgeordneten einen effektiven Beitrag zur
Vertretung der Interessen ihrer Nation im Parlament leiste-
ten. Im Übrigen sei nicht sicher, dass alle Abgeordneten von
Splitterparteien eine Fraktion fänden, der sie sich anschlie-
ßen könnten. Zwar gehörten die meisten Abgeordneten im
Europäischen Parlament einer Fraktion an; dennoch seien in
der laufenden 7. Wahlperiode zurzeit 27 Mitglieder des
Europäischen Parlaments fraktionslos. Zum Vergleich hierzu
habe der Deutsche Bundestag im Regelfall nur ein bis zwei
fraktionslose Abgeordnete. Gerade Splitterparteien, die sich
nur zu einem eng begrenzten Themenkreis politisch positio-
nierten, könnten nicht ohne Weiteres eine Fraktion finden,
der sie sich anschließen können.
Mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon gelte das Vorste-
hende erst recht. Das Europäische Parlament sei auch nach
der Neuformulierung in Artikel 14 Absatz 2 des EU-Ver-
trags (EUV) kein Repräsentationsorgan eines souveränen
europäischen Volkes, sondern eine Vertretung der Völker der
Mitgliedstaaten. Dies spiegele sich darin, dass es, wie das
Bundesverfassungsgericht festgestellt habe, als Vertretung
der Völker in den jeweils zugewiesenen nationalen Kon-
tingenten von Abgeordneten und nicht als Vertretung der
Unionsbürger nach dem Prinzip der Wahlgleichheit angelegt
sei.
Auch die gestiegene Bedeutung der wechselseitigen Rück-
der Völker der in der Gemeinschaft zusammengeschlosse-
nen Staaten (Artikel 189 EGV). Zwar sei die Binnenorgani-

kopplung von Europäischem Parlament und nationalen Par-
lamenten finde im Vertrag von Lissabon ihren Niederschlag:

Drucksache 17/2200 – 52 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

So etwa in Artikel 12 EUV, der den aktiven Beitrag der na-
tionalen Parlamente zur guten Arbeitsweise der Union wür-
dige und ihnen zahlreiche Rechte einräume, und im Proto-
koll Nr. 1 über die Rolle der nationalen Parlamente in der
Europäischen Union.
Mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon werde das Euro-
päische Parlament in 95 Prozent der Gesetzgebung zum
gleichberechtigten Gesetzgeber neben dem Rat. Darunter
fielen auch Bereiche, die nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts in besonderer Weise auf den in-
nerstaatlichen politischen Diskurs angewiesen seien, und in
denen dem Deutschen Bundestag Aufgaben von substanziel-
lem Gewicht verbleiben müssten, wie etwa das Strafrecht
und das Strafverfahren. Unter diesem Gesichtspunkt komme
der Rückkopplung der Abgeordneten des Europäischen Par-
laments an die politischen Meinungen in den Fraktionen des
Deutschen Bundestages noch mehr Bedeutung als bisher zu.
Dasselbe gelte im Gegenzug für die Unterrichtung des Deut-
schen Bundestages über die Beratungen im Europäischen
Parlament, die entsprechend seiner Geschäftsordnung durch
die von den Fraktionen benannten Abgeordneten des Euro-
päischen Parlaments erfolge. Abgeordnete von Kleinstpar-
teien, die im Deutschen Bundestag oder in den Landtagen
kein Pendant fänden, könnten diese Rückkopplung nicht ge-
währleisten.
Die Fünf-Prozent-Sperrklausel in § 2 Absatz 7 EuWG diene
demnach legitimen Zielen und sei zur Erreichung dieser Zie-
le geeignet, erforderlich und angemessen.

Die Stellungnahme des Bundesministerium des Innern ist
dem Einspruchsführer zur Kenntnis gegeben worden. Hie-
rauf hat er weitere Materialien sowie Stellungnahmen von
zwei weiteren Einspruchsführern, die die Verfassungs-
widrigkeit von § 2 Absatz 7 EuWG geltend machen
(EuWP 35/09 und EuWP 38/09) übersandt. Hierzu wird auf
den Inhalt der Akten sowie auf die Beschlussempfehlungen
zu den genannten Einsprüchen in dieser Drucksache Bezug
genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

1. Soweit der Einspruchsführer geltend macht, die Fünf-Pro-
zent-Sperrklausel gemäß § 2 Absatz 7 EuWG verstoße ge-
gen das Grundgesetz, liegt kein Wahlfehler vor.

Diesbezüglich ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der
Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in
ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens
die Verfassungsmäßigkeit von Wahlrechtsvorschriften nicht
überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundes-
verfassungsgericht vorbehalten worden (vgl. bereits Bundes-
tagsdrucksachen I/2811; zuletzt: 16/1800, Anlagen 26 bis 28;
17/1000, Anlagen 5 und 11 mit weiteren Nachweisen), das
diese Praxis auch stets bestätigt hat, da dem Bundestag inso-
fern die Verwerfungskompetenz fehle (vgl. BVerfGE 89,
291, 300; 121, 266, 290; 122, 304, 307).

Unabhängig hiervon hat sich der Wahlprüfungsausschuss
ausführlich mit der vom Einspruchsführer angesprochenen

reits im Zusammenhang mit Anfechtungen der Europawahl
im Jahr 2004 dargelegte Auffassung (s. Bundestagsdruck-
sachen 15/4250, Anlage 18; 15/4750, Anlagen 5, 9, 20 bis 22).

Wie der Deutsche Bundestag und der Wahlprüfungsaus-
schuss in den genannten Entscheidungen ausgeführt haben,
können die Mitgliedstaaten nach Artikel 3 Satz 1 des Direkt-
wahlakts eine Mindestschwelle für die Sitzvergabe fest-
legen. Diese Schwelle darf jedoch nach Satz 2 dieser
Vorschrift landesweit nicht mehr als 5 Prozent der abgegebe-
nen Stimmen betragen. Das Bundesverfassungsgericht hat in
seiner Entscheidung vom 8. Juni 2004 in einem Organstreit-
verfahren zur Fünf-Prozent-Sperrklausel des damaligen § 2
Absatz 6 EuWG (2 BvE 1/04), in dem die diesbezügliche
Organklage der NPD wegen Nichteinhaltung der Frist ge-
mäß § 64 Absatz 3 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes
(BVerfGG) als unzulässig verworfen worden ist, auf die ent-
sprechende Ergänzung des Direktwahlakts im Jahr 2002 hin-
gewiesen und hierzu ausgeführt, dass der Gesetzgeber mit
dem am 21. August 2003 verkündeten Vierten Gesetz zur
Änderung des Europawahlgesetzes und Neunzehnten Gesetz
zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes zum Aus-
druck gebracht habe, dass er an der Fünf-Prozent-Sperrklau-
sel festhalten möchte. Er habe sich dabei – so das Bundesver-
fassungsgericht – auf die Ermächtigung der Mitgliedstaaten
im Beschluss des Rates der Europäischen Union stützen kön-
nen, eine Sperrklausel zu erlassen. Der Rat der Europäischen
Union hat nach Zustimmung des Europäischen Parlaments
mit Beschluss vom 25. Juni und 23. September 2002
(BGBl. 2003 II S. 811) den Direktwahlakt geändert, damit
die Wahlen zum Europäischen Parlament „gemäß den allen
Mitgliedstaaten gemeinsamen Grundsätzen stattfinden kön-
nen, die Mitgliedstaaten zugleich aber die Möglichkeit erhal-
ten, für Aspekte, die nicht durch diesen Beschluss geregelt
sind, ihre jeweiligen nationalen Vorschriften anzuwenden“.
Dieser Änderung des Direktwahlakts hat der deutsche Ge-
setzgeber mit Artikel 1 des Zweiten Gesetzes über die Zu-
stimmung zur Änderung des Direktwahlakts vom 15. August
2003 (BGBl. 2003 II S. 810) zugestimmt. Zwar kann, wo-
rauf der Wahlprüfungsausschuss schon in den genannten
Entscheidungen hingewiesen hat, in dieser nunmehr aus-
drücklich verankerten Ermächtigung zum Erlass einer Fünf-
Prozent-Sperrklausel durch den Direktwahlakt nicht unmit-
telbar die Verfassungsmäßigkeit einer solchen Sperrklausel
nach dem deutschen Verfassungsrecht abgeleitet werden.
Der Wahlprüfungsausschuss sieht sie jedoch weiterhin als
starkes Indiz dafür, dass § 2 Absatz 7 EuWG nicht gegen das
Grundgesetz verstößt.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung
vom 22. Mai 1979 die Fünf-Prozent-Sperrklausel für Wahlen
zum Europäischen Parlament einstimmig für grundgesetz-
konform angesehen, weil sie an dem durch besondere, zwin-
gende Gründe gerechtfertigten Ziel, einer übermäßigen Par-
teienzersplitterung im Europäischen Parlament entgegenzu-
wirken, orientiert sei und das Maß des zur Erreichung dieses
Ziels Erforderlichen nicht überschreite (BVerfGE 51, 222,
233). Bereits in dieser Entscheidung hat sich das Bundesver-
fassungsgericht ausdrücklich mit den Spezifika des Europäi-
schen Parlaments auseinandergesetzt, dessen Aufgabenkreis
mit dem der Parlamente der Mitgliedstaaten nur bedingt ver-
gleichbar sei. Im Vordergrund sah das Bundesverfassungsge-
Rechtsfrage befasst. Er hält die Vorschrift des § 2 Absatz 7
EuWG für verfassungsgemäß und bestätigt damit seine be-

richt die Ausübung der vertraglich verbürgten Beratungs-
und Kontrollfunktionen. Dagegen seien von den klassischen

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 53 – Drucksache 17/2200

Aufgaben der Parlamente das Recht, die Regierung zu wäh-
len und die gesetzgeberischen Funktionen nur in ersten An-
sätzen vorhanden (a. a. O., S. 240 ff.). Hingegen nehme es
als Vertretung der Völker eine wichtige politische Integra-
tionsverantwortung wahr. Organisation und Arbeitsweise
unterschieden sich nicht wesentlich von derjenigen der na-
tionalen Parlamente der Mitgliedstaaten. Das Bundesverfas-
sungsgericht betont, dass der dem Europäischen Parlament
im Verfassungsgefüge der Europäischen Gemeinschaften
zugewiesene Aufgabenkreis und die ihm auf dem Wege zu
einem immer engeren Zusammenschluss der europäischen
Völker zugedachte Rolle ein handlungsfähiges Organ erfor-
derten. Das Europäische Parlament könne die ihm gestellten
Aufgaben nur dann wirksam bewältigen, wenn es durch eine,
den vielschichtigen Spezialmaterien angemessene, interne
Arbeitsteilung all seinen Mitgliedern die notwendige Sach-
kenntnis verschaffe und zu einer überzeugenden Mehrheits-
bildung in der Lage sei. Beides könne gefährdet werden,
wenn die durch die große Zahl der Mitgliedstaaten ohnehin
nicht vermeidbare Aufgliederung des Parlaments in viele
Gruppen ein Ausmaß annehme, das dessen Funktionsfähig-
keit ernsthaft in Frage stelle. Dies sei ein zwingender Grund,
der Vorkehrungen gegen eine übermäßige Parteienzersplitte-
rung zu rechtfertigen vermöge (a. a. O., S. 246 f.).

Aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom
13. Februar 2008, der zufolge die Fünf-Prozent-Sperrklausel
bei Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein gegen die
Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit verstößt
(BVerfGE 120, 82), ergibt sich keine Neubewertung der Zu-
lässigkeit der Sperrklausel bei der Europawahl, wie das Bun-
desministerium des Innern in seiner Stellungnahme, der sich
der Wahlprüfungsausschuss in dieser Hinsicht anschließt, zu-
treffend dargelegt hat. Dasselbe gilt für weitere kommunal-
rechtliche Entscheidungen von Landesverfassungsgerichten
(vgl. die Übersicht über die Rechtslage in den Bundesländern
im Urteil des Staatsgerichtshofs der Freien Hansestadt
Bremen vom 14. Mai 2009 – St 2/08, Rn. 30 ff.). Denn die in
diesen Entscheidungen betroffenen kommunalen Vertretun-
gen sind, wie das Bundesverfassungsgericht feststellt, Orga-
ne der Verwaltung, denen in erster Linie verwaltende Tätig-
keiten anvertraut sind (a. a. O., S. 112). Damit haben sie einen
völlig anderen Charakter als das Europäische Parlament als ein
unmittelbar von den Unionsbürgern gewähltes Vertretungs-
organ der Völker in einer supranationalen Gemeinschaft (vgl.
BVerfGE 123, 267, 368). Dieses ist, wie das Bundesministe-
rium des Innern beispielhaft darlegt, mit Inkrafttreten des Ver-
trags von Lissabon bei 95 Prozent der europäischen Gesetz-
gebung zum gleichberechtigten Gesetzgeber neben dem Rat
geworden, übt gemeinsam mit ihm die Haushaltsbefugnisse
aus, erfüllt Aufgaben der politischen Kontrolle und Bera-
tungsfunktionen und wählt den Präsidenten der Kommission
(vgl. Artikel 14 EUV).

Auch die auf das Europäische Parlament bezogenen Ausfüh-
rungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom
30. Juni 2009 zum Vertrag von Lissabon (BVerfGE 123, 267,
364, 370 ff.) nehmen in keiner Weise Stellung zu der Zuläs-
sigkeit einer Sperrklausel und bieten auch keine anderweiti-
gen Anhaltspunkte für eine notwendige Neubewertung der
Verfassungsmäßigkeit von § 2 Absatz 7 EuWG.

der Zersplitterung durch die gestiegene Anzahl der im Euro-
päischen Parlament vertretenen Abgeordneten und Parteien
heute eher noch verstärkt. Diese ist zwar in erster Linie der
erheblich angewachsenen Zahl der Mitgliedstaaten geschul-
det. Vor dem Hintergrund der beständig erweiterten und mit
Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon weiter anwachsen-
den Kompetenzen des Europäischen Parlaments hält der
Wahlprüfungsausschuss es daher für geboten, dieser Zer-
splitterung im Rahmen des dem deutschen Gesetzgeber
Möglichen entgegenzuwirken. Deshalb besteht aus seiner
Sicht die verfassungsrechtliche Rechtfertigung für die Fünf-
Prozent-Sperrklausel bei der Wahl der Abgeordneten des
Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutsch-
land gemäß § 2 Absatz 7 EuWG fort.

Soweit in der vom Einspruchsführer übersandten Begrün-
dung eine Verletzung der Wahlrechtsgleichheit zwischen
Wahlberechtigten in der Bundesrepublik Deutschland und in
anderen, kleineren Mitgliedstaaten geltend gemacht wird,
weil in der Bundesrepublik Deutschland durch die Fünf-
Prozent-Klausel erheblich mehr Wählerstimmen nicht ge-
wertet würden, ist darauf zu verweisen, dass Prüfungsmaß-
stab für die Verfassungsmäßigkeit des EuWG allein die
Wahlgleichheit zwischen den Wahlberechtigten, die die
Abgeordneten aus der Bundesrepublik Deutschland wählen,
sein kann. Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seinem
Urteil zum Vertrag von Lissabon festgestellt, dass die Zu-
sammensetzung des Europäischen Parlaments nicht in der
Weise gleichheitsgerecht sein müsse, dass auf Unterschiede
im Stimmgewicht der Unionsbürger in Abhängigkeit von der
Bevölkerungszahl verzichtet werde (BVerfGE 123, 267,
371).

2. Soweit der Einspruchsführer erklärt, zwei Abgeordnete
der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hätten mehrere sei-
ner E-Mails mit Anfragen zu einer Kandidatur für das Euro-
päische Parlament nicht beantwortet, ist ebenfalls kein Ver-
stoß gegen wahlrechtliche Vorschriften ersichtlich.

Auch sein Vortrag, bei dem „Europaparteitag“ von
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN habe der spätere Spitzenkan-
didat mehr Redezeit als andere Bewerber bekommen, lässt
keinen Wahlfehler erkennen. In der unterschiedlichen Zutei-
lung von Redezeiten auf einem Parteitag liegt kein Verstoß
gegen wahlrechtliche Vorschriften, solange die Regelung des
§ 10 Absatz 3 Satz 3 EuWG eingehalten wird. Diese sieht
vor, dass den Bewerbern um einen Listenplatz Gelegenheit
zu geben ist, sich und ihr Programm der Versammlung in an-
gemessener Zeit vorzustellen. Einen Verstoß gegen diese
Vorschrift hat der Einspruchsführer nicht vorgetragen.

3. Soweit der Einspruchsführer behauptet, der Grundsatz der
Unmittelbarkeit der Wahl sei dadurch verletzt, dass die Wäh-
ler keinen Einfluss auf die Aufstellung der Wahlvorschläge
durch die Parteien hätten, sei darauf hingewiesen, dass für
die Europawahl das Verhältniswahlsystem auf der Grund-
lage von Listenwahlvorschlägen im Direktwahlakt (Ar-
tikel 1 Absatz 1) und im Europawahlgesetz (u. a. in § 2
Absatz 1) ausdrücklich vorgesehen ist. § 8 Absatz 1 EuWG
regelt in diesem Zusammenhang, dass Wahlvorschläge von
Parteien und sonstigen politischen Vereinigungen einge-
reicht werden können. Durch die Rechtsprechung des Bun-
desverfassungsgerichts ist geklärt, dass das System der star-
Der Wahlprüfungsausschuss sieht die vom Bundesverfas-
sungsgericht bereits 1979 deutlich angesprochene Gefahr

ren Listenwahl sich im Rahmen der dem Gesetzgeber
eingeräumten Freiheit zur Ausgestaltung des Wahlrechts be-

Drucksache 17/2200 – 54 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

wegt und nicht gegen die Grundsätze der unmittelbaren, frei-
en und gleichen Wahl verstößt (vgl. BVerfGE 3, 45, 50 f.; 7,
63, 67 ff; 21, 355, 355 f.; 47, 253, 282). Zuletzt hat das Bun-
desverfassungsgericht dies anlässlich einer Wahlprüfungs-
beschwerde des Einspruchsführers in einem Beschluss vom
15. Januar 2009 (BVerfGE 122, 304, 314) bekräftigt.

4. Hinsichtlich der Erklärung des Einspruchsführers, die
Verwendung eines Abstimmungscomputers verstoße gegen
den Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl, handelt es sich
um die Äußerung einer Rechtsansicht, die ihre Grundlage in
dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März
2009 zur Verfassungswidrigkeit der Verwendung von Wahl-
computern bei der Bundestagswahl 2005 (BVerfGE 123, 39)
finden mag. Ein Verstoß gegen wahlrechtliche Vorschriften
bei der Vorbereitung oder Durchführung der Europawahl
kann darin jedoch nicht gesehen werden, denn der Ein-
spruchsführer trägt keine konkreten, auf die angefochtene
Wahl bezogenen Tatsachen vor. Wahlbeanstandungen, die
über die vage Andeutung eines Wahlfehlers nicht hinaus-
gehen und einen konkreten, aus sich heraus verständlichen
und der Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag nicht
enthalten, müssen als unsubstantiiert zurückgewiesen wer-
den (Bundestagsdrucksachen 15/1150, Anlagen 283 bis 285;
15/1850, Anlage 25; 17/1000, Anlage 19; BVerfGE 48, 271,
276; 66, 369, 379; 85, 148, 159; 122, 304, 308; Schreiber,

Kommentar zum BWG, 8. Auflage 2009, § 49 Rn. 24).
Zudem wurden, wie der Bundeswahlleiter in der Sitzung des
Wahlprüfungsausschusses der 16. Wahlperiode am 18. Juni
2009 mitgeteilt hat, bei der Europawahl am 7. Juni 2009 kei-
ne Computer bei der Stimmabgabe eingesetzt.

5. Soweit der Einspruchsführer kritisiert, dass der Deutsche
Bundestag die Wahlprüfung für die Wahlen zum Europäi-
schen Parlament durchführt, bedarf dies keiner näheren Er-
örterung. Nach Artikel 41 GG ist die Wahlprüfung Sache des
Deutschen Bundestages. Im Hinblick auf die Wahlen zum Eu-
ropäischen Parlament ist die Aufgabe dem Deutschen Bun-
destag durch § 26 EuWG in Verbindung mit dem Wahlprü-
fungsgesetz ausdrücklich zugewiesen. Da die Mitgliedschaft
im Europäischen Parlament gemäß Artikel 7 Absatz 2 des Di-
rektwahlakts seit der Wahl zum Europäischen Parlament im
Jahr 2004 unvereinbar mit der Eigenschaft als Abgeordneter
eines nationalen Parlaments ist, geht auch das Argument des
Einspruchsführers fehl, der Wahlprüfungsausschuss des
Deutschen Bundestages entscheide bei der Prüfung der Gül-
tigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parla-
ments aus der Bundesrepublik Deutschland in eigener Sache.
Im Hinblick auf den Vorschlag, die Wahlprüfung auf ein an-
deres Gremium zu übertragen, ist festzustellen, dass es sich
um einen Vorschlag zur Gesetzgebung handelt, der nicht Ge-
genstand des Wahlprüfungsverfahrens sein kann.

Wirksamkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel neben ihrer
Europarechtskonformität – die gegeben sei – auf ihre Verein-

stelle § 2 Absatz 7 EuWG eine Beeinträchtigung des
Demokratiegrundsatzes und der Artikel 38 Absatz 1 und Ar-
gentierung der Sitze nach Mitgliedstaaten verletzt worden
sei. Zugleich sei aber betont worden, dass mit der Wahl des
deutschen Kontingents von Abgeordneten des Europäischen

mache. Es wären somit ohne die Anwendung des § 2
Absatz 7 EuWG nach Berechnungen des Einspruchsführers
lediglich acht Mandate anders verteilt worden, was etwa
barkeit mit dem Grundgesetz ankomme. Dies ergebe sich aus
dem in Artikel 20 GG niedergelegten Demokratieprinzip,
welches gemäß Artikel 79 Absatz 3 GG auch nicht durch
Verfassungsänderung und, so der Einspruchsführer, durch
Europarecht beseitigt werden könne. Die Bundesrepublik
Deutschland sei ein souveräner Staat, in dem die Volks-
souveränität u. a. durch Wahlen ausgeübt werde. Der Ein-
spruchsführer zitiert das so genannte Lissabon-Urteil des
Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 123, 267 ff.). In die-
sem Urteil habe das Bundesverfassungsgericht aus dem
Demokratieprinzip u. a. das Gebot der Wahlgleichheit und
– als dessen Ausfluss – das Gebot der Erfolgswertgleichheit
aller abgegebenen Stimmen abgeleitet. Ebenfalls sei dort
festgestellt worden, dass der Grundsatz der Wahlgleichheit
bei der Wahl des Europäischen Parlaments durch die Kontin-

tikel 21 Absatz 1 GG dar, die nur gerechtfertigt sein könne,
wenn sie den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit im
engeren Sinne genüge.

Zur Rechtfertigung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei der
Europawahl werde vor allem die Verhinderung einer Frak-
tions- bzw. Parteienzersplitterung und die Sicherung der
Funktions- und Arbeitsfähigkeit des Parlaments vorge-
bracht.

Zur Erreichung dieses Ziels sei § 2 Absatz 7 EuWG jedoch
nicht geeignet. Im Gegensatz zu den Fünf-Prozent-Sperr-
klauseln für Bundestags- oder Landtagswahlen wirke sich
§ 2 Absatz 7 EuWG nicht auf das gesamte Parlament aus,
sondern nur auf das deutsche Kontingent, welches derzeit et-
wa 13 Prozent aller Sitze des Europäischen Parlaments aus-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 55 – Drucksache 17/2200

Anlage 15

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn G. S., 51105 Köln
– Az.: EuWP 38/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 7. Juni 2009
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 10. Juni 2010 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem per Telefax übermittelten Schreiben vom 31. Juli
2009, das am selben Tag beim Deutschen Bundestag einge-
gangen ist, hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die
Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen
Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 7. Juni
2009 eingelegt.

Zur Begründung trägt der Einspruchsführer vor, dass die so-
genannte Fünf-Prozent-Sperrklausel (§ 2 Absatz 7 des Euro-
pawahlgesetzes – EuWG) verfassungswidrig sei. Diese Re-
gelung verstoße sowohl gegen das Demokratieprinzip aus
Artikel 20 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG), insbesondere
gegen den Grundsatz der Gleichheit der Wahl, als auch
gegen Artikel 21 Absatz 1 und Artikel 38 Absatz 1 GG.
Außerdem sei sie nicht mit Artikel 20 Absatz 1, Artikel 23
Absatz 1 und Artikel 79 Absatz 3 GG vereinbar. Trotzdem
sei § 2 Absatz 7 EuWG bei der Europawahl 2009 für die Be-
rechnung der Sitzverteilung angewendet worden, was zur
Ungültigkeit dieser Wahl führe.

Der Einspruchsführer führt zunächst aus, dass es für die

werde. Dies zeige, dass die Wahl des deutschen Kontingents
der Abgeordneten des Europäischen Parlaments am Maßstab
des Demokratieprinzips und der daraus folgenden Gleichheit
und Erfolgsgleichheit der Wahl und damit letztlich analog
Artikel 38 Absatz 1 GG beurteilt werden müsse. Würde
nämlich die Wahl der deutschen Abgeordneten zum Euro-
päischen Parlament selbst schon nicht mehr demokratischen
Grundsätzen genügen, so könnten sie auch nicht dazu beitra-
gen, europaweit ein ausreichendes Legitimationsniveau zu
vermitteln. Daneben sei als Prüfungsmaßstab für die Wirk-
samkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel auch Artikel 21 GG
hinsichtlich der bei der Europawahl zu wählenden Parteien
heranzuziehen.

Der Einspruchsführer zitiert umfangreich aus einem Urteil
des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Februar 2008, in
dem dieses feststellt, dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel im
Kommunalwahlrecht von Schleswig-Holstein gegen die
Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit verstoße
(BVerfGE 120, 82). Die dortigen Ausführungen des Bun-
desverfassungsgerichts hält der Einspruchsführer im Wesent-
lichen für übertragbar auf die Europawahl 2009. Deshalb
Parlaments dem System der übertragenen Einzelermächti-
gungen ein ausreichendes Legitimationsniveau vermittelt

einem Prozent aller zu vergebender Sitze entspräche. Statt
gegenwärtig 162 wären dann 169 Parteien im Europäischen

Drucksache 17/2200 – 56 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Parlament vertreten. Auch der Einfluss der Fünf-Prozent-
Sperrklausel auf die Fraktionsbildung sei nicht groß, denn
auch eine Partei, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel in
Deutschland überwunden habe, müsse sich nicht einer Frak-
tion im Europäischen Parlament anschließen, sodass gleich-
wohl mit einer Zersplitterung des Parlaments zu rechnen sei.

Weiterhin sei § 2 Absatz 7 EuWG zur Aufrechterhaltung der
Funktionsfähigkeit des Europäischen Parlaments nicht erfor-
derlich. Dieses Ziel könne durch andere Maßnahmen er-
reicht werden. Zudem werde die Funktionsfähigkeit des
Europäischen Parlaments, anders als auf nationaler Ebene,
nicht durch das Parlament und das Gegeneinander von Re-
gierungs- und Oppositionsfraktionen, sondern durch die
Mitgliedstaaten aufrechterhalten. Der Einspruchsführer ist
der Auffassung, dass die Mitgliedstaaten im Fall einer dro-
henden Gefährdung der Funktionsfähigkeit des Europäi-
schen Parlaments durch den Rat oder durch Primärrechtsän-
derungen ohne Weiteres in der Lage wären, die rechtlichen
Rahmenbedingungen der Europäischen Union entsprechend
umzugestalten. Eine vorsorgliche Beschränkung der Wahl-
gleichheit sei jedenfalls nicht erforderlich. Zudem habe der
deutsche Gesetzgeber jederzeit die Möglichkeit, bei tatsäch-
licher Funktionsunfähigkeit des Europäischen Parlaments
die Sperrklausel wieder einzuführen. In diesem Fall wäre
eine andere tatsächliche Situation gegeben, in welcher eine
Regelung wie die des § 2 Absatz 7 EuWG verfassungsge-
mäß sein könnte.

Auch die Regelung des Artikels 3 des Direktwahlakts, wo-
nach die Mitgliedstaaten eine Mindestschwelle für die Sitz-
vergabe festlegen könnten, die landesweit nicht mehr als
fünf Prozent der abgegebenen Stimmen betragen dürfe, wei-
se darauf hin, dass die Mitgliedstaaten eine Fünf-Prozent-
Sperrklausel für nicht erforderlich hielten, da sie andernfalls
eine für alle Mitgliedstaaten verbindliche Fünf-Prozent-
Sperrklausel hätten einführen können.

Zudem seien mildere Mittel zur Erreichung des angestrebten
Zieles möglich. So könnte die Höhe der Sperrklausel ab-
gesenkt werden. Auch durch die Einführung sogenannter
Alternativstimmen, die Wählern die Abgabe einer zweiten
Stimme für den Fall ermögliche, dass die in erster Linie prä-
ferierte Partei an der Sperrklausel scheitere, könne die Wir-
kung der Sperrklausel gemildert werden. Dies würde ge-
währleisten, dass die Repräsentanz des Wählerwillens im
Wahlergebnis erhöht würde, da bei jenen Wählern zumindest
eine Zweitpräferenz zum Tragen komme.

Schließlich stehe der Nutzen des § 2 Absatz 7 EuWG in kei-
nem angemessenen Verhältnis zu seiner Eingriffsschwere.
Im europäischen Vergleich sei die Eingriffsintensität der
Sperrklausel in der Bundesrepublik Deutschland am höchs-
ten, denn in keinem Mitgliedstaat blieben aufgrund einer
Sperrklausel so viele Stimmen unberücksichtigt. Der Anteil
der Stimmen, die aufgrund der Fünf-Prozent-Sperrklausel
nicht berücksichtigt werden könnten, sei zudem von 4 Pro-
zent im Jahr 1979 auf zuletzt 10,8 Prozent gestiegen.
Zugleich sei der Anteil der im Wahlergebnis repräsentierten
Wahlberechtigten von 63 Prozent kontinuierlich auf zuletzt
38 Prozent zurückgegangen. Somit seien die Auswirkungen
der Fünf-Prozent-Sperrklausel wesentlich größer als bei der
Bundestagswahl, bei der der Anteil der nicht berücksich-

75 Prozent der Wahlberechtigten Einfluss auf die Sitzvertei-
lung hätten. Die Europawahl drohe damit an demokratischer
Legitimation zu verlieren. Bei der Beurteilung des Nutzens
der Sperrklausel müssten heute vor allem die positiven Er-
fahrungen des seit drei Jahrzehnten direkt gewählten Euro-
päischen Parlaments berücksichtigt werden.

§ 2 Absatz 7 EuWG sei auch im Hinblick auf die Regelun-
gen zur Bundesstaatlichkeit grundgesetzwidrig. Artikel 20
Absatz 1, Artikel 23 Absatz 1 und Artikel 79 Absatz 3 GG
sähen die Gliederung des Bundes in Länder und die Bindung
der Europäischen Union an föderative Grundsätze vor. Diese
Grundsätze seien auch bei der Europawahl zu beachten. Sie
würden durch § 2 Absatz 7 EuWG verletzt. Aus den genann-
ten Normen des Grundgesetzes sei zu folgern, dass auch eine
Partei oder Gruppierung, welche die Interessen der Bevölke-
rung eines bestimmten Landes vertrete, eine Chance haben
müsse, bei der Wahl zum Europäischen Parlament Mandate
zu erringen. Das Europawahlgesetz trage dem Föderalismus
nur scheinbar Rechnung, indem es Landeslisten zulasse. In
den meisten Fällen entziehe es diesen aber durch die Fünf-
Prozent-Sperrklausel die Wirksamkeit. Der Einspruchsfüh-
rer legt dar, dass es nur drei Bundesländer gebe, in denen
eine Landesliste selbst dann eine Chance hätte, Mandate im
Europäischen Parlament zu erringen, wenn sie weniger als
50 Prozent der Stimmen in dem Land auf sich vereinige: In
Baden-Württemberg seien hierfür 34,5 Prozent der Stim-
men, in Bayern 33,1 Prozent und in Nordrhein-Westfalen
23,9 Prozent der Stimmen erforderlich. Anders als bei den
Wahlen zum Deutschen Bundestag würden Regionalparteien
bei der Europawahl nicht gesetzlich besonders berücksich-
tigt. Aus Sicht des Einspruchsführers könne dieser Aspekt
der Verfassungswidrigkeit außer durch die Abschaffung der
Fünf-Prozent-Sperrklausel dadurch geheilt werden, dass sie
nicht auf Bundes-, sondern nur auf Landesebene angewendet
werde. So hätte beispielsweise bei der Europawahl 2009 die
Liste der „FREIEN WÄHLER“ (FW) in Bayern berücksich-
tigt werden müssen, die dort 6,9 Prozent der Stimmen erhal-
ten habe.

Der Einspruchsführer ist der Ansicht, dass § 2 Absatz 7
EuWG verfassungswidrig sei und daher bei der Ermittlung
der Mandatsverteilung für die Europawahl 2009 nicht hätte
angewendet werden dürfen. Bei einer entsprechenden Neu-
berechnung müssten seiner Berechnung nach acht Sitze neu
vergeben werden, die sich auf sieben kleinere politische Par-
teien oder Vereinigungen verteilen würden. Der Einspruchs-
führer ist zudem der Meinung, dass die Fünf-Prozent-Sperre
bereits die Wahlentscheidung zahlreicher Wähler beeinflusst
habe. Da insoweit ein Einfluss auf die Mandatsverteilung
nicht auszuschließen sei, müsse die Wahl wiederholt werden.

Zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel in § 2 Absatz 7 EuWG hat das Bundesministe-
rium des Innern Stellung genommen und mitgeteilt, dass aus
seiner Sicht die anlässlich von Entscheidungen über Ein-
sprüche gegen die 6. Direktwahl des Europäischen Par-
laments im Jahr 2004 vertretene Rechtsauffassung des
Wahlprüfungsausschusses, die Fünf-Prozent-Sperrklausel
im Europawahlgesetz sei verfassungsrechtlich zulässig
(Bundestagsdrucksachen 15/4250, Anlage 18 und 15/4750,
Anlagen 20 bis 22), weiterhin aktuell sei.
Aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur
tigten Stimmen drei bis vier Prozent betrage und etwa Fünf-Prozent-Klausel bei Kommunalwahlen in Schleswig-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 57 – Drucksache 17/2200

Holstein vom 13. Februar 2008 ergebe sich keine andere
Sichtweise. Das Bundesverfassungsgericht habe in dem Ur-
teil unter Hinweis auf frühere Entscheidungen festgestellt,
dass es sich bei Gemeindevertretungen und Kreistagen nicht
um Parlamente im Rechtssinn handele. Zur Begründung sei
angeführt worden, dass ihnen in erster Linie verwaltende
Tätigkeiten anvertraut seien, ihnen keine Gesetzgebungs-
funktion zustünde, sie keine Regierung oder ein vergleichba-
res Gremium wählten und ihre Entscheidungen der Rechts-
aufsicht unterlägen (BVerfGE 120, 82, 120). All dies treffe
für das Europäische Parlament, auch in einem entsprechen-
den Sinne, nicht zu. Hier könne auf die vom Wahlprüfungs-
ausschuss bereits gemachten Ausführungen zu den Befug-
nissen des Europäischen Parlaments verwiesen werden,
wobei insbesondere hervorzuheben sei, dass das Mitent-
scheidungsverfahren gemäß Artikel 251 des EG-Vertrags
(EGV) das Europäische Parlament in den meisten Bereichen
der gemeinschaftsrechtlichen Rechtsetzung neben dem Rat
zum gleichberechtigten Gesetzgeber der Europäischen
Union mache und das Europäische Parlament der Ernennung
des Präsidenten und der übrigen Mitglieder der Kommission
zustimmen müsse (Artikel 214 Absatz 2 Satz 1 EGV) sowie
die Kommission durch ein Misstrauensvotum zum Rücktritt
zwingen könne (Artikel 201 EGV). Über die vom Bundes-
verfassungsgericht genannten Kriterien hinaus sei noch
anzumerken, dass die Abgeordneten des Europäischen Par-
laments Immunität genössen (Artikel 6 Absatz 2 des Direkt-
wahlakts), wie auch die Abgeordneten des Deutschen Bun-
destages (Artikel 46 GG) und der Landtage, den Mitgliedern
kommunaler Volksvertretungen dieses Recht jedoch nicht
zustehe.
Das Bundesverfassungsgericht habe in dieser Entscheidung
zudem darauf hingewiesen, dass bei Differenzierungen der
Wahlrechtsgleichheit wie einer Fünf-Prozent-Klausel auch
auf die Eingriffsintensität abgestellt werden müsse
(BVerfGE 120, 82, 107). Es habe damit ein Argument be-
stätigt, das es bei seiner Entscheidung im Jahr 1979 zur
Rechtfertigung der Fünf-Prozent-Klausel bei Europawahlen
angeführt habe. Damals habe das Bundesverfassungsgericht
darauf verwiesen, dass wegen der jeweiligen Anzahl zu wäh-
lender Abgeordneter die Sperrklausel bei Europawahlen
einen weniger intensiven Eingriff darstelle als bei einer Bun-
destagswahl (BVerfGE 51, 222, 255). Bei der gegenwärtigen
Größe des Deutschen Bundestages habe die Sperrklausel zur
Folge, dass bis zu 30 Bewerbern einer Partei der Einzug in
das Parlament verwehrt werde. Bei den Wahlen zum Euro-
päischen Parlament könne die Sperrklausel nur verhindern,
dass Gruppierungen von höchstens vier Abgeordneten in das
Europäische Parlament gelangten.
Schließlich habe das Bundesverfassungsgericht ausgeführt,
dass bei Eingriffen in die Gleichheit der Wahl eine gefestigte
Rechtsüberzeugung und Rechtspraxis Beachtung finden
könne (BVerfGE 120, 82, 107). In der Bundesrepublik
Deutschland gebe es bei Bundestags- und Landtagswahlen
traditionell eine Fünf-Prozent-Sperrklausel. Damit gelte die-
se Klausel seit Gründung der Bundesrepublik bei überregio-
nalen Wahlen, d. h. bei Wahlen eines Parlaments im Rechts-
sinn. Die Sperrklausel sei damit den Bundesbürgern als
Element demokratischer Wahlen bekannt und vertraut, so
dass sich eine gefestigte Rechtsüberzeugung und Rechtspra-
xis gebildet habe. Für das Europawahlgesetz habe sich der

angelehnt, das in der Bevölkerung eine hohe Akzeptanz ge-
nieße.
Abgesehen davon, dass das Europäische Parlament eher mit
einem nationalen Parlament als einer kommunalen Volksver-
tretung zu vergleichen sei, müsse bei der Beurteilung der
Sicherung seiner Funktionsfähigkeit durch eine Fünf-Pro-
zent-Klausel im Europawahlgesetz vorrangig auf das natio-
nale Kontingent der Abgeordneten aus der Bundesrepublik
Deutschland abgestellt werden.
Die Sperrklausel ermögliche in erster Linie die Rückkopp-
lung der deutschen Abgeordneten im Europäischen Parla-
ment mit den tragenden politischen Kräften in Deutschland,
die ihrerseits auf den Rat und die Kommission einwirken
könnten (BVerfGE 51, 222, 235).
Das Europäische Parlament habe eine große Bandbreite an
legislativen Aufgaben zu bewältigen. Auch in Bereichen, in
denen das Parlament lediglich ein Anhörungsrecht habe, wie
z. B. im Bereich der Innen- und Justizpolitik, spiele es eine
bedeutende Rolle als Kontrollinstanz von Rat und Kommis-
sion. Der einzelne Abgeordnete sei bei seinen Entscheidun-
gen vielfältigen Einflussnahmen von Lobbyorganisationen
ausgesetzt. Um eigenständig fundierte Entscheidungen tref-
fen zu können, bedürfe er eines „logistischen Rückhalts“.
Diesen finde er z. T. in den Einrichtungen des Europäischen
Parlaments. In zahlreichen Fällen benötigten die Abgeord-
neten allerdings Kenntnisse über die Rechtslage und tatsäch-
liche Situation in ihrem Heimatstaat und die möglichen
Auswirkungen einer bestimmten Rechtsetzung der Gemein-
schaft auf die Situation in ihrem Land. Würden auf diese
Weise die Erkenntnisse aus allen Mitgliedstaaten zu-
sammengeführt, könnten die Abgeordneten fundierte Ent-
scheidungen treffen, die die Auswirkungen europäischer
Gesetzgebung auf die Situation in den Mitgliedstaaten be-
rücksichtigen. Für diese Rückkopplung könnten sich die Ab-
geordneten in erster Linie der nationalen Parteien und Parla-
mente bedienen. Bei Kleinstparteien fehle hierfür nicht nur
der notwendige Apparat, sondern auch die Rückkopplung
über das nationale Parlament, in dem diese Parteien in
Deutschland wegen der bei Bundestagswahlen geltenden
Fünf-Prozent-Klausel nicht vertreten seien. Umgekehrt sei
auch der Deutsche Bundestag für die Wahrnehmung seiner
fortlaufenden Integrationsverantwortung in europapoliti-
schen Angelegenheiten auf die Rückmeldung der deutschen
Abgeordneten des Europaparlaments angewiesen. Soweit es
sich um Materien handele, die in die Gesetzgebungszustän-
digkeit der Länder fielen, oder um Gegenstände, die für ein
Land von besonderem Interesse seien, gelte Gleiches für die
Rückkopplung zwischen den Abgeordneten des Europäi-
schen Parlaments und der Landtage.
Die Zusammenarbeit der Parlamente untereinander spiele
eine wesentliche Rolle für den europäischen politischen Pro-
zess und sei auch institutionell verankert: So enthalte die Ge-
schäftsordnung des Europäischen Parlaments einen eigenen
Abschnitt über die Beziehungen zu den nationalen Parla-
menten (Titel VI Artikel 130 bis 132). In der Geschäftsord-
nung des Deutschen Bundestages (GO-BT) regele § 93a,
dass die Ausschüsse Mitglieder des Europäischen Parla-
ments zu ihren Beratungen in Europaangelegenheiten hinzu-
ziehen und Unionsdokumente gemeinsam mit Ausschüssen
des Europäischen Parlaments gleicher Zuständigkeit beraten
könnten. § 93b GO-BT sehe vor, dass zu den Sitzungen des
Bundesgesetzgeber insoweit an das Bundestagswahlrecht Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen

Drucksache 17/2200 – 58 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Union deutsche Mitglieder des Europäischen Parlaments Zu-
tritt erhielten. Sie seien vom Präsidenten des Deutschen Bun-
destages auf Vorschlag der Fraktionen des Deutschen Bun-
destages, aus deren Parteien deutsche Mitglieder in das
Europäische Parlament gewählt worden sind, berufen wor-
den. Die berufenen Mitglieder des Europäischen Parlaments
seien befugt, die Beratung von Verhandlungsgegenständen
anzuregen sowie Auskünfte zu erteilen und Stellung zu neh-
men. Diese wechselseitigen Informationsflüsse und Ver-
flechtungen zwischen nationalen Parlamenten und dem
Europäischen Parlament könnten nur von solchen Abgeord-
neten effektiv genutzt werden, deren Parteien in beiden Par-
lamenten vertreten seien.
Die Sperrklausel diene daneben, wenn auch nach Auffas-
sung des Bundesverfassungsgerichts nicht vorrangig, der Si-
cherung einer wirksamen Vertretung des deutschen Volkes
im Europäischen Parlament (BVerfGE 51, 222, 249).
Die Regelungen des Europawahlgesetzes bezögen sich aus-
schließlich auf die Wahl der Abgeordneten aus der Bundes-
republik Deutschland. Diese stellten nur einen Teil der Ab-
geordneten des Europäischen Parlaments dar. Es sei daher
folgerichtig, bei der Frage der Rechtfertigung einer
Beschränkung der Wahlrechtsgleichheit durch eine Fünf-
Prozent-Klausel in erster Linie nicht das Gesamtparlament,
sondern den von Deutschland aus gewählten Teil der Abge-
ordneten zu betrachten.
Dieser Aspekt werde sowohl durch den Direktwahlakt als
auch durch den EG-Vertrag in der Fassung des Vertrags von
Nizza unterstützt.
Nach Artikel 3 des Direktwahlakts könnten die Mitglied-
staaten eine Mindestschwelle festlegen, die jedoch landes-
weit nicht mehr als 5 Prozent der abgegebenen Stimmen
betragen dürfe. Europarechtlich sei die Fünf-Prozent-Sperr-
klausel daher als zulässig anerkannt. Zahlreiche Mitglied-
staaten der Europäischen Union wie Frankreich, Italien,
Lettland, Litauen, Österreich, Polen, Rumänien, Schweden,
die Slowakei, die Tschechische Republik und Ungarn hätten
von der Möglichkeit der Einführung einer Mindestschwelle
Gebrauch gemacht. Insbesondere habe die Mehrzahl der
größeren Länder eine Sperrklausel eingeführt. So gebe es in
Deutschland (99 Abgeordnete), Frankreich (72 Abgeordne-
te) und in Polen (50 Abgeordnete) eine Sperrklausel von
5 Prozent, in Italien (72 Abgeordnete) eine Sperrklausel von
4 Prozent. Von den großen Ländern hätten nur Groß-
britannien mit 72 Abgeordneten und Spanien mit 40 Ab-
geordneten keine Sperrklausel. Kleinere Länder bräuchten
schon deshalb z. T. keine Mindestschwelle, weil die für ein
Mandat benötigten prozentualen Stimmenanteile die höchst-
zulässige Mindestschwelle von 5 Prozent bereits überschrit-
ten.
Artikel 3 des Direktwahlakts ermögliche den Mitgliedstaa-
ten in erster Linie dafür zu sorgen, dass das nationale Ab-
geordnetenkontingent nicht aus zahlreichen kleineren Split-
tergruppen bestehe, sondern aus Abgeordneten, deren
Parteien auch auf nationaler Ebene eine gewisse Bedeutung
hätten. Dies stärke die Handlungsfähigkeit als nationales
Kontingent.
Gleiches ergebe sich durch die Auslegung des EG-Vertrags
in der Fassung des Vertrags von Nizza, der gemeinschafts-
rechtlichen Grundlage für die 7. Direktwahl des Europäi-
schen Parlaments.

senen Staaten (Artikel 189 EGV). Zwar sei die Binnenorga-
nisation durch die transnationale Zusammensetzung der
Fraktionen gekennzeichnet. Auch im Wahlverfahren gebe es
transnationale Elemente wie z. B. die Wahlberechtigung der
Personen mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, gemäß Artikel 18
Absatz 1 EGV. Dies ändere aber nichts daran, dass der Ver-
trag von Abgeordneten ausgehe, die Vertreter der Völker der
in der Gemeinschaft zusammengeschlossenen Staaten seien,
und eben nicht Vertreter von Parteien oder länderübergrei-
fenden Parteibündnissen oder ausschließlich Vertreter eines
europäischen Gedankens.
Die Anbindung der Abgeordneten an ihre Heimatländer sei
demnach in Artikel 189 EGV angelegt. Im Gegensatz zu den
Abgeordneten des Deutschen Bundestages, die das ganze
Volk verträten (Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 erster Halbsatz
GG), verträten die Abgeordneten des Europäischen Parla-
ments nicht ein „Unionsvolk“, das es mangels Eigenstaat-
lichkeit der EU nicht gebe, sondern das Volk des Mitglied-
staates, das sie gewählt habe. Die Mitgliedstaaten könnten
daher ein – nach den Verträgen zulässiges – Interesse daran
haben, dass ihre Belange möglichst effektiv vertreten wür-
den, und in Verfolgung dieses Interesses eine Sperrklausel
festlegen. Tatsächlich komme es innerhalb der deutschen
Abgeordnetengruppe häufig vor, dass nationale Interessen
bei Abstimmungen vordringlich berücksichtigt würden. Be-
sondere Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit seien die
Arbeitszeitrichtlinie, die CO2-Pkw-Richtlinie oder die
Rückführungsrichtlinie.
Eine effektive Vertretung des deutschen Volkes, zu der die
Abgeordneten im Europäischen Parlament berufen seien, sei
mit einer Größe einer Abgeordnetengruppe von einem bis
vier Abgeordneten kaum möglich. Daran ändere auch die
Möglichkeit nichts, sich Fraktionen im Europäischen Parla-
ment anzuschließen. Der Zusammenschluss zu Fraktionen
gewährleiste nämlich lediglich, dass die Politik der jeweili-
gen Parteien im Parlament vertreten werde, nicht aber, dass
die einzelnen Abgeordneten einen effektiven Beitrag zur
Vertretung der Interessen ihrer Nation im Parlament leiste-
ten. Im Übrigen sei nicht sicher, dass alle Abgeordneten von
Splitterparteien eine Fraktion fänden, der sie sich anschlie-
ßen könnten. Zwar gehörten die meisten Abgeordneten im
Europäischen Parlament einer Fraktion an; dennoch seien in
der laufenden 7. Wahlperiode zurzeit 27 Mitglieder des
Europäischen Parlaments fraktionslos. Zum Vergleich hierzu
habe der Deutsche Bundestag im Regelfall nur ein bis zwei
fraktionslose Abgeordnete. Gerade Splitterparteien, die sich
nur zu einem eng begrenzten Themenkreis politisch positio-
nierten, könnten nicht ohne Weiteres eine Fraktion finden,
der sie sich anschließen können.
Mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon gelte das Vorste-
hende erst recht. Das Europäische Parlament sei auch nach
der Neuformulierung in Artikel 14 Absatz 2 des EU-Ver-
trags (EUV) kein Repräsentationsorgan eines souveränen
europäischen Volkes, sondern eine Vertretung der Völker der
Mitgliedstaaten. Dies spiegele sich darin, dass es, wie das
Bundesverfassungsgericht festgestellt habe, als Vertretung
der Völker in den jeweils zugewiesenen nationalen Kontin-
genten von Abgeordneten und nicht als Vertretung der
Unionsbürger nach dem Prinzip der Wahlgleichheit angelegt
sei.
Das Europäische Parlament bestehe danach aus Vertretern
der Völker der in der Gemeinschaft zusammengeschlos-

Auch die gestiegene Bedeutung der wechselseitigen Rück-
kopplung von Europäischem Parlament und nationalen Par-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59 – Drucksache 17/2200

lamenten finde im Vertrag von Lissabon ihren Niederschlag:
So etwa in Artikel 12 EUV, der den aktiven Beitrag der na-
tionalen Parlamente zur guten Arbeitsweise der Union wür-
dige und ihnen zahlreiche Rechte einräume, und im Proto-
koll Nr. 1 über die Rolle der nationalen Parlamente in der
Europäischen Union.
Mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon werde das Euro-
päische Parlament in 95 Prozent der Gesetzgebung zum
gleichberechtigten Gesetzgeber neben dem Rat. Darunter
fielen auch Bereiche, die nach der Rechtsprechung des Bun-
desverfassungsgerichts in besonderer Weise auf den inner-
staatlichen politischen Diskurs angewiesen seien, und in
denen dem Deutschen Bundestag Aufgaben von substanziel-
lem Gewicht verbleiben müssten, wie etwa das Strafrecht
und das Strafverfahren. Unter diesem Gesichtspunkt komme
der Rückkopplung der Abgeordneten des Europäischen Par-
laments an die politischen Meinungen in den Fraktionen des
Deutschen Bundestages noch mehr Bedeutung als bisher zu.
Dasselbe gelte im Gegenzug für die Unterrichtung des Deut-
schen Bundestages über die Beratungen im Europäischen
Parlament, die entsprechend seiner Geschäftsordnung durch
die von den Fraktionen benannten Abgeordneten des Euro-
päischen Parlaments erfolge. Abgeordnete von Kleinstpar-
teien, die im Deutschen Bundestag oder in den Landtagen
kein Pendant fänden, könnten diese Rückkopplung nicht ge-
währleisten.
Die Fünf-Prozent-Sperrklausel in § 2 Absatz 7 EuWG diene
demnach legitimen Zielen und sei zur Erreichung dieser Zie-
le geeignet, erforderlich und angemessen.

Die Stellungnahme ist dem Einspruchsführer bekannt gege-
ben worden. Er hält seinen Vortrag aufrecht und widerspricht
dem Bundesministerium des Innern in verschiedenen Punk-
ten.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten
wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Der Vortrag des Einspruchsführers, die Fünf-Prozent-Sperr-
klausel gemäß § 2 Absatz 7 EuWG verstoße gegen das
Grundgesetz, lässt keinen Wahlfehler erkennen.

Diesbezüglich ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der
Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in
ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens
die Verfassungsmäßigkeit von Wahlrechtsvorschriften nicht
überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundes-
verfassungsgericht vorbehalten worden (vgl. bereits Bundes-
tagsdrucksachen I/2811; zuletzt: 16/1800, Anlagen 26 bis 28;
17/1000, Anlagen 5 und 11 mit weiteren Nachweisen), das
diese Praxis auch stets bestätigt hat, da dem Bundestag inso-
fern die Verwerfungskompetenz fehle (vgl. BVerfGE 89,
291, 300; 121, 266, 290; 122, 304, 307).

Unabhängig hiervon hat sich der Wahlprüfungsausschuss
ausführlich mit der vom Einspruchsführer angesprochenen
Rechtsfrage befasst. Er hält die Vorschrift des § 2 Absatz 7
EuWG für verfassungsgemäß und bestätigt damit seine
bereits im Zusammenhang mit Anfechtungen der Europa-

drucksachen 15/4250, Anlage 18; 15/4750, Anlagen 5, 9,
20 bis 22).

Wie der Deutsche Bundestag und der Wahlprüfungsaus-
schuss in den genannten Entscheidungen ausgeführt haben,
können die Mitgliedstaaten nach Artikel 3 Satz 1 des Direkt-
wahlakts eine Mindestschwelle für die Sitzvergabe fest-
legen. Diese Schwelle darf jedoch nach Satz 2 dieser
Vorschrift landesweit nicht mehr als 5 Prozent der abgegebe-
nen Stimmen betragen. Das Bundesverfassungsgericht hat in
seiner Entscheidung vom 8. Juni 2004 in einem Organstreit-
verfahren zur Fünf-Prozent-Sperrklausel des damaligen § 2
Absatz 6 EuWG (2 BvE 1/04), in dem die diesbezügliche
Organklage der NPD wegen Nichteinhaltung der Frist ge-
mäß § 64 Absatz 3 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes
(BVerfGG) als unzulässig verworfen worden ist, auf die ent-
sprechende Ergänzung des Direktwahlakts im Jahr 2002 hin-
gewiesen und hierzu ausgeführt, dass der Gesetzgeber mit
dem am 21. August 2003 verkündeten Vierten Gesetz zur
Änderung des Europawahlgesetzes und Neunzehnten Gesetz
zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes zum Aus-
druck gebracht habe, dass er an der Fünf-Prozent-Sperr-
klausel festhalten möchte. Er habe sich dabei – so das
Bundesverfassungsgericht – auf die Ermächtigung der Mit-
gliedstaaten im Beschluss des Rates der Europäischen Union
stützen können, eine Sperrklausel zu erlassen. Der Rat der
Europäischen Union hat nach Zustimmung des Europäi-
schen Parlaments mit Beschluss vom 25. Juni und 23. Sep-
tember 2002 (BGBl. 2003 II S. 811) den Direktwahlakt ge-
ändert, damit die Wahlen zum Europäischen Parlament
„gemäß den allen Mitgliedstaaten gemeinsamen Grundsät-
zen stattfinden können, die Mitgliedstaaten zugleich aber die
Möglichkeit erhalten, für Aspekte, die nicht durch diesen
Beschluss geregelt sind, ihre jeweiligen nationalen Vor-
schriften anzuwenden“. Dieser Änderung des Direktwahl-
akts hat der deutsche Gesetzgeber mit Artikel 1 des Zweiten
Gesetzes über die Zustimmung zur Änderung des Direkt-
wahlakts vom 15. August 2003 (BGBl. 2003 II S. 810) zuge-
stimmt. Zwar kann, worauf der Wahlprüfungsausschuss
schon in den genannten Entscheidungen hingewiesen hat, in
dieser nunmehr ausdrücklich verankerten Ermächtigung
zum Erlass einer Fünf-Prozent-Sperrklausel durch den
Direktwahlakt nicht unmittelbar die Verfassungsmäßigkeit
einer solchen Sperrklausel nach dem deutschen Verfassungs-
recht abgeleitet werden. Der Wahlprüfungsausschuss sieht
sie jedoch weiterhin als starkes Indiz dafür, dass § 2 Absatz 7
EuWG nicht gegen das Grundgesetz verstößt.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung
vom 22. Mai 1979 die Fünf-Prozent-Sperrklausel für Wahlen
zum Europäischen Parlament einstimmig für grundgesetz-
konform angesehen, weil sie an dem durch besondere, zwin-
gende Gründe gerechtfertigten Ziel, einer übermäßigen
Parteienzersplitterung im Europäischen Parlament entgegen-
zuwirken, orientiert sei und das Maß des zur Erreichung die-
ses Ziels Erforderlichen nicht überschreite (BVerfGE 51,
222, 233). Bereits in dieser Entscheidung hat sich das Bun-
desverfassungsgericht ausdrücklich mit den Spezifika des
Europäischen Parlaments auseinandergesetzt, dessen Aufga-
benkreis mit dem der Parlamente der Mitgliedstaaten nur be-
dingt vergleichbar sei. Im Vordergrund sah das Bundesver-
fassungsgericht die Ausübung der vertraglich verbürgten
wahl im Jahr 2004 dargelegte Auffassung (s. Bundestags- Beratungs- und Kontrollfunktionen. Dagegen seien von den

schen Völker zugedachte Rolle ein handlungsfähiges Organ
erforderten. Das Europäische Parlament könne die ihm ge-
stellten Aufgaben nur dann wirksam bewältigen, wenn es
durch eine, den vielschichtigen Spezialmaterien angemesse-
ne, interne Arbeitsteilung all seinen Mitgliedern die notwen-
dige Sachkenntnis verschaffe und zu einer überzeugenden
Mehrheitsbildung in der Lage sei. Beides könne gefährdet
werden, wenn die durch die große Zahl der Mitgliedstaaten
ohnehin nicht vermeidbare Aufgliederung des Parlaments in
viele Gruppen ein Ausmaß annehme, das dessen Funktions-
fähigkeit ernsthaft in Frage stelle. Dies sei ein zwingender
Grund, der Vorkehrungen gegen eine übermäßige Parteien-
zersplitterung zu rechtfertigen vermöge (a. a. O., S. 246 f.).

Aus der vom Einspruchsführer herangezogenen Entschei-
dung des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Februar 2008,
der zufolge die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Kommunal-
wahlen in Schleswig-Holstein gegen die Wahlrechtsgleich-
heit und die Chancengleichheit verstößt (BVerfGE 120, 82),
ergibt sich keine Neubewertung der Zulässigkeit der Sperr-
klausel bei der Europawahl, wie das Bundesministerium des
Innern in seiner Stellungnahme, der sich der Wahlprüfungs-
ausschuss in dieser Hinsicht anschließt, zutreffend dargelegt
hat. Dasselbe gilt für weitere kommunalrechtliche Entschei-
dungen von Landesverfassungsgerichten (vgl. die Übersicht
über die Rechtslage in den Bundesländern im Urteil des
Staatsgerichtshofs der Freien Hansestadt Bremen vom
14. Mai 2009 – St 2/08, Rn. 30 ff.). Denn die in diesen Ent-
scheidungen betroffenen kommunalen Vertretungen sind,
wie das Bundesverfassungsgericht feststellt, Organe der Ver-
waltung, denen in erster Linie verwaltende Tätigkeiten an-
vertraut sind (a. a. O., S. 112). Damit haben sie einen völlig
anderen Charakter als das Europäische Parlament als ein un-
mittelbar von den Unionsbürgern gewähltes Vertretungsor-
gan der Völker in einer supranationalen Gemeinschaft (vgl.
BVerfGE 123, 267, 368). Dieses ist, wie das Bundesministe-
rium des Innern beispielhaft darlegt, mit Inkrafttreten des
Vertrags von Lissabon bei 95 Prozent der europäischen Ge-

Sperrklausel und bieten auch keine anderweitigen Anhalts-
punkte für eine notwendige Neubewertung der Verfassungs-
mäßigkeit von § 2 Absatz 7 EuWG.

Angesichts der vom Einspruchsführer zutreffend dargeleg-
ten Entwicklung der Anzahl der im Europäischen Parlament
vertretenen Parteien sieht der Wahlprüfungsausschuss die
vom Bundesverfassungsgericht bereits 1979 deutlich ange-
sprochene Gefahr der Zersplitterung heute eher noch ver-
stärkt. Diese ist zwar in erster Linie der erheblich angewach-
senen Zahl der Mitgliedstaaten geschuldet. Vor dem
Hintergrund der beständig erweiterten und mit Inkrafttreten
des Vertrags von Lissabon weiter anwachsenden Kompeten-
zen des Europäischen Parlaments hält der Wahlprüfungsaus-
schuss es daher für geboten, dieser Zersplitterung im Rah-
men des dem deutschen Gesetzgeber Möglichen entgegen-
zuwirken. Deshalb besteht aus seiner Sicht die verfassungs-
rechtliche Rechtfertigung für die Fünf-Prozent-Sperrklausel
bei der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parla-
ments aus der Bundesrepublik Deutschland gemäß § 2
Absatz 7 EuWG fort.

Soweit der Einspruchsführer weiterhin eine Verletzung der
Wahlrechtsgleichheit zwischen Wahlberechtigten in der
Bundesrepublik Deutschland und in anderen, kleineren Mit-
gliedstaaten geltend machen möchte, weil in der Bundesre-
publik Deutschland durch die Fünf-Prozent-Klausel erheb-
lich mehr Wählerstimmen nicht gewertet würden, ist darauf
zu verweisen, dass Prüfungsmaßstab für die Verfassungsmä-
ßigkeit des EuWG allein die Wahlgleichheit zwischen den
Wahlberechtigten, die die Abgeordneten aus der Bundes-
republik Deutschland wählen, sein kann. Auch das Bundes-
verfassungsgericht hat in seinem Urteil zum Vertrag von
Lissabon festgestellt, dass die Zusammensetzung des Euro-
päischen Parlaments nicht in der Weise gleichheitsgerecht
sein müsse, dass auf Unterschiede im Stimmgewicht der
Unionsbürger in Abhängigkeit von der Bevölkerungszahl
verzichtet werde (BVerfGE 123, 267, 371).
Drucksache 17/2200 – 60 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

klassischen Aufgaben der Parlamente das Recht, die Regie-
rung zu wählen und die gesetzgeberischen Funktionen nur in
ersten Ansätzen vorhanden (a. a. O., S. 240 ff.). Hingegen
nehme es als Vertretung der Völker eine wichtige politische
Integrationsverantwortung wahr. Organisation und Arbeits-
weise unterschieden sich nicht wesentlich von derjenigen
der nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten. Das Bundes-
verfassungsgericht betont, dass der dem Europäischen Parla-
ment im Verfassungsgefüge der Europäischen Gemeinschaf-
ten zugewiesene Aufgabenkreis und die ihm auf dem Wege
zu einem immer engeren Zusammenschluss der europäi-

setzgebung zum gleichberechtigten Gesetzgeber neben dem
Rat geworden, übt gemeinsam mit ihm die Haushaltsbefug-
nisse aus, erfüllt Aufgaben der politischen Kontrolle und
Beratungsfunktionen und wählt den Präsidenten der Kom-
mission (vgl. Artikel 14 EUV).

Auch die auf das Europäische Parlament bezogenen Ausfüh-
rungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom
30. Juni 2009 zum Vertrag von Lissabon (BVerfGE 123, 267,
364, 370 ff.), das der Einspruchsführer ebenfalls zitiert, neh-
men in keiner Weise Stellung zu der Zulässigkeit einer

spricht er dem Bundesministerium in mehreren Punkten.
Bei der Europawahl 2009 habe der Briefwähleranteil bei
18,4 Prozent gelegen, was einem Gesamtvolumen von fast
5 Millionen Anträgen entspreche; bei der Bundestagswahl
werde „zur Farce“, wenn es im Ermessen jedes Wählers
stünde, diese per Briefwahl zu umgehen. Die einzig verblie-
bene Hürde, das Antragserfordernis, sei nicht geeignet, um

deren Glaubhaftmachung zur Ausübung der Briefwahl sei
nicht zu erwarten. In den Ländern Nordrhein-Westfalen (seit
1966), Berlin (seit 1975) und Brandenburg (seit 2003) sei be-
I.

Der Einspruchsführer ist der Ansicht, dass die Abschaffung
des Erfordernisses, bei Beantragung der Briefwahl die Hin-
derungsgründe für die Teilnahme an der Urnenwahl anzuge-
ben und glaubhaft zu machen, durch das Gesetz zur Ände-
rung des Wahl- und Abgeordnetenrechts vom 17. März 2008
mehrere Wahlrechtsgrundsätze verletze. Insbesondere das
Wahlgeheimnis und die Wahlfreiheit, die außerhalb des
Wahllokals nicht gewährleistet werden könnten, seien ge-
fährdet, und der vom Bundesverfassungsgericht zuletzt in
seinem Urteil zu Wahlcomputern als Grundvoraussetzung
für eine demokratische politische Willensbildung hervorge-
hobene Öffentlichkeitsgrundsatz sei nur noch zum Teil ver-
wirklicht. Die Einhaltung der Wahlgrundsätze im Wahllokal

2005 seien sogar über 8,9 Millionen Briefwahlanträge zu be-
arbeiten gewesen. Zudem habe das Begründungserfordernis
den stetigen Anstieg des Briefwähleranteils in den vergange-
nen Jahrzehnten auf 18,4 Prozent bei der Europawahl 2009
gegenüber noch 15,5 Prozent bei der Europawahl 2004 bzw.
auf 18,7 Prozent bei der Bundestagswahl 2005 gegenüber
18 Prozent bei der Bundestagswahl 2002 auch nicht verhin-
dern können.

Mit dem Wegfall des Begründungserfordernisses seien keine
Einschränkungen oder Gefährdungen von Wahlrechtsgrund-
sätzen verbunden, die dazu führen könnten, dass von Verfas-
sungs wegen an der Briefwahl nicht länger festgehalten wer-
den dürfe. Ein weiteres Ansteigen der Briefwahlbeteiligung
allein durch den Verzicht auf die Angabe von Gründen und
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61 – Drucksache 17/2200

Anlage 16

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn A. R., 65760 Eschborn
– Az.: EuWP 40/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 7. Juni 2009
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 10. Juni 2010 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem Schreiben, das beim Wahlprüfungsausschuss am
5. August 2009 eingegangen ist, hat der Einspruchsführer
Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten
des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland am 7. Juni 2009 eingelegt.

Gegenstand des Einspruchs sind verschiedene Aspekte der
rechtlichen und organisatorischen Ausgestaltung der Brief-
wahl. Der Einspruchsführer kritisiert insbesondere die Ab-
schaffung des Erfordernisses, bei der Beantragung der Brief-
wahl die Hinderungsgründe für die Teilnahme an der
Urnenwahl anzugeben und glaubhaft zu machen. Zudem be-
mängelt er die unzureichende Sicherheit beim Umgang mit
den Briefwahlunterlagen, die Vorgaben für die Zulassung
der Wahlbriefe im Briefwahllokal und das aus seiner Sicht
bei der Briefwahl erhöhte Risiko der Abgabe einer ungülti-
gen Stimme.

Das Bundesministerium des Innern hat zu diesem Einspruch
eine Stellungnahme abgegeben, die dem Einspruchsführer
bekannt gegeben worden ist. In seiner Erwiderung wider-

sei insgesamt bequemer. Zugleich sei die Briefwahl nicht ge-
eignet, die Wahlbeteiligung und damit die Allgemeinheit der
Wahl zu fördern.

Das Bundesministerium des Innern erklärt hierzu, der durch
Änderung des § 17 Absatz 2 des Bundeswahlgesetzes
(BWG), das nach § 4 des Europawahlgesetzes (EuWG) auch
für die Europawahl gelte, und der § 24 Absatz 1 und § 26
Absatz 2 der Europawahlordnung (EuWO) erfolgte Verzicht
auf die Angabe von bestimmten Gründen und deren Glaub-
haftmachung als Voraussetzung zur Ausübung der Briefwahl
sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Mit diesem
Verfahrenserfordernis habe sich der Briefwähleranteil auch
nicht wirksam begrenzen lassen. Da die Durchführung einer
Wahl ein Massengeschäft sei, das innerhalb kurzer Fristen
organisiert werden müsse, könne die Wahlorganisation eine
Nachprüfung der vom Wähler geltend gemachten Gründe
mit den vorhandenen personellen Ressourcen nicht einmal
stichprobenhaft leisten. Ab dem Zeitpunkt, zu dem die Ertei-
lung eines Wahlscheines beantragt werden könne, stünden
hierfür in der Regel weniger als fünf Wochen zur Verfügung.
die Gefährdung der Wahlgrundsätze ausreichend zu reduzie-
ren, denn durch das Verfahren werde Zeit gewonnen und es

reits auf das vorgenannte Verfahrenserfordernis für Land-
tagswahlen bzw. die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus

Drucksache 17/2200 – 62 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

verzichtet worden. In diesen Ländern habe sich der Brief-
wähleranteil nicht anders entwickelt als bei Wahlen auf Bun-
desebene oder bei Landtagswahlen in den anderen Ländern.
Ursache für den Anstieg des Briefwähleranteils in den ver-
gangenen Jahrzehnten seien also nicht Veränderungen der
rechtlichen Rahmenbedingungen, sondern der gesellschaft-
lichen Verhältnisse. Einerseits bestehe heutzutage ein größe-
res gesellschaftliches Bedürfnis nach Mobilität auch am
Wahltag ohne den Zwang zum Gang in das Wahllokal zur
Ausübung des Wahlrechts, andererseits steige die Lebenser-
wartung zusehends, was mit einer wachsenden Zahl von
älteren Wählern einhergehe, die sich den Gang in das Wahl-
lokal ersparen wollten oder nicht mehr zutrauten. Angesichts
dieses Befundes komme es nicht darauf an, ob infolge des
Wegfalls des hier in Rede stehenden Verfahrenserfordernis-
ses eine weitere Förderung des Grundsatzes der Allgemein-
heit der Wahl zu erwarten sei. Vielmehr sei darauf abzustel-
len, ob ein Bedürfnis für die Beibehaltung der Briefwahl
bestehe. Das sei angesichts der geänderten gesellschaft-
lichen Verhältnisse der Fall, um auch weiterhin bei Wahlen
auf Bundesebene eine Beteiligung der Wähler zumindest im
bisherigen Umfang gewährleisten zu können.

Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner bisherigen
Rechtsprechung keine absoluten Grenzen gezogen, ab denen
der Briefwähleranteil das verfassungsrechtlich zulässige
Maß überschreiten würde. Sein Beschluss vom 24. Novem-
ber 1981 (BVerfGE 59, 119 ff.) zur Verfassungsmäßigkeit
der Briefwahl sei nach der Wahl zum 9. Deutschen Bundes-
tag am 5. Oktober 1980 ergangen, bei der seinerzeit ein neuer
Höchststand an Briefwählern zu verzeichnen gewesen sei.
Mit einem Anteil von 13 Prozent habe der Briefwähleranteil
mehr als das 2,6-fache des Anteils von 1957 betragen, als bei
einer Bundestagswahl erstmals die Briefwahl zugelassen
worden sei. Gleichwohl habe das Bundesverfassungsgericht
damals keine Veranlassung gesehen, den stetigen Zuwachs
an Briefwählern in seiner Entscheidung zu thematisieren, ge-
schweige denn verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber
der Briefwahl geltend zu machen. Das zeige, dass es recht-
lich verfehlt sei, die Frage der Verfassungsmäßigkeit der
Briefwahl an dem jeweiligen Anteil der Briefwähler festzu-
machen, solange jedenfalls die Briefwahl nicht der Regelfall
sei, sondern weiterhin nur in einem begrenzten Umfang aus-
geübt werde. Letzteres sei auch künftig der Fall, denn der
Ausnahmecharakter der Briefwahl bleibe wegen des gesetz-
lich festgeschriebenen Antragserfordernisses gemäß § 17
BWG gewahrt. Der Wähler müsse wie bisher initiativ wer-
den, um durch Briefwahl an einer Wahl teilnehmen zu kön-
nen. Dies werde die Gewähr dafür bieten, dass die Wahlbe-
rechtigten auch weiterhin nur zu einem Teil ihre Stimme im
Wege der Briefwahl abgeben.

Der Einspruchsführer hat hierauf erwidert, das Argument,
die Glaubhaftmachung von Gründen sei nutzlos, weil kaum
zu kontrollieren, überzeuge ihn nicht, denn die Tatsache,
dass eine Kontrolle schwierig sei, könne nicht automatisch
zur Abschaffung einer Vorschrift führen. Statt der Abschaf-
fung sei auch eine Verschärfung der Vorschrift denkbar. Au-
ßerdem seien mögliche Alternativen zu prüfen, mit denen
das Ziel, die Allgemeinheit der Wahl zu fördern, mit weniger
Risiko erreicht werden könne, wie eine verstärkte Bildung
von Sonderwahlbezirken für Krankenhäuser, Altenheime,

Förderung der vorgezogenen Urnenwahl in den Kommunen
oder die Einführung der Möglichkeit, mit einem Wahlschein
in jedem beliebigen Wahllokal wählen zu können. Zudem sei
es falsch, zu behaupten, dass das Begründungserfordernis
den Anstieg des Briefwahlanteils von 15,5 Prozent bei der
Europawahl 2004 auf 18,4 Prozent bei der Europawahl 2009
nicht habe verhindern können, da bei der Europawahl 2009
das Begründungserfordernis für die Briefwahl bereits abge-
schafft worden sei. Vielmehr sei genau das Gegenteil der
Fall, der Wegfall habe für den deutlichen Anstieg des Brief-
wahlanteils gesorgt.

II.

Weiter macht der Einspruchsführer geltend, dass die Gleich-
heit und Allgemeinheit der Wahl dadurch gefährdet seien,
dass Wahlbehinderung und Stimmenvernichtung bei der
Briefwahl kaum entdeckt werden könnten und teilweise
nicht strafbar seien. Insbesondere hätten die Bürgerinnen
und Bürger keine Möglichkeit, die Übermittlung der Wahl-
briefe durch die Post und ihre Aufbewahrung in den Kom-
munen zu kontrollieren. Als Beleg führt der Einspruchsfüh-
rer an, dass in Berlin-Pankow circa 800 Wahlbriefe erst zwei
Tage nach dem Wahlsonntag bei der Post gefunden worden
seien, die deshalb nicht in das Wahlergebnis eingeflossen
seien. Aus einem Vergleich des Europawahlergebnisses
2004 in Berlin-Pankow und bundesweit leitet der Ein-
spruchsführer ab, dass das Unterschlagen von 800 Stimmen
in Pankow „einen stark positiven Effekt für die CDU und
einen negativen für Grüne und Linke hätte“. Ob die Um-
schläge tatsächlich nur vergessen oder absichtlich von einem
Postmitarbeiter unterschlagen worden seien, lasse sich aller-
dings praktisch nicht beweisen. Da das Erstatten einer An-
zeige reine Zeitverschwendung sei, sei diese Art von Wahl-
betrug ziemlich risikolos.

Der Einspruchsführer behauptet weiter, dass kommunale
Mitarbeiter mit Zugang zu den eingegangenen Briefwahlun-
terlagen eine „ähnliche Möglichkeit zur Vernichtung von
Stimmen wie Postmitarbeiter“ hätten. § 67 EuWO definiere
nur, dass Wahlbriefe unter Verschluss zu halten seien. Wie si-
cher dies jeweils gehandhabt werde, sei Sache der Gemeinde
und ein ungestörter Zugang einzelner Mitarbeiter vermutlich
die Regel. Auch Mitarbeiter in den Poststellen der Gemein-
den hätten Gelegenheit zur Unterschlagung.

Der Einspruchsführer ist zudem der Auffassung, dass sich
auch im Haushalt von Briefwählerinnen und Briefwählern
vielfache Möglichkeiten zur Stimmenvernichtung durch
Nichtabsendung oder Manipulation von Wahlunterlagen
böten. Schon die Beantragung von Briefwahlunterlagen, die
in vielen Kommunen elektronisch möglich sei, sei nicht aus-
reichend gesichert. Zudem könnten unausgefüllte Brief-
wahlunterlagen straffrei verschenkt werden.

Das Bundesministerium des Innern ist hingegen der Ansicht,
es könne gegen die Zulässigkeit der Briefwahl nicht einge-
wandt werden, dass sie wegen nicht aufdeckbarer und daher
in unbekanntem Umfang stattfindender Wahlbehinderung
sowie Stimmenvernichtung und -fälschung die freie und ge-
heime Wahl verletze. Es sei seit jeher unbestritten, dass das
Wahlgeheimnis und die Freiheit der Wahl bei der Briefwahl
nicht in gleicher Weise wie bei der Urnenwahl geschützt sei
Altenwohnheime, Pflegeheime, Erholungsheime sowie der
gesteigerte Einsatz von beweglichen Wahlvorständen, die

und geschützt werden könnten. Das Bundesverfassungsge-
richt habe diesen Umstand seinen Entscheidungen zur Ver-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 63 – Drucksache 17/2200

fassungsmäßigkeit der Briefwahl stets zugrunde gelegt.
Nach seiner Auffassung sei jedoch mit der Intention des Ge-
setzgebers, nach Möglichkeit allen Wahlberechtigten durch
die Briefwahl eine Teilnahme an der Wahl zu eröffnen, ein
verfassungsrechtlich legitimes Ziel verbunden. Es sei daher
frei von verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn der Gesetz-
geber dem Gesichtspunkt einer möglichst umfassenden
Wahlbeteiligung ein besonderes Gewicht beimesse und da-
mit zugleich die Wahrung der Freiheit der Wahl und das
Wahlgeheimnis in weiterem Umfang als bei der Stimmabga-
be im Wahllokal dem Wähler anvertraue. Diesem werde es
jedoch in aller Regel keine Schwierigkeiten bereiten, selbst
für die Wahrung der Wahlfreiheit und des Wahlgeheimnisses
Sorge zu tragen. Soweit der Wähler dies im Einzelfall nicht
für möglich halte, könne er von einer Teilnahme an der
Briefwahl absehen. Verstöße gegen die Freiheit und Geheim-
heit der Wahl im Einzelfall seien zwar nicht auszuschließen;
sie stellten aber nicht die Verfassungsmäßigkeit der Brief-
wahl als solche in Frage. Entsprechendes gelte für denkbare
Möglichkeiten der Stimmenvernichtung oder -fälschung im
häuslichen Bereich beim Ausfüllen des Stimmzettels und
Absenden des Wahlbriefs, im postalischen Bereich beim
Versand der Wahlbriefe an die zuständigen Wahlorgane bzw.
-behörden oder im Bereich der Wahlorgane bzw. -behörden
bei der Sammlung der Wahlbriefe. Im Übrigen seien die ge-
setzlichen und verordnungsrechtlichen Wahlbestimmungen
einschließlich der strafrechtlichen Vorschriften zur Wahrung
der Freiheit der Wahl und des Wahlgeheimnisses sowie zur
Wahrung des Brief- und Postgeheimnisses ausreichend, um
den Schutz der Freiheit der Wahl und das Wahlgeheimnis zu
garantieren.

Der Einspruchsführer gibt hierzu zu bedenken, dass, soweit
die Wählerinnen und Wähler hinsichtlich der Einhaltung der
Wahlgrundsätze bei der Briefwahl in die Pflicht genommen
würden, diese ihren persönlichen Bereich kontrollieren
könnten, auf den Postweg und die Aufbewahrung bei den
Kommunen aber keinerlei Einfluss hätten.

III.

Der Einspruchsführer macht außerdem geltend, dass wegen
einer unbekannten Anzahl an gefälschten Briefwahlunterla-
gen die Gleichheit der Wahl gefährdet sei. Eine Fälschung
von Briefwahlstimmen sei leicht möglich, da beim Öffnen
der Briefwahlumschläge keine Kontrolle stattfinde, ob ein
Wähler im Wählerverzeichnis eingetragen sei.

Das Bundesministerium des Innern erklärt hierzu, der Ge-
setz- bzw. Verordnungsgeber habe nicht zu gewährleisten,
dass beim Öffnen der Wahlbriefumschläge ein Abgleich mit
dem Wählerverzeichnis stattfinde. Per Briefwahl könne ge-
mäß § 36 Absatz 1 Satz 1 Buchstabe b BWG i. V. m. § 4
EuWG nur wählen, wer einen Wahlschein besitze. Neben
dem verschlossenen Stimmzettelumschlag sei vom Wähler
bei der Briefwahl auch der Wahlschein im verschlossenen
Wahlbriefumschlag zu übersenden. Der Wahlschein trete al-
so an die Stelle der Eintragung in das Wählerverzeichnis als
formelle Voraussetzung der Stimmabgabe. Deshalb könne
gemäß § 59 Absatz 1, § 49 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2, den
§§ 52 sowie 68 Absatz 1 und 2 EuWO nach Erteilung des
Wahlscheines auch nur noch auf Grund des Wahlscheines
gewählt werden. Dies werde durch einen besonderen Sperr-

Ersetzung eines verlorenen Wahlscheines grundsätzlich
nicht in Betracht (§ 27 Absatz 10 Satz 1 EuWO), worauf der
Wähler auch ausdrücklich hingewiesen werde. Bei der Zu-
lassung der Wahlbriefe vor Ermittlung und Feststellung des
Briefwahlergebnisses habe der Briefwahlvorstand den Wahl-
brief zu entnehmen und auf seine Gültigkeit, auch durch Ab-
gleich mit dem Verzeichnis der für ungültig erklärten Wahl-
scheine, zu überprüfen (§ 68 Absatz 1 Satz 2 EuWO). Liege
dem Wahlbriefumschlag kein Wahlschein bei, sei der Wahl-
brief nach § 39 Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 BWG i. V. m. § 4
EuWG zurückzuweisen; eine solche Stimme gelte als nicht
abgegeben (§ 39 Absatz 4 Satz 2 BWG i. V. m. § 4 EuWG).
Vor diesem Hintergrund könnten nur Wähler ihre Stimme
per Briefwahl abgeben, deren Wahlberechtigung bereits bei
der Ausstellung des Wahlscheines geprüft worden sei und
die sich bei der Stimmabgabe durch die Beifügung des Wahl-
scheines legitimierten. Ein erneuter Abgleich mit dem Wäh-
lerverzeichnis beim Öffnen der Wahlbriefumschläge sei da-
her nicht erforderlich.

In seiner Erwiderung wiederholt der Einspruchsführer seine
Auffassung, dass es ohne einen Abgleich der Wahlscheine
mit dem Wählerverzeichnis möglich sei, eine große Anzahl
gefälschter Briefwahlstimmen abzugeben, da die Wahlschei-
ne keine fälschungssicheren Merkmale besäßen und die Un-
terschrift nur auf ihr Vorhandensein kontrolliert werde, und
erläutert drei mögliche Betrugsmethoden, die durch einen
Abgleich der Wahlscheine mit dem Wählerverzeichnis leicht
verhindert werden könnten.

IV.

Schließlich meint der Einspruchsführer, dass die Allgemein-
heit der Wahl dadurch gefährdet sei, dass bei der Briefwahl
ein höherer Prozentsatz an ungewollt ungültigen Stimmen
anfalle als bei der Urnenwahl. Zwar sei es bei beiden Wahl-
methoden möglich, durch einen unklar markierten Stimm-
zettel unabsichtlich eine ungültige Stimme abzugeben. Alle
anderen Arten unabsichtlich ungültiger Stimmen könnten
hingegen ausschließlich bei der Briefwahl anfallen. So wür-
den, insbesondere wenn mehrere Wahlen gleichzeitig statt-
fänden, häufig Unterlagen in die falschen Umschläge ge-
steckt, Umschläge nicht verschlossen oder die Unterschriften
vergessen. Zudem sei die Anleitung für die Briefwahl den
Briefwahlunterlagen nur in deutscher Sprache beigelegt wor-
den, obwohl bei der Europawahl auch EU-Ausländer wahlbe-
rechtigt gewesen seien. Der Anteil der ungültigen Stimmen
bei der Europawahl 2009 habe 2,2 Prozent betragen.

Das Bundesministerium des Innern führt aus, dass sich auch
aus dem Umstand, dass bei der Briefwahl die Gefahr unge-
wollt ungültiger Stimmabgaben größer sein könnte als bei
der Urnenwahl, keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit
der Briefwahl begründen ließen. Der Wähler erhalte mit sei-
nen Briefwahlunterlagen für die Europawahl ein ausführ-
liches Merkblatt nach dem Muster der Anlage 11 zur EuWO,
welche Regularien einzuhalten seien. Die einzelnen Schritte
der Briefwahl seien auf der Rückseite des Merkblatts auch
bildhaft dargestellt. Darüber hinaus seien die wesentlichen
Verhaltensregeln nach den Anlagen 9 und 10 zur EuWO
ebenfalls auf der Rückseite des Stimmzettels- sowie des
Wahlbriefumschlags aufgedruckt. Briefwahlunterlagen zu
anderen Wahlen, etwa gleichzeitig stattfindende Landtags-
vermerk im Wählerverzeichnis nach § 29 EuWO sicherge-
stellt. Zur Vermeidung doppelter Stimmabgaben komme die

oder Kommunalwahlen, enthielten gemeinhin entsprechen-
de Hinweise für den Wähler. Dem Wähler stünden damit

Drucksache 17/2200 – 64 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

hinreichend Informationen zur Verfügung, so dass er in sei-
ner häuslichen Umgebung in Ruhe die einzelnen Handlungs-
schritte für jeden Wahlakt nachvollziehen könne, auch wenn
Stimmabgaben für mehrere Wahlen gleichzeitig anstünden.

Im Übrigen sei bei der Briefwahl die Gefahr ungewollt ungül-
tiger Stimmabgaben keineswegs erhöht: Bei der Europawahl
2004 seien 2,8 Prozent aller Stimmen ungültig gewesen. Es
hätten jedoch nur 1,8 Prozent der Briefwähler ungültig ge-
wählt, während 3,0 Prozent der Urnenwähler ungültige Stim-
men abgegeben hätten, obwohl in einigen Ländern am selben
Tag weitere Wahlen durchgeführt worden seien.

Auch der Umstand, dass wahlberechtigten ausländischen
Unionsbürgern nur die deutsche Fassung der Briefwahlun-
terlagen zur Verfügung stünde, könne keine verfassungs-
rechtlichen Bedenken begründen. Abgesehen davon, dass
die Richtlinie 93/109/EG des Rates vom 6. Dezember 1993,
auf die sich das aktive und passive Wahlrecht ausländischer
Unionsbürger bei Europawahlen im jeweiligen Wohnsitz-
mitgliedstaat gründe, keine entsprechenden Übersetzungs-
erfordernisse vorschreibe und die Amtssprache in der
Bundesrepublik Deutschland Deutsch sei, also auch die
Wahlunterlagen in der deutschen Sprache abzufassen seien,
seien die wesentlichen Schritte der Briefwahl auf dem bei-
gefügten Merkblatt zusätzlich bildlich dargestellt. Selbst
wenn im Einzelfall Fragen offen bleiben sollten, habe der
ausländische Unionsbürger wie jeder andere Wahlberechtig-
te ausreichend Zeit, sich an die Wahlorgane zu wenden.
Außerdem könnten Übersetzungen in die jeweilige Landes-
sprache des ausländischen Unionsbürgers nicht immer ziel-
gerecht erfolgen. So gebe es in einigen Mitgliedstaaten der
Europäischen Union mehrere Amtssprachen (z. B. in Bel-
gien), ohne dass für die Gemeinden mit vertretbarem Auf-
wand zu ermitteln wäre, welche der Amtssprachen die Per-
son als Muttersprache spreche. Unionsbürger der zweiten
Generation dürften ohnehin der deutschen Sprache mächtig
sein, auch wenn sie bisher nicht die deutsche Staatsangehö-
rigkeit angenommen haben sollten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags des Ein-
spruchsführers und des Bundesministeriums des Innern wird
auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Der Wahlprüfungsausschuss hat die Niederschrift über die
2. Sitzung des Bundeswahlausschusses am 30. Juni 2009 für
die Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland am 7. Juni 2009 beige-
zogen, in der unter 2.1.3 dargestellt wird, dass dem Bezirks-
amt Pankow in Berlin am 10. Juni 2009 durch die Deutsche
Post AG 32 Wahlbriefe mit Poststempel vom 4. Juni 2009
und 793 Wahlbriefe mit dem Poststempel vom 5. Juni 2009
übergeben wurden. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf
den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

I.

Indem der Einspruchsführer geltend macht, die Abschaffung
des Erfordernisses, bei Beantragung der Briefwahl die Hin-

grundsätze, wendet er sich gegen die Verfassungsmäßigkeit
der dieser Abschaffung zugrundeliegenden Rechtsvorschrif-
ten, nämlich Artikel 1 Nummer 6 des Gesetzes zur Änderung
des Wahl- und Abgeordnetenrechts vom 17. März 2008
(BGBl. I S. 394 f.) sowie Artikel 2 Nummer 7 und 8 der
Zweiten Verordnung zur Änderung der Bundeswahlordnung
und der Europawahlordnung vom 3. Dezember 2008
(BGBl. I S. 2378, 2384). Diesbezüglich ist zunächst darauf
aufmerksam zu machen, dass der Wahlprüfungsausschuss
und der Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines
Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit von
Wahlrechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige
Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehal-
ten (vgl. nur Bundestagsdrucksache 16/1800, Anlagen 26
bis 28 mit weiteren Nachweisen).

Davon abgesehen besteht kein Anlass, an der Verfassungsmä-
ßigkeit der durch die genannten Vorschriften geänderten § 17
Absatz 2 BWG sowie § 24 Absatz 1 und § 26 Absatz 2
EuWO zu zweifeln, wie auch das Bundesministerium des In-
nern zutreffend feststellt. Die Neuregelung, die für Bundes-
tags- und Europawahlen die Erteilung eines Wahlscheins auf
Antrag ohne die Angabe und Glaubhaftmachung von Hinde-
rungsgründen erlaubt, vereinfacht das Antragsverfahren für
die Briefwahl und ermöglicht auch denjenigen Wählern die
Teilnahme an der Wahl, die sich bisher mangels ausreichen-
der Gründe gehindert sahen, einen Wahlschein zu beantragen.

Damit trägt der Verzicht dem Grundsatz der Allgemeinheit
der Wahl, der besagt, dass grundsätzlich alle Staatsbürger an
der Wahl teilnehmen können sollen (BVerfGE 59, 119, 125),
in erhöhtem Maße Rechnung (vgl. Begründung des Gesetz-
entwurfs, Bundestagsdrucksache 16/7461, Seite 17).

Im Gesetzgebungsverfahren ist durchaus gesehen worden,
dass möglicherweise zugleich die Wahrung der Freiheit der
Wahl und des Wahlgeheimnisses in größerem Umfang als
bisher den Wählerinnen und Wählern anvertraut wird. Durch
die Beibehaltung des Antragserfordernisses hat der Gesetz-
geber jedoch sichergestellt, dass der Ausnahmecharakter der
Briefwahl gewahrt bleibt und weiterhin nach außen verdeut-
licht wird (s. Bundestagsdrucksache 16/7461, Seite 17).

Der vom Bundesministerium des Innern erwähnte Anstieg
des Anteils der Briefwähler von 15,5 Prozent bei der Europa-
wahl 2004 auf 18,4 Prozent bei der Europawahl 2009 dürfte
nach allgemeiner Lebenserfahrung eher einem wachsenden
gesellschaftlichen Bedürfnis als dem Wegfall des Begrün-
dungserfordernisses geschuldet sein. Die Tatsache, dass dem-
zufolge 81,6 Prozent der Wählerinnen und Wähler ihre Stim-
me am Wahltag im Wahllokal abgegeben haben, zeigt jedoch
im Umkehrschluss auch, dass – anders als offenbar vom Ein-
spruchsführer vermutet – die große Mehrheit der Wählerin-
nen und Wähler die Wahl im Wahllokal auch nach Wegfall
des Begründungserfordernisses der Briefwahl vorzieht.

Auch das Bundesverfassungsgericht hat bisher keinen An-
lass gesehen, verfassungsrechtlich zu beanstanden, dass der
Gesetzgeber mit der Briefwahl dem Ziel, eine möglichst um-
fassende Wahlbeteiligung zu erreichen, ein besonderes Ge-
wicht beigemessen und damit zugleich die Wahrung der
Freiheit der Wahl und des Wahlgeheimnisses in weiterem
Umfang als bei der Stimmabgabe im Wahllokal dem Wähler
anvertraut hat (BVerfGE 21, 200, 204; 59, 119, 225). Gerade
derungsgründe für die Teilnahme an der Urnenwahl anzuge-
ben und glaubhaft zu machen, verletze mehrere Wahlrechts-

in dem vom Einspruchsführer zitierten Urteil zu elektroni-
schen Wahlgeräten (BVerfGE 123, 39) hat das Bundesver-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 65 – Drucksache 17/2200

fassungsgericht zudem erneut bestätigt, dass der Gesetzge-
ber in begrenztem Umfang Ausnahmen vom Grundsatz der
Öffentlichkeit der Wahl zulassen kann, um anderen verfas-
sungsrechtlichen Belangen, insbesondere den geschriebenen
Wahlrechtsgrundsätzen aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des
Grundgesetzes (GG), Geltung zu verschaffen. Dabei hat es
ausdrücklich festgestellt, dass sich Beschränkungen der
öffentlichen Kontrolle der Stimmabgabe bei der Briefwahl
mit dem Ziel begründen ließen, eine möglichst umfassende
Wahlbeteiligung zu erreichen und damit dem Grundsatz der
Allgemeinheit der Wahl Rechnung zu tragen (BVerfGE 123,
39, 75). Das Bundesverfassungsgericht würde einer Ent-
scheidung des Gesetzgebers nur entgegentreten, wenn sie
mit einer übermäßigen Einschränkung oder Gefährdung der
Grundsätze der unmittelbaren, freien, gleichen und gehei-
men Wahl verbunden wäre (vgl. BVerfGE 59, 119, 225).
Nach Überzeugung des Wahlprüfungsausschusses ist dies
bei der vorliegend angegriffenen Vereinfachung der Brief-
wahlbeantragung nicht der Fall.

II.

Auch soweit der Einspruchsführer geltend macht, die
Gleichheit und Allgemeinheit der Wahl seien bei der Brief-
wahl dadurch gefährdet, dass Wahlbehinderungen und Stim-
menvernichtungen kaum entdeckt werden könnten und teil-
weise nicht strafbar seien, vermag der Deutsche Bundestag
einen Wahlfehler nicht festzustellen.

Der Einspruchsführer trägt keine konkreten Tatsachen vor,
die auf einen Verstoß gegen Vorschriften für die Vorberei-
tung oder Durchführung der Wahl hinweisen.

Soweit er beispielhaft anführt, in Berlin-Pankow seien Wahl-
briefe erst zwei Tage nach der Wahl bei der Post gefunden
worden, trifft dies ausweislich der vom Wahlprüfungsaus-
schuss beigezogenen Niederschrift über die 2. Sitzung des
Bundeswahlausschusses am 30. Juni 2009 zwar zu. Für die
im Vortrag des Einspruchsführers anklingende Vermutung,
die Briefe seien von einem Mitarbeiter der Deutschen Post
AG absichtlich zurückgehalten worden, bestehen jedoch kei-
ne Anhaltspunkte. Laut Sitzungsniederschrift des Bundes-
wahlausschusses trugen diese Wahlbriefe Poststempel vom
4. und 5. Juni 2009, waren also von den Absendern äußerst
kurzfristig vor dem Wahlsonntag der Deutschen Post AG
übergeben worden. Diese hat ausweislich der Niederschrift in
einer Stellungnahme gegenüber dem Landeswahlleiter für
Berlin mitgeteilt, dass in dem betreffenden Arbeitsbereich
kurzfristig ein Vertreter eingesetzt worden sei, der offensicht-
lich nicht ausreichend über die besondere Weiterleitung die-
ser Sendungen informiert gewesen sei. Die Deutsche Post
AG hat zugesagt, mit besonderem Nachdruck dafür Sorge zu
tragen, dass sich Vergleichbares nicht wiederhole.

Ein Wahlfehler ist hierin nicht zu sehen. Denn nach ständiger
Entscheidungspraxis des Deutschen Bundestages und der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts können
Wahlfehler in erster Linie den amtlichen Wahlorganen ge-
mäß § 5 EuWG unterlaufen. Dritte können Wahlfehler inso-
weit begehen, als sie unter Bindung an wahlgesetzliche An-
forderungen kraft Gesetzes Aufgaben bei der Organisation
der Wahl erfüllen (vgl. Bundestagsdrucksachen 17/1000,
Anlage 3, 14/2761, Anlagen 24 und 27; BVerfGE 89, 243,

Kandidaten, mit Mitteln des Zwangs oder Drucks die Wahl-
entscheidung beeinflussen oder in ähnlich schwerwiegender
Art und Weise auf die Wählerwillensbildung einwirken
(BVerfGE 103, 111, 132 f.; BVerfGE 122, 304, 314). Bei der
Deutschen Post AG handelt sich um eine juristische Person
des Privatrechts, die weder ein amtliches Wahlorgan im
Sinne von § 5 EuWG ist noch kraft Gesetzes Aufgaben bei
der Vorbereitung und Durchführung der Wahl erfüllt
(vgl. Bundestagsdrucksachen 17/1000, Anlage 3, 16/3600,
Anlage 18). Sie ist vielmehr gemäß § 4 EuWG in Verbin-
dung mit § 36 Absatz 4 BWG als Postdienstleister mit dem
für die Wähler unentgeltlichen Transport der Wahlbriefe be-
auftragt und amtlich bekannt gemacht worden (vgl. Bundes-
anzeiger vom 29. April 2009, S. 1551). Anhaltspunkte für
wahlrechtlich relevante Fehler bestehen in diesem Zusam-
menhang nicht. Darüber, ob die verspätete Bearbeitung von
Wahlbriefen durch einen einzelnen, offenbar kurzfristig ver-
tretungshalber eingesetzten und unzureichend informierten
Mitarbeiter der Deutschen Post AG möglicherweise eine
Vertragsverletzung darstellt, hat der Wahlprüfungsausschuss
nicht zu befinden. Ein derartiges offenkundig vorsatzloses
Versäumnis eines privaten Arbeitnehmers kann jedenfalls
nicht mit der vom Bundesverfassungsgericht angesproche-
nen Manipulation des Wählerwillens durch erhebliche Ver-
letzungen der Freiheit oder Gleichheit der Wahl gleichge-
setzt werden. Auch wenn hier kein Wahlfehler vorliegt,
erwartet der Wahlprüfungsausschuss von allen an der Orga-
nisation und Durchführung der Briefwahl Beteiligten, dass
sie sicherstellen, dass solche Vorfälle sich bei künftigen
Wahlen nicht wiederholen.

Sonstige konkrete Anhaltspunkte für tatsächliche Verstöße
gegen Wahlrechtsgrundsätze trägt der Einspruchsführer in
diesem Zusammenhang nicht vor. Zwar insinuiert er, kom-
munale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Zugang zu den
Wahlbriefen könnten in erheblichem Ausmaß Wahlbriefe
unterschlagen. Träfe dies zu, würde möglicherweise ein
Wahlfehler vorliegen. Der Einspruchsführer äußert hier je-
doch lediglich allgemeine Vermutungen und Verdächtigun-
gen, für deren Richtigkeit keinerlei Anhaltspunkte bestehen.
Damit der Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahl-
fehler nachgehen – oder gar sein Vorliegen feststellen –
kann, reicht es jedoch nicht aus, dass dargelegt wird, dass die
Gefahr von Wahlfehlern bestehen könnte. Vielmehr muss
unter Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tat-
sachen dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch reali-
siert hat, das heißt, dass ein Wahlfehler nicht nur möglich
war, sondern auch aufgetreten ist. Dies folgt daraus, dass ge-
mäß § 2 Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die ge-
mäß § 26 Absatz 2 EuWG auch für die Prüfung der Wahl der
Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundes-
republik Deutschland gelten, die Wahlprüfung nicht von
Amts wegen, sondern nur auf Einspruch, der zu begründen
ist, erfolgt (vgl. Bundestagsdrucksache 16/1800, Anlage 26
m. w. N.). Da aber nur tatsächliche Wahlfehler die Gültigkeit
der Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der Be-
gründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr
von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst dann, wenn
die Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder
gar unmöglich ist (vgl. Bundestagsdrucksache 16/1800,
Anlage 26; BVerfGE 66, 369, 379). Andererseits besteht für
251). Zudem kann eine unzulässige Wahlbeeinflussung vor-
liegen, wenn Dritte, beispielsweise Parteien oder einzelne

den Wahlprüfungsausschuss weder eine Verpflichtung noch
eine tatsächliche Möglichkeit, bloß vermuteten Wahlfehlern

Drucksache 17/2200 – 66 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
durch umfangreiche Ermittlungen und Erhebungen selbst
nachzugehen.

Auch der Vortrag des Einspruchsführers hinsichtlich ver-
schiedener Möglichkeiten, wie innerhalb eines Haushalts
Briefwahlunterlagen vernichtet oder manipuliert werden
könnten, geht nicht über Mutmaßungen hinaus und lässt in
keiner Beziehung das Vorliegen von tatsächlichen Verstößen
gegen Vorschriften zur Vorbereitung oder Durchführung der
Wahl erkennen.

III.

Soweit der Einspruchsführer der Ansicht ist, die Gleichheit
der Wahl sei durch eine „unbekannten Anzahl an gefälschten
Briefwahlunterlagen“ gefährdet, die dadurch zustände kä-
men, dass beim Öffnen der Briefwahlumschläge nicht kon-
trolliert werde, ob der Wähler im Wählerverzeichnis einge-
tragen sei, trägt er ebenfalls keine konkreten Tatsachen
hinsichtlich tatsächlicher Fälschungen vor, sondern äußert
lediglich Vermutungen.

Festzustellen ist zudem, dass ein derartiger Abgleich der
Briefwähler mit dem Wählerverzeichnis beim Öffnen der
Briefwahlumschläge von den Wahlrechtsvorschriften nicht
vorgesehen ist. Denn, wie das Bundesministerium des Innern
zutreffend darlegt, tritt hier der Wahlschein als formelle
Voraussetzung der Stimmabgabe an die Stelle des Eintrags in
das Wählerverzeichnis. Dieser wird gemäß § 24 EuWO auf
Antrag erteilt und mit den übrigen Briefwahlunterlagen ge-
mäß § 27 Absatz 3 EuWO an den Wahlberechtigten über-
sandt. Nach Erteilung des Wahlscheins wird im Wählerver-
zeichnis ein Sperrvermerk eingetragen (§ 29 EuWO). Der
Wahlberechtigte kann dann nur noch auf Grund des Wahl-
scheins wählen, ob im Weg der Briefwahl (§ 59 Absatz 1
EuWO) oder im Wahlraum (§ 52 EuWO).

Bei der Zulassung des Wahlbriefs vor Ermittlung und Fest-
stellung des Briefwahlergebnisses hat der Briefwahlvorstand
den Wahlschein zu entnehmen und auf seine Gültigkeit zu
überprüfen (§ 68 EuWO). Liegt einem Wahlbrief kein Wahl-
schein bei, so ist er zurückzuweisen und die Stimme gilt als
nicht abgegeben (§ 39 Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und Satz 2
BWG in Verbindung mit § 4 EuWG). Bei Fälschungen
kommt zudem eine Strafbarkeit gemäß den §§ 107a und
267 ff. StGB in Betracht (vgl. Schreiber, Kommentar zum
BWG, 8. Aufl., 2009, § 17 Rn. 16). Durch diese Regelungen
ist aus Sicht des Wahlprüfungsausschusses ausreichend si-
chergestellt, dass bei der Briefwahl nur Wähler ihre Stimme
abgeben, deren Wahlberechtigung bei der Ausstellung des
Wahlscheines geprüft worden ist und die sich bei der Stimm-
abgabe durch die Beifügung des Wahlscheines legitimieren.

IV.

Auch soweit der Einspruchsführer meint, die Allgemeinheit
der Wahl sei durch einen höheren Prozentsatz an ungewollt
ungültigen Stimmen bei der Briefwahl gegenüber der Urnen-
wahl gefährdet, beinhaltet sein Vortrag keine substantiierte
Darlegung von konkreten Tatsachen, die der Überprüfung auf
Vorliegen eines Wahlfehlers zugänglich wären. Aus Sicht des
Wahlprüfungsausschusses entbehrt diese Vermutung zudem
der Tatsachengrundlage, da, wie das Bundesministerium des

der Europawahl 2004 bei den Briefwählern nur 1,8 Prozent
betragen hat, während immerhin 3,0 Prozent der Urnenwäh-
ler ungültige Stimmen abgegeben haben. Die in den Wahlvor-
schriften vorgesehenen und vom Bundesministerium des In-
nern in seiner Stellungnahme dargestellten Erläuterungen
und Hinweise zur Briefwahl, die jeder Briefwähler mit seinen
Unterlagen erhält, genügen aus Sicht des Wahlprüfungsaus-
schusses vollkommen, um das Risiko ungewollt ungültiger
Stimmen soweit wie möglich zu reduzieren.

V.

Soweit der Einspruchsführer aus den von ihm genannten
Gefahren – deren Verwirklichung er allerdings, wie oben
(II. – IV.) dargestellt, nicht substantiiert vorträgt – die Ver-
fassungswidrigkeit der rechtlichen Regelungen der Brief-
wahl ableiten möchte, ist zunächst erneut darauf hinzuwei-
sen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Bundestag im
Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungs-
mäßigkeit von Wahlrechtsvorschriften nicht überprüfen
(s. oben unter I.).

Für verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Ausge-
staltung der Briefwahl besteht zudem kein Anlass.

Das Bundesverfassungsgericht hat – worauf das Bundesmi-
nisterium des Innern zutreffend hinweist – bereits mehrfach
ausdrücklich die Verfassungsmäßigkeit der Briefwahl, na-
mentlich ihre Vereinbarkeit mit den Grundsätzen der freien
und geheimen Wahl, bestätigt (BVerfGE 21, 200, 24 ff.; 59,
119, 125 ff.). Die Erwägungen in den Entscheidungen von
1967 und 1981 treffen in Begründung und Ergebnis nach wie
vor zu. Wie vom Bundesverfassungsgericht betont, über-
schreitet die Einführung der Briefwahl nicht den in Wahl-
rechtsfragen vorhandenen gesetzgeberischen Spielraum. Ins-
besondere hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich
nicht beanstandet, dass die Regelungen der Briefwahl es weit-
gehend dem Wahlberechtigten überlassen, in seinem Bereich
selbst für die Wahrung des Wahlgeheimnisses und der Wahl-
freiheit Sorge zu tragen, und ausgeführt, dass ihm dies in aller
Regel keine Schwierigkeiten bereiten werde. Es hat darauf
hingewiesen, dass der Wahlberechtigte, wenn er es im Einzel-
fall nicht für möglich halte, das Wahlgeheimnis und seine
Entschließungsfreiheit zu wahren, davon absehen könne, sich
die Briefwahlunterlagen zu beschaffen oder zu benutzen und,
wenn ihm die Umstände ausnahmsweise keine andere Wahl
lassen, sich – wie das auch vor der Einführung der Briefwahl
der Fall gewesen sei – gezwungen sehen könne, auf die
Stimmabgabe zu verzichten (BVerfGE 59, 119, 126 f.).

Zwar trifft den Gesetz- und Verordnungsgeber nach Auffas-
sung des Bundesverfassungsgerichts die Pflicht, die bisheri-
ge Regelung und Handhabung der Briefwahl ständig in
Anbetracht neu auftretender Entwicklungen, die unvorher-
gesehene Gefahren für die Integrität der Wahl mit sich brin-
gen können, zu überprüfen und dabei zutage tretenden Miss-
bräuchen, die geeignet sein können, die Freiheit der Wahl
oder das Wahlgeheimnis mehr als unumgänglich zu gefähr-
den, entgegen zu treten (BVerfGE 59, 119, 127). Die vom
Einspruchsführer geäußerten Vermutungen betreffen jedoch
keine neuen Entwicklungen und lassen, da sie unbelegt blei-
ben, auch nicht auf unvorhergesehene Gefahren für die Inte-
grität der Wahl schließen, so dass diese Prüfungspflicht vom
Innern dargelegt hat, der Anteil der ungültigen Stimmen bei Gesetzgeber nicht verletzt worden ist.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 67 – Drucksache 17/2200

des Europäischen Parlaments bilden. Union mache und das Europäische Parlament der Ernennung
des Präsidenten und der übrigen Mitglieder der Kommission
15/4750, Anlagen 20 bis 22), weiterhin aktuell sei. tigt, das es bei seiner Entscheidung im Jahr 1979 zur Recht-
Der Einspruchsführer trägt weiter vor, dass bei der Europa-
wahl mehr als zehn Prozent der Wähler eine andere als die
„üblichen Parteien“ gewählt hätten. Durch die Fünf-Prozent-
Sperrklausel werde der Wille dieser großen Anzahl von
Wählern nicht mehr im Europäischen Parlament abgebildet.
Dies widerspreche dem Grundsatz der Gleichheit der Wahl.

Zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel in § 2 Absatz 7 des Europawahlgesetzes
(EuWG) hat das Bundesministerium des Innern Stellung
genommen und mitgeteilt, dass aus seiner Sicht die anlässlich
von Entscheidungen über Einsprüche gegen die 6. Direktwahl
des Europäischen Parlaments im Jahr 2004 vertretene Rechts-
auffassung des Wahlprüfungsausschusses, die Fünf-Prozent-
Sperrklausel im Europawahlgesetz sei verfassungsrechtlich
zulässig (Bundestagsdrucksachen 15/4250, Anlage 18 und

zustimmen müsse (Artikel 214 Absatz 2 Satz 1 EGV) sowie
die Kommission durch ein Misstrauensvotum zum Rücktritt
zwingen könne (Artikel 201 EGV). Über die vom Bundes-
verfassungsgericht genannten Kriterien hinaus sei noch
anzumerken, dass die Abgeordneten des Europäischen Par-
laments Immunität genössen (Artikel 6 Absatz 2 des Direkt-
wahlakts), wie auch die Abgeordneten des Deutschen Bun-
destages (Artikel 46 GG) und der Landtage, den Mitgliedern
kommunaler Volksvertretungen dieses Recht jedoch nicht
zustehe.
Das Bundesverfassungsgericht habe in dieser Entscheidung
zudem darauf hingewiesen, dass bei Differenzierungen der
Wahlrechtsgleichheit wie einer Fünf-Prozent-Klausel auch
auf die Eingriffsintensität abgestellt werden müsse
(BVerfGE 120, 82, 107). Es habe damit ein Argument bestä-
Anlage 17

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn M. B., 52372 Kreuzau
– Az.: EuWP 41/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 7. Juni 2009
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 10. Juni 2010 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 4. August 2009, das beim Wahlprüfungs-
ausschuss am 5. August 2009 eingegangen ist, hat der Ein-
spruchsführer gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordne-
ten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland am 7. Juni 2009 Einspruch eingelegt.

Mit seinem Einspruch macht der Einspruchsführer geltend,
die für die Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parla-
ments aus der Bundesrepublik Deutschland geltende Fünf-
Prozent-Sperrklausel verstoße gegen das Grundgesetz (GG).

Sie habe bei der Europawahl, anders als bei der Bundestags-
wahl, keinen Sinn und sei daher wegen des Prinzips der
Gleichheit nicht anzuwenden. Denn im Europäischen Parla-
ment müsse keine stabile Mehrheit vorhanden sein, um eine
Regierung zu bilden. Auch strukturell sei das Europäische
Parlament nicht mit dem Bundestag vergleichbar. Hier bilde-
ten zur Zeit 160 verschiedenen Parteien insgesamt sieben
Fraktionen. Weitere Parteien aus der Bundesrepublik
Deutschland würden sich jeweils einer dieser Fraktionen an-
schließen und daher kein Problem für die Arbeitsfähigkeit

Aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur
Fünf-Prozent-Klausel bei Kommunalwahlen in Schleswig-
Holstein vom 13. Februar 2008 ergebe sich keine andere
Sichtweise. Das Bundesverfassungsgericht habe in dem Ur-
teil unter Hinweis auf frühere Entscheidungen festgestellt,
dass es sich bei Gemeindevertretungen und Kreistagen nicht
um Parlamente im Rechtssinn handele. Zur Begründung sei
angeführt worden, dass ihnen in erster Linie verwaltende
Tätigkeiten anvertraut seien, ihnen keine Gesetzgebungs-
funktion zustünde, sie keine Regierung oder ein vergleich-
bares Gremium wählten und ihre Entscheidungen der Rechts-
aufsicht unterlägen (BVerfGE 120, 82, 120). All dies treffe
für das Europäische Parlament, auch in einem entsprechen-
den Sinne, nicht zu. Hier könne auf die vom Wahlprüfungs-
ausschuss bereits gemachten Ausführungen zu den Befug-
nissen des Europäischen Parlaments verwiesen werden,
wobei insbesondere hervorzuheben sei, dass das Mitent-
scheidungsverfahren gemäß Artikel 251 des EG-Vertrages
(EGV) das Europäische Parlament in den meisten Bereichen
der gemeinschaftsrechtlichen Rechtsetzung neben dem Rat
zum gleichberechtigten Gesetzgeber der Europäischen

Drucksache 17/2200 – 68 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

fertigung der Fünf-Prozent-Klausel bei Europawahlen ange-
führt habe. Damals habe das Bundesverfassungsgericht
darauf verwiesen, dass wegen der jeweiligen Anzahl zu wäh-
lender Abgeordneter die Sperrklausel bei Europawahlen
einen weniger intensiven Eingriff darstelle als bei einer Bun-
destagswahl (BVerfGE 51, 222, 255). Bei der gegenwärtigen
Größe des Deutschen Bundestages habe die Sperrklausel zur
Folge, dass bis zu 30 Bewerbern einer Partei der Einzug in
das Parlament verwehrt werde. Bei den Wahlen zum Euro-
päischen Parlament könne die Sperrklausel nur verhindern,
dass Gruppierungen von höchstens vier Abgeordneten in das
Europäische Parlament gelangten.
Schließlich habe das Bundesverfassungsgericht ausgeführt,
dass bei Eingriffen in die Gleichheit der Wahl eine gefestigte
Rechtsüberzeugung und Rechtspraxis Beachtung finden
könne (BVerfGE 120, 82, 107). In der Bundesrepublik
Deutschland gebe es bei Bundestags- und Landtagswahlen
traditionell eine Fünf-Prozent-Sperrklausel. Damit gelte
diese Klausel seit Gründung der Bundesrepublik bei überre-
gionalen Wahlen, d. h. bei Wahlen eines Parlaments im
Rechtssinn. Die Sperrklausel sei damit den Bundesbürgern
als Element demokratischer Wahlen bekannt und vertraut, so
dass sich eine gefestigte Rechtsüberzeugung und Rechts-
praxis gebildet habe. Für das Europawahlgesetz habe sich
der Bundesgesetzgeber insoweit an das Bundestagswahl-
recht angelehnt, das in der Bevölkerung eine hohe Akzep-
tanz genieße.
Abgesehen davon, dass das Europäische Parlament eher mit
einem nationalen Parlament als einer kommunalen Volksver-
tretung zu vergleichen sei, müsse bei der Beurteilung der
Sicherung seiner Funktionsfähigkeit durch eine Fünf-Pro-
zent-Klausel im Europawahlgesetz vorrangig auf das natio-
nale Kontingent der Abgeordneten aus der Bundesrepublik
Deutschland abgestellt werden.
Die Sperrklausel ermögliche in erster Linie die Rückkopp-
lung der deutschen Abgeordneten im Europäischen Parla-
ment mit den tragenden politischen Kräften in Deutschland,
die ihrerseits auf den Rat und die Kommission einwirken
könnten (BVerfGE 51, 222, 235).
Das Europäische Parlament habe eine große Bandbreite an
legislativen Aufgaben zu bewältigen. Auch in Bereichen, in
denen das Parlament lediglich ein Anhörungsrecht habe, wie
z. B. im Bereich der Innen- und Justizpolitik, spiele es eine
bedeutende Rolle als Kontrollinstanz von Rat und Kommis-
sion. Der einzelne Abgeordnete sei bei seinen Entscheidun-
gen vielfältigen Einflussnahmen von Lobbyorganisationen
ausgesetzt. Um eigenständig fundierte Entscheidungen tref-
fen zu können, bedürfe er eines „logistischen Rückhalts“.
Diesen finde er z. T. in den Einrichtungen des Europäischen
Parlaments. In zahlreichen Fällen benötigten die Abgeordne-
ten allerdings Kenntnisse über die Rechtslage und tatsäch-
liche Situation in ihrem Heimatstaat und die möglichen
Auswirkungen einer bestimmten Rechtsetzung der Gemein-
schaft auf die Situation in ihrem Land. Würden auf diese
Weise die Erkenntnisse aus allen Mitgliedstaaten zusam-
mengeführt, könnten die Abgeordneten fundierte Ent-
scheidungen treffen, die die Auswirkungen europäischer
Gesetzgebung auf die Situation in den Mitgliedstaaten be-
rücksichtigen. Für diese Rückkopplung könnten sich die Ab-
geordneten in erster Linie der nationalen Parteien und Parla-
mente bedienen. Bei Kleinstparteien fehle hierfür nicht nur

Deutschland wegen der bei Bundestagswahlen geltenden
Fünf-Prozent-Klausel nicht vertreten seien. Umgekehrt sei
auch der Deutsche Bundestag für die Wahrnehmung seiner
fortlaufenden Integrationsverantwortung in europapoliti-
schen Angelegenheiten auf die Rückmeldung der deutschen
Abgeordneten des Europaparlaments angewiesen. Soweit es
sich um Materien handele, die in die Gesetzgebungszustän-
digkeit der Länder fielen, oder um Gegenstände, die für ein
Land von besonderem Interesse seien, gelte Gleiches für die
Rückkopplung zwischen den Abgeordneten des Europäi-
schen Parlaments und der Landtage.
Die Zusammenarbeit der Parlamente untereinander spiele
eine wesentliche Rolle für den europäischen politischen Pro-
zess und sei auch institutionell verankert: So enthalte die Ge-
schäftsordnung des Europäischen Parlaments einen eigenen
Abschnitt über die Beziehungen zu den nationalen Parla-
menten (Titel VI Artikel 130 bis 132). In der Geschäftsord-
nung des Deutschen Bundestages (GO-BT) regele § 93a,
dass die Ausschüsse Mitglieder des Europäischen Parla-
ments zu ihren Beratungen in Europaangelegenheiten hinzu-
ziehen und Unionsdokumente gemeinsam mit Ausschüssen
des Europäischen Parlaments gleicher Zuständigkeit beraten
könnten. § 93b GO-BT sehe vor, dass zu den Sitzungen
des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen
Union deutsche Mitglieder des Europäischen Parlaments
Zutritt erhielten. Sie seien vom Präsidenten des Deutschen
Bundestages auf Vorschlag der Fraktionen des Deutschen
Bundestages, aus deren Parteien deutsche Mitglieder in das
Europäische Parlament gewählt worden sind, berufen wor-
den. Die berufenen Mitglieder des Europäischen Parlaments
seien befugt, die Beratung von Verhandlungsgegenständen
anzuregen sowie Auskünfte zu erteilen und Stellung zu
nehmen. Diese wechselseitigen Informationsflüsse und
Verflechtungen zwischen nationalen Parlamenten und dem
Europäischen Parlament könnten nur von solchen Abgeord-
neten effektiv genutzt werden, deren Parteien in beiden Par-
lamenten vertreten seien.
Die Sperrklausel diene daneben, wenn auch nach Auf-
fassung des Bundesverfassungsgerichts nicht vorrangig, der
Sicherung einer wirksamen Vertretung des deutschen Volkes
im Europäischen Parlament (BVerfGE 51, 222, 249).
Die Regelungen des Europawahlgesetzes bezögen sich aus-
schließlich auf die Wahl der Abgeordneten aus der Bundes-
republik Deutschland. Diese stellten nur einen Teil der Ab-
geordneten des Europäischen Parlaments dar. Es sei daher
folgerichtig, bei der Frage der Rechtfertigung einer Be-
schränkung der Wahlrechtsgleichheit durch eine Fünf-Pro-
zent-Klausel in erster Linie nicht das Gesamtparlament,
sondern den von Deutschland aus gewählten Teil der Abge-
ordneten zu betrachten.
Dieser Aspekt werde sowohl durch den Direktwahlakt als
auch durch den EG-Vertrag in der Fassung des Vertrags von
Nizza unterstützt.
Nach Artikel 3 des Direktwahlakts könnten die Mitglied-
staaten eine Mindestschwelle festlegen, die jedoch landes-
weit nicht mehr als 5 Prozent der abgegebenen Stimmen
betragen dürfe. Europarechtlich sei die Fünf-Prozent-Sperr-
klausel daher als zulässig anerkannt. Zahlreiche Mitglied-
staaten der Europäischen Union wie Frankreich, Italien,
Lettland, Litauen, Österreich, Polen, Rumänien, Schweden,
die Slowakei, die Tschechische Republik und Ungarn hätten
der notwendige Apparat, sondern auch die Rückkopplung
über das nationale Parlament, in dem diese Parteien in

von der Möglichkeit der Einführung einer Mindestschwelle
Gebrauch gemacht. Insbesondere habe die Mehrzahl der grö-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 69 – Drucksache 17/2200

ßeren Länder eine Sperrklausel eingeführt. So gebe es in
Deutschland (99 Abgeordnete), Frankreich (72 Abgeordne-
te) und in Polen (50 Abgeordnete) eine Sperrklausel von
5 Prozent, in Italien (72 Abgeordnete) eine Sperrklausel von
4 Prozent. Von den großen Ländern hätten nur Großbritan-
nien mit 72 Abgeordneten und Spanien mit 40 Abgeordneten
keine Sperrklausel. Kleinere Länder bräuchten schon des-
halb z. T. keine Mindestschwelle, weil die für ein Mandat be-
nötigten prozentualen Stimmenanteile die höchstzulässige
Mindestschwelle von 5 Prozent bereits überschritten.
Artikel 3 des Direktwahlakts ermögliche den Mitgliedstaa-
ten in erster Linie dafür zu sorgen, dass das nationale Ab-
geordnetenkontingent nicht aus zahlreichen kleineren Split-
tergruppen bestehe, sondern aus Abgeordneten, deren
Parteien auch auf nationaler Ebene eine gewisse Bedeutung
hätten. Dies stärke die Handlungsfähigkeit als nationales
Kontingent.
Gleiches ergebe sich durch die Auslegung des EG-Vertrags
in der Fassung des Vertrags von Nizza, der gemeinschafts-
rechtlichen Grundlage für die 7. Direktwahl des Europäi-
schen Parlaments.
Das Europäische Parlament bestehe danach aus Vertretern
der Völker der in der Gemeinschaft zusammengeschlosse-
nen Staaten (Artikel 189 EGV). Zwar sei die Binnenorgani-
sation durch die transnationale Zusammensetzung der Frak-
tionen gekennzeichnet. Auch im Wahlverfahren gebe es
transnationale Elemente wie z. B. die Wahlberechtigung der
Personen mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, gemäß Artikel 18
Absatz 1 EGV. Dies ändere aber nichts daran, dass der Ver-
trag von Abgeordneten ausgehe, die Vertreter der Völker der
in der Gemeinschaft zusammengeschlossenen Staaten seien,
und eben nicht Vertreter von Parteien oder länderübergrei-
fenden Parteibündnissen oder ausschließlich Vertreter eines
europäischen Gedankens.
Die Anbindung der Abgeordneten an ihre Heimatländer sei
demnach in Artikel 189 EGV angelegt. Im Gegensatz zu den
Abgeordneten des Deutschen Bundestages, die das ganze
Volk verträten (Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 erster Halbsatz
GG), verträten die Abgeordneten des Europäischen Parla-
ments nicht ein „Unionsvolk“, das es mangels Eigenstaat-
lichkeit der EU nicht gebe, sondern das Volk des Mitglied-
staates, das sie gewählt habe. Die Mitgliedstaaten könnten
daher ein – nach den Verträgen zulässiges – Interesse daran
haben, dass ihre Belange möglichst effektiv vertreten wür-
den, und in Verfolgung dieses Interesses eine Sperrklausel
festlegen. Tatsächlich komme es innerhalb der deutschen
Abgeordnetengruppe häufig vor, dass nationale Interessen
bei Abstimmungen vordringlich berücksichtigt würden. Be-
sondere Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit seien die
Arbeitszeitrichtlinie, die CO2-Pkw-Richtlinie oder die
Rückführungsrichtlinie.
Eine effektive Vertretung des deutschen Volkes, zu der die
Abgeordneten im Europäischen Parlament berufen seien, sei
mit einer Größe einer Abgeordnetengruppe von einem bis
vier Abgeordneten kaum möglich. Daran ändere auch die
Möglichkeit nichts, sich Fraktionen im Europäischen Parla-
ment anzuschließen. Der Zusammenschluss zu Fraktionen
gewährleiste nämlich lediglich, dass die Politik der jeweili-
gen Parteien im Parlament vertreten werde, nicht aber, dass

Vertretung der Interessen ihrer Nation im Parlament leiste-
ten. Im Übrigen sei nicht sicher, dass alle Abgeordneten von
Splitterparteien eine Fraktion fänden, der sie sich anschlie-
ßen könnten. Zwar gehörten die meisten Abgeordneten im
Europäischen Parlament einer Fraktion an; dennoch seien in
der laufenden 7. Wahlperiode zurzeit 27 Mitglieder des
Europäischen Parlaments fraktionslos. Zum Vergleich hierzu
habe der Deutsche Bundestag im Regelfall nur ein bis zwei
fraktionslose Abgeordnete. Gerade Splitterparteien, die sich
nur zu einem eng begrenzten Themenkreis politisch positio-
nierten, könnten nicht ohne Weiteres eine Fraktion finden,
der sie sich anschließen können.
Mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon gelte das Vorste-
hende erst recht. Das Europäische Parlament sei auch nach
der Neuformulierung in Artikel 14 Absatz 2 des EU-Ver-
trags (EUV) kein Repräsentationsorgan eines souveränen
europäischen Volkes, sondern eine Vertretung der Völker der
Mitgliedstaaten. Dies spiegele sich darin, dass es, wie das
Bundesverfassungsgericht festgestellt habe, als Vertretung
der Völker in den jeweils zugewiesenen nationalen Kon-
tingenten von Abgeordneten und nicht als Vertretung der
Unionsbürger nach dem Prinzip der Wahlgleichheit angelegt
sei.
Auch die gestiegene Bedeutung der wechselseitigen Rück-
kopplung von Europäischem Parlament und nationalen Par-
lamenten finde im Vertrag von Lissabon ihren Niederschlag:
So etwa in Artikel 12 EUV, der den aktiven Beitrag der na-
tionalen Parlamente zur guten Arbeitsweise der Union wür-
dige und ihnen zahlreiche Rechte einräume, und im Proto-
koll Nr. 1 über die Rolle der nationalen Parlamente in der
Europäischen Union.
Mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon werde das Euro-
päische Parlament in 95 Prozent der Gesetzgebung zum
gleichberechtigten Gesetzgeber neben dem Rat. Darunter
fielen auch Bereiche, die nach der Rechtsprechung des Bun-
desverfassungsgerichts in besonderer Weise auf den inner-
staatlichen politischen Diskurs angewiesen seien, und in
denen dem Deutschen Bundestag Aufgaben von substanziel-
lem Gewicht verbleiben müssten, wie etwa das Strafrecht
und das Strafverfahren. Unter diesem Gesichtspunkt komme
der Rückkopplung der Abgeordneten des Europäischen Par-
laments an die politischen Meinungen in den Fraktionen des
Deutschen Bundestages noch mehr Bedeutung als bisher zu.
Dasselbe gelte im Gegenzug für die Unterrichtung des Deut-
schen Bundestages über die Beratungen im Europäischen
Parlament, die entsprechend seiner Geschäftsordnung durch
die von den Fraktionen benannten Abgeordneten des Euro-
päischen Parlaments erfolge. Abgeordnete von Kleinstpar-
teien, die im Deutschen Bundestag oder in den Landtagen
kein Pendant fänden, könnten diese Rückkopplung nicht ge-
währleisten.
Die Fünf-Prozent-Sperrklausel in § 2 Absatz 7 EuWG diene
demnach legitimen Zielen und sei zur Erreichung dieser
Ziele geeignet, erforderlich und angemessen.

Der Einspruchsführer, dem die Stellungnahme bekannt ge-
geben worden ist, hat sich hierzu nicht geäußert.

Entscheidungsgründe
die einzelnen Abgeordneten einen effektiven Beitrag zur Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Drucksache 17/2200 – 70 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Der Vortrag des Einspruchsführers, die Fünf-Prozent-Sperr-
klausel verstoße gegen das Grundgesetz, lässt keinen Wahl-
fehler erkennen.

Diesbezüglich ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der
Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in
ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens
die Verfassungsmäßigkeit von Wahlrechtsvorschriften nicht
überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundes-
verfassungsgericht vorbehalten worden (vgl. bereits Bundes-
tagsdrucksachen I/2811; zuletzt: 16/1800, Anlagen 26 bis 28;
17/1000, Anlagen 5 und 11 mit weiteren Nachweisen), das
diese Praxis auch stets bestätigt hat, da dem Bundestag inso-
fern die Verwerfungskompetenz fehle (vgl. BVerfGE 89,
291, 300; 121, 266, 290; 122, 304, 307).

Unabhängig hiervon hat sich der Wahlprüfungsausschuss
ausführlich mit der vom Einspruchsführer angesprochenen
Rechtsfrage befasst. Er hält die Vorschrift des § 2 Absatz 7
EuWG für verfassungsgemäß und bestätigt damit seine
bereits im Zusammenhang mit Anfechtungen der Europa-
wahl im Jahr 2004 dargelegte Auffassung (s. Bundes-
tagsdrucksachen 15/4250, Anlage 18; 15/4750, Anlagen 5,
9, 20 bis 22).

Wie der Deutsche Bundestag und der Wahlprüfungsaus-
schuss in den genannten Entscheidungen ausgeführt haben,
können die Mitgliedstaaten nach Artikel 3 Satz 1 des Di-
rektwahlakts eine Mindestschwelle für die Sitzvergabe fest-
legen. Diese Schwelle darf jedoch nach Satz 2 dieser
Vorschrift landesweit nicht mehr als 5 Prozent der abgege-
benen Stimmen betragen. Das Bundesverfassungsgericht
hat in seiner Entscheidung vom 8. Juni 2004 in einem
Organstreitverfahren zur Fünf-Prozent-Sperrklausel des
damaligen § 2 Absatz 6 EuWG (2 BvE 1/04), in dem die
diesbezügliche Organklage der NPD wegen Nichteinhaltung
der Frist gemäß § 64 Absatz 3 des Bundesverfassungsge-
richtsgesetzes (BVerfGG) als unzulässig verworfen worden
ist, auf die entsprechende Ergänzung des Direktwahlakts im
Jahr 2002 hingewiesen und hierzu ausgeführt, dass der Ge-
setzgeber mit dem am 21. August 2003 verkündeten Vierten
Gesetz zur Änderung des Europawahlgesetzes und Neun-
zehnten Gesetz zur Änderung des Europaabgeordnetenge-
setzes zum Ausdruck gebracht habe, dass er an der Fünf-
Prozent-Sperrklausel festhalten möchte. Er habe sich dabei
– so das Bundesverfassungsgericht – auf die Ermächtigung
der Mitgliedstaaten im Beschluss des Rates der Europäi-
schen Union stützen können, eine Sperrklausel zu erlassen.
Der Rat der Europäischen Union hat nach Zustimmung des
Europäischen Parlaments mit Beschluss vom 25. Juni und
23. September 2002 (BGBl. 2003 II S. 811) den Direkt-
wahlakt geändert, damit die Wahlen zum Europäischen Par-
lament „gemäß den allen Mitgliedstaaten gemeinsamen
Grundsätzen stattfinden können, die Mitgliedstaaten zu-
gleich aber die Möglichkeit erhalten, für Aspekte, die nicht
durch diesen Beschluss geregelt sind, ihre jeweiligen natio-
nalen Vorschriften anzuwenden“. Dieser Änderung des
Direktwahlakts hat der deutsche Gesetzgeber mit Artikel 1
des Zweiten Gesetzes über die Zustimmung zur Änderung
des Direktwahlakts vom 15. August 2003 (BGBl. 2003 II
S. 810) zugestimmt. Zwar kann, worauf der Wahlprüfungs-
ausschuss schon in den genannten Entscheidungen hin-

durch den Direktwahlakt nicht unmittelbar die Verfassungs-
mäßigkeit einer solchen Sperrklausel nach dem deutschen
Verfassungsrecht abgeleitet werden. Der Wahlprüfungs-
ausschuss sieht sie jedoch weiterhin als starkes Indiz dafür,
dass § 2 Absatz 7 EuWG nicht gegen das Grundgesetz
verstößt.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung
vom 22. Mai 1979 die Fünf-Prozent-Sperrklausel für Wahlen
zum Europäischen Parlament einstimmig für grundgesetz-
konform angesehen, weil sie an dem durch besondere, zwin-
gende Gründe gerechtfertigten Ziel, einer übermäßigen Par-
teienzersplitterung im Europäischen Parlament entgegenzu-
wirken, orientiert sei und das Maß des zur Erreichung dieses
Ziels Erforderlichen nicht überschreite (BVerfGE 51, 222,
233). Bereits in dieser Entscheidung hat sich das Bundesver-
fassungsgericht ausdrücklich mit den Spezifika des Europäi-
schen Parlaments auseinandergesetzt, dessen Aufgabenkreis
mit dem der Parlamente der Mitgliedstaaten nur bedingt ver-
gleichbar sei. Im Vordergrund sah das Bundesverfassungsge-
richt die Ausübung der vertraglich verbürgten Beratungs- und
Kontrollfunktionen. Dagegen seien von den klassischen Auf-
gaben der Parlamente das Recht, die Regierung zu wählen
und die gesetzgeberischen Funktionen nur in ersten Ansätzen
vorhanden (a. a. O., S. 240 ff.). Hingegen nehme es als Ver-
tretung der Völker eine wichtige politische Integrationsver-
antwortung wahr. Organisation und Arbeitsweise unterschie-
den sich nicht wesentlich von derjenigen der nationalen Par-
lamente der Mitgliedstaaten. Das Bundesverfassungsgericht
betont, dass der dem Europäischen Parlament im Verfas-
sungsgefüge der Europäischen Gemeinschaften zugewiesene
Aufgabenkreis und die ihm auf dem Wege zu einem immer
engeren Zusammenschluss der europäischen Völker zuge-
dachte Rolle ein handlungsfähiges Organ erforderten. Das
Europäische Parlament könne die ihm gestellten Aufgaben
nur dann wirksam bewältigen, wenn es durch eine, den viel-
schichtigen Spezialmaterien angemessene, interne Arbeits-
teilung all seinen Mitgliedern die notwendige Sachkenntnis
verschaffe und zu einer überzeugenden Mehrheitsbildung in
der Lage sei. Beides könne gefährdet werden, wenn die durch
die große Zahl der Mitgliedstaaten ohnehin nicht vermeid-
bare Aufgliederung des Parlaments in viele Gruppen ein Aus-
maß annehme, das dessen Funktionsfähigkeit ernsthaft in
Frage stelle. Dies sei ein zwingender Grund, der Vorkehrun-
gen gegen eine übermäßige Parteienzersplitterung zu recht-
fertigen vermöge (a. a. O., S. 246 f.).

Aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom
13. Februar 2008, der zufolge die Fünf-Prozent-Sperrklausel
bei Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein gegen die
Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit verstößt
(BVerfGE 120, 82), ergibt sich keine Neubewertung der Zu-
lässigkeit der Sperrklausel bei der Europawahl, wie das Bun-
desministerium des Innern in seiner Stellungnahme, der sich
der Wahlprüfungsausschuss in dieser Hinsicht anschließt,
zutreffend dargelegt hat. Dasselbe gilt für weitere kommu-
nalrechtliche Entscheidungen von Landesverfassungsge-
richten (vgl. die Übersicht über die Rechtslage in den Bun-
desländern im Urteil des Staatsgerichtshofs der Freien
Hansestadt Bremen vom 14. Mai 2009 – St 2/08, Rn. 30 ff.).
Denn die in diesen Entscheidungen betroffenen kommuna-
len Vertretungen sind, wie das Bundesverfassungsgericht
gewiesen hat, in dieser nunmehr ausdrücklich verankerten
Ermächtigung zum Erlass einer Fünf-Prozent-Sperrklausel

feststellt, Organe der Verwaltung, denen in erster Linie ver-
waltende Tätigkeiten anvertraut sind (a. a. O., S. 112). Da-

Deutscher Bundestag – 17. rucksache 17/2200
Wahlperiode – 71 – D

mit haben sie einen völlig anderen Charakter als das Europä-
ische Parlament als ein unmittelbar von den Unionsbürgern
gewähltes Vertretungsorgan der Völker in einer supranatio-
nalen Gemeinschaft (vgl. BVerfGE 123, 267, 368). Dieses
ist, wie das Bundesministerium des Innern beispielhaft dar-
legt, mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon bei
95 Prozent der europäischen Gesetzgebung zum gleichbe-
rechtigten Gesetzgeber neben dem Rat geworden, übt ge-
meinsam mit ihm die Haushaltsbefugnisse aus, erfüllt Auf-
gaben der politischen Kontrolle und Beratungsfunktionen
und wählt den Präsidenten der Kommission (vgl. Artikel 14
EUV).

Auch die auf das Europäische Parlament bezogenen Ausfüh-
rungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom
30. Juni 2009 zum Vertrag von Lissabon (BVerfGE 123, 267,
364, 370 ff.) nehmen in keiner Weise Stellung zu der Zuläs-
sigkeit einer Sperrklausel und bieten auch keine anderweiti-
gen Anhaltspunkte für eine notwendige Neubewertung der
Verfassungsmäßigkeit von § 2 Absatz 7 EuWG.

Angesichts der vom Einspruchsführer erwähnten großen An-
zahl der im Europäischen Parlament vertretenen Parteien
sieht der Wahlprüfungsausschuss die vom Bundesverfas-
sungsgericht bereits 1979 deutlich angesprochene Gefahr
der Zersplitterung heute eher noch verstärkt. Diese ist zwar
in erster Linie der erheblich angewachsenen Zahl der Mit-
gliedstaaten geschuldet. Vor dem Hintergrund der beständig
erweiterten und mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon
weiter anwachsenden Kompetenzen des Europäischen Parla-
ments hält der Wahlprüfungsausschuss es daher für geboten,
dieser Zersplitterung im Rahmen des dem deutschen Gesetz-
geber Möglichen entgegenzuwirken. Deshalb besteht aus
seiner Sicht die verfassungsrechtliche Rechtfertigung für die
Fünf-Prozent-Sperrklausel bei der Wahl der Abgeordneten
des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland gemäß § 2 Absatz 7 EuWG fort.

ren Mitglieder die Einspruchsführer seien, bei der Verteilung
der Sitze der Abgeordneten des Europäischen Parlaments

tionsfähigkeit des Europäischen Parlaments ermögliche
(BVerfGE 51, 222 ff.), überzeuge nicht und könne den
Parlament repräsentiert zu werden, obwohl in Deutschland
etwa ein Prozent der Stimmen genügen würde, um einen Sitz
im Europäischen Parlament zu erreichen. Wähler enthielten

Europäischen Parlament aus der Bundesrepublik Deutsch-
land vertrete das ganze Volk und nicht seine Partei. Es sei da-
her verfassungswidrig zu unterstellen, dass Abgeordnete
aus der Bundesrepublik Deutschland nicht berücksichtigt
worden sei, weil er nicht fünf Prozent der im Wahlgebiet ab-
gegebenen Stimmen erhalten habe.

Die Einspruchsführer sind der Auffassung, dass alle Wahl-
vorschläge bei der Verteilung der Sitze berücksichtigt wer-
den müssten. Sie meinen zudem, das Wahlrecht für die
Europawahl, bei dem es sich gemäß § 2 Absatz 1 Satz 1
EuWG um ein Verhältniswahlsystem mit Listenwahlvor-
schlägen handele, wobei Wahlvorschläge nach § 8 Absatz 1
EuWG nur von Parteien oder parteiähnlichen politischen
Vereinigungen eingereicht werden könnten, sei verfassungs-
rechtlich bedenklich, weil es die Republik in einen Parteien-
staat verwandele. Ein Korrektiv des Systems der Verhältnis-
wahl durch Elemente der Persönlichkeitswahl wie bei der
Bundestagswahl gebe es nicht.

Durch die Fünf-Prozent-Sperrklausel werde den Wählern
vieler kleiner Parteien und politischer Vereinigungen die
Chance genommen, durch Abgeordnete im Europäischen

Gleichheitsverstoß nicht rechtfertigen. Nur zwingende, sich
aus dem Prinzip der Funktionsfähigkeit des Parlaments erge-
bende Gründe könnten nach der ständigen Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts die Einschränkung der
Gleichheit der Wahl und der Chancengleichheit der Parteien
und politischen Vereinigungen im Wahlverfahren rechtferti-
gen. Diese Gründe müssten auch empirisch nachweisbar
sein. Die Funktionsfähigkeit des Europäischen Parlaments
gebiete aus Sicht der Einspruchsführer nicht, dass Parteien,
die weniger als fünf Prozent der Stimmen erhielten, bei der
Sitzverteilung nicht berücksichtigt würden. Die Fünf-Pro-
zent-Sperrklausel diene ausschließlich der Vergrößerung des
politischen Einflusses der größeren Parteien. Es sei nicht er-
sichtlich, inwiefern Abgeordnete großer Parteien im Euro-
päischen Parlament dem Gemeinwohl besser dienten als
solche aus kleinen Parteien oder politische Vereinigungen.
Dass ein Abgeordneter dem Gemeinwohl diene, werde durch
dessen Unabhängigkeit und Gewissensbindung im Sinne des
Artikels 38 Absatz 1 GG sichergestellt. Ein Abgeordneter im
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 73 – Drucksache 17/2200

Anlage 18

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

1. des Herrn Prof. Dr. K. B., 80809 München
bevollmächtigt –

2. des Herrn L.W., 92690 Pressrath
3. des Herrn H. S., 93049 Regensburg

– Az.: EuWP 43/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 7. Juni 2009
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 10. Juni 2010 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 24. Juli 2009, das beim Deutschen Bun-
destag am 4. August 2009 eingegangen ist, haben die Ein-
spruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl der
Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundes-
republik Deutschland am 7. Juni 2009 eingelegt. Als Bevoll-
mächtigter ist der Einspruchsführer zu Nummer 1 benannt
worden.

Die Einspruchsführer begründen ihren Einspruch damit,
dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel gemäß § 2 Absatz 7 des
Europawahlgesetzes (EuWG) verfassungswidrig sei. Daher
sei es auch verfassungswidrig, dass der Wahlvorschlag der
Ökologisch-Demokratischen Partei Deutschlands (ödp), de-

Sitzverteilung nicht berücksichtigt werde. Die Fünf-Prozent-
Sperrklausel verletze dadurch den in Artikel 38 Absatz 1
Satz 1 des Grundgesetzes (GG) und in § 1 EuWG veranker-
ten Grundsatz der Gleichheit der Wahl und das aus
Artikel 38 Absatz 1 und Artikel 21 Absatz 1 GG folgende
Prinzip der Chancengleichheit der Parteien, weil sie kleinen
Parteien und politischen Vereinigungen so gut wie keine
Chance lasse, an der politischen Willensbildung in Parla-
menten mitzuwirken.

Weiter tragen die Einspruchsführer vor, die Argumentation
des Bundesverfassungsgerichts in seiner Entscheidung aus
dem Jahr 1979, in der es die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht
für verfassungswidrig erkannt habe, weil sie die Funk-
kleinen Parteien und politischen Vereinigungen ihre Stimme
vor, weil sie befürchten müssten, dass ihre Stimme bei der

kleinerer Parteien die Funktionsfähigkeit des Parlaments ge-
fährdeten.

Drucksache 17/2200 – 74 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Das Argument der Funktionsunfähigkeit gelte für das Euro-
päische Parlament schon deswegen nicht, weil diesem viele
Abgeordnete als einziges oder eines von wenigen Mitglie-
dern ihrer Partei oder politischen Vereinigung angehörten.
Im Übrigen bildeten sich dort die Fraktionen nicht national,
sondern parteiorientiert. Trotz der vielen „vereinzelten“ Ab-
geordneten, deren Anzahl auf Grund der Erweiterung der
Europäischen Union um viele kleine Staaten zugenommen
habe, sei die Funktionsfähigkeit des Europäischen Parla-
ments seit seinem Bestehen nie zweifelhaft gewesen. Daran
würde sich auch nichts ändern, wenn in der Bundesrepublik
Deutschland alle Wahlvorschläge bei der Sitzverteilung be-
rücksichtigt würden, die genügend gültige Stimmen auf sich
vereinigen konnten, um einen Sitz im Europäischen Parla-
ment zu erringen.

§ 2 Absatz 7 EuWG sei ferner demokratiewidrig, weil deut-
sche Wähler im Vergleich zu Wählern anderer Mitgliedstaa-
ten bei der Europawahl ohnehin das geringste Stimmenge-
wicht hätten. Wer als deutscher Wähler eine bestimmte
politische Richtung im Europäischen Parlament zur Geltung
bringen wolle, benötige wegen der Fünf-Prozent-Sperrklau-
sel bei einer Wahlbeteiligung von 50 Prozent etwa 1,5 Mil-
lionen Wähler, die dieselbe Partei oder politische Vereini-
gung wählten. So viele Wähler gebe es in einigen anderen
Mitgliedstaaten nicht einmal.

Zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel in § 2 Absatz 7 EuWG hat das Bundesministe-
rium des Innern Stellung genommen und mitgeteilt, dass aus
seiner Sicht die anlässlich von Entscheidungen über Ein-
sprüche gegen die 6. Direktwahl des Europäischen Parla-
ments im Jahr 2004 vertretene Rechtsauffassung des Wahl-
prüfungsausschusses, die Fünf-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz sei verfassungsrechtlich zulässig (Bun-
destagsdrucksachen 15/4250, Anlage 18 und 15/4750, Anla-
gen 20 bis 22), weiterhin aktuell sei.
Aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur
Fünf-Prozent-Klausel bei Kommunalwahlen in Schleswig-
Holstein vom 13. Februar 2008 ergebe sich keine andere
Sichtweise. Das Bundesverfassungsgericht habe in dem Ur-
teil unter Hinweis auf frühere Entscheidungen festgestellt,
dass es sich bei Gemeindevertretungen und Kreistagen nicht
um Parlamente im Rechtssinn handele. Zur Begründung sei
angeführt worden, dass ihnen in erster Linie verwaltende Tä-
tigkeiten anvertraut seien, ihnen keine Gesetzgebungsfunk-
tion zustünde, sie keine Regierung oder ein vergleichbares
Gremium wählten und ihre Entscheidungen der Rechtsauf-
sicht unterlägen (BVerfGE 120, 82, 120). All dies treffe für
das Europäische Parlament, auch in einem entsprechenden
Sinne, nicht zu. Hier könne auf die vom Wahlprüfungsaus-
schuss bereits gemachten Ausführungen zu den Befugnissen
des Europäischen Parlaments verwiesen werden, wobei
insbesondere hervorzuheben sei, dass das Mitentscheidungs-
verfahren gemäß Artikel 251 EGV das Europäische Parla-
ment in den meisten Bereichen der gemeinschaftsrechtlichen
Rechtsetzung neben dem Rat zum gleichberechtigten Ge-
setzgeber der Europäischen Union mache und das Europäi-
sche Parlament der Ernennung des Präsidenten und der
übrigen Mitglieder der Kommission zustimmen müsse
(Artikel 214 Absatz 2 Satz 1 EGV) sowie die Kommission
durch ein Misstrauensvotum zum Rücktritt zwingen könne

Abgeordneten des Europäischen Parlaments Immunität ge-
nössen (Artikel 6 Absatz 2 des Direktwahlakts), wie auch
die Abgeordneten des Deutschen Bundestages (Artikel 46
GG) und der Landtage, den Mitgliedern kommunaler Volks-
vertretungen dieses Recht jedoch nicht zustehe.
Das Bundesverfassungsgericht habe in dieser Entscheidung
zudem darauf hingewiesen, dass bei Differenzierungen
der Wahlrechtsgleichheit wie einer Fünf-Prozent-Klausel
auch auf die Eingriffsintensität abgestellt werden müsse
(BVerfGE 120, 82, 107). Es habe damit ein Argument bestä-
tigt, das es bei seiner Entscheidung im Jahr 1979 zur Recht-
fertigung der Fünf-Prozent-Klausel bei Europawahlen ange-
führt habe. Damals habe das Bundesverfassungsgericht
darauf verwiesen, dass wegen der jeweiligen Anzahl zu wäh-
lender Abgeordneter die Sperrklausel bei Europawahlen
einen weniger intensiven Eingriff darstelle als bei einer Bun-
destagswahl (BVerfGE 51, 222, 255). Bei der gegenwärtigen
Größe des Deutschen Bundestages habe die Sperrklausel zur
Folge, dass bis zu 30 Bewerbern einer Partei der Einzug in
das Parlament verwehrt werde. Bei den Wahlen zum Euro-
päischen Parlament könne die Sperrklausel nur verhindern,
dass Gruppierungen von höchstens vier Abgeordneten in das
Europäische Parlament gelangten.
Schließlich habe das Bundesverfassungsgericht ausgeführt,
dass bei Eingriffen in die Gleichheit der Wahl eine gefestigte
Rechtsüberzeugung und Rechtspraxis Beachtung finden
könne (BVerfGE 120, 82, 107). In der Bundesrepublik
Deutschland gebe es bei Bundestags- und Landtagswahlen
traditionell eine Fünf-Prozent-Sperrklausel. Damit gelte die-
se Klausel seit Gründung der Bundesrepublik bei überregio-
nalen Wahlen, d. h. bei Wahlen eines Parlaments im Rechts-
sinn. Die Sperrklausel sei damit den Bundesbürgern als
Element demokratischer Wahlen bekannt und vertraut, so
dass sich eine gefestigte Rechtsüberzeugung und Rechts-
praxis gebildet habe. Für das Europawahlgesetz habe sich
der Bundesgesetzgeber insoweit an das Bundestagswahl-
recht angelehnt, das in der Bevölkerung eine hohe Akzep-
tanz genieße.
Abgesehen davon, dass das Europäische Parlament eher mit
einem nationalen Parlament als einer kommunalen Volks-
vertretung zu vergleichen sei, müsse bei der Beurteilung der
Sicherung seiner Funktionsfähigkeit durch eine Fünf-Pro-
zent-Klausel im Europawahlgesetz vorrangig auf das natio-
nale Kontingent der Abgeordneten aus der Bundesrepublik
Deutschland abgestellt werden.
Die Sperrklausel ermögliche in erster Linie die Rückkopp-
lung der deutschen Abgeordneten im Europäischen Parla-
ment mit den tragenden politischen Kräften in Deutschland,
die ihrerseits auf den Rat und die Kommission einwirken
könnten (BVerfGE 51, 222, 235).
Das Europäische Parlament habe eine große Bandbreite an
legislativen Aufgaben zu bewältigen. Auch in Bereichen, in
denen das Parlament lediglich ein Anhörungsrecht habe, wie
z. B. im Bereich der Innen- und Justizpolitik, spiele es eine
bedeutende Rolle als Kontrollinstanz von Rat und Kommis-
sion. Der einzelne Abgeordnete sei bei seinen Entscheidun-
gen vielfältigen Einflussnahmen von Lobbyorganisationen
ausgesetzt. Um eigenständig fundierte Entscheidungen tref-
fen zu können, bedürfe er eines „logistischen Rückhalts“.
Diesen finde er z. T. in den Einrichtungen des Europäischen
Parlaments. In zahlreichen Fällen benötigten die Abgeord-
(Artikel 201 EGV). Über die vom Bundesverfassungsgericht
genannten Kriterien hinaus sei noch anzumerken, dass die

neten allerdings Kenntnisse über die Rechtslage und tat-
sächliche Situation in ihrem Heimatstaat und die möglichen

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 75 – Drucksache 17/2200
Auswirkungen einer bestimmten Rechtsetzung der Gemein-
schaft auf die Situation in ihrem Land. Würden auf diese
Weise die Erkenntnisse aus allen Mitgliedstaaten zusam-
mengeführt, könnten die Abgeordneten fundierte Entschei-
dungen treffen, die die Auswirkungen europäischer Ge-
setzgebung auf die Situation in den Mitgliedstaaten
berücksichtigen. Für diese Rückkopplung könnten sich die
Abgeordneten in erster Linie der nationalen Parteien und
Parlamente bedienen. Bei Kleinstparteien fehle hierfür nicht
nur der notwendige Apparat, sondern auch die Rückkopp-
lung über das nationale Parlament, in dem diese Parteien in
Deutschland wegen der bei Bundestagswahlen geltenden
Fünf-Prozent-Klausel nicht vertreten seien. Umgekehrt sei
auch der Deutsche Bundestag für die Wahrnehmung seiner
fortlaufenden Integrationsverantwortung in europapoliti-
schen Angelegenheiten auf die Rückmeldung der deutschen
Abgeordneten des Europaparlaments angewiesen. Soweit es
sich um Materien handele, die in die Gesetzgebungszustän-
digkeit der Länder fielen, oder um Gegenstände, die für ein
Land von besonderem Interesse seien, gelte Gleiches für die
Rückkopplung zwischen den Abgeordneten des Europäi-
schen Parlaments und der Landtage.
Die Zusammenarbeit der Parlamente untereinander spiele
eine wesentliche Rolle für den europäischen politischen Pro-
zess und sei auch institutionell verankert: So enthalte die Ge-
schäftsordnung des Europäischen Parlaments einen eigenen
Abschnitt über die Beziehungen zu den nationalen Parla-
menten (Titel VI Artikel 130 bis 132). In der Geschäftsord-
nung des Deutschen Bundestages (GO-BT) regele § 93a,
dass die Ausschüsse Mitglieder des Europäischen Parla-
ments zu ihren Beratungen in Europaangelegenheiten hinzu-
ziehen und Unionsdokumente gemeinsam mit Ausschüssen
des Europäischen Parlaments gleicher Zuständigkeit beraten
könnten. § 93b GO-BT sehe vor, dass zu den Sitzungen des
Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Uni-
on deutsche Mitglieder des Europäischen Parlaments Zutritt
erhielten. Sie seien vom Präsidenten des Deutschen Bundes-
tages auf Vorschlag der Fraktionen des Deutschen Bundesta-
ges, aus deren Parteien deutsche Mitglieder in das Europäi-
sche Parlament gewählt worden sind, berufen worden. Die
berufenen Mitglieder des Europäischen Parlaments seien be-
fugt, die Beratung von Verhandlungsgegenständen anzure-
gen sowie Auskünfte zu erteilen und Stellung zu nehmen.
Diese wechselseitigen Informationsflüsse und Verflechtun-
gen zwischen nationalen Parlamenten und dem Europäi-
schen Parlament könnten nur von solchen Abgeordneten ef-
fektiv genutzt werden, deren Parteien in beiden Parlamenten
vertreten seien.
Die Sperrklausel diene daneben, wenn auch nach Auffas-
sung des Bundesverfassungsgerichts nicht vorrangig, der
Sicherung einer wirksamen Vertretung des deutschen Volkes
im Europäischen Parlament (BVerfGE 51, 222, 249).
Die Regelungen des Europawahlgesetzes bezögen sich aus-
schließlich auf die Wahl der Abgeordneten aus der Bundes-
republik Deutschland. Diese stellten nur einen Teil der Ab-
geordneten des Europäischen Parlaments dar. Es sei daher
folgerichtig, bei der Frage der Rechtfertigung einer
Beschränkung der Wahlrechtsgleichheit durch eine Fünf-
Prozent-Klausel in erster Linie nicht das Gesamtparlament,
sondern den von Deutschland aus gewählten Teil der Abge-
ordneten zu betrachten.

Dieser Aspekt werde sowohl durch den Direktwahlakt als
auch durch den EG-Vertrag in der Fassung des Vertrags von
Nizza unterstützt.
Nach Artikel 3 des Direktwahlakts könnten die Mitglied-
staaten eine Mindestschwelle festlegen, die jedoch landes-
weit nicht mehr als 5 Prozent der abgegebenen Stimmen
betragen dürfe. Europarechtlich sei die Fünf-Prozent-Sperr-
klausel daher als zulässig anerkannt. Zahlreiche Mitglied-
staaten der Europäischen Union wie Frankreich, Italien,
Lettland, Litauen, Österreich, Polen, Rumänien, Schweden,
die Slowakei, die Tschechische Republik und Ungarn hätten
von der Möglichkeit der Einführung einer Mindestschwelle
Gebrauch gemacht. Insbesondere habe die Mehrzahl der
größeren Länder eine Sperrklausel eingeführt. So gebe es in
Deutschland (99 Abgeordnete), Frankreich (72 Abgeordne-
te) und in Polen (50 Abgeordnete) eine Sperrklausel von
5 Prozent, in Italien (72 Abgeordnete) eine Sperrklausel von
4 Prozent. Von den großen Ländern hätten nur Großbritan-
nien mit 72 Abgeordneten und Spanien mit 40 Abgeordneten
keine Sperrklausel. Kleinere Länder bräuchten schon des-
halb z. T. keine Mindestschwelle, weil die für ein Mandat be-
nötigten prozentualen Stimmenanteile die höchstzulässige
Mindestschwelle von 5 Prozent bereits überschritten.
Artikel 3 des Direktwahlakts ermögliche den Mitgliedstaa-
ten in erster Linie dafür zu sorgen, dass das nationale Ab-
geordnetenkontingent nicht aus zahlreichen kleineren Split-
tergruppen bestehe, sondern aus Abgeordneten, deren
Parteien auch auf nationaler Ebene eine gewisse Bedeutung
hätten. Dies stärke die Handlungsfähigkeit als nationales
Kontingent.
Gleiches ergebe sich durch die Auslegung des EG-Vertrags
in der Fassung des Vertrags von Nizza, der gemeinschafts-
rechtlichen Grundlage für die 7. Direktwahl des Europäi-
schen Parlaments.
Das Europäische Parlament bestehe danach aus Vertretern
der Völker der in der Gemeinschaft zusammengeschlosse-
nen Staaten (Artikel 189 EGV). Zwar sei die Binnenorgani-
sation durch die transnationale Zusammensetzung der Frak-
tionen gekennzeichnet. Auch im Wahlverfahren gebe es
transnationale Elemente wie z. B. die Wahlberechtigung der
Personen mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, gemäß Artikel 18
Absatz 1 EGV. Dies ändere aber nichts daran, dass der Ver-
trag von Abgeordneten ausgehe, die Vertreter der Völker der
in der Gemeinschaft zusammengeschlossenen Staaten seien,
und eben nicht Vertreter von Parteien oder länderübergrei-
fenden Parteibündnissen oder ausschließlich Vertreter eines
europäischen Gedankens.
Die Anbindung der Abgeordneten an ihre Heimatländer sei
demnach in Artikel 189 EGV angelegt. Im Gegensatz zu den
Abgeordneten des Deutschen Bundestages, die das ganze
Volk verträten (Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 erster Halbsatz
GG), verträten die Abgeordneten des Europäischen Parla-
ments nicht ein „Unionsvolk“, das es mangels Eigenstaat-
lichkeit der EU nicht gebe, sondern das Volk des Mitglied-
staates, das sie gewählt habe. Die Mitgliedstaaten könnten
daher ein – nach den Verträgen zulässiges – Interesse daran
haben, dass ihre Belange möglichst effektiv vertreten wür-
den, und in Verfolgung dieses Interesses eine Sperrklausel
festlegen. Tatsächlich komme es innerhalb der deutschen
Abgeordnetengruppe häufig vor, dass nationale Interessen

Drucksache 17/2200 – 76 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

bei Abstimmungen vordringlich berücksichtigt würden. Be-
sondere Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit seien die
Arbeitszeitrichtlinie, die CO2-Pkw-Richtlinie oder die Rück-
führungsrichtlinie.

Eine effektive Vertretung des deutschen Volkes, zu der die
Abgeordneten im Europäischen Parlament berufen seien, sei
mit einer Größe einer Abgeordnetengruppe von einem bis
vier Abgeordneten kaum möglich. Daran ändere auch die
Möglichkeit nichts, sich Fraktionen im Europäischen Parla-
ment anzuschließen. Der Zusammenschluss zu Fraktionen
gewährleiste nämlich lediglich, dass die Politik der jeweili-
gen Parteien im Parlament vertreten werde, nicht aber, dass
die einzelnen Abgeordneten einen effektiven Beitrag zur
Vertretung der Interessen ihrer Nation im Parlament leiste-
ten. Im Übrigen sei nicht sicher, dass alle Abgeordneten von
Splitterparteien eine Fraktion fänden, der sie sich anschlie-
ßen könnten. Zwar gehörten die meisten Abgeordneten im
Europäischen Parlament einer Fraktion an; dennoch seien in
der laufenden 7. Wahlperiode zurzeit 27 Mitglieder des
Europäischen Parlaments fraktionslos. Zum Vergleich hierzu
habe der Deutsche Bundestag im Regelfall nur ein bis zwei
fraktionslose Abgeordnete. Gerade Splitterparteien, die sich
nur zu einem eng begrenzten Themenkreis politisch positio-
nierten, könnten nicht ohne Weiteres eine Fraktion finden,
der sie sich anschließen können.

Mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon gelte das Vorste-
hende erst recht. Das Europäische Parlament sei auch nach
der Neuformulierung in Artikel 14 Absatz 2 des EU-Ver-
trags (EUV) kein Repräsentationsorgan eines souveränen
europäischen Volkes, sondern eine Vertretung der Völker der
Mitgliedstaaten. Dies spiegele sich darin, dass es, wie das
Bundesverfassungsgericht festgestellt habe, als Vertretung
der Völker in den jeweils zugewiesenen nationalen Kon-
tingenten von Abgeordneten und nicht als Vertretung der
Unionsbürger nach dem Prinzip der Wahlgleichheit angelegt
sei.

Auch die gestiegene Bedeutung der wechselseitigen Rück-
kopplung von Europäischem Parlament und nationalen Par-
lamenten finde im Vertrag von Lissabon ihren Niederschlag:
So etwa in Artikel 12 EUV, der den aktiven Beitrag der na-
tionalen Parlamente zur guten Arbeitsweise der Union wür-
dige und ihnen zahlreiche Rechte einräume, und im Proto-
koll Nr. 1 über die Rolle der nationalen Parlamente in der
Europäischen Union.

Mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon werde das Euro-
päische Parlament in 95 Prozent der Gesetzgebung zum
gleichberechtigten Gesetzgeber neben dem Rat. Darunter
fielen auch Bereiche, die nach der Rechtsprechung des Bun-
desverfassungsgerichts in besonderer Weise auf den inner-
staatlichen politischen Diskurs angewiesen seien, und in
denen dem Deutschen Bundestag Aufgaben von substanziel-
lem Gewicht verbleiben müssten, wie etwa das Strafrecht
und das Strafverfahren. Unter diesem Gesichtspunkt komme
der Rückkopplung der Abgeordneten des Europäischen Par-
laments an die politischen Meinungen in den Fraktionen des
Deutschen Bundestages noch mehr Bedeutung als bisher zu.
Dasselbe gelte im Gegenzug für die Unterrichtung des Deut-
schen Bundestages über die Beratungen im Europäischen
Parlament, die entsprechend seiner Geschäftsordnung durch
die von den Fraktionen benannten Abgeordneten des Euro-

kein Pendant fänden, könnten diese Rückkopplung nicht
gewährleisten.
Die Fünf-Prozent-Sperrklausel in § 2 Absatz 7 EuWG diene
demnach legitimen Zielen und sei zur Erreichung dieser
Ziele geeignet, erforderlich und angemessen.

Den Einspruchsführern ist die Stellungnahme des Bundes-
ministeriums des Innern bekannt gegeben worden. Sie haben
eine ausführliche Gegenäußerung übermittelt, in der erneut
bestritten wird, dass die Sperrklausel gerechtfertigt sei.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten
wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Soweit die Einspruchsführer geltend machen, die Fünf-Pro-
zent-Sperrklausel gemäß § 2 Absatz 7 EuWG verstoße ge-
gen das Grundgesetz, liegt kein Wahlfehler vor.

Diesbezüglich ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der
Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in
ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens
die Verfassungsmäßigkeit von Wahlrechtsvorschriften nicht
überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundes-
verfassungsgericht vorbehalten worden (vgl. bereits Bundes-
tagsdrucksachen I/2811; zuletzt: 16/1800, Anlagen 26 bis 28;
17/1000, Anlagen 5 und 11 mit weiteren Nachweisen), das
diese Praxis auch stets bestätigt hat, da dem Bundestag inso-
fern die Verwerfungskompetenz fehle (vgl. BVerfGE 89,
291, 300; 121, 266, 290; 122, 304, 307).

Unabhängig hiervon hat sich der Wahlprüfungsausschuss
ausführlich mit der vom Einspruchsführer angesprochenen
Rechtsfrage befasst. Er hält die Vorschrift des § 2 Absatz 7
EuWG für verfassungsgemäß und bestätigt damit seine
bereits im Zusammenhang mit Anfechtungen der Europa-
wahl im Jahr 2004 dargelegte Auffassung (s. Bundestags-
drucksachen 15/4250, Anlage 18; 15/4750, Anlagen 5, 9, 20
bis 22).

Wie der Deutsche Bundestag und der Wahlprüfungsaus-
schuss in den genannten Entscheidungen ausgeführt haben,
können die Mitgliedstaaten nach Artikel 3 Satz 1 des Direkt-
wahlakts eine Mindestschwelle für die Sitzvergabe fest-
legen. Diese Schwelle darf jedoch nach Satz 2 dieser
Vorschrift landesweit nicht mehr als 5 Prozent der abgegebe-
nen Stimmen betragen. Das Bundesverfassungsgericht hat in
seiner Entscheidung vom 8. Juni 2004 in einem Organstreit-
verfahren zur Fünf-Prozent-Sperrklausel des damaligen § 2
Absatz 6 EuWG (2 BvE 1/04), in dem die diesbezügliche
Organklage der NPD wegen Nichteinhaltung der Frist ge-
mäß § 64 Absatz 3 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes
(BVerfGG) als unzulässig verworfen worden ist, auf die ent-
sprechende Ergänzung des Direktwahlaktes im Jahr 2002
hingewiesen und hierzu ausgeführt, dass der Gesetzgeber
mit dem am 21. August 2003 verkündeten Vierten Gesetz zur
Änderung des Europawahlgesetzes und Neunzehnten Gesetz
zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes zum Aus-
druck gebracht habe, dass er an der Fünf-Prozent-Sperr-
klausel festhalten möchte. Er habe sich dabei – so das
Bundesverfassungsgericht – auf die Ermächtigung der Mit-
päischen Parlaments erfolge. Abgeordnete von Kleinstpar-
teien, die im Deutschen Bundestag oder in den Landtagen

gliedstaaten im Beschluss des Rates der Europäischen Union
stützen können, eine Sperrklausel zu erlassen. Der Rat der

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 77 – Drucksache 17/2200

Europäischen Union hat nach Zustimmung des Europäi-
schen Parlaments mit Beschluss vom 25. Juni und 23. Sep-
tember 2002 (BGBl. 2003 II S. 811) den Direktwahlakt ge-
ändert, damit die Wahlen zum Europäischen Parlament
„gemäß den allen Mitgliedstaaten gemeinsamen Grundsät-
zen stattfinden können, die Mitgliedstaaten zugleich aber die
Möglichkeit erhalten, für Aspekte, die nicht durch diesen
Beschluss geregelt sind, ihre jeweiligen nationalen Vor-
schriften anzuwenden“. Dieser Änderung des Direktwahl-
akts hat der deutsche Gesetzgeber mit Artikel 1 des Zweiten
Gesetzes über die Zustimmung zur Änderung des Direkt-
wahlakts vom 15. August 2003 (BGBl. 2003 II S. 810) zuge-
stimmt. Zwar kann, worauf der Wahlprüfungsausschuss
schon in den genannten Entscheidungen hingewiesen hat, in
dieser nunmehr ausdrücklich verankerten Ermächtigung
zum Erlass einer Fünf-Prozent-Sperrklausel durch den Di-
rektwahlakt nicht unmittelbar die Verfassungsmäßigkeit ei-
ner solchen Sperrklausel nach dem deutschen Verfassungs-
recht abgeleitet werden. Der Wahlprüfungsausschuss sieht
sie jedoch weiterhin als starkes Indiz dafür, dass § 2 Absatz 7
EuWG nicht gegen das Grundgesetz verstößt.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung
vom 22. Mai 1979 die Fünf-Prozent-Sperrklausel für Wahlen
zum Europäischen Parlament einstimmig für grundgesetz-
konform angesehen, weil sie an dem durch besondere,
zwingende Gründe gerechtfertigten Ziel, einer übermäßigen
Parteienzersplitterung im Europäischen Parlament entgegen-
zuwirken, orientiert sei und das Maß des zur Erreichung die-
ses Ziels Erforderlichen nicht überschreite (BVerfGE 51,
222, 233). Bereits in dieser Entscheidung hat sich das Bun-
desverfassungsgericht ausdrücklich mit den Spezifika des
Europäischen Parlaments auseinandergesetzt, dessen Aufga-
benkreis mit dem der Parlamente der Mitgliedstaaten nur be-
dingt vergleichbar sei. Im Vordergrund sah das Bundesver-
fassungsgericht die Ausübung der vertraglich verbürgten
Beratungs- und Kontrollfunktionen. Dagegen seien von den
klassischen Aufgaben der Parlamente das Recht, die Regie-
rung zu wählen und die gesetzgeberischen Funktionen nur in
ersten Ansätzen vorhanden (a. a. O., S. 240 ff.). Hingegen
nehme es als Vertretung der Völker eine wichtige politische
Integrationsverantwortung wahr. Organisation und Arbeits-
weise unterschieden sich nicht wesentlich von derjenigen
der nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten. Das Bundes-
verfassungsgericht betont, dass der dem Europäischen Parla-
ment im Verfassungsgefüge der Europäischen Gemeinschaf-
ten zugewiesene Aufgabenkreis und die ihm auf dem Wege
zu einem immer engeren Zusammenschluss der europäi-
schen Völker zugedachte Rolle ein handlungsfähiges Organ
erforderten. Das Europäische Parlament könne die ihm ge-
stellten Aufgaben nur dann wirksam bewältigen, wenn es
durch eine, den vielschichtigen Spezialmaterien angemesse-
ne, interne Arbeitsteilung all seinen Mitgliedern die notwen-
dige Sachkenntnis verschaffe und zu einer überzeugenden
Mehrheitsbildung in der Lage sei. Beides könne gefährdet
werden, wenn die durch die große Zahl der Mitgliedstaaten
ohnehin nicht vermeidbare Aufgliederung des Parlaments in
viele Gruppen ein Ausmaß annehme, das dessen Funktions-
fähigkeit ernsthaft in Frage stelle. Dies sei ein zwingender
Grund, der Vorkehrungen gegen eine übermäßige Parteien-
zersplitterung zu rechtfertigen vermöge (a. a. O., S. 246 f.).

bei Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein gegen die
Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit verstößt
(BVerfGE 120, 82), ergibt sich keine Neubewertung der Zu-
lässigkeit der Sperrklausel bei der Europawahl, wie das Bun-
desministerium des Innern in seiner Stellungnahme, der sich
der Wahlprüfungsausschuss in dieser Hinsicht anschließt,
zutreffend dargelegt hat. Dasselbe gilt für weitere kommu-
nalrechtliche Entscheidungen von Landesverfassungsge-
richten (vgl. die Übersicht über die Rechtslage in den
Bundesländern im Urteil des Staatsgerichtshofs der Freien
Hansestadt Bremen vom 14. Mai 2009 – St 2/08, Rn. 30 ff.).
Denn die in diesen Entscheidungen betroffenen kommuna-
len Vertretungen sind, wie das Bundesverfassungsgericht
feststellt, Organe der Verwaltung, denen in erster Linie ver-
waltende Tätigkeiten anvertraut sind (a. a. O., S. 112). Da-
mit haben sie einen völlig anderen Charakter als das Europä-
ische Parlament als ein unmittelbar von den Unionsbürgern
gewähltes Vertretungsorgan der Völker in einer supranatio-
nalen Gemeinschaft (vgl. BVerfGE 123, 267, 368). Dieses
ist, wie das Bundesministerium des Innern beispielhaft dar-
legt, mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon bei
95 Prozent der europäischen Gesetzgebung zum gleichbe-
rechtigten Gesetzgeber neben dem Rat geworden, übt ge-
meinsam mit ihm die Haushaltsbefugnisse aus, erfüllt Auf-
gaben der politischen Kontrolle und Beratungsfunktionen
und wählt den Präsidenten der Kommission (vgl. Artikel 14
EUV).

Auch die auf das Europäische Parlament bezogenen Ausfüh-
rungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom
30. Juni 2009 zum Vertrag von Lissabon (BVerfGE 123, 267,
364, 370 ff.) nehmen in keiner Weise Stellung zu der Zuläs-
sigkeit einer Sperrklausel und bieten auch keine anderweiti-
gen Anhaltspunkte für eine notwendige Neubewertung der
Verfassungsmäßigkeit von § 2 Absatz 7 EuWG.

Angesichts der von den Einspruchsführern angeführten Zu-
nahme der im Europäischen Parlament vertretenen Parteien
sieht der Wahlprüfungsausschuss die vom Bundesverfas-
sungsgericht bereits 1979 deutlich angesprochene Gefahr
der Zersplitterung heute eher noch verstärkt. Diese ist zwar,
wie die Einspruchsführer zutreffend darlegen, in erster Linie
der erheblich angewachsenen Zahl der Mitgliedstaaten ge-
schuldet. Vor dem Hintergrund der beständig erweiterten
und mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon weiter an-
wachsenden Kompetenzen des Europäischen Parlaments
hält der Wahlprüfungsausschuss es daher für geboten, dieser
Zersplitterung im Rahmen des dem deutschen Gesetzgeber
Möglichen entgegenzuwirken. Deshalb besteht aus seiner
Sicht die verfassungsrechtliche Rechtfertigung für die Fünf-
Prozent-Sperrklausel bei der Wahl der Abgeordneten des
Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutsch-
land gemäß § 2 Absatz 7 EuWG fort.

Soweit die Einspruchsführer weiterhin eine Verletzung der
Wahlrechtsgleichheit zwischen Wahlberechtigten in der
Bundesrepublik Deutschland und in anderen, kleineren Mit-
gliedstaaten geltend machen möchten, weil die Stimme eines
Wahlberechtigten aus der Bundesrepublik Deutschland ein
geringeres Gewicht habe, ist darauf zu verweisen, dass Prü-
fungsmaßstab für die Verfassungsmäßigkeit des EuWG
allein die Wahlgleichheit zwischen den Wahlberechtigten,
Aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom
13. Februar 2008, der zufolge die Fünf-Prozent-Sperrklausel

die die Abgeordneten aus der Bundesrepublik Deutschland
wählen, sein kann. Auch das Bundesverfassungsgericht hat

Drucksache 17/2200 destag – 17. Wahlperiode
– 78 – Deutscher Bun

in seinem Urteil zum Vertrag von Lissabon festgestellt, dass
die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments nicht in
der Weise gleichheitsgerecht sein müsse, dass auf Unter-
schiede im Stimmgewicht der Unionsbürger in Abhängigkeit
von der Bevölkerungszahl verzichtet werde (BVerfGE 123,
267, 371).

Die allgemeinen Zweifel der Einspruchsführer an der Ver-
fassungsmäßigkeit der in Artikel 1 Absatz 1 des Direktwahl-
akts und § 2 Absatz 1 EuWG verankerten Verhältniswahl
mit Listenwahlvorschlägen, die diese damit begründen, dass
sie „die Republik in einem Parteienstaat“ wandele, teilt der
Wahlprüfungsausschuss ebenfalls nicht. Er weist darauf hin,
dass das Grundgesetz keine Aussage hinsichtlich des für
Wahlen zum Europäischen Parlament geltenden Wahlsys-
tems trifft und die Mitwirkung der Parteien an der politi-
schen Willensbildung in Artikel 21 Absatz 1 ausdrücklich
vorsieht. Zudem können, wie die Einspruchsführer durchaus
auch erkannt haben, bei der Europawahl neben den Parteien
auch sonstige mitgliedschaftlich organisierte, auf Teilnahme
an der politischen Willensbildung ausgerichtete Vereinigun-
gen Wahlvorschläge einreichen. Darüber hinaus ist daran zu
erinnern, dass bei Bundestagswahlen laut Bundesverfas-
sungsgericht das auf Parteien beschränkte Vorschlagsrecht
für deren Listen sich „aus der Natur der Sache“ ergibt und
mit Artikel 38 GG in Einklang steht (BVerfGE 46, 196, 199;
vgl. auch Bundestagsdrucksache 15/4750 Anlage 5).

heitsgrundsatz des Artikels 3 Absatz 1 Satz 1 GG, gegen die
im Grundgesetz verankerten Grundsätze der Chancengleich-

ten habe, zeige. In Wahrheit diene die Sperrklausel der
Ausgrenzung der kleinen Parteien.
sie Prozent an Stimmen erhalten habe, und verfälsche die
Wahl.

Zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel in § 2 Absatz 7 EuWG hat das Bundesministe-
rium des Innern Stellung genommen und mitgeteilt, dass aus
heit der Parteien und der Wahlfreiheit sowie gegen die
entsprechenden Vorschriften übernationalen, insbesondere
europäischen Rechts. Er erhebt auch den Vorwurf der „Wahl-
verfälschung per Gesetz“.

Der Einspruchsführer trägt im Wesentlichen vor, dass bei der
Europawahl am 7. Juni 2009 10,7 Prozent der abgegebenen
gültigen Stimmen in der Bundesrepublik Deutschland auf
Wahlvorschläge entfallen seien, die an der Fünf-Prozent-
Sperrklausel gescheitert seien. Diese Stimmen würden be-
handelt, als seien sie ungültig oder nicht abgegeben. Außer-
dem hätten dadurch Parteien 10,7 Prozent mehr Sitze im
Europäischen Parlament erhalten, als ihnen nach den abge-
gebenen Stimmen zustehe. Das verletze das für Europawah-
len vorgeschriebene Verhältniswahlrecht, das besage, dass
jede Partei genau soviel Prozent an Sitzen erhalte, wie

Schließlich sei die Sperrklausel auch deshalb verfassungs-
widrig, weil sie nicht von allen EU-Mitgliedstaaten einge-
führt worden sei und sich angesichts der unterschiedlichen
Stärke der von den Mitgliedstaaten ins Europäische Parla-
ment entsandten Abgeordneten unterschiedlich auswirke.
Sie verstoße damit gegen den Grundsatz der Chancengleich-
heit der Parteien.

Der Einspruchsführer bezieht sich ergänzend ausdrücklich
auf den Wahleinspruch EuWP 38/09, den er in seinem
Schreiben vom 7. August 2009 im Wortlaut wiedergibt.
Diesbezüglich wird auf den Inhalt der Akten Bezug genom-
men und auf Tatbestand und Entscheidungsgründe der Be-
schlussempfehlung zu dem genannten Wahleinspruch in die-
ser Drucksache verwiesen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 79 – Drucksache 17/2200

Anlage 19

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn A. H., 81247 München
– Az.: EuWP 44/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 7. Juni 2009
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 10. Juni 2010 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem per Telefax übermittel-
ten Schreiben, das am 6. August 2009 beim Deutschen Bun-
destag eingegangen ist, Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus
der Bundesrepublik Deutschland am 7. Juni 2009 Einspruch
eingelegt und seinen Einspruch mit einem weiteren Schrei-
ben, das am 7. August 2009 beim Deutschen Bundestag ein-
gegangen ist, ergänzt.

Mit seinem Einspruch macht der Einspruchsführer geltend,
die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei der Wahl der Abgeordne-
ten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland gemäß § 2 Absatz 7 des Europawahlgesetzes
(EuWG) verstoße gegen das Grundgesetz (GG) sowie gegen
internationales, insbesondere europäisches Recht.

Er ist der Auffassung, die 7. Direktwahl des Europäischen
Parlaments und die Zuteilung der 99 Sitze für Abgeordnete
aus der Bundesrepublik Deutschland verletze den Grundsatz
der Stimmengleichheit gemäß Artikel 38 Absatz 1 Satz 1
GG, außerdem verstoße sie gegen den allgemeinen Gleich-

scheitert sei, seien von dem entscheidenden Teil der Wahl,
nämlich der Bestimmung der Abgeordneten derjenigen Par-
teien, die die Fünf-Prozent-Hürde überwunden hätten, aus-
geschlossen worden. Dies verletze den Grundsatz der Wahl-
gleichheit. Den Wählern kleiner Parteien würde ihr
Wahlrecht in seinem entscheidenden Teil entzogen. Dadurch
entstehe eine Einteilung der Wähler in zwei Klassen. Wenn
der Gesetzgeber schon eine Sperrklausel einführe, so müsse
er auch sicherstellen, dass alle Wahlberechtigten in gleicher
Weise ihre Stimme auch beim entscheidenden Teil einer
Wahl abgeben können, nämlich bei der Bestimmung der Ab-
geordneten derjenigen Parteien, die die Sperrklausel über-
winden. Dies sei nicht nur durch einen – aufwändigen –
zweiten Wahlgang möglich, sondern auch durch die bereits
seit langem diskutierte Einführung einer Ersatz- oder Even-
tualstimme.

Die Sperrklausel sei auch nicht durch die Wahrung der
Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit des Parlaments ge-
rechtfertigt, wie das Beispiel des ersten Deutschen Bundes-
tages, für den noch keine Fünf-Prozent-Sperrklausel gegol-
Die Wähler, die eine auf dem Stimmzettel aufgeführte Partei
gewählt hätten, welche an der Fünf-Prozent-Sperrklausel ge-

seiner Sicht die anlässlich von Entscheidungen über Ein-
sprüche gegen die 6. Direktwahl des Europäischen Parla-

Drucksache 17/2200 – 80 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

ments im Jahr 2004 vertretene Rechtsauffassung des Wahl-
prüfungsausschusses, die Fünf-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz sei verfassungsrechtlich zulässig (Bun-
destagsdrucksachen 15/4250, Anlage 18 und 15/4750, Anla-
gen 20 bis 22), weiterhin aktuell sei.
Aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur
Fünf-Prozent-Klausel bei Kommunalwahlen in Schleswig-
Holstein vom 13. Februar 2008 ergebe sich keine andere
Sichtweise. Das Bundesverfassungsgericht habe in dem Ur-
teil unter Hinweis auf frühere Entscheidungen festgestellt,
dass es sich bei Gemeindevertretungen und Kreistagen nicht
um Parlamente im Rechtssinn handele. Zur Begründung sei
angeführt worden, dass ihnen in erster Linie verwaltende
Tätigkeiten anvertraut seien, ihnen keine Gesetzgebungs-
funktion zustünde, sie keine Regierung oder ein vergleichba-
res Gremium wählten und ihre Entscheidungen der Rechts-
aufsicht unterlägen (BVerfGE 120, 82, 120). All dies treffe
für das Europäische Parlament, auch in einem entsprechen-
den Sinne, nicht zu. Hier könne auf die vom Wahlprüfungs-
ausschuss bereits gemachten Ausführungen zu den Befug-
nissen des Europäischen Parlaments verwiesen werden,
wobei insbesondere hervorzuheben sei, dass das Mitent-
scheidungsverfahren gemäß Artikel 251 EGV das Euro-
päische Parlament in den meisten Bereichen der gemein-
schaftsrechtlichen Rechtsetzung neben dem Rat zum
gleichberechtigten Gesetzgeber der Europäischen Union
mache und das Europäische Parlament der Ernennung des
Präsidenten und der übrigen Mitglieder der Kommission zu-
stimmen müsse (Artikel 214 Absatz 2 Satz 1 EGV) sowie
die Kommission durch ein Misstrauensvotum zum Rücktritt
zwingen könne (Artikel 201 EGV). Über die vom Bundes-
verfassungsgericht genannten Kriterien hinaus sei noch
anzumerken, dass die Abgeordneten des Europäischen Par-
laments Immunität genössen (Artikel 6 Absatz 2 des Direkt-
wahlakts), wie auch die Abgeordneten des Deutschen Bun-
destages (Artikel 46 GG) und der Landtage, den Mitgliedern
kommunaler Volksvertretungen dieses Recht jedoch nicht
zustehe.
Das Bundesverfassungsgericht habe in dieser Entscheidung
zudem darauf hingewiesen, dass bei Differenzierungen der
Wahlrechtsgleichheit wie einer Fünf-Prozent-Klausel auch
auf die Eingriffsintensität abgestellt werden müsse
(BVerfGE 120, 82, 107). Es habe damit ein Argument bestä-
tigt, das es bei seiner Entscheidung im Jahr 1979 zur Recht-
fertigung der Fünf-Prozent-Klausel bei Europawahlen ange-
führt habe. Damals habe das Bundesverfassungsgericht
darauf verwiesen, dass wegen der jeweiligen Anzahl zu wäh-
lender Abgeordneter die Sperrklausel bei Europawahlen
einen weniger intensiven Eingriff darstelle als bei einer Bun-
destagswahl (BVerfGE 51, 222, 255). Bei der gegenwärtigen
Größe des Deutschen Bundestages habe die Sperrklausel zur
Folge, dass bis zu 30 Bewerbern einer Partei der Einzug in
das Parlament verwehrt werde. Bei den Wahlen zum Euro-
päischen Parlament könne die Sperrklausel nur verhindern,
dass Gruppierungen von höchstens vier Abgeordneten in das
Europäische Parlament gelangten.
Schließlich habe das Bundesverfassungsgericht ausgeführt,
dass bei Eingriffen in die Gleichheit der Wahl eine gefestigte
Rechtsüberzeugung und Rechtspraxis Beachtung finden
könne (BVerfGE 120, 82, 107). In der Bundesrepublik
Deutschland gebe es bei Bundestags- und Landtagswahlen

nalen Wahlen, d.h. bei Wahlen eines Parlaments im Rechts-
sinn. Die Sperrklausel sei damit den Bundesbürgern als
Element demokratischer Wahlen bekannt und vertraut, so
dass sich eine gefestigte Rechtsüberzeugung und Rechts-
praxis gebildet habe. Für das Europawahlgesetz habe sich
der Bundesgesetzgeber insoweit an das Bundestagswahl-
recht angelehnt, das in der Bevölkerung eine hohe Akzep-
tanz genieße.
Abgesehen davon, dass das Europäische Parlament eher mit
einem nationalen Parlament als einer kommunalen Volksver-
tretung zu vergleichen sei, müsse bei der Beurteilung der
Sicherung seiner Funktionsfähigkeit durch eine Fünf-Pro-
zent-Klausel im Europawahlgesetz vorrangig auf das natio-
nale Kontingent der Abgeordneten aus der Bundesrepublik
Deutschland abgestellt werden.
Die Sperrklausel ermögliche in erster Linie die Rückkopp-
lung der deutschen Abgeordneten im Europäischen Parla-
ment mit den tragenden politischen Kräften in Deutschland,
die ihrerseits auf den Rat und die Kommission einwirken
könnten (BVerfGE 51, 222, 235).
Das Europäische Parlament habe eine große Bandbreite an
legislativen Aufgaben zu bewältigen. Auch in Bereichen, in
denen das Parlament lediglich ein Anhörungsrecht habe, wie
z. B. im Bereich der Innen- und Justizpolitik, spiele es eine
bedeutende Rolle als Kontrollinstanz von Rat und Kommis-
sion. Der einzelne Abgeordnete sei bei seinen Entscheidun-
gen vielfältigen Einflussnahmen von Lobbyorganisationen
ausgesetzt. Um eigenständig fundierte Entscheidungen tref-
fen zu können, bedürfe er eines „logistischen Rückhalts“.
Diesen finde er z. T. in den Einrichtungen des Europäischen
Parlaments. In zahlreichen Fällen benötigten die Abgeord-
neten allerdings Kenntnisse über die Rechtslage und tatsäch-
liche Situation in ihrem Heimatstaat und die möglichen
Auswirkungen einer bestimmten Rechtsetzung der Gemein-
schaft auf die Situation in ihrem Land. Würden auf diese
Weise die Erkenntnisse aus allen Mitgliedstaaten zusam-
mengeführt, könnten die Abgeordneten fundierte Entschei-
dungen treffen, die die Auswirkungen europäischer Ge-
setzgebung auf die Situation in den Mitgliedstaaten
berücksichtigen. Für diese Rückkopplung könnten sich die
Abgeordneten in erster Linie der nationalen Parteien und
Parlamente bedienen. Bei Kleinstparteien fehle hierfür nicht
nur der notwendige Apparat, sondern auch die Rückkopp-
lung über das nationale Parlament, in dem diese Parteien in
Deutschland wegen der bei Bundestagswahlen geltenden
Fünf-Prozent-Klausel nicht vertreten seien. Umgekehrt sei
auch der Deutsche Bundestag für die Wahrnehmung seiner
fortlaufenden Integrationsverantwortung in europapoliti-
schen Angelegenheiten auf die Rückmeldung der deutschen
Abgeordneten des Europaparlaments angewiesen. Soweit es
sich um Materien handele, die in die Gesetzgebungszustän-
digkeit der Länder fielen, oder um Gegenstände, die für ein
Land von besonderem Interesse seien, gelte Gleiches für die
Rückkopplung zwischen den Abgeordneten des Europäi-
schen Parlaments und der Landtage.
Die Zusammenarbeit der Parlamente untereinander spiele
eine wesentliche Rolle für den europäischen politischen Pro-
zess und sei auch institutionell verankert: So enthalte die Ge-
schäftsordnung des Europäischen Parlaments einen eigenen
Abschnitt über die Beziehungen zu den nationalen Parla-
menten (Titel VI Artikel 130 bis 132). In der Geschäftsord-
traditionell eine Fünf-Prozent-Sperrklausel. Damit gelte die-
se Klausel seit Gründung der Bundesrepublik bei überregio-

nung des Deutschen Bundestages (GO-BT) regele § 93a,
dass die Ausschüsse Mitglieder des Europäischen Parla-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 81 – Drucksache 17/2200

ments zu ihren Beratungen in Europaangelegenheiten hinzu-
ziehen und Unionsdokumente gemeinsam mit Ausschüssen
des Europäischen Parlaments gleicher Zuständigkeit beraten
könnten. § 93b GO-BT sehe vor, dass zu den Sitzungen des
Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen
Union deutsche Mitglieder des Europäischen Parlaments
Zutritt erhielten. Sie seien vom Präsidenten des Deutschen
Bundestages auf Vorschlag der Fraktionen des Deutschen
Bundestages, aus deren Parteien deutsche Mitglieder in das
Europäische Parlament gewählt worden sind, berufen wor-
den. Die berufenen Mitglieder des Europäischen Parlaments
seien befugt, die Beratung von Verhandlungsgegenständen
anzuregen sowie Auskünfte zu erteilen und Stellung zu
nehmen. Diese wechselseitigen Informationsflüsse und
Verflechtungen zwischen nationalen Parlamenten und dem
Europäischen Parlament könnten nur von solchen Abgeord-
neten effektiv genutzt werden, deren Parteien in beiden Par-
lamenten vertreten seien.
Die Sperrklausel diene daneben, wenn auch nach Auffas-
sung des Bundesverfassungsgerichts nicht vorrangig, der Si-
cherung einer wirksamen Vertretung des deutschen Volkes
im Europäischen Parlament (BVerfGE 51, 222, 249).
Die Regelungen des Europawahlgesetzes bezögen sich aus-
schließlich auf die Wahl der Abgeordneten aus der Bundes-
republik Deutschland. Diese stellten nur einen Teil der
Abgeordneten des Europäischen Parlaments dar. Es sei daher
folgerichtig, bei der Frage der Rechtfertigung einer Be-
schränkung der Wahlrechtsgleichheit durch eine Fünf-Pro-
zent-Klausel in erster Linie nicht das Gesamtparlament,
sondern den von Deutschland aus gewählten Teil der Ab-
geordneten zu betrachten.
Dieser Aspekt werde sowohl durch den Direktwahlakt als
auch durch den EG-Vertrag in der Fassung des Vertrags von
Nizza unterstützt.
Nach Artikel 3 des Direktwahlakts könnten die Mitglied-
staaten eine Mindestschwelle festlegen, die jedoch landes-
weit nicht mehr als 5 Prozent der abgegebenen Stimmen
betragen dürfe. Europarechtlich sei die Fünf-Prozent-Sperr-
klausel daher als zulässig anerkannt. Zahlreiche Mitglied-
staaten der Europäischen Union wie Frankreich, Italien,
Lettland, Litauen, Österreich, Polen, Rumänien, Schweden,
die Slowakei, die Tschechische Republik und Ungarn hätten
von der Möglichkeit der Einführung einer Mindestschwelle
Gebrauch gemacht. Insbesondere habe die Mehrzahl der grö-
ßeren Länder eine Sperrklausel eingeführt. So gebe es in
Deutschland (99 Abgeordnete), Frankreich (72 Abgeordne-
te) und in Polen (50 Abgeordnete) eine Sperrklausel von
5 Prozent, in Italien (72 Abgeordnete) eine Sperrklausel von
4 Prozent. Von den großen Ländern hätten nur Groß-
britannien mit 72 Abgeordneten und Spanien mit 40 Ab-
geordneten keine Sperrklausel. Kleinere Länder bräuchten
schon deshalb z. T. keine Mindestschwelle, weil die für
ein Mandat benötigten prozentualen Stimmenanteile die
höchstzulässige Mindestschwelle von 5 Prozent bereits
überschritten.
Artikel 3 des Direktwahlakts ermögliche den Mitgliedstaa-
ten in erster Linie dafür zu sorgen, dass das nationale Ab-
geordnetenkontingent nicht aus zahlreichen kleineren Split-
tergruppen bestehe, sondern aus Abgeordneten, deren
Parteien auch auf nationaler Ebene eine gewisse Bedeutung
hätten. Dies stärke die Handlungsfähigkeit als nationales

Gleiches ergebe sich durch die Auslegung des EG-Vertrags
in der Fassung des Vertrags von Nizza, der gemeinschafts-
rechtlichen Grundlage für die 7. Direktwahl des Europäi-
schen Parlaments.
Das Europäische Parlament bestehe danach aus Vertretern
der Völker der in der Gemeinschaft zusammengeschlos-
senen Staaten (Artikel 189 EGV). Zwar sei die Binnenorga-
nisation durch die transnationale Zusammensetzung der
Fraktionen gekennzeichnet. Auch im Wahlverfahren gebe es
transnationale Elemente wie z. B. die Wahlberechtigung der
Personen mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, gemäß Artikel 18
Absatz 1 EGV. Dies ändere aber nichts daran, dass der Ver-
trag von Abgeordneten ausgehe, die Vertreter der Völker der
in der Gemeinschaft zusammengeschlossenen Staaten seien,
und eben nicht Vertreter von Parteien oder länderübergrei-
fenden Parteibündnissen oder ausschließlich Vertreter eines
europäischen Gedankens.
Die Anbindung der Abgeordneten an ihre Heimatländer sei
demnach in Artikel 189 EGV angelegt. Im Gegensatz zu den
Abgeordneten des Deutschen Bundestages, die das ganze
Volk verträten (Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 erster Halbsatz
GG), verträten die Abgeordneten des Europäischen Parla-
ments nicht ein „Unionsvolk“, das es mangels Eigenstaat-
lichkeit der EU nicht gebe, sondern das Volk des Mitglied-
staates, das sie gewählt habe. Die Mitgliedstaaten könnten
daher ein – nach den Verträgen zulässiges – Interesse daran
haben, dass ihre Belange möglichst effektiv vertreten wür-
den, und in Verfolgung dieses Interesses eine Sperrklausel
festlegen. Tatsächlich komme es innerhalb der deutschen
Abgeordnetengruppe häufig vor, dass nationale Interessen
bei Abstimmungen vordringlich berücksichtigt würden. Be-
sondere Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit seien die
Arbeitszeitrichtlinie, die CO2-Pkw-Richtlinie oder die Rück-
führungsrichtlinie.
Eine effektive Vertretung des deutschen Volkes, zu der die
Abgeordneten im Europäischen Parlament berufen seien, sei
mit einer Größe einer Abgeordnetengruppe von einem bis
vier Abgeordneten kaum möglich. Daran ändere auch die
Möglichkeit nichts, sich Fraktionen im Europäischen Parla-
ment anzuschließen. Der Zusammenschluss zu Fraktionen
gewährleiste nämlich lediglich, dass die Politik der jeweili-
gen Parteien im Parlament vertreten werde, nicht aber, dass
die einzelnen Abgeordneten einen effektiven Beitrag zur
Vertretung der Interessen ihrer Nation im Parlament leiste-
ten. Im Übrigen sei nicht sicher, dass alle Abgeordneten von
Splitterparteien eine Fraktion fänden, der sie sich anschlie-
ßen könnten. Zwar gehörten die meisten Abgeordneten im
Europäischen Parlament einer Fraktion an; dennoch seien in
der laufenden 7. Wahlperiode zurzeit 27 Mitglieder des
Europäischen Parlaments fraktionslos. Zum Vergleich hierzu
habe der Deutsche Bundestag im Regelfall nur ein bis zwei
fraktionslose Abgeordnete. Gerade Splitterparteien, die sich
nur zu einem eng begrenzten Themenkreis politisch positio-
nierten, könnten nicht ohne Weiteres eine Fraktion finden,
der sie sich anschließen können.
Mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon gelte das Vorste-
hende erst recht. Das Europäische Parlament sei auch nach
der Neuformulierung in Artikel 14 Absatz 2 des EU-Ver-
trags kein Repräsentationsorgan eines souveränen europäi-
schen Volkes, sondern eine Vertretung der Völker der Mit-
Kontingent. gliedstaaten. Dies spiegele sich darin, dass es, wie das

Drucksache 17/2200 – 82 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Bundesverfassungsgericht festgestellt habe, als Vertretung
der Völker in den jeweils zugewiesenen nationalen Kon-
tingenten von Abgeordneten und nicht als Vertretung der
Unionsbürger nach dem Prinzip der Wahlgleichheit angelegt
sei.
Auch die gestiegene Bedeutung der wechselseitigen Rück-
kopplung von Europäischem Parlament und nationalen Par-
lamenten finde im Vertrag von Lissabon ihren Niederschlag:
So etwa in Artikel 12 EUV, der den aktiven Beitrag der na-
tionalen Parlamente zur guten Arbeitsweise der Union wür-
dige und ihnen zahlreiche Rechte einräume, und im Proto-
koll Nr. 1 über die Rolle der nationalen Parlamente in der
Europäischen Union.
Mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon werde das Euro-
päische Parlament in 95 Prozent der Gesetzgebung zum
gleichberechtigten Gesetzgeber neben dem Rat. Darunter
fielen auch Bereiche, die nach der Rechtsprechung des Bun-
desverfassungsgerichts in besonderer Weise auf den inner-
staatlichen politischen Diskurs angewiesen seien, und in
denen dem Deutschen Bundestag Aufgaben von substanziel-
lem Gewicht verbleiben müssten, wie etwa das Strafrecht
und das Strafverfahren. Unter diesem Gesichtspunkt komme
der Rückkopplung der Abgeordneten des Europäischen Par-
laments an die politischen Meinungen in den Fraktionen des
Deutschen Bundestages noch mehr Bedeutung als bisher zu.
Dasselbe gelte im Gegenzug für die Unterrichtung des Deut-
schen Bundestages über die Beratungen im Europäischen
Parlament, die entsprechend seiner Geschäftsordnung durch
die von den Fraktionen benannten Abgeordneten des Euro-
päischen Parlaments erfolge. Abgeordnete von Kleinstpar-
teien, die im Deutschen Bundestag oder in den Landtagen
kein Pendant fänden, könnten diese Rückkopplung nicht ge-
währleisten.
Die Fünf-Prozent-Sperrklausel in § 2 Absatz 7 EuWG diene
demnach legitimen Zielen und sei zur Erreichung dieser Zie-
le geeignet, erforderlich und angemessen.

Dem Einspruchsführer ist die Stellungnahme bekannt gege-
ben worden. Er hat sich hierzu geäußert und seine Ein-
spruchsgründe bekräftigt. Wegen der Einzelheiten wird auf
den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Dem Vortrag des Einspruchsführers, die Fünf-Prozent-
Sperrklausel gemäß § 2 Absatz 7 EuWG verstoße gegen das
Grundgesetz und internationales, insbesondere europäisches
Recht, lässt sich kein Verstoß gegen wahlrechtliche Vor-
schriften entnehmen.

Diesbezüglich ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der
Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in
ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens
die Verfassungsmäßigkeit von Wahlrechtsvorschriften nicht
überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundes-
verfassungsgericht vorbehalten worden (vgl. bereits Bundes-
tagsdrucksachen I/2811; zuletzt: 16/1800, Anlagen 26 bis 28;
17/1000, Anlagen 5 und 11 mit weiteren Nachweisen), das
diese Praxis auch stets bestätigt hat, da dem Bundestag inso-
fern die Verwerfungskompetenz fehle (vgl. BVerfGE 89,

Unabhängig hiervon hat sich der Wahlprüfungsausschuss
ausführlich mit der vom Einspruchsführer angesprochenen
Rechtsfrage befasst. Er hält die Vorschrift des § 2 Absatz 7
EuWG für verfassungsgemäß und bestätigt damit seine be-
reits im Zusammenhang mit Anfechtungen der Europawahl
im Jahr 2004 dargelegte Auffassung (s. Bundestagsdruck-
sachen 15/4250, Anlage 18; 15/4750, Anlagen 5, 9, 20
bis 22).

Wie der Deutsche Bundestag und der Wahlprüfungsaus-
schuss in den genannten Entscheidungen ausgeführt haben,
können die Mitgliedstaaten nach Artikel 3 Absatz 1 des Di-
rektwahlakts eine Mindestschwelle für die Sitzvergabe
einführen, die jedoch gemäß Artikel 3 Absatz 2 derselben
Vorschrift landesweit nicht mehr als 5 Prozent der ab-
gegebenen Stimmen betragen darf. Die Möglichkeit einer
Fünf-Prozent-Hürde ist also im Recht der Europäischen
Union ausdrücklich vorgesehen, was der Einspruchsführer
verkennt.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung
vom 8. Juni 2004 in einem Organstreitverfahren zur Fünf-
Prozent-Sperrklausel des damaligen § 2 Absatz 6 EuWG
(2 BvE 1/04), in dem die diesbezügliche Organklage der
NPD wegen Nichteinhaltung der Frist gemäß § 64 Absatz 3
des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (BVerfGG) als un-
zulässig verworfen worden ist, auf die entsprechende Ergän-
zung des Direktwahlaktes im Jahr 2002 hingewiesen und
hierzu ausgeführt, dass der Gesetzgeber mit dem am 21. Au-
gust 2003 verkündeten Vierten Gesetz zur Änderung des
Europawahlgesetzes und Neunzehnten Gesetz zur Änderung
des Europaabgeordnetengesetzes zum Ausdruck gebracht
habe, dass er an der Fünf-Prozent-Sperrklausel festhalten
möchte. Er habe sich dabei – so das Bundesverfassungs-
gericht – auf die Ermächtigung der Mitgliedstaaten im Be-
schluss des Rates der Europäischen Union stützen können,
eine Sperrklausel zu erlassen. Der Rat der Europäischen
Union hat nach Zustimmung des Europäischen Parlaments
mit Beschluss vom 25. Juni und 23. September 2002
(BGBl. 2003 II S. 811) den Direktwahlakt geändert, damit
die Wahlen zum Europäischen Parlament „gemäß den allen
Mitgliedstaaten gemeinsamen Grundsätzen stattfinden kön-
nen, die Mitgliedstaaten zugleich aber die Möglichkeit erhal-
ten, für Aspekte, die nicht durch diesen Beschluss geregelt
sind, ihre jeweiligen nationalen Vorschriften anzuwenden“.
Dieser Änderung des Direktwahlakts hat der deutsche Ge-
setzgeber mit Artikel 1 des Zweiten Gesetzes über die Zu-
stimmung zur Änderung des Direktwahlakts vom 15. August
2003 (BGBl. 2003 II S. 810) zugestimmt. Zwar kann, wor-
auf der Wahlprüfungsausschuss schon in den genannten Ent-
scheidungen hingewiesen hat, in dieser nunmehr ausdrück-
lich verankerten Ermächtigung zum Erlass einer Fünf-
Prozent-Sperrklausel durch den Direktwahlakt nicht unmit-
telbar die Verfassungsmäßigkeit einer solchen Sperrklausel
nach dem deutschen Verfassungsrecht abgeleitet werden.
Der Wahlprüfungsausschuss sieht sie jedoch weiterhin als
starkes Indiz dafür, dass § 2 Absatz 7 EuWG nicht gegen das
Grundgesetz verstößt.

In seiner Entscheidung vom 22. Mai 1979 hat das Bundes-
verfassungsgericht die Fünf-Prozent-Sperrklausel für Wah-
len zum Europäischen Parlament einstimmig für grundge-
291, 300; 121, 266, 290; 122, 304, 307). setzkonform angesehen, weil sie an dem durch besondere,

zuwirken, orientiert sei und das Maß des zur Erreichung die-
ses Ziels Erforderlichen nicht überschreite (BVerfGE 51,
222, 233). Bereits in dieser Entscheidung hat sich das Bun-
desverfassungsgericht ausdrücklich mit den Spezifika des
Europäischen Parlaments auseinandergesetzt, dessen Aufga-
benkreis mit dem der Parlamente der Mitgliedstaaten nur be-
dingt vergleichbar sei. Im Vordergrund sah das Bundesver-
fassungsgericht die Ausübung der vertraglich verbürgten
Beratungs- und Kontrollfunktionen. Dagegen seien von den
klassischen Aufgaben der Parlamente das Recht, die Regie-
rung zu wählen und die gesetzgeberischen Funktionen nur in
ersten Ansätzen vorhanden (a. a. O., S. 240 ff.). Hingegen
nehme es als Vertretung der Völker eine wichtige politische
Integrationsverantwortung wahr. Organisation und Arbeits-
weise unterschieden sich nicht wesentlich von derjenigen
der nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten. Das Bundes-
verfassungsgericht betont, dass der dem Europäischen Parla-
ment im Verfassungsgefüge der Europäischen Gemeinschaf-
ten zugewiesene Aufgabenkreis und die ihm auf dem Wege
zu einem immer engeren Zusammenschluss der europäi-
schen Völker zugedachte Rolle ein handlungsfähiges Organ
erforderten. Das Europäische Parlament könne die ihm ge-
stellten Aufgaben nur dann wirksam bewältigen, wenn es
durch eine, den vielschichtigen Spezialmaterien angemesse-
ne, interne Arbeitsteilung all seinen Mitgliedern die notwen-
dige Sachkenntnis verschaffe und zu einer überzeugenden
Mehrheitsbildung in der Lage sei. Beides könne gefährdet
werden, wenn die durch die große Zahl der Mitgliedstaaten
ohnehin nicht vermeidbare Aufgliederung des Parlaments in
viele Gruppen ein Ausmaß annehme, das dessen Funktions-
fähigkeit ernsthaft in Frage stelle. Dies sei ein zwingender
Grund, der Vorkehrungen gegen eine übermäßige Parteien-
zersplitterung zu rechtfertigen vermöge (a. a. O., S. 246 f.).

Aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom
13. Februar 2008, der zufolge die Fünf-Prozent-Sperrklausel
bei Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein gegen die
Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit verstößt
(BVerfGE 120, 82), ergibt sich keine Neubewertung der Zu-
lässigkeit der Sperrklausel bei der Europawahl, wie das Bun-
desministerium des Innern in seiner Stellungnahme, der sich
der Wahlprüfungsausschuss in dieser Hinsicht anschließt,
zutreffend dargelegt hat. Dasselbe gilt für weitere kommu-
nalrechtliche Entscheidungen von Landesverfassungsge-
richten (vgl. die Übersicht über die Rechtslage in den Bun-
desländern im Urteil des Staatsgerichtshofs der Freien
Hansestadt Bremen vom 14. Mai 2009 – St 2/08, Rn. 30 ff.).
Denn die in diesen Entscheidungen betroffenen kommuna-
len Vertretungen sind, wie das Bundesverfassungsgericht
feststellt, Organe der Verwaltung, denen in erster Linie ver-
waltende Tätigkeiten anvertraut sind (a. a. O., S. 112). Da-
mit haben sie einen völlig anderen Charakter als das Europä-
ische Parlament als ein unmittelbar von den Unionsbürgern
gewähltes Vertretungsorgan der Völker in einer supranatio-
nalen Gemeinschaft (vgl. BVerfGE 123, 267, 368). Dieses

95 Prozent der europäischen Gesetzgebung zum gleichbe-
rechtigten Gesetzgeber neben dem Rat geworden, übt ge-
meinsam mit ihm die Haushaltsbefugnisse aus, erfüllt Auf-
gaben der politischen Kontrolle und Beratungsfunktionen
und wählt den Präsidenten der Kommission (vgl. Artikel 14
EUV).

Auch die auf das Europäische Parlament bezogenen Ausfüh-
rungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom
30. Juni 2009 zum Vertrag von Lissabon (BVerfGE 123, 267,
364, 370 ff.) nehmen in keiner Weise Stellung zu der Zuläs-
sigkeit einer Sperrklausel und bieten auch keine anderweiti-
gen Anhaltspunkte für eine notwendige Neubewertung der
Verfassungsmäßigkeit von § 2 Absatz 7 EuWG.

Der Wahlprüfungsausschuss sieht die vom Bundesverfas-
sungsgericht bereits 1979 deutlich angesprochene Gefahr
der Zersplitterung durch die gestiegene Anzahl der im Euro-
päischen Parlament vertretenen Abgeordneten und Parteien
heute eher noch verstärkt. Diese ist zwar in erster Linie der
erheblich angewachsenen Zahl der Mitgliedstaaten geschul-
det. Vor dem Hintergrund der beständig erweiterten und mit
Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon weiter anwach-
senden Kompetenzen des Europäischen Parlaments hält der
Wahlprüfungsausschuss es daher für geboten, dieser Zer-
splitterung im Rahmen des dem deutschen Gesetzgeber
Möglichen entgegenzuwirken. Deshalb besteht aus seiner
Sicht die verfassungsrechtliche Rechtfertigung für die Fünf-
Prozent-Sperrklausel bei der Wahl der Abgeordneten des
Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutsch-
land gemäß § 2 Absatz 7 EuWG fort.

Soweit der Einspruchsführer weiterhin eine Verletzung der
Wahlrechtsgleichheit zwischen Wahlberechtigten in der
Bundesrepublik Deutschland und in anderen Mitgliedstaaten
geltend macht, weil manche Mitgliedstaaten von der Er-
mächtigung zur Einführung einer Sperrklausel keinen Ge-
braucht gemacht hätten und sich Sperrklauseln zudem in den
verschiedenen Mitgliedstaaten unterschiedlich auswirkten,
ist darauf zu verweisen, dass Prüfungsmaßstab für die Ver-
fassungsmäßigkeit des EuWG allein die Wahlgleichheit zwi-
schen den Wahlberechtigten, die die Abgeordneten aus der
Bundesrepublik Deutschland wählen, sein kann. Auch das
Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zum Vertrag
von Lissabon festgestellt, dass die Zusammensetzung des
Europäischen Parlaments nicht in der Weise gleichheitsge-
recht sein müsse, dass auf Unterschiede im Stimmgewicht
der Unionsbürger in Abhängigkeit von der Bevölkerungs-
zahl verzichtet werde (BVerfGE 123, 267, 371).

Die Vorschläge des Einspruchsführers zur Einführung eines
zweiten Wahlgangs oder einer Ersatz- oder Eventualstimme
bei der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parla-
ments aus der Bundesrepublik Deutschland zielen auf eine
Änderung der Gesetzgebung und können nicht Gegenstand
des auf die Prüfung der Gültigkeit der Wahl gerichteten
Wahlprüfungsverfahrens sein.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83 – Drucksache 17/2200

zwingende Gründe gerechtfertigten Ziel, einer übermäßigen
Parteienzersplitterung im Europäischen Parlament entgegen-

ist, wie das Bundesministerium des Innern beispielhaft dar-
legt, mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon bei

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 85 – Drucksache 17/2200

2003 auch zu europäischen Parteien zusammenschließen
könnten. Seiner Ansicht nach beeinträchtigt die Sperrklausel

scheidungsverfahren gemäß Artikel 251 des EG-Vertrages
(EGV) das Europäische Parlament in den meisten Bereichen
sprüche gegen die 6. Direktwahl des Europäischen Par-
laments im Jahr 2004 vertretene Rechtsauffassung des

zudem darauf hingewiesen, dass bei Differenzierungen
der Wahlrechtsgleichheit wie einer Fünf-Prozent-Klausel
des § 2 Absatz 7 EuWG die Wahlchancen von nicht im Bun-
destag vertretenen politischen Vereinigungen, da Veranstal-
ter und Medien deren Bewerber und Programme unter Hin-
weis auf Umfrageergebnisse und die Chancenlosigkeit bei
den Wahlen der Öffentlichkeit zunehmend nicht mehr ver-
mittelten.

Zur weiteren Begründung verweist der Einspruchsführer auf
den Wahleinspruch EuWP 35/09, dem er sich anschließe.
Diesbezüglich wird auf die Beschlussempfehlung zu dem
genannten Wahleinspruch in dieser Drucksache verwiesen.

Zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel in § 2 Absatz 7 EuWG hat das Bundesministe-
rium des Innern Stellung genommen und mitgeteilt, dass aus
seiner Sicht die anlässlich von Entscheidungen über Ein-

der gemeinschaftsrechtlichen Rechtsetzung neben dem Rat
zum gleichberechtigten Gesetzgeber der Europäischen
Union mache und das Europäische Parlament der Ernennung
des Präsidenten und der übrigen Mitglieder der Kommission
zustimmen müsse (Artikel 214 Absatz 2 Satz 1 EGV) sowie
die Kommission durch ein Misstrauensvotum zum Rücktritt
zwingen könne (Artikel 201 EGV). Über die vom Bundes-
verfassungsgericht genannten Kriterien hinaus sei noch
anzumerken, dass die Abgeordneten des Europäischen Par-
laments Immunität genössen (Artikel 6 Absatz 2 des Direkt-
wahlakts), wie auch die Abgeordneten des Deutschen Bun-
destages (Artikel 46 des Grundgesetzes – GG) und der
Landtage, den Mitgliedern kommunaler Volksvertretungen
dieses Recht jedoch nicht zustehe.
Das Bundesverfassungsgericht habe in dieser Entscheidung
Anlage 20

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn W. F., 87600 Kaufbeuren
– Az.: EuWP 45/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 7. Juni 2009
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 10. Juni 2010 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit zwei Schreiben vom 4. August 2009, die beim Wahlprü-
fungsausschuss am 6. August 2009 eingegangen sind, hat
der Einspruchsführer gegen die Gültigkeit der Wahl der Ab-
geordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundes-
republik Deutschland am 7. Juni 2009 Einspruch eingelegt,
wobei er einmal als Privatperson und einmal als Vorstands-
sprecher der Wählergemeinschaft „Für Volksentscheide“
auftritt.

Mit seinem Einspruch wendet sich der Einspruchsführer ge-
gen die in § 2 Absatz 7 des Europawahlgesetzes (EuWG) ge-
regelte Fünf-Prozent-Sperrklausel. Er macht geltend, sie ver-
letze den im Grundgesetz in Artikel 3 Absatz 1 verankerten
Grundsatz der Gleichheit im politischen Wettbewerb. Die
Vorschrift des § 2 Absatz 7 EuWG sei auch nicht durch
zwingende Gründe des öffentlichen Wohles gerechtfertigt,
da das Europäische Parlament beispielsweise keine Regie-
rung zu wählen habe. Im Europäischen Parlament seien zu-
dem Abgeordnete von weit mehr als hundert unterschiedli-
chen Parteien vertreten, die sich dort zu Fraktionen und seit

Wahlprüfungsausschusses, die Fünf-Prozent-Sperrklausel
im Europawahlgesetz sei verfassungsrechtlich zulässig
(Bundestagsdrucksachen 15/4250, Anlage 18 und 15/4750,
Anlagen 20 bis 22), weiterhin aktuell sei.
Aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur
Fünf-Prozent-Klausel bei Kommunalwahlen in Schleswig-
Holstein vom 13. Februar 2008 ergebe sich keine andere
Sichtweise. Das Bundesverfassungsgericht habe in dem Ur-
teil unter Hinweis auf frühere Entscheidungen festgestellt,
dass es sich bei Gemeindevertretungen und Kreistagen nicht
um Parlamente im Rechtssinn handele. Zur Begründung sei
angeführt worden, dass ihnen in erster Linie verwaltende
Tätigkeiten anvertraut seien, ihnen keine Gesetzgebungs-
funktion zustünde, sie keine Regierung oder ein vergleich-
bares Gremium wählten und ihre Entscheidungen der Rechts-
aufsicht unterlägen (BVerfGE 120, 82, 120). All dies treffe
für das Europäische Parlament, auch in einem entsprechen-
den Sinne, nicht zu. Hier könne auf die vom Wahlprüfungs-
ausschuss bereits gemachten Ausführungen zu den Befug-
nissen des Europäischen Parlaments verwiesen werden,
wobei insbesondere hervorzuheben sei, dass das Mitent-

Drucksache 17/2200 – 86 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

auch auf die Eingriffsintensität abgestellt werden müsse
(BVerfGE 120, 82, 107). Es habe damit ein Argument bestä-
tigt, das es bei seiner Entscheidung im Jahr 1979 zur Recht-
fertigung der Fünf-Prozent-Klausel bei Europawahlen ange-
führt habe. Damals habe das Bundesverfassungsgericht
darauf verwiesen, dass wegen der jeweiligen Anzahl zu wäh-
lender Abgeordneter die Sperrklausel bei Europawahlen ei-
nen weniger intensiven Eingriff darstelle als bei einer Bun-
destagswahl (BVerfGE 51, 222, 255). Bei der gegenwärtigen
Größe des Deutschen Bundestages habe die Sperrklausel zur
Folge, dass bis zu 30 Bewerbern einer Partei der Einzug in
das Parlament verwehrt werde. Bei den Wahlen zum Euro-
päischen Parlament könne die Sperrklausel nur verhindern,
dass Gruppierungen von höchstens vier Abgeordneten in das
Europäische Parlament gelangten.
Schließlich habe das Bundesverfassungsgericht ausgeführt,
dass bei Eingriffen in die Gleichheit der Wahl eine gefestigte
Rechtsüberzeugung und Rechtspraxis Beachtung finden
könne (BVerfGE 120, 82, 107). In der Bundesrepublik
Deutschland gebe es bei Bundestags- und Landtagswahlen
traditionell eine Fünf-Prozent-Sperrklausel. Damit gelte die-
se Klausel seit Gründung der Bundesrepublik bei überregio-
nalen Wahlen, d. h. bei Wahlen eines Parlaments im Rechts-
sinn. Die Sperrklausel sei damit den Bundesbürgern als
Element demokratischer Wahlen bekannt und vertraut, so
dass sich eine gefestigte Rechtsüberzeugung und Rechts-
praxis gebildet habe. Für das Europawahlgesetz habe sich
der Bundesgesetzgeber insoweit an das Bundestagswahl-
recht angelehnt, das in der Bevölkerung eine hohe Akzep-
tanz genieße.
Abgesehen davon, dass das Europäische Parlament eher mit
einem nationalen Parlament als einer kommunalen Volksver-
tretung zu vergleichen sei, müsse bei der Beurteilung der
Sicherung seiner Funktionsfähigkeit durch eine Fünf-Pro-
zent-Klausel im Europawahlgesetz vorrangig auf das natio-
nale Kontingent der Abgeordneten aus der Bundesrepublik
Deutschland abgestellt werden.
Die Sperrklausel ermögliche in erster Linie die Rückkopp-
lung der deutschen Abgeordneten im Europäischen Par-
lament mit den tragenden politischen Kräften in Deutsch-
land, die ihrerseits auf den Rat und die Kommission
einwirken könnten (BVerfGE 51, 222, 235).
Das Europäische Parlament habe eine große Bandbreite an
legislativen Aufgaben zu bewältigen. Auch in Bereichen, in
denen das Parlament lediglich ein Anhörungsrecht habe, wie
z. B. im Bereich der Innen- und Justizpolitik, spiele es eine
bedeutende Rolle als Kontrollinstanz von Rat und Kommis-
sion. Der einzelne Abgeordnete sei bei seinen Entscheidun-
gen vielfältigen Einflussnahmen von Lobbyorganisationen
ausgesetzt. Um eigenständig fundierte Entscheidungen tref-
fen zu können, bedürfe er eines „logistischen Rückhalts“.
Diesen finde er z. T. in den Einrichtungen des Europäischen
Parlaments. In zahlreichen Fällen benötigten die Abgeord-
neten allerdings Kenntnisse über die Rechtslage und tat-
sächliche Situation in ihrem Heimatstaat und die möglichen
Auswirkungen einer bestimmten Rechtsetzung der Gemein-
schaft auf die Situation in ihrem Land. Würden auf diese
Weise die Erkenntnisse aus allen Mitgliedstaaten zusam-
mengeführt, könnten die Abgeordneten fundierte Entschei-
dungen treffen, die die Auswirkungen europäischer Ge-
setzgebung auf die Situation in den Mitgliedstaaten

Parlamente bedienen. Bei Kleinstparteien fehle hierfür nicht
nur der notwendige Apparat, sondern auch die Rückkopp-
lung über das nationale Parlament, in dem diese Parteien in
Deutschland wegen der bei Bundestagswahlen geltenden
Fünf-Prozent-Klausel nicht vertreten seien. Umgekehrt sei
auch der Deutsche Bundestag für die Wahrnehmung seiner
fortlaufenden Integrationsverantwortung in europapoliti-
schen Angelegenheiten auf die Rückmeldung der deutschen
Abgeordneten des Europaparlaments angewiesen. Soweit es
sich um Materien handele, die in die Gesetzgebungszustän-
digkeit der Länder fielen, oder um Gegenstände, die für ein
Land von besonderem Interesse seien, gelte Gleiches für die
Rückkopplung zwischen den Abgeordneten des Europäi-
schen Parlaments und der Landtage.
Die Zusammenarbeit der Parlamente untereinander spiele
eine wesentliche Rolle für den europäischen politischen Pro-
zess und sei auch institutionell verankert: So enthalte die Ge-
schäftsordnung des Europäischen Parlaments einen eigenen
Abschnitt über die Beziehungen zu den nationalen Parla-
menten (Titel VI Artikel 130 bis 132). In der Geschäftsord-
nung des Deutschen Bundestages (GO-BT) regele § 93a,
dass die Ausschüsse Mitglieder des Europäischen Parla-
ments zu ihren Beratungen in Europaangelegenheiten hinzu-
ziehen und Unionsdokumente gemeinsam mit Ausschüssen
des Europäischen Parlaments gleicher Zuständigkeit beraten
könnten. § 93b GO-BT sehe vor, dass zu den Sitzungen des
Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen
Union deutsche Mitglieder des Europäischen Parlaments Zu-
tritt erhielten. Sie seien vom Präsidenten des Deutschen Bun-
destages auf Vorschlag der Fraktionen des Deutschen Bun-
destages, aus deren Parteien deutsche Mitglieder in das
Europäische Parlament gewählt worden sind, berufen wor-
den. Die berufenen Mitglieder des Europäischen Parlaments
seien befugt, die Beratung von Verhandlungsgegenständen
anzuregen sowie Auskünfte zu erteilen und Stellung zu
nehmen. Diese wechselseitigen Informationsflüsse und
Verflechtungen zwischen nationalen Parlamenten und dem
Europäischen Parlament könnten nur von solchen Abgeord-
neten effektiv genutzt werden, deren Parteien in beiden Par-
lamenten vertreten seien.
Die Sperrklausel diene daneben, wenn auch nach Auffas-
sung des Bundesverfassungsgerichts nicht vorrangig, der Si-
cherung einer wirksamen Vertretung des deutschen Volkes
im Europäischen Parlament (BVerfGE 51, 222, 249).
Die Regelungen des Europawahlgesetzes bezögen sich aus-
schließlich auf die Wahl der Abgeordneten aus der Bundes-
republik Deutschland. Diese stellten nur einen Teil der Ab-
geordneten des Europäischen Parlaments dar. Es sei daher
folgerichtig, bei der Frage der Rechtfertigung einer Be-
schränkung der Wahlrechtsgleichheit durch eine Fünf-Pro-
zent-Klausel in erster Linie nicht das Gesamtparlament,
sondern den von Deutschland aus gewählten Teil der Abge-
ordneten zu betrachten.
Dieser Aspekt werde sowohl durch den Direktwahlakt als
auch durch den EG-Vertrag in der Fassung des Vertrags von
Nizza unterstützt.
Nach Artikel 3 des Direktwahlakts könnten die Mitglied-
staaten eine Mindestschwelle festlegen, die jedoch landes-
weit nicht mehr als 5 Prozent der abgegebenen Stimmen
betragen dürfe. Europarechtlich sei die Fünf-Prozent-Sperr-
klausel daher als zulässig anerkannt. Zahlreiche Mitglied-
berücksichtigen. Für diese Rückkopplung könnten sich die
Abgeordneten in erster Linie der nationalen Parteien und

staaten der Europäischen Union wie Frankreich, Italien,
Lettland, Litauen, Österreich, Polen, Rumänien, Schweden,

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 87 – Drucksache 17/2200

die Slowakei, die Tschechische Republik und Ungarn hätten
von der Möglichkeit der Einführung einer Mindestschwelle
Gebrauch gemacht. Insbesondere habe die Mehrzahl der grö-
ßeren Länder eine Sperrklausel eingeführt. So gebe es in
Deutschland (99 Abgeordnete), Frankreich (72 Abgeord-
nete) und in Polen (50 Abgeordnete) eine Sperrklausel von
5 Prozent, in Italien (72 Abgeordnete) eine Sperrklausel von
4 Prozent. Von den großen Ländern hätten nur Großbritan-
nien mit 72 Abgeordneten und Spanien mit 40 Abgeordneten
keine Sperrklausel. Kleinere Länder bräuchten schon des-
halb z. T. keine Mindestschwelle, weil die für ein Mandat be-
nötigten prozentualen Stimmenanteile die höchstzulässige
Mindestschwelle von 5 Prozent bereits überschritten.
Artikel 3 des Direktwahlakts ermögliche den Mitgliedstaa-
ten in erster Linie dafür zu sorgen, dass das nationale Ab-
geordnetenkontingent nicht aus zahlreichen kleineren Split-
tergruppen bestehe, sondern aus Abgeordneten, deren
Parteien auch auf nationaler Ebene eine gewisse Bedeutung
hätten. Dies stärke die Handlungsfähigkeit als nationales
Kontingent.
Gleiches ergebe sich durch die Auslegung des EG-Vertrags
in der Fassung des Vertrags von Nizza, der gemeinschafts-
rechtlichen Grundlage für die 7. Direktwahl des Europäi-
schen Parlaments.
Das Europäische Parlament bestehe danach aus Vertretern
der Völker der in der Gemeinschaft zusammengeschlosse-
nen Staaten (Artikel 189 EGV). Zwar sei die Binnenorgani-
sation durch die transnationale Zusammensetzung der Frak-
tionen gekennzeichnet. Auch im Wahlverfahren gebe es
transnationale Elemente wie z. B. die Wahlberechtigung der
Personen mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, gemäß Artikel 18
Absatz 1 EGV. Dies ändere aber nichts daran, dass der Ver-
trag von Abgeordneten ausgehe, die Vertreter der Völker der
in der Gemeinschaft zusammengeschlossenen Staaten seien,
und eben nicht Vertreter von Parteien oder länderübergrei-
fenden Parteibündnissen oder ausschließlich Vertreter eines
europäischen Gedankens.
Die Anbindung der Abgeordneten an ihre Heimatländer sei
demnach in Artikel 189 EGV angelegt. Im Gegensatz zu den
Abgeordneten des Deutschen Bundestages, die das ganze
Volk verträten (Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 erster Halbsatz
GG), verträten die Abgeordneten des Europäischen Parla-
ments nicht ein „Unionsvolk“, das es mangels Eigenstaat-
lichkeit der EU nicht gebe, sondern das Volk des Mitglied-
staates, das sie gewählt habe. Die Mitgliedstaaten könnten
daher ein – nach den Verträgen zulässiges – Interesse daran
haben, dass ihre Belange möglichst effektiv vertreten wür-
den, und in Verfolgung dieses Interesses eine Sperrklausel
festlegen. Tatsächlich komme es innerhalb der deutschen
Abgeordnetengruppe häufig vor, dass nationale Interessen
bei Abstimmungen vordringlich berücksichtigt würden. Be-
sondere Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit seien die
Arbeitszeitrichtlinie, die CO2-Pkw-Richtlinie oder die Rück-
führungsrichtlinie.
Eine effektive Vertretung des deutschen Volkes, zu der die
Abgeordneten im Europäischen Parlament berufen seien, sei
mit einer Größe einer Abgeordnetengruppe von einem bis
vier Abgeordneten kaum möglich. Daran ändere auch die
Möglichkeit nichts, sich Fraktionen im Europäischen Parla-
ment anzuschließen. Der Zusammenschluss zu Fraktionen

die einzelnen Abgeordneten einen effektiven Beitrag zur
Vertretung der Interessen ihrer Nation im Parlament leiste-
ten. Im Übrigen sei nicht sicher, dass alle Abgeordneten von
Splitterparteien eine Fraktion fänden, der sie sich anschlie-
ßen könnten. Zwar gehörten die meisten Abgeordneten im
Europäischen Parlament einer Fraktion an; dennoch seien in
der laufenden 7. Wahlperiode zurzeit 27 Mitglieder des
Europäischen Parlaments fraktionslos. Zum Vergleich hierzu
habe der Deutsche Bundestag im Regelfall nur ein bis zwei
fraktionslose Abgeordnete. Gerade Splitterparteien, die sich
nur zu einem eng begrenzten Themenkreis politisch positio-
nierten, könnten nicht ohne Weiteres eine Fraktion finden,
der sie sich anschließen können.
Mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon gelte das Vorste-
hende erst recht. Das Europäische Parlament sei auch nach
der Neuformulierung in Artikel 14 Absatz 2 des EU-Ver-
trags (EUV) kein Repräsentationsorgan eines souveränen
europäischen Volkes, sondern eine Vertretung der Völker der
Mitgliedstaaten. Dies spiegele sich darin, dass es, wie das
Bundesverfassungsgericht festgestellt habe, als Vertretung
der Völker in den jeweils zugewiesenen nationalen Kon-
tingenten von Abgeordneten und nicht als Vertretung der
Unionsbürger nach dem Prinzip der Wahlgleichheit angelegt
sei.
Auch die gestiegene Bedeutung der wechselseitigen Rück-
kopplung von Europäischem Parlament und nationalen Par-
lamenten finde im Vertrag von Lissabon ihren Niederschlag:
So etwa in Artikel 12 EUV, der den aktiven Beitrag der na-
tionalen Parlamente zur guten Arbeitsweise der Union wür-
dige und ihnen zahlreiche Rechte einräume, und im Proto-
koll Nr. 1 über die Rolle der nationalen Parlamente in der
Europäischen Union.
Mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon werde das Euro-
päische Parlament in 95 Prozent der Gesetzgebung zum
gleichberechtigten Gesetzgeber neben dem Rat. Darunter
fielen auch Bereiche, die nach der Rechtsprechung des Bun-
desverfassungsgerichts in besonderer Weise auf den inner-
staatlichen politischen Diskurs angewiesen seien, und in
denen dem Deutschen Bundestag Aufgaben von substanziel-
lem Gewicht verbleiben müssten, wie etwa das Strafrecht
und das Strafverfahren. Unter diesem Gesichtspunkt komme
der Rückkopplung der Abgeordneten des Europäischen Par-
laments an die politischen Meinungen in den Fraktionen des
Deutschen Bundestages noch mehr Bedeutung als bisher zu.
Dasselbe gelte im Gegenzug für die Unterrichtung des Deut-
schen Bundestages über die Beratungen im Europäischen
Parlament, die entsprechend seiner Geschäftsordnung durch
die von den Fraktionen benannten Abgeordneten des Euro-
päischen Parlaments erfolge. Abgeordnete von Kleinstpar-
teien, die im Deutschen Bundestag oder in den Landtagen
kein Pendant fänden, könnten diese Rückkopplung nicht ge-
währleisten.
Die Fünf-Prozent-Sperrklausel in § 2 Absatz 7 EuWG diene
demnach legitimen Zielen und sei zur Erreichung dieser Zie-
le geeignet, erforderlich und angemessen.

Dem Einspruchsführer ist die Stellungnahme bekannt gege-
ben worden. Er hat sich hierzu nicht geäußert.
gewährleiste nämlich lediglich, dass die Politik der jeweili-
gen Parteien im Parlament vertreten werde, nicht aber, dass

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Drucksache 17/2200 – 88 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Der Vortrag des Einspruchsführers, die Fünf-Prozent-Sperr-
klausel gemäß § 2 Absatz 7 EuWG verstoße gegen das
Grundgesetz, lässt keinen Wahlfehler erkennen.

Diesbezüglich ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der
Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in
ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens
die Verfassungsmäßigkeit von Wahlrechtsvorschriften nicht
überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundes-
verfassungsgericht vorbehalten worden (vgl. bereits Bundes-
tagsdrucksachen I/2811; zuletzt: 16/1800, Anlagen 26 bis 28;
17/1000, Anlagen 5 und 11 mit weiteren Nachweisen), das
diese Praxis auch stets bestätigt hat, da dem Bundestag inso-
fern die Verwerfungskompetenz fehle (vgl. BVerfGE 89,
291, 300; 121, 266, 290; 122, 304, 307).

Unabhängig hiervon hat sich der Wahlprüfungsausschuss
ausführlich mit der vom Einspruchsführer angesprochenen
Rechtsfrage befasst. Er hält die Vorschrift des § 2 Absatz 7
EuWG für verfassungsgemäß und bestätigt damit seine be-
reits im Zusammenhang mit Anfechtungen der Europawahl
im Jahr 2004 dargelegte Auffassung (s. Bundestagsdruck-
sachen 15/4250, Anlage 18; 15/4750, Anlagen 5, 9, 20
bis 22).

Wie der Deutsche Bundestag und der Wahlprüfungsaus-
schuss in den genannten Entscheidungen ausgeführt haben,
können die Mitgliedstaaten nach Artikel 3 Satz 1 des Direkt-
wahlakts eine Mindestschwelle für die Sitzvergabe fest-
legen. Diese Schwelle darf jedoch nach Satz 2 dieser
Vorschrift landesweit nicht mehr als 5 Prozent der abge-
gebenen Stimmen betragen. Das Bundesverfassungsgericht
hat in seiner Entscheidung vom 8. Juni 2004 in einem Organ-
streitverfahren zur Fünf-Prozent-Sperrklausel des damaligen
§ 2 Absatz 6 EuWG (2 BvE 1/04), in dem die diesbezügliche
Organklage der NPD wegen Nichteinhaltung der Frist ge-
mäß § 64 Absatz 3 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes
(BVerfGG) als unzulässig verworfen worden ist, auf die ent-
sprechende Ergänzung des Direktwahlakts im Jahr 2002 hin-
gewiesen und hierzu ausgeführt, dass der Gesetzgeber mit
dem am 21. August 2003 verkündeten Vierten Gesetz zur
Änderung des Europawahlgesetzes und Neunzehnten Gesetz
zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes zum Aus-
druck gebracht habe, dass er an der Fünf-Prozent-Sperrklau-
sel festhalten möchte. Er habe sich dabei – so das Bundesver-
fassungsgericht – auf die Ermächtigung der Mitgliedstaaten
im Beschluss des Rates der Europäischen Union stützen kön-
nen, eine Sperrklausel zu erlassen. Der Rat der Europäischen
Union hat nach Zustimmung des Europäischen Parlaments
mit Beschluss vom 25. Juni und 23. September 2002
(BGBl. 2003 II S. 811) den Direktwahlakt geändert, damit
die Wahlen zum Europäischen Parlament „gemäß den allen
Mitgliedstaaten gemeinsamen Grundsätzen stattfinden kön-
nen, die Mitgliedstaaten zugleich aber die Möglichkeit erhal-
ten, für Aspekte, die nicht durch diesen Beschluss geregelt
sind, ihre jeweiligen nationalen Vorschriften anzuwenden“.
Dieser Änderung des Direktwahlakts hat der deutsche Ge-
setzgeber mit Artikel 1 des Zweiten Gesetzes über die Zu-
stimmung zur Änderung des Direktwahlakts vom 15. August
2003 (BGBl. 2003 II S. 810) zugestimmt. Zwar kann, wor-
auf der Wahlprüfungsausschuss schon in den genannten Ent-
scheidungen hingewiesen hat, in dieser nunmehr ausdrück-

telbar die Verfassungsmäßigkeit einer solchen Sperrklausel
nach dem deutschen Verfassungsrecht abgeleitet werden.
Der Wahlprüfungsausschuss sieht sie jedoch weiterhin als
starkes Indiz dafür, dass § 2 Absatz 7 EuWG nicht gegen das
Grundgesetz verstößt.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung
vom 22. Mai 1979 die Fünf-Prozent-Sperrklausel für Wahlen
zum Europäischen Parlament einstimmig für grundgesetz-
konform angesehen, weil sie an dem durch besondere,
zwingende Gründe gerechtfertigten Ziel, einer übermäßigen
Parteienzersplitterung im Europäischen Parlament entgegen-
zuwirken, orientiert sei und das Maß des zur Erreichung
dieses Ziels Erforderlichen nicht überschreite (BVerfGE 51,
222, 233). Bereits in dieser Entscheidung hat sich das Bun-
desverfassungsgericht ausdrücklich mit den Spezifika des
Europäischen Parlaments auseinandergesetzt, dessen Aufga-
benkreis mit dem der Parlamente der Mitgliedstaaten nur be-
dingt vergleichbar sei. Im Vordergrund sah das Bundesver-
fassungsgericht die Ausübung der vertraglich verbürgten
Beratungs- und Kontrollfunktionen. Dagegen seien von den
klassischen Aufgaben der Parlamente das Recht, die Regie-
rung zu wählen und die gesetzgeberischen Funktionen nur in
ersten Ansätzen vorhanden (a. a. O., S. 240 ff.). Hingegen
nehme es als Vertretung der Völker eine wichtige politische
Integrationsverantwortung wahr. Organisation und Arbeits-
weise unterschieden sich nicht wesentlich von derjenigen
der nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten. Das Bundes-
verfassungsgericht betont, dass der dem Europäischen Parla-
ment im Verfassungsgefüge der Europäischen Gemeinschaf-
ten zugewiesene Aufgabenkreis und die ihm auf dem Wege
zu einem immer engeren Zusammenschluss der europäi-
schen Völker zugedachte Rolle ein handlungsfähiges Organ
erforderten. Das Europäische Parlament könne die ihm ge-
stellten Aufgaben nur dann wirksam bewältigen, wenn es
durch eine, den vielschichtigen Spezialmaterien angemesse-
ne, interne Arbeitsteilung all seinen Mitgliedern die notwen-
dige Sachkenntnis verschaffe und zu einer überzeugenden
Mehrheitsbildung in der Lage sei. Beides könne gefährdet
werden, wenn die durch die große Zahl der Mitgliedstaaten
ohnehin nicht vermeidbare Aufgliederung des Parlaments in
viele Gruppen ein Ausmaß annehme, das dessen Funktions-
fähigkeit ernsthaft in Frage stelle. Dies sei ein zwingender
Grund, der Vorkehrungen gegen eine übermäßige Parteien-
zersplitterung zu rechtfertigen vermöge (a. a. O., S. 246 f.).

Aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom
13. Februar 2008, der zufolge die Fünf-Prozent-Sperrklausel
bei Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein gegen die
Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit verstößt
(BVerfGE 120, 82), ergibt sich keine Neubewertung der Zu-
lässigkeit der Sperrklausel bei der Europawahl, wie das Bun-
desministerium des Innern in seiner Stellungnahme, der sich
der Wahlprüfungsausschuss in dieser Hinsicht anschließt,
zutreffend dargelegt hat. Dasselbe gilt für weitere kommu-
nalrechtliche Entscheidungen von Landesverfassungsge-
richten (vgl. die Übersicht über die Rechtslage in den Bun-
desländern im Urteil des Staatsgerichtshofs der Freien
Hansestadt Bremen vom 14. Mai 2009 – St 2/08, Rn. 30 ff.).
Denn die in diesen Entscheidungen betroffenen kommuna-
len Vertretungen sind, wie das Bundesverfassungsgericht
feststellt, Organe der Verwaltung, denen in erster Linie ver-
lich verankerten Ermächtigung zum Erlass einer Fünf-
Prozent-Sperrklausel durch den Direktwahlakt nicht unmit-

waltende Tätigkeiten anvertraut sind (a. a. O., S. 112). Da-
mit haben sie einen völlig anderen Charakter als das Europä-

Deutscher Bundestag – 17. rucksache 17/2200
Wahlperiode – 89 – D

ische Parlament als ein unmittelbar von den Unionsbürgern
gewähltes Vertretungsorgan der Völker in einer supranatio-
nalen Gemeinschaft (vgl. BVerfGE 123, 267, 368). Dieses
ist, wie das Bundesministerium des Innern beispielhaft dar-
legt, mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon bei
95 Prozent der europäischen Gesetzgebung zum gleichbe-
rechtigten Gesetzgeber neben dem Rat geworden, übt ge-
meinsam mit ihm die Haushaltsbefugnisse aus, erfüllt Auf-
gaben der politischen Kontrolle und Beratungsfunktionen
und wählt den Präsidenten der Kommission (vgl. Artikel 14
EUV).

Auch die auf das Europäische Parlament bezogenen Ausfüh-
rungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom
30. Juni 2009 zum Vertrag von Lissabon (BVerfGE 123, 267,
364, 370 ff.) nehmen in keiner Weise Stellung zu der Zuläs-
sigkeit einer Sperrklausel und bieten auch keine anderwei-
tigen Anhaltspunkte für eine notwendige Neubewertung der
Verfassungsmäßigkeit von § 2 Absatz 7 EuWG.

Angesichts der vom Einspruchsführer angesprochenen
hohen Anzahl der im Europäischen Parlament vertretenen
Abgeordneten und Parteien sieht der Wahlprüfungsaus-
schuss die vom Bundesverfassungsgericht bereits 1979 deut-
lich angesprochene Gefahr der Zersplitterung heute eher
noch verstärkt. Diese ist zwar in erster Linie der erheblich
angewachsenen Zahl der Mitgliedstaaten geschuldet. Vor
dem Hintergrund der beständig erweiterten und mit Inkraft-
treten des Vertrags von Lissabon weiter anwachsenden
Kompetenzen des Europäischen Parlaments hält der Wahl-
prüfungsausschuss es daher für geboten, dieser Zersplitte-
rung im Rahmen des dem deutschen Gesetzgeber Möglichen
entgegenzuwirken. Deshalb besteht aus seiner Sicht die ver-
fassungsrechtliche Rechtfertigung für die Fünf-Prozent-
Sperrklausel bei der Wahl der Abgeordneten des Europäi-
schen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland ge-
mäß § 2 Absatz 7 EuWG fort.

des Spitzenkandidaten, Prof. Dr. R. S., zu streichen. Bei zwei
Kandidaten habe er die Kürzung der Angaben zum Beruf,
bei zwei weiteren Kandidaten die Kürzung der Bezeichnung

gehenden Änderung bedürfe. Er habe weiterhin gebeten, auf
den Stimmzetteln und in allen Veröffentlichungen umgehend
die Kürzungen aus Platzmangel erforderlich gewesen seien.
In einem Fall habe der Mitarbeiter des Bundeswahlleiters die
geforderte Kürzung der Angaben damit begründet, dass in

ständnis des Fehlers des Bundeswahlleiters zu werten. Bis
Ende Mai 2009 seien die Angaben auf der Internetseite je-
doch nicht verändert worden; ob eine Information im Bun-
des Geburtsortes verlangt. Zur Begründung habe er dafür be-
stehende Vorgaben und Platzmangel auf dem Stimmzettel
angeführt. Diese Änderungen seien dann mit seiner Zustim-
mung auch vorgenommen worden.

Der Einspruchsführer ist der Ansicht, dass es für diese For-
derungen des Bundeswahlleiters keine gesetzliche Grund-
lage gebe. Eine solche sei für ein Handeln der Verwaltung je-
doch erforderlich. Das Europawahlgesetz (EuWG) sehe in
§ 13 Absatz 1 nur vor, dass der Bundeswahlleiter die Ver-
trauensperson des Wahlvorschlags zur Beseitigung beheb-
barer Mängel auffordern könne. Die Angaben zu den Kandi-
daten seien indes richtig gewesen. Es habe also kein Mangel
vorgelegen; das Europawahlgesetz sei daher durch den Bun-
deswahlleiter verletzt worden. Es treffe auch nicht zu, dass

für eine entsprechende Änderung zu sorgen. Am 13. Mai
2009 habe sich eine Mitarbeiterin des Bundeswahlleiters bei
ihm gemeldet und darauf hingewiesen, dass in vergleichba-
ren Fällen stets in gleicher Weise verfahren werde. Bei den
Kandidaten, bei denen unter Beruf oder Stand Professor oder
Universitätsprofessor stehe, falle die Bezeichnung vor dem
Namen weg. Dies sei ständige Praxis des Bundeswahlleiters
und der Landeswahlleiter. Nach längerem Gespräch habe die
Mitarbeiterin des Bundeswahlleiters das Angebot gemacht,
dass die Angaben auf der Internetseite des Bundeswahllei-
ters geändert würden (wo es dann statt „Dr. R. S. Professor
em.“ „Prof. Dr. R. S., Volkswirt“ heißen sollte), und dass in
einer amtlichen Bekanntmachung des Bundeswahlleiters,
die im Bundesanzeiger veröffentlicht werden solle, auf die-
sen Punkt hingewiesen werde. Dieses Angebot sei als Einge-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 91 – Drucksache 17/2200

Anlage 21

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn M. C., 45130 Essen
– Az.: EuWP 46/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 7. Juni 2009
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 10. Juni 2010 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 3. August 2009, das beim Wahlprüfungs-
ausschuss am 7. August 2009 eingegangen ist, hat der Ein-
spruchsführer gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordne-
ten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland am 7. Juni 2009 Einspruch eingelegt.

Der Einspruchsführer beanstandet mit seinem Einspruch ge-
gen die Europawahl 2009 vor allem mehrere vom Bundes-
wahlleiter veranlasste Änderungen der Angaben zu den Kan-
didaten der Vereinigung Europa – Demokratie – Esperanto
(EDE) auf dem Stimmzettel.

Er trägt im Wesentlichen vor, dass, nachdem die EDE am
23. März 2009 den eigenen Wahlvorschlag mitsamt den er-
forderlichen Unterlagen beim Bundeswahlleiter eingereicht
habe, ein Mitarbeiter des Bundeswahlleiters ihn in seiner
Eigenschaft als Vertrauensperson des Wahlvorschlages
mehrmals angerufen und die Zustimmung zur Änderung der
Angaben zu einigen Kandidaten verlangt habe. So habe er
vor allem gefordert, die Abkürzung „Prof.“ vor dem Namen

derartige Beschränkung vorsehe. Zudem hätten sich bei
Kandidaten anderer Parteien durchaus drei Angaben auf dem
Stimmzettel befunden. Außerdem sei die Veröffentlichung
der Angaben zu den Kandidaten im Internet ohne Rechts-
grundlage geschehen und verstoße gegen das Bundesdaten-
schutzgesetz.

Weiter erklärt der Einspruchsführer, er habe später anhand
eines im Internet veröffentlichten Musters des offiziellen
Stimmzettels festgestellt, dass sich bei mehreren Kandidaten
anderer Parteien durchaus die Abkürzung „Prof.“ vor dem
Namen gefunden habe. Daraufhin habe er sich am 4. Mai
2009 zunächst per E-Mail an den Mitarbeiter des Bundes-
wahlleiters gewandt, der hierauf jedoch nicht reagiert habe.
Darauf habe er am 5. Mai 2009 schriftlich Widerspruch ein-
gelegt und seine Zustimmung zu der Änderung bezüglich der
Angaben zu Professor S. zurückgezogen, seine Erklärung
nach § 123 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)
angefochten und zugleich darauf hingewiesen, dass hier eine
erhebliche Ungleichbehandlung und Verletzung des Grund-
satzes der Chancengleichheit entstanden sei, was einer um-
der Rubrik „Beruf oder Stand“ drei Bezeichnungen unzuläs-
sig seien. Es gebe jedoch keine Rechtsgrundlage, die eine

desanzeiger erfolgt sei, habe er nicht überprüft. Die von der
Mitarbeiterin erbetene Begründung habe er ebenfalls nicht

Drucksache 17/2200 – 92 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

erhalten. Daraufhin habe die EDE am 31. Mai 2009 in einer
Pressemitteilung auf die Problematik hingewiesen, eine Kor-
rektur und eine Entschuldigung gefordert, die jedoch ausge-
blieben seien. Erst daraufhin seien die Angaben auf der In-
ternetseite des Bundeswahlleiters geändert worden.

Der Einspruchsführer ist der Ansicht, dass die ihm vom Bun-
deswahlleiter dargelegten Regeln nicht einheitlich gehand-
habt würden, denn auf dem Stimmzettel für die Europawahl
habe beispielsweise bei einem Kandidaten der Liste
„50Plus“ vor dem Namen „Prof.“ und hinter dem Namen
„Universitätsprofessor i. R.“ gestanden. Außerdem hätten
sich auf den verschiedenen Stimmzetteln vier Kandidaten
der CDU gefunden, die die Bezeichnung „Prof. Dr.“ vor dem
Namen geführt hätten. Der Bundeswahlleiter lege offen-
sichtlich bei einer neuen, kleinen Gruppierung wie der EDE
einen anderen Maßstab an als bei der CDU. Eine Nachfrage
des Einspruchsführers bei anderen kleinen Parteien habe zu-
dem ergeben, dass diese keine Probleme der hier geschilder-
ten Art mit dem Bundeswahlleiter gehabt hätten. Weshalb
der Bundeswahlleiter bei der EDE so vorgegangen sei, be-
dürfe einer Klärung.

Der Einspruchsführer meint, da bei anderen Kandidaten der
Zusatz „Prof. Dr.“ zugelassen worden sei, stelle die Strei-
chung der Abkürzung „Prof.“ vor dem Namen des Spit-
zenkandidaten der EDE eine Ungleichbehandlung und damit
einen Verstoß gegen die Chancengleichheit dar. Denn die
Bezeichnung „Prof. Dr.“ erwecke bei vielen Menschen den
Eindruck, dass sein Träger nicht nur Fachkompetenz und
einen herausragenden Intellekt besitze, sondern auch über
besondere persönliche Fähigkeiten und gesellschaftliches
Ansehen verfüge. Dies strahle auf die Partei und ihre ande-
ren Kandidaten aus und könne bei vielen Wählern ein Krite-
rium für ihre Wahlentscheidung sein. Aufgrund des mensch-
lichen Seh- und Leseverhaltens sei auch von Bedeutung, an
welcher Stelle der Titel stehe, der gewöhnlich vor dem Na-
men angeführt werde. Zahlreiche Wählerinnen und Wähler
hätten gegenüber dem Einspruchsführer geäußert, dass sie
ihre Stimme Herrn Professor S. geben wollten. Da vielen die
Abkürzung EDE oder auch der ausgeschriebene Name der
politischen Vereinigung noch unbekannt gewesen sei, hätten
sie auf dem Stimmzettel möglicherweise nur nach Prof. Dr.
R. S. gesucht. Es sei daher nicht auszuschließen, dass poten-
tielle Wähler aufgrund des Fehlens der Bezeichnung „Prof.“
vor dem Namen ihre Stimme nicht der EDE gegeben hätten.
Ein Wähler, der den Stimmzettel von oben nach unten über-
fliege und dabei mehrere Male „Prof. Dr.“ lese, werde nicht
annehmen, dass bei einem Kandidaten der „Professorentitel“
hinter dem Namen stehe, und daher dort auch nicht suchen.

Die von ihm nach Anfechtung seiner Zustimmung verlangten
(Rück-)Änderungen der Angaben bezüglich des Spitzenkan-
didaten sei auch nicht nach § 12 Absatz 1 Satz 3 oder § 13
Absatz 3 EuWG nach der Entscheidung über die Zulassung
des Wahlvorschlags ausgeschlossen gewesen, da beide Vor-
schriften sich nicht auf diesen Fall bezögen. § 12 Absatz 1
Satz 3 EuWG komme zur Anwendung, wenn eine Änderung
angestrebt werde, weil ein Kandidat verstorben sei oder die
Wählbarkeit verloren habe, und § 13 Absatz 3 EuWG bezie-
he sich auf die Beseitigung von Mängeln, die der Wahlvor-
schlagsberechtigte zu verantworten habe. Über den Fall,

Die Folge seiner Anfechtung sei daher nach § 142 Absatz 1
BGB, dass das Rechtsgeschäft von Anfang an als nichtig an-
zusehen sei, denn die Regelungen des BGB über die Anfech-
tung seien hier auf das Verwaltungsrecht analog anwendbar.
Das bedeute, dass die Zustimmung des Einspruchsführers zu
der Änderung bei den Angaben zu Professor S. nicht mehr
existiere und der Bundeswahlleiter die Angaben umgehend
in ihren anfänglichen Zustand hätte zurückversetzen müs-
sen. Dies habe er nicht getan. Zudem sei die Handlung des
Bundeswahlleiters auch gemäß § 44 Absatz 1 des Verwal-
tungsverfahrensgesetzes (VwVfG) nichtig gewesen. Denn
ein Verwaltungsakt sei nichtig und nach § 43 Absatz 3
VwVfG unwirksam, soweit er an einem besonders schwer-
wiegenden Fehler leide. Die ermächtigungslose Handlung
des Bundeswahlleiters, auf die Änderung richtiger Angaben
zu drängen, sei ein derartiger besonders schwerwiegender
Fehler gewesen. Spätestens als der Einspruchsführer den
Bundeswahlleiter darauf hingewiesen habe, hätte dieser er-
kennen müssen, dass er ohne Rechtsgrundlage gehandelt
habe und der somit nichtige Akt zurückzunehmen sei. Der
Bundeswahlleiter hätte zudem das berechtigte Vorbringen
des Einspruchsführers auch als einen Antrag auf die Rück-
nahme des rechtswidrigen Verwaltungsaktes deuten müssen,
der gemäß § 48 Absatz 1 VwVfG auch nachdem er unan-
fechtbar geworden sei, ganz oder teilweise mit Wirkung für
die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen
werden könne.

Der Einspruchsführer vertritt zugleich die Auffassung, dass
die Bezeichnung „Professor“ kein Namensbestandteil sei,
weshalb die Abkürzung „Prof.“ in der Spalte „Familien-
namen/Vornamen“ überhaupt nicht hätte erscheinen dürfen.
Gleiches gelte für den Doktorgrad, der lediglich ein Namens-
zusatz sei. Der Gesetzgeber habe das Problem offensichtlich
bedacht und zur Erreichung der Chancengleichheit ganz be-
wusst in BWG und EuWG die Nennung von Titeln oder Gra-
den nicht zugelassen. Das Gesetz lasse hier demnach kein
Ermessen der Behörde bei der Zulassung zusätzlicher Anga-
ben zu. Es sei daher davon auszugehen, dass die Stimmzettel
nicht dem Gesetz entsprochen hätten. Wenn der Bundes-
wahlleiter andere Angaben zulassen könne, dann hätten alle
Wahlbewerber über diese Möglichkeit in Kenntnis gesetzt
werden müssen, da ansonsten wiederum eine Ungleichbe-
handlung vorliege.

Schließlich macht der Einspruchsführer geltend, der Bun-
deswahlleiter habe in einem weiteren Fall gegen wahlrecht-
liche Vorschriften verstoßen. Auf der Versammlung der
EDE, bei der die Bewerber für den Wahlvorschlag der EDE
bestimmt worden seien, sei eine Kandidatin gewählt worden,
die nach einigen Tagen ihre Kandidatur wieder zurückgezo-
gen habe. Deshalb habe die EDE auf dem für die Wahl-
zulassung einzureichenden Formular gemäß Anlage 18 zur
EuWO über die Beschlussfassung der Mitglieder- oder Ver-
treterversammlung wahrheitsgemäß diese Kandidatin aufge-
führt, sie jedoch in dem Formular gemäß Anlage 13 zur
EuWO über den Wahlvorschlag, für den die Zulassung bean-
tragt wird, nicht mehr genannt. Ein Mitarbeiter des Bundes-
wahlleiters habe daraufhin telefonisch mitgeteilt, dass die
Angaben auf beiden Formularen sich decken müssten. Der
Einspruchsführer habe eine Streichung der Kandidatin in
Anlage 18 abgelehnt und dem Bundeswahlleiter mitgeteilt,
dass der Bundeswahlleiter einen Mangel zu verantworten
habe, sage das Gesetz jedoch nichts aus.

er könne sie ja eigenmächtig streichen. Der Einspruchsführer
ist zudem der Auffassung, dass der Bundeswahlleiter von

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93 – Drucksache 17/2200

Personen, die zwar auf einer Mitgliederversammlung als
Kandidat gewählt worden seien, aber im Wahlvorschlag
nicht mehr genannt würden, eine Bescheinigung verlangen
müsse, um zu verhindern, dass eine unbefugte Streichung
eines Kandidaten gegen seinen Willen erfolgt sei.

Zu dem Wahleinspruch hat der Bundeswahlleiter wie folgt
Stellung genommen:

Ein Wahlfehler liege nicht vor. Die Vorwürfe einer Schädi-
gung der EDE seien nicht nachvollziehbar. In der Prüfung
und Bearbeitung des von der EDE am 23. März 2009 zur
Europawahl eingereichten Wahlvorschlags seien keine Ver-
stöße gegen materielles Recht, keine Ungleichbehandlung
von Bewerbern oder Wahlvorschlägen und daher auch kein
Verstoß gegen die Chancengleichheit gemäß Artikel 3 GG
zu erkennen.

Im Rahmen der Prüfung des Wahlvorschlags als gemeinsa-
me Liste für alle Länder gemäß § 11 Absatz 1 Satz 1 und
§ 13 Absatz 1 Satz 1 EuWG seien alle Wahlvorschläge u. a.
im Hinblick auf die Angaben der einzelnen Bewerber über-
prüft und ggf. im Einvernehmen mit den Vertrauenspersonen
der Parteien und politischen Vereinigungen geändert wor-
den. Dabei gälten einheitliche Kriterien für alle Parteien und
politischen Vereinigungen sowie für alle Bewerberinnen und
Bewerber. So würden bei Bewerbern mit Geburtsort im Aus-
land nur Ort und Staat, nicht aber weitere Angaben wie Bun-
desstaaten oder Provinzen in die Unterlagen aufgenommen.
Entsprechend sei im Wahlvorschlag der EDE bei einer Be-
werberin bei der Angabe des Geburtsorts Xi’An die Provinz
Shaanxi gestrichen und durch die Angabe China ersetzt wor-
den; ebenso sei bei einem weiteren Bewerber bei der Angabe
des Geburtsorts St. Hélier die Angabe der Insel Jersey gestri-
chen und durch die Angabe Großbritannien ersetzt worden.
Im Hinblick auf den Platz, der auf den Stimmzetteln bzw. in
den Veröffentlichungen des Bundeswahlleiters zur Europa-
wahl zur Verfügung stehe, seien die Vertrauenspersonen
auch gebeten worden, auszuloten, ob beispielsweise bei der
Angabe von zwei oder mehr Berufsbezeichnungen in der
Spalte Beruf oder Stand der Verzicht auf eine von mehreren
Berufsbezeichnungen möglich sei. So sei im Einvernehmen
mit dem Einspruchsführer als Vertrauensperson der EDE bei
einem Bewerber eine von drei Berufsbezeichnungen sowie
bei weiteren Bewerbern jeweils eine von zwei Berufsbe-
zeichnungen gestrichen worden.

Ebenso sei es übliche Praxis, dass in den Spalten Familien-
name, Vornamen und Beruf oder Stand nur einmal die
Amtsbezeichnung Professor aufgeführt werde, wenn keine
weitere Differenzierung erfolge. Die im Büro des Bundes-
wahlleiters geübte Praxis hinsichtlich der Angabe von Amts-
bezeichnungen und akademischen Graden folge dabei den
behördlichen Gepflogenheiten und der sozialen Wirklich-
keit. Danach seien akademische Grade wie beispielsweise
„Dr.“ zwar nicht Namensbestandteil, würden aber auf der
Grundlage spezieller gesetzlicher Regelungen als solche be-
handelt. So werde beispielsweise der Doktorgrad auch von
den Meldebehörden zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach § 2
Absatz 1 Nummer 4 des Melderechtsrahmengesetzes
(MRRG) erfasst. Auch Personalausweise enthielten gemäß
§ 1 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 des Gesetzes über Personal-
ausweise (PersAuswG) die Angabe des Doktorgrades als

seien Inhaber eines akademischen Grades gemäß § 1 des Ge-
setzes über die Führung akademischer Grade berechtigt, die-
sen akademischen Titel zu führen, hätten jedoch keinen
Rechtsanspruch auf die Benutzung des akademischen
Grades durch Dritte. Demgegenüber sei „Professor“ eine
Amtsbezeichnung, wie sich u. a. aus Anlage I zu § 20 des
Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG), den Bundesbesol-
dungsordnungen A und B, und Anlage II zu § 32 BBesG,
Bundesbesoldungsordnung W, ergebe. Es bestehe daher kein
Rechtsanspruch auf Nennung in der Spalte „Familienname,
Vornamen“ nach Anlage 13 zur EuWO und entsprechend auf
dem Stimmzettel unmittelbar vor der Namensnennung. Die
Amtsbezeichnung komme jedoch als Berufsangabe, zweck-
mäßigerweise mit näherer Spezifizierung, oder zusätzlich zu
einer Berufsangabe in Betracht. Eine Spezifizierung könne
etwa durch den Zusatz „(Univ.)“ oder „(FH)“ erfolgen.
Ebenso könne die Amtsbezeichnung „Professor“ in Kombi-
nation mit der Angabe des Lehrfachs genannt werden. Nach
den gesellschaftlichen Gepflogenheiten würden jedoch
Amtsbezeichnungen wie „Professor“ ebenso wie akademi-
sche Grade wie „Dr.“ im allgemeinen Sprachgebrauch übli-
cherweise unmittelbar vor dem Namen verwendet. So heiße
es in der mündlichen Anrede etwa „Herr Professor Müller“
oder „Herr Dr. Meyer“. Bei Anschriften würden entspre-
chend die Abkürzungen verwendet.

Die Praxis des Bundeswahlleiters greife diese hergebrachte
gesellschaftliche Übung auf, indem auf Grundlage der von
den Bewerberinnen und Bewerbern selbst angegebenen Da-
ten, etwa in dem Wahlvorschlag nach Anlage 13 zur EuWO
oder in der Zustimmungserklärung nach Anlage 15 zur
EuWO, Amtsbezeichnungen und akademische Grade auch
in der Spalte „Familienname/Vornamen“ aufgeführt würden,
wenn in der Spalte „Beruf oder Stand“ eine Bezeichnung mit
eigenem Erklärungsinhalt folge. In der Rubrik „Beruf oder
Stand“ könne jeweils der Zusatz „emeritus“ oder „im Ruhe-
stand“, auch abgekürzt als „em.“ oder „i. R.“, ergänzt wer-
den, ohne dass diesem ein eigener Erklärungsinhalt zukom-
me. Nach der ständigen Praxis des Bundeswahlleiters seien
daher beispielsweise folgende Kombinationen zulässig:

– „Dr. Hans Müller; Professor“

– „Dr. Hans Müller; Chemiker, Prof.“

– „Dr. Hans Müller; Chemiker, Prof. em.“

– „Dr. Hans Müller; Universitätsprofessor“

– „Dr. Hans Müller; Professor (Univ.)“

– „Dr. Hans Müller; Professor (FH)“

oder auch

– „Prof. Dr. Hans Müller; Chemiker“

– „Prof. Dr. Hans Müller; Universitätsprofessor“

– „Prof. Dr. Hans Müller; Universitätsprofessor i. R.“

– „Prof. Dr. Hans Müller; Professor (Univ.)“

– „Prof. Dr. Hans Müller; Professor (FH)“

In den fünf letztgenannten Fällen enthalte die Berufsbezeich-
nung eine zusätzliche Angabe bzw. Spezifizierung und er-
lange damit einen eigenen Erklärungsgehalt. Nicht zulässig
Angabe über die Person, ebenso Reisepässe gemäß § 4
Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 des Passgesetzes (PaßG). Zwar

sei dagegen die Kombination „Prof. Dr. Hans Müller, Profes-
sor“, da es sich hier um eine Kombination aus Amtsbezeich-

Drucksache 17/2200 – 94 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

nung vor dem Namen und Berufsbezeichnung ohne eigenen
Erklärungsinhalt handele.

Die von dem Einspruchsführer gerügte Änderung der Anga-
ben über den Spitzenkandidaten der EDE sei jedoch gerade
aufgrund der Angabe genau dieser Kombination im Wahl-
vorschlag der EDE erfolgt, nämlich „Prof. Dr. R. S., Profes-
sor em.“. Dabei sei ein Mitarbeiter des Bundeswahlleiters
nach den oben erläuterten Grundsätzen verfahren und habe
die Änderung erst nach ausdrücklicher Erklärung des Ein-
verständnisses des Einspruchsführers als Vertrauensperson
der EDE in einem Telefonat am 24. März 2009 vorgenom-
men. Auf die Frage, ob den vorgenannten Grundsätzen ent-
sprechend in einer der beiden Spalten („Familienname/Vor-
namen“ bzw. „Beruf oder Stand“) auf die Angabe Professor
verzichtet werden könne, habe der Einspruchsführer statt der
Amtsbezeichnung keine Berufsbezeichnung des Bewerbers
nennen können. Daher habe der Mitarbeiter, wie in solchen
Fällen üblich sei, vorgeschlagen, als einzig verbleibende
Variante in der Spalte „Familienname/Vornamen“ die Be-
zeichnung „Prof.“ zu streichen, da diese kein Namensbe-
standteil sei und andernfalls eine Angabe in der Spalte Beruf
oder Stand gefehlt hätte. Der Einspruchsführer habe sich mit
diesem Vorschlag uneingeschränkt einverstanden erklärt.
Das Handeln des Mitarbeiters habe also weder ein unzuläs-
siges Drängen oder Verlangen umfasst, noch habe darin eine
bewusste Falschinformation des Einspruchsführers gelegen.
Auch im weiteren Verlauf sei der Einspruchsführer stets kor-
rekt, wenn auch zum Teil in gekürzter Form, über die darge-
stellten Grundsätze, die einschlägigen Rechtsgrundlagen
und die herangezogene Literatur informiert worden.

Es habe auch keinen Unterschied zum Vorgehen bei der Prü-
fung der übrigen Wahlvorschläge gegeben, die als gemeinsa-
me Listen für alle Länder beim Bundeswahlleiter eingereicht
worden seien. Entsprechend der oben genannten Grundsätze
seien zum Beispiel für den Spitzenkandidaten von „50Plus
Das Generationen-Bündnis (50Plus)“ die Angaben „Prof.
Dr. F. K., Universitätsprofessor i. R.“ aufgenommen worden.
Dagegen sei bei der politischen Vereinigung „FÜR VOLKS-
ENTSCHEIDE“ bei einem Bewerber die Amtsbezeichnung
„Prof.“ vor dem Namen gestrichen worden, so dass als An-
gaben aufgenommen worden seien: „Dr. A. F., Professor
i. R.“. In diesem Fall sei also ebenso verfahren worden wie
bei der EDE. Die von dem Beschwerdeführer gerügte Un-
gleichbehandlung der teilnehmenden Parteien und politi-
schen Vereinigungen oder ein Verstoß gegen die Chancen-
gleichheit aus Artikel 3 GG liege mithin nicht vor.

Der Bundeswahlleiter ist der Auffassung, dass auch die Lan-
deswahlleiter die oben erläuterten Grundsätze zu Anzahl der
Berufsbezeichnungen und der Führung akademischer Grade
anwendeten und im Einvernehmen mit den Vertrauensperso-
nen der Wahlvorschläge gegebenenfalls auf Streichungen
hinwirkten. Da jedoch keine Weisungsbefugnis des Bundes-
wahlleiters gegenüber den Landeswahlleitern bestehe, könne
es im Einzelfall auf den Stimmzetteln bei Listen für einzelne
Länder, wie etwa den Wahlvorschlägen der CDU, zu Abwei-
chungen von der genannten Praxis kommen.

Mit Schreiben vom 5. Mai 2009 habe der Einspruchsführer
gegenüber dem Bundeswahlleiter erklärt, seine telefonische
Zustimmung zum Verzicht auf die Bezeichnung „Prof.“ vor

nannte Wahlwillenserklärung angesehen werden, auf die
grundsätzlich auch die allgemeinen Vorschriften des BGB
über Willenserklärungen anwendbar seien. Ein Anfech-
tungsgrund gemäß § 123 Absatz 1 BGB liege jedoch nach
dem oben geschilderten Sachverhalt mangels arglistiger
Täuschung nicht vor. Ungeachtet des mangelnden Anfech-
tungsgrundes sei die Anfechtung zu diesem Zeitpunkt auch
nicht mehr zulässig gewesen, da nach der Zulassung des
Wahlvorschlags gemäß § 14 Absatz 1 EuWG durch den
Bundeswahlausschuss am 10. April 2009 die Dispositions-
befugnis des Einspruchsführers bezüglich seiner Erklärung
ausgeschlossen gewesen sei. So sei nach der Entscheidung
über die Zulassung eines Wahlvorschlages gemäß § 12
Absatz 1 Satz 3 und § 13 Absatz 3 EuWG jede Änderung
und jede Mängelbeseitigung ausgeschlossen. Auch bei Un-
terstützungsunterschriften gemäß § 9 Absatz 5 EuWG oder
bei Bundestagswahlen gemäß § 20 Absatz 2 BWG unterlie-
ge die Unterschriftsleistung bereits ab dem Ablauf der Ein-
reichungsfrist für Wahlvorschläge im Hinblick auf das als
schutzwürdig anzusehende Vertrauen der Wahlvorschlags-
träger in den Bestand der Unterstützungserklärungen und im
Interesse der Rechtsklarheit nicht mehr der Dispositionsfrei-
heit der Unterzeichner. Nach diesen insoweit spezielleren
Vorschriften über Wahlwillenserklärungen sei spätestens zu
diesem Zeitpunkt auch die Anfechtung der Zustimmungser-
klärung einer Vertrauensperson zu der Änderung des Wahl-
vorschlags im Hinblick auf die Angaben zu einzelnen Be-
werbern ausgeschlossen.

Die Forderung des Einspruchsführers nach Korrektur der
Stimmzettel, der Wahlbekanntmachungen und weiteren In-
formationen, wie etwa der Listen der Wahlbewerber auf der
Internetseite des Bundeswahlleiters, sei daher nicht berech-
tigt gewesen. Die Vornahme der Änderungen in der Veröf-
fentlichung der Wahlbewerber auf der Internetseite des
Bundeswahlleiters sowie in der Berichtigung der Dritten Be-
kanntmachung des Bundeswahlleiters zur Wahl der Abge-
ordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepu-
blik Deutschland am 7. Juni 2008 gemäß § 14 Absatz 5
EuWG i. V. m. § 37 Absatz 1 EuWO vom 13. Mai 2009, ver-
öffentlicht im Bundesanzeiger Nummer 76 am 26. Mai 2009,
S. 1797, seien daher nur als Zeichen seines Entgegenkom-
mens gegenüber dem Wunsch des Einspruchsführers nach
einer entsprechenden Korrektur erfolgt und nicht etwa als
Eingeständnis eines Fehlers. Dies sei dem Einspruchsführer
auch im Anschluss zu dem am 13. Mai 2009 geführten Tele-
fonat mit Schreiben vom selben Tage mitgeteilt worden.

Die Änderung sei auch nicht nach den Grundsätzen des Ver-
waltungsverfahrensgesetzes über Verwaltungsakte zurück-
zunehmen gewesen. Bei den Entscheidungen der Wahlorga-
ne im Rahmen der Vorbereitung und Durchführung der
Europawahl handele es sich um staatsorganisatorisches Tun,
nämlich um Wahlverfahrensakte, die gemäß § 26 EuWG ne-
ben den in EuWG und EuWO vorgesehenen Rechtsbehelfen
nur mit dem Wahlprüfungsverfahren nach § 26 EuWG in
Verbindung mit den Vorschriften des Wahlprüfungsgesetzes
(WPrüfG) anzufechten seien. Damit handele es sich bei den
Entscheidungen der Wahlorgane gerade nicht um Verwal-
tungsakte gemäß § 35 VwVfG. Die Vorschriften des VwVfG
über Verwaltungsakte seien daher nicht anwendbar.
dem Namen des Spitzenkandidaten der EDE nach § 123
Absatz 1 BGB anzufechten. Diese Erklärung könne als soge-

Insgesamt sei danach in der Bezeichnung des Spitzenkandi-
daten der EDE auf dem Stimmzettel mit „Dr. R. S., Professor

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 95 – Drucksache 17/2200

em.“ keine unzulässige Benachteiligung der EDE gegeben.
Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der akademische
Grad „Professor“ in unmittelbarer Nähe zum Namen aufge-
führt werde und keineswegs entfallen sei. Selbst wenn ein-
zelne Wählerinnen und Wähler ihre Stimme für Herrn Prof.
Dr. R. S. persönlich hätten abgeben wollen und sich danach
auf dem Stimmzettel orientiert hätten, sei es Wählerinnen
und Wählern zuzutrauen, diesen auch mit der Bezeichnung
„Dr. R. S., Professor em.“ korrekt zu identifizieren. Zudem
habe der Einspruchsführer bzw. die EDE mit der diesbezüg-
lichen Pressemitteilung rechtzeitig vor dem Wahltag ein
wirksames Echo in der Öffentlichkeit beispielsweise durch
die Berichterstattung zu diesem Thema erhalten, die ggf.
auch als Wahlwerbung für die EDE und ihren Spitzenkandi-
daten gewirkt haben könne. Daher sei es weder erforderlich
noch zulässig gewesen, eine über die vom Bundeswahlleiter
vor der Wahl veranlassten Maßnahmen hinausgehende
Korrektur der Wahlunterlagen zu veranlassen, insbesondere
etwa einen Neudruck der Stimmzettel vorzusehen. Zum
Zeitpunkt der Beschwerde des Einspruchsführers Anfang
Mai 2009 sei zudem bereits eine Vielzahl von Stimmzetteln
gedruckt worden und für die Briefwahl im Einsatz gewesen,
so dass ein Neudruck der Stimmzettel im engen Zeitablauf
der Organisation der Europawahl nicht mehr möglich gewe-
sen sei.

Bei der von dem Einspruchsführer gerügten Veröffent-
lichung der Daten der Wahlbewerber im Internet habe es sich
um die vom Bundeswahlleiter herausgegebene Veröffent-
lichung „Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parla-
ments aus der Bundesrepublik Deutschland am 7. Juni 2009
– Sonderheft: Die Wahlbewerber für die Wahl zum Europäi-
schen Parlament aus der Bundesrepublik Deutschland“
gehandelt. Sie enthalte die Angaben aller Bewerber und
Ersatzbewerber der zugelassenen Wahlvorschläge, die vom
Bundeswahlleiter gemäß § 14 Absatz 5 EuWG nach Maßga-
be des § 37 Absatz 1 EuWO spätestens am 48. Tag vor der
Wahl öffentlich bekannt zu machen seien. Die Veröffent-
lichung dieser Daten in dem genannten Sonderheft stelle
eine zulässige Nutzung der bei dem Bundes- und den Lan-
deswahlleitern angefallenen und durch den Bundeswahllei-
ter öffentlich bekanntgemachten Daten dar. Sie erscheine
dem Bundeswahlleiter über die wahlgesetzlich angeordneten
Bekanntmachungen hinaus zur allgemeinen Unterrichtung
des Wahlbürgers geboten. Zudem werde von der Öffentlich-
keit auch erwartet, dass die in den gesetzlich vorgeschriebe-
nen Bekanntmachungen des Bundeswahlleiters enthaltenen
– und damit jedermann frei zugänglichen – Angaben zu den
Wahlvorschlägen für Europawahlen auch in den Fachserien
des Statistischen Bundesamtes veröffentlicht würden.

Auch bezüglich des in der Einspruchsschrift genannten wei-
teren Vorgangs hinsichtlich einer gewählten Bewerberin, die
nach ihrer Aufstellung ihre Bewerbung zurückzog, sei kein
Fehler erkennbar. Mit dem Wahlvorschlag, der als gemeinsa-
me Liste für alle Länder gemäß § 32 Absatz 1 EuWO nach
Anlage 13 zur EuWO eingereicht werde, sei auch die Nie-
derschrift über die Mitglieder- oder Vertreterversammlung
zur Aufstellung der Bewerber gemäß § 32 Absatz 4 Nummer
3 EuWO nach Anlage 18 zur EuWO einzureichen, die eine
Liste der aufgestellten Bewerberinnen und Bewerber mit den
vollständigen Angaben zur Person in der festgelegten Rei-

der Partei oder politischen Vereinigung zur Aufstellung der
Bewerber in geheimer Abstimmung erfolgt sei, seien die zur
Einreichung des Wahlvorschlags legitimierten Parteigre-
mien gebunden. Daher hätten die Angaben im Wahlvor-
schlag nach Anlage 13 zur EuWO mit den Angaben zu den
einzelnen Bewerbern und ihrer Reihenfolge mit den Anga-
ben in der Niederschrift nach Anlage 18 zur EuWO überein-
stimmen müssen. Im Rahmen der Prüfung der Wahlvor-
schläge der Parteien und politischen Vereinigungen gemäß
§ 13 Absatz 1 EuWG werde daher auch die Übereinstim-
mung der Unterlagen in diesem Punkt überprüft. Wenn wie
hier Abweichungen im Wahlvorschlag nach Anlage 13 zur
EuWO von der Niederschrift nach Anlage 18 zur EuWO
auffielen, erfolge eine Nachfrage bei der Vertrauensperson
der betreffenden Partei oder politischen Vereinigung zur
Klärung des Sachverhalts. Im Rahmen dieser Nachfrage
werde auf die Bindung des Vorstands der Partei oder politi-
schen Vereinigung an die Aufstellung der Bewerber durch
die hierzu bestimmte Versammlung hingewiesen. Die Prü-
fung des Wahlvorschlags der EDE gemäß § 13 Absatz 1
EuWG habe ergeben, dass die in der Niederschrift nach
Anlage 18 zur EuWO auf Platz 9 aufgeführte Bewerberin in
dem Wahlvorschlag nach Anlage 13 zur EuWO nicht ge-
nannt worden sei. Eine Erklärung, dass die Bewerberin ihre
Kandidatur zurückgezogen habe, habe dem eingereichten
Wahlvorschlag nicht beigelegen. Daher sei der Einspruchs-
führer als Vertrauensperson im Rahmen einer telefonischen
Nachfrage am 24. März 2009 von einem Mitarbeiter auf die
fehlende Übereinstimmung der beiden Unterlagen hingewie-
sen worden. Erst im Rahmen dieses Telefonats habe der Ein-
spruchsführer mitgeteilt, dass der Vorstand der EDE die Be-
werberin schon nicht in den Wahlvorschlag nach Anlage 13
zur EuWO aufgenommen habe, da diese ihre Zustimmung
bereits kurz nach Aufstellung des Wahlvorschlages vor des-
sen Einreichung zurückgezogen habe. Wenn ein Bewerber
seine Kandidatur nach Einreichung eines Wahlvorschlags
zurückziehe und infolgedessen nicht mehr im Wahlvor-
schlag seiner Partei oder politischen Vereinigung aufgeführt
werden solle, könne der Wahlvorschlag bezüglich dieses Be-
werbers gemäß § 12 Absatz 2 EuWG durch gemeinsame
schriftliche Erklärung der Vertrauensperson und der stellver-
tretenden Vertrauensperson insoweit teilweise zurück-
genommen werden. Alternativ werde der betreffende Bewer-
ber durch den zuständigen Wahlausschuss gemäß § 14
Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 Satz 2 EuWG mangels Vorliegen
der Voraussetzungen gemäß § 11 Absatz 2 Nummer 1
EuWG gestrichen. Hier habe die Bewerberin der EDE ihre
Kandidatur jedoch bereits vor Einreichen des Wahlvor-
schlags zurückgezogen. Dieser Sachverhalt sei auf weitere
telefonische Nachfrage des Mitarbeiters am 24. März 2009
auch von der stellvertretenden Vertrauensperson der EDE
bestätigt und entsprechend in der Akte vermerkt worden.
Zudem seien diese übereinstimmenden Erklärungen der Ver-
trauenspersonen auch dadurch bestätigt worden, dass keine
Zustimmungserklärung der betreffenden Bewerberin vorge-
legen habe. Eine ausreichende Kontrolle sei somit sicherge-
stellt gewesen. Ein Verstoß gegen die Rechtmäßigkeit der
Wahl oder gar eine Schädigung der EDE sei in diesem Vor-
gang nicht ersichtlich.

Der Bundeswahlleiter hat seiner Stellungnahme Ablichtun-

henfolge enthalte. An die Festlegung der Bewerber und ihrer
Reihenfolge, die gemäß § 10 EuWG durch die Versammlung

gen der gemeinsamen Listen für alle Länder der EDE und
der „FÜR VOLKSENTSCHEIDE (Wählergemeinschaft)“

Drucksache 17/2200 – 96 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

(Formular gemäß Anlage 13 zur EuWO), in denen hand-
schriftlich Änderungen gegenüber den eingereichten Fas-
sungen vermerkt sind, des Schreibens des Einspruchsführers
vom 5. Mai 2009 sowie – auszugsweise – der Niederschrift
über die Mitglieder-/Vertreterversammlung zur Aufstellung
der Bewerber und Ersatzbewerber für die gemeinsame Liste
der EDE mit einem handschriftlichen Vermerk beigefügt.
Diesbezüglich und hinsichtlich weiterer übersandter Doku-
mente wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Dem Einspruchsführer ist die Stellungnahme zur Kenntnis
gegeben worden. Er hat darauf ausführlich erwidert. Im We-
sentlichen trägt er Folgendes vor:

Wenn einheitliche Kriterien für die Darstellung der Listen-
kandidaten auf dem Stimmzettel gelten, müssten diese dem
Bundeswahlleiter schriftlich vorliegen und den Wahlbewer-
bern frühzeitig zur Verfügung gestellt werden. Um eine
gemeinsame Praxis des Bundeswahlleiters und der Landes-
wahlleiter handele es sich offensichtlich nicht. Der Bundes-
wahlleiter sei auch gar nicht befugt, Regeln aufzustellen,
nach denen Angaben zulässig oder unzulässig seien. Zudem
seien die vom Bundeswahlleiter angegebenen Kriterien will-
kürlich und schienen nachträglich für den gerügten Fall ent-
wickelt zu sein. So komme etwa der Bezeichnung „im Ruhe-
stand“ durchaus ein eigener Erklärungsinhalt zu.

Zudem bestreitet er, dass der Mitarbeiter des Bundeswahllei-
ters ihn gebeten habe, auszuloten, ob Änderungen vorge-
nommen werden könnten. Vielmehr habe er kategorisch er-
klärt, was zu streichen sei, und habe lediglich bei den
Berufsangaben die Auswahl freigestellt. Jedenfalls habe er
nicht die nach den vom Bundeswahlleiter in seiner Stellung-
nahme dargestellten Regelungen möglichen Alternativen,
die eine Beibehaltung der Abkürzung „Prof.“ vor dem Na-
men des Spitzenkandidaten ermöglicht hätten, genannt und
zur Begründung auf Nachfrage lediglich auf eine ständige
Praxis verwiesen.

Er bekräftigt seinen Vortrag, dass der Bundeswahlleiter hin-
sichtlich der Gestaltung des Stimmzettels an die Vorgaben
des Gesetzgebers gebunden sei und keinerlei Ermessen habe,
und wiederholt seine Auffassung, weder die Abkürzung
„Dr.“ noch „Prof.“ dürfe auf Stimmzetteln aufgeführt wer-
den.

Erneut erklärt er, seine Erklärung gemäß § 123 BGB wegen
arglistiger Täuschung durch den Bundeswahlleiter ange-
fochten zu haben. Die Anfechtungsfrist betrage gemäß § 124
BGB ein Jahr, ein vorheriger Ausschluss sei nicht vorgese-
hen; der Bundeswahlleiter spiegele erneut falsche Tatsachen
vor, wenn er ausführe, dass die Dispositionsbefugnis des
Einspruchsführers ausgeschlossen sei. Zudem bezweifelt er,
dass Entscheidungen der Wahlorgane keine Verwaltungsakte
gemäß § 35 VwVfG seien und hält zumindest eine analoge
Anwendung der Vorschriften über die Rücknahme eines
rechtswidrigen Verwaltungsakts und der Nichtigkeit für ge-
boten.

Der Einspruchsführer bestreitet erneut, dass der Bundes-
wahlleiter über die Bekanntgabe im Bundesanzeiger hinaus
die Befugnis zur Veröffentlichung von Informationen über
Wahlbewerber habe. Mit seinen Veröffentlichungen setze er
sich über den Willen des Gesetzgebers hinweg.

über die Rücknahme der Kandidatur dem Wahlvorschlag
nicht beigefügt worden sei. Dies sei aber gesetzlich auch
nicht vorgesehen.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten
wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

1. Kein Wahlfehler ist in der Tatsache zu sehen, dass der erste
Bewerber auf der gemeinsamen Liste der EDE für alle Län-
der auf dem Stimmzettel für die Europawahl 2009 als „Dr.
R. S., Professor em., Königswinter (NW)“ bezeichnet wurde.

a) Die Gestaltung des Stimmzettels entsprach den wahlrecht-
lichen Vorgaben.

Gemäß § 15 Absatz 2 Nummer 4 EuWG enthält der Stimm-
zettel die ersten zehn Bewerber der zugelassenen Wahlvor-
schläge mit Vor- und Familiennamen, Beruf oder Stand, Ort
der Wohnung (Hauptwohnung) sowie bei Bewerbern für ge-
meinsame Listen für alle Länder zusätzlich die Abkürzung
des Landes, in dem der Ort der Wohnung liegt. Diese Anga-
ben dienen einer möglichst umfassenden Information der
Wähler über die einzelnen Wahlvorschläge (vgl. Begrün-
dung des Gesetzentwurfs, Bundestagsdrucksache 8/361).
Dabei kann für die Angabe von Beruf oder Stand weitgehend
von der „Selbsteinschätzung“ der Wahlbewerber, sofern die-
se nicht irreführend ist, als der für die Wähler wesentlichen
Information ausgegangen werden (so bereits die Begrün-
dung des Gesetzentwurfs, Bundestagsdrucksache 8/361).

Die hinsichtlich des ersten Bewerbers der EDE auf dem
Stimmzettel enthaltenen Angaben entsprachen diesen Vorga-
ben. Auch basierten sie auf den Angaben der EDE bei der
Einreichung ihres Wahlvorschlags auf dem Formular gemäß
Anlage 13 zur EuWO.

Eine Verpflichtung zur unveränderten Übernahme der Anga-
ben der Liste lässt sich den wahlrechtlichen Vorschriften da-
bei nicht entnehmen. Vielmehr werden gemäß §14 EuWG in
Verbindung mit § 34 Absatz 4 und 8, § 32 Absatz 1 Satz 2
EuWO die Wahlvorschläge einschließlich der Angaben zu
den Bewerbern erst durch den Bundeswahlausschuss im
Rahmen seiner Prüfung und Zulassung der Wahlvorschläge
abschließend festgestellt, wobei zu dieser Sitzung die Ver-
trauenspersonen der Wahlvorschläge geladen werden, § 34
Absatz 1 und 8 EuWO. Die vom Einspruchsführer offenbar
bezweifelte Befugnis des Bundeswahlleiters zur redaktionel-
len Vorbereitung und die damit zusammenhängende Kom-
munikation mit den Vertrauenspersonen der Wahlvorschläge
ergibt sich aus seiner Zuständigkeit für die Entgegennahme
und Prüfung der Wahlvorschläge für gemeinsame Listen,
vgl. § 11 Absatz 1 Satz 2, § 13 Absatz 1 EuWG und § 33
Absatz 4 EuWO.

b) Auch die vom Einspruchsführer geltend gemachte mate-
rielle Ungleichbehandlung gegenüber anderen Listen durch
den Bundeswahlleiter vermag der Wahlprüfungsausschuss
nicht zu erkennen. Zwar trifft es zu, dass in drei Fällen Kan-
didaten anderer gemeinsamer Listen für alle Länder auf dem
Stimmzettel mit der Bezeichnung „Prof.“ vor dem Namen
Hinsichtlich der von der Kandidatin zurückgezogenen Kan-
didatur räumt der Einspruchsführer ein, dass eine Erklärung

aufgeführt wurden. In seiner Stellungnahme hat der Bundes-
wahlleiter jedoch seine Kriterien für die Zulassung dieser

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97 – Drucksache 17/2200

Abkürzung – die unstreitig nicht Namensbestandteil ist – vor
dem Namen nachvollziehbar dargelegt. So wird in allen drei
Fällen – anders im eingereichten Wahlvorschlag der EDE –
nach dem Namen des Bewerbers nicht die Amtsbezeichnung
„Professor“ wiederholt, sondern eine im Erklärungsinhalt
darüberhinausgehende Berufsangabe („Physiker“, „Dipl.-
Physikerin“ und „Universitätsprofessor i. R.“) genannt. In
einem dem der EDE gleichgelagerten Fall, der die Liste
„FÜR VOLKSENTSCHEIDE“ betraf, wurde hingegen aus-
weislich der vom Bundeswahlleiter übersandten Unterlagen
die von der Liste mitgeteilte Abkürzung „Prof.“ vor dem
Namen gleichfalls gestrichen, während die Bezeichnung
„Professor i. R.“ auf dem Stimmzettel nach dem Namen auf-
geführt wurde.

Soweit der Einspruchsführer eine Ungleichbehandlung sei-
ner Liste gegenüber den bei den Landeswahlleitern ein-
gereichten und geprüften Landeslisten der CDU bzw. CSU
geltend macht, räumt der Bundeswahlleiter zwar ein, dass es
bei der Europawahl wegen des Nichtbestehens einer Wei-
sungsbefugnis gegenüber den Landeswahlleitern möglicher-
weise zu Abweichungen kommen könnte. Eine Überprüfung
der Stimmzettel aller Bundesländer für die Europawahl 2009
hat jedoch ergeben, dass sich die von EDE angegebene
Kombination der Abkürzungen „Prof. Dr.“ vor dem Namen
und der Angabe „Professor“ als Berufsbezeichnung auf kei-
nem Stimmzettel, auch nicht bei den Landeslisten der CDU
bzw. CSU, findet. Eine unzulässige Ungleichbehandlung zu-
lasten der EDE lag damit auch hier nicht vor.

c) Nicht aufklären kann der Wahlprüfungsausschuss, ob der
Bundeswahlleiter, wie dieser vorträgt, den Einspruchsführer
als Vertrauensperson der EDE zugleich über mögliche Er-
gänzungen der Angaben zu dem Kandidaten informiert hat,
als er ihm telefonisch mitteilte, die Kombination der Abkür-
zung „Prof.“ vor dem Namen und der Bezeichnung „Profes-
sor i. R.“ nach dem Namen könne nicht übernommen wer-
den. Vom Einspruchsführer wird dies bestritten. Angesichts
der Tatsache, dass der Erklärungsinhalt der veröffentlichten
Angaben über den Kandidaten weiterhin mit dem von der
EDE gewünschten Erklärungsinhalt übereinstimmte und le-
diglich die Doppelung der Angabe „Professor“ – vor und
nach dem Namen – gestrichen wurde, vermag der Wahlprü-
fungsausschuss hier jedenfalls keinen Wahlfehler zu erken-
nen, auch wenn er eine möglichst umfassende Information
der Wahlbewerber stets für wünschenswert hält.

d) Der Bundeswahlleiter musste auch nicht auf Wunsch des
Einspruchsführers die Angaben auf dem Stimmzettel und die
öffentliche Bekanntmachung des Wahlvorschlags nachträg-
lich ändern. Insbesondere musste er nicht die ursprünglichen
Angaben der EDE um die Berufsbezeichnung „Volkswirt“
ergänzen. Diese wäre zwar ohne Zweifel – wie wahrschein-
lich auch verschiedene andere, auf die Ausbildung oder ak-
tuell oder in der Vergangenheit ausgeübte Tätigkeiten des
Bewerbers bezogene Angaben – zulässig gewesen. Wie Ein-
spruchsführer und Bundeswahlleiter übereinstimmend dar-
legen, wurde diese Möglichkeit jedoch erstmals in einem
Telefonat am 13. Mai 2009 konkret erörtert. Zu diesem Zeit-
punkt war eine Veränderung des Wahlvorschlags schon nicht
mehr zulässig. Denn bereits nach Ablauf der Einreichungs-
frist für Wahlvorschläge gemäß § 11 Absatz 1 EuWG kön-

§ 14 EuWG – die vorliegend am 10. April 2009 erfolgte – ist
jede Änderung einschließlich der Mängelbeseitigung ausge-
schlossen, vgl. § 12 Absatz 1 Satz 3 und § 13 Absatz 2
EuWG. Zudem trafen, wie oben dargelegt, die Angaben zu
und deckten sich mit den von der EDE erklärten. Für eine
Mängelbeseitigung gemäß § 13 Absatz 2 EuWG war daher,
wie von Einspruchsführer und Bundeswahlleiter zutreffend
erkannt, von vornherein kein Raum. Auch eine Änderung
des Wahlvorschlags nach § 12 EuWG kam schon deshalb
nicht in Betracht, weil hierfür Voraussetzung wäre, dass ein
Bewerber oder Ersatzbewerber gestorben ist oder die Wähl-
barkeit verloren hat.

Offenbleiben kann, ob die Korrektur der Angaben zum Spit-
zenkandidaten der EDE durch Bekanntgabe im Bundes-
anzeiger vom 26. Mai 2009 erfolgen durfte, da ein Einfluss
dieser Bekanntmachung auf die Sitzverteilung im Europa-
parlament nach Überzeugung des Wahlprüfungsausschusses
mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann.

Soweit der Einspruchsführer geltend macht, in der öffent-
lichen Bekanntmachung und auf dem Stimmzettel hätten die
Angaben zu dem Kandidaten in der von EDE eingereichten
Form erscheinen müssen, da er seine Zustimmung zu einer
anderen Gestaltung der Angaben mit Schreiben vom 5. Mai
2009 zurückgezogen und gemäß § 123 Absatz 1 BGB ange-
fochten habe, kann vorliegend offenbleiben, ob die zivil-
rechtlichen Vorschriften über Willenserklärungen gemäß
§ 116 f. BGB im Wahlrecht überhaupt uneingeschränkt An-
wendung finden können. Denn die Zustimmung des Ein-
spruchsführers zu der vom Bundeswahlleiter aufgrund der
gesetzlichen Vorgaben und der von ihm angewendeten allge-
meinen Kriterien zwingend gewählten Darstellung der An-
gaben zu dem Spitzenkandidaten der EDE war nicht erfor-
derlich, da der Bundeswahlleiter nicht vom Inhalt der von
der EDE erklärten Angaben abgewichen ist, sondern ledig-
lich, wie oben dargestellt, eine Redundanz beseitigt hat.

e) Soweit der Einspruchsführer in seinem Einspruch geltend
macht, die Bezeichnungen „Prof.“ und „Dr.“ dürften auf
Wahlbekanntmachungen und Stimmzetteln ohnehin nicht
vor dem Namen eines Kandidaten erscheinen, lässt sich hier-
aus ebenfalls kein Wahlfehler entnehmen. Die für die Euro-
pawahl anzuwendenden Rechtsvorschriften enthalten in die-
ser Frage keine ausdrückliche Vorgabe. Die Nennung der
abgekürzten Amtsbezeichnung „Prof.“ und des Doktorgra-
des vor dem Namen entspricht jedoch in der Bundesrepublik
Deutschland, wie vom Bundeswahlleiter ausführlich darge-
legt, den behördlichen Gepflogenheiten und der sozialen
Wirklichkeit. Eine Nennung des Doktorgrades nach dem Na-
men wäre beispielsweise gänzlich unüblich. Die Angaben in
den von den Wahlbewerbern eingereichten Wahlvorschlägen
konnten daher mit den Abkürzungen „Dr.“ und – nach den
vom Bundeswahlleiter dargelegten Grundsätzen, die der
Vermeidung von Redundanzen dienen – auch „Prof.“ auf
dem Stimmzettel übernommen werden und mussten nicht
generell gestrichen werden, wie der Einspruchsführer offen-
bar – im übrigen in Widerspruch zu seinem Vortrag, der Spit-
zenkandidat der EDE sei von vielen Wählern nur mit der Ab-
kürzung „Prof.“ vor dem Namen zu identifizieren – meint.

f) Auch wenn kein Wahlfehler vorliegt, hält es der Wahlprü-
fungsausschuss angesichts der hier aufgetretenen Unklarhei-
nen diese nur noch in den vom Gesetz genannten Fällen ver-
ändert werden. Ab Zulassung des Wahlvorschlags gemäß

ten für wünschenswert, dass die vom Bundeswahlleiter er-
läuterten und ihm zufolge in der Praxis sowohl des Bundes-

Die Streichung einer von zwei bzw. drei Berufsbezeichnun-
gen bei mehreren Bewerbern des Wahlvorschlags lässt kei-
nen Verstoß gegen wahlrechtliche Vorschriften erkennen, da
unstreitig ist, dass hierfür das Einverständnis des Ein-
spruchsführers als Vertrauensperson des Wahlvorschlags
vorlag. Zwar besteht zwischen den Beteiligten auch in die-
sem Punkt keine Einigkeit über den genauen Verlauf des Te-
lefonats am 24. März 2009, in dem die Streichung der ge-
nannten Angaben vereinbart wurde. Anhaltspunkte für die
Ausübung eines unzulässigen Drucks seitens des Bundes-
wahlleiters liegen aus Sicht des Wahlprüfungsausschusses
jedoch nicht vor. Die Tatsache, dass bei drei Bewerbern der
Liste EDE – darunter der Einspruchsführer selbst – zwei Be-
rufsbezeichnungen im Wahlvorschlag bestehen blieben,
zeigt zudem, dass dem Einspruchsführer bewusst sein muss-
te, dass grundsätzlich auch mehrere Berufsbezeichnungen
zulässig sind. Auf sein fortdauerndes Einverständnis mit die-
sen Änderungen deutet weiterhin, dass er vor der Wahl keine
Rückgängigmachung dieser Streichungen verlangte, als er
sich wegen der Angaben über den Spitzenkandidaten am
5. Mai 2009 schriftlich an den Bundeswahlleiter wandte.

Soweit im Hinblick auf die Zulassung des Wahlvorschlags
und seine öffentliche Bekanntmachung bei zwei im Ausland
geborenen Bewerbern bei der Angabe des Geburtsorts die
zusätzliche Angabe der Provinz durch die des Staates ersetzt
wurde, handelt es sich dem Bundeswahlleiter zufolge um ei-
ne einheitlich angewandte, für alle Listen und Bewerber gel-
tende Praxis, die zudem der Klarheit und Information der
Wählerinnen und Wähler dient. Der Geburtsort gehört im
übrigen nicht zu den ausgewählten Informationen, die auf
dem Stimmzettel abgedruckt werden. Da der Einspruchsfüh-
rer dieser Änderung unstreitig zugestimmt hat, ist ein Ver-
stoß gegen wahlrechtliche Vorschriften auch hier nicht er-
sichtlich.

3. In der vom Einspruchsführer kritisierten Veröffentlichung
der Wahlvorschläge auch in Publikationen und auf der Web-
site des Bundeswahlleiters liegt ebenfalls kein Wahlfehler.
Zwar sieht § 75 Absatz 1 EuWO vor, dass die nach Europa-

der Wahlprüfungsausschuss keine Verletzung wahlrechtli-
cher Vorschriften – die jedoch alleiniger Maßstab für die
Wahlprüfung sind – zu erkennen.

4. Auch der Vortrag des Einspruchsführers bezüglich des
Vorgehens des Bundeswahlleiters bei der Prüfung des Falls
einer von der Mitgliederversammlung der EDE aufgestellten
Bewerberin, die ihre Kandidatur noch vor Einreichung des
Wahlvorschlags zurückgezogen hat, lässt keinen Wahlfehler
erkennen. Zwar ist dem Einspruchsführer zuzugestehen,
dass in einem solchen Fall die Liste der von der Mitglieder-
oder Vertreterversammlung aufgestellten Bewerberinnen
und Bewerber in der Niederschrift über diese Versammlung
nach Anlage 18 zur EuWO, die dem Wahlvorschlag gemäß
§ 11 Absatz 2 Nummer 2 EuWG, § 32 Absatz 4 Nummer 3
EuWO beizufügen ist, ausnahmsweise von dem Wahl-
vorschlag der politischen Partei oder Vereinigung nach
Anlage 13 zur EuWO abweicht. Einer solchen Abweichung
hat der Bundeswahlleiter im Rahmen seiner Prüfung der
Wahlvorschläge gemäß § 13 Absatz 1 EuWG unverzüglich
nach Eingang des Wahlvorschlags nachzugehen. Dieser Ver-
pflichtung ist er vorliegend auch nachgekommen. Im Telefo-
nat vom 24. März 2009 hat er den Einspruchsführer als Ver-
trauensperson der EDE auf die Abweichung hingewiesen
und sich den Sachverhalt erläutern lassen. Ausweislich einer
dem Wahlprüfungsausschuss vorliegenden handschriftli-
chen Notiz zur oben genannten Niederschrift hat er am sel-
ben Tag die stellvertretende Vertrauensperson der Liste kon-
taktiert und sich den Sachverhalt bestätigen lassen. Zudem
wies für ihn die Tatsache, dass keine Zustimmungserklärung
der betreffenden Bewerberin zur Kandidatur vorlag, auf die
Richtigkeit der übereinstimmenden Erklärungen der Ver-
trauenspersonen hin. Da zu keinem Zeitpunkt Anhaltspunkte
für eine Manipulation des Wahlvorschlags vorlagen oder
vorliegen, ist der Bundeswahlleiter aus Sicht des Wahlprü-
fungsausschusses seiner Prüfungs- und Kontrollfunktion in
ausreichendem Maße nachgekommen. Im übrigen hätte die
EDE diese Prüfung durch die – wahlrechtlich allerdings
nicht vorgeschriebene – Beifügung einer Erläuterung des
Vorgangs erleichtern können.
Drucksache 17/2200 – 98 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

als auch der Landeswahlleiter angewendeten Grundsätze zur
Gestaltung der Angaben über Wahlbewerber zukünftig mög-
lichen Wahlbewerbern so rechtzeitig zugänglich gemacht
werden, dass diese sich bei der Einreichung ihrer Wahlvor-
schläge darauf einstellen können.

2. Hinsichtlich der weiteren vom Einspruchsführer angegrif-
fenen Veränderungen des Wahlvorschlags gegenüber den ur-
sprünglichen Angaben der EDE liegt ebenfalls kein Wahl-
fehler vor.

wahlgesetz und Europawahlordnung vorgeschriebenen öf-
fentlichen Bekanntmachungen des Bundeswahlleiters im
Bundesanzeiger erfolgen. Dieser Vorgabe ist der Bundes-
wahlleiter mit der Dritten Bekanntmachung zur Wahl der
Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundes-
republik Deutschland im Bundesanzeiger vom 17. April
2009 sowie der Berichtung der Dritten Bekanntmachung
vom 13. Mai 2009 im Bundesanzeiger vom 26. Mai 2009
auch nachgekommen. In einer über die Vorgaben des EuWG
und der EuWO hinausgehenden Veröffentlichung vermag

ist davon überzeugt, dass es zu zahlreichen doppelten
Stimmabgaben von Bürgern aus EU-Mitgliedstaaten mit

Staatsangehörigkeit ihres Wohnsitzmitgliedstaates besäßen,
einbeziehe, sei daher auf Gemeinschaftsebene nicht mög-
lich. Auch die Europäische Kommission sei in ihrer Mittei-
Mitgliedstaat wahlberechtigt seien. Hierauf werde in den
Wahlbekanntmachungen der Gemeinden gemäß § 41 der
Europawahlordnung (EuWO) ebenso hingewiesen wie da-

achten, dass in den deutschen Wählerverzeichnissen nicht
vermerkt sei, ob die eingetragene Person über eine weitere
Staatsangehörigkeit verfüge. Es müsse daher zuerst anhand
doppelter Staatsangehörigkeit gekommen sei und bittet, dies
durch Abgleich der Wahllisten zu überprüfen.

Zu diesem Wahleinspruch hat das Bundesministerium des
Innern wie folgt Stellung genommen:

Bei einer Europawahl seien Personen, die die Staatsangehö-
rigkeit mehrerer Mitgliedstaaten haben, entsprechend dem
nationalen Recht der Mitgliedstaaten in ihren Herkunftsstaa-
ten wahlberechtigt. Jeder Wähler könne jedoch nur einmal
wählen. Dies sei für alle Mitgliedstaaten in Artikel 9 des
Direktwahlakts verbindlich festgelegt. Im deutschen Recht
zur Europawahl sei in § 6 Absatz 4 des Europawahlgesetzes
(EuWG) geregelt, dass das Wahlrecht nur einmal und per-
sönlich ausgeübt werden könne, und zudem klargestellt, dass
dies auch für Wahlberechtigte gelte, die in einem anderen

lung vom 18. Dezember 2000 über die Anwendung der
Richtlinie 93/109/EG bei den Wahlen zum Europäischen
Parlament vom Juni 1999 zu dieser Schlussfolgerung ge-
langt und habe sie in ihrer entsprechenden Mitteilung vom
12. Dezember 2006 zur Europawahl im Jahr 2004 bestätigt.

Ein Verfahren unter den Mitgliedstaaten zur nachträglichen
Feststellung einer mehrfachen Stimmabgabe durch Personen
mit mehreren Staatsangehörigkeiten sei also nach geltendem
Recht nicht möglich und auch bei Schaffung einer Rechts-
grundlage, zumindest mit vertretbarem Aufwand, nicht zu
realisieren. Selbst wenn eine solche bestünde, wäre mangels
einer entsprechenden gemeinschaftsrechtlichen Verpflich-
tung fraglich, ob andere Mitgliedstaaten zur Durchführung
eines solchen Verfahrens bereit wären. Schließlich sei zu be-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 99 – Drucksache 17/2200

Anlage 22

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn P. B., 45471 Mülheim/Ruhr
– Az.: EuWP 47/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 7. Juni 2009
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 10. Juni 2010 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem per Telefax übermittelten Schreiben, das beim
Deutschen Bundestag am 7. August 2009 eingegangen ist,
hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus
der Bundesrepublik Deutschland am 7. Juni 2009 eingelegt.

Der Einspruchsführer beanstandet, dass bei der Europawahl
für Wähler mit mehreren Staatsangehörigkeiten der Euro-
päischen Union (EU) die Möglichkeit einer mehrfachen
Stimmabgabe bestanden habe und führt das Beispiel seiner
Ehefrau an, die die deutsche und die italienische Staatsange-
hörigkeit habe. Diese habe im Vorfeld der Wahl drei Wahl-
benachrichtigungen erhalten: eine aus ihrer italienischen
Heimatstadt, eine zweite für die Stimmabgabe in Mülheim
und eine dritte für die Stimmabgabe für Italiener im Ausland.
Daraufhin habe sie sich erkundigt, wie eine doppelte Stimm-
abgabe ausgeschlossen werden könne. Ihr sei mitgeteilt wor-
den, dass eine doppelte Stimmabgabe nicht erlaubt, eine
Kontrolle durch Abgleich der deutschen und italienischen
Wahllisten aber nicht vorgesehen sei. Der Einspruchsführer

Eine Überprüfung, ob ein Wahlberechtigter, der neben der
deutschen Staatsangehörigkeit diejenige eines anderen EU-
Mitgliedstaats besitze, in das Wählerverzeichnis dieses Staa-
tes eingetragen sei, finde nicht statt.

Insbesondere würden diese Personen nicht durch den Infor-
mationsaustausch gemäß § 17a Absatz 5 EuWO erfasst, da
dieser nur nach § 6 Absatz 3 EuWG wahlberechtigte
Unionsbürger betreffe, das heißt, Staatsangehörige der übri-
gen Mitgliedstaaten der EU mit Wohnsitz oder gewöhn-
lichem Aufenthalt in Deutschland, nicht aber Wahlberechtig-
te, die (auch) die deutsche Staatsangehörigkeit besäßen.
Dieser Informationsaustausch sei gemeinschaftsrechtlich
vorgeschrieben in Artikel 13 der Richtlinie 93/109/EG vom
30. Dezember 1993, die sich ausschließlich auf Unionsbür-
ger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsange-
hörigkeit sie nicht besitzen, beziehe. Die gemeinschafts-
rechtliche Regelungskompetenz nach Artikel 19 Absatz 2
des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft
(EGV) beschränke sich auf diesen Personenkreis. Eine da-
rüber hinausgehende Regelung, die Personen, die auch die
rauf, dass eine mehrfache Stimmabgabe eine Straftat nach
§ 107a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs (StGB) sei.

der Melderegister festgestellt werden, welche in Deutsch-
land wahlberechtigten Personen über die Staatsangehörig-

Dem Einspruchsführer ist die Stellungnahme bekannt gege-
ben worden. Er kommentiert sie dahingehend, dass diese
Sach- und Rechtslage bedeute, dass in großem Umfang dop-
pelt abgestimmt werden könne, ohne dass ein Instrumenta-
rium vorliege, um die Strafverfolgung zu erreichen. Er er-
warte, dass seinen Vorwürfen nachgegangen werde und der
Strafandrohung auch eine Strafverfolgung folgen könne.

Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf
den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Ein Verstoß gegen Vorgaben des Wahlrechts kann nicht fest-
gestellt werden.

Zwar wäre es, wie sich aus der Stellungnahme des Bundes-
ministeriums des Innern ergibt, durchaus denkbar, dass eine
Person, die zwei Staatsangehörigkeiten besitzt, in beiden
Staaten in das Wählerverzeichnis eingetragen ist. Da
Artikel 9 des Direktwahlakts ebenso wie § 6 Absatz 4
EuWG ausdrücklich vorsieht, dass jeder Wähler nur einmal
wählen darf, würde eine mehrfache Teilnahme an der Euro-
pawahl durch Wähler mit mehreren Staatsangehörigkeiten
gegen wahlrechtliche Vorschriften verstoßen und damit
einen Wahlfehler darstellen.

Aus dem Vortrag des Einspruchsführers geht jedoch nicht
hinreichend substantiiert hervor, dass ein derartiges Mehr-
fachwählen tatsächlich stattgefunden hat. Denn allein aus

dern auch aufgetreten ist. Dies folgt daraus, dass gemäß § 2
Absatz 1 und 3 des Wahlprüfungsgesetzes, die gemäß § 26
Absatz 2 EuWG auch für die Prüfung der Wahl der Abge-
ordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepu-
blik Deutschland gelten, die Wahlprüfung nicht von Amts
wegen, sondern nur auf Einspruch, der zu begründen ist, er-
folgt (vgl. Bundestagsdrucksache 16/1800, Anlage 26 mit
weiteren Nachweisen). Da aber nur tatsächliche Wahlfehler
die Gültigkeit der Wahl beeinflussen können, müssen auch
die in der Begründung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur
die Gefahr von Wahlfehlern substantiieren. Dies gilt selbst
dann, wenn die Substantiierung für den einzelnen Bürger
schwierig oder gar unmöglich ist (vgl. Bundestagsdrucksa-
che 16/1800, Anlage 26; BVerfGE 66, 369, 379). Anderer-
seits besteht für den Wahlprüfungsausschuss weder eine
Verpflichtung noch eine tatsächliche Möglichkeit, bloß ver-
muteten Wahlfehlern durch umfangreiche Ermittlungen und
Erhebungen selbst nachzugehen.

Zudem hat der Gesetzgeber mit der Strafandrohung von
Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe in § 107 a
StGB und der Verpflichtung der Gemeinden, in ihren Wahl-
bekanntmachungen auf die Regelungen des § 6 Absatz 4
EuWG und des § 107a StGB hinzuweisen, nach Überzeu-
gung des Wahlprüfungsausschusses hinreichende Maßnah-
men zur Vermeidung von Mehrfachwahlen getroffen. An-
ders als der Einspruchsführer darlegt, besteht aufgrund der
gesetzlichen Regelungen durchaus die Möglichkeit einer
Strafverfolgung, wenn der Tatbestand einer unzulässigen
Doppelwahl festgestellt wird oder hierfür hinreichende An-
haltspunkte im Einzelfall vorliegen.
Drucksache 17/2200 – 100 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

keit eines weiteren EU-Mitgliedstaates verfügen. Danach sei
anhand des Stimmabgabevermerks im Wählerverzeichnis zu
überprüfen, welche dieser Personen an der Wahl der Abge-
ordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepu-
blik Deutschland teilgenommen hätten. Zu diesen Personen
müsse dann wiederum in dem Mitgliedstaat, dessen Staats-
angehörigkeit sie zusätzlich besitzen, angefragt werden, ob
sie auch dort an der Europawahl teilgenommen hätten. Dies
sei den Gemeinden, die sowohl die Melderegister als auch
die Wählerverzeichnisse führen, nicht zumutbar.

Die Strafbewehrung des Verbots einer mehrfachen Stimm-
abgabe bei Europawahlen sei zu dessen Sicherung ausrei-
chend. Kontrollmaßnahmen seien nicht angezeigt und seien,
wenn überhaupt, mit vertretbarem Aufwand nicht möglich.

dem Umstand, dass Personen mehrere Staatsangehörigkeiten
aus Mitgliedstaaten der EU besitzen, ergibt sich keineswegs,
dass diese Personen in allen diesen Staaten an der Europa-
wahl teilnehmen. Die vom Einspruchsführer geäußerte
Überzeugung, dass es „in großem Umfang“ zu einer mehrfa-
chen Stimmabgabe durch Personen mit doppelter Staatsan-
gehörigkeit gekommen sei, stellt eine bloße Mutmaßung dar.
Damit der Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten Wahl-
fehler nachgehen – geschweige denn sein Vorliegen feststel-
len – kann, reicht es aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass
die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss unter
Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen
dargelegt werden, dass sich diese Gefahr auch realisiert hat,
das heißt, dass ein Wahlfehler nicht nur möglich war, son-

im Grundgesetz verankerten Grundsätze der Chancengleich-
heit der Parteien und der Wahlfreiheit sowie gegen die ent-

prüfungsausschusses, die Fünf-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz sei verfassungsrechtlich zulässig (Bun-
scheitert sei, seien von dem entscheidenden Teil der Wahl,
nämlich der Bestimmung der Abgeordneten derjenigen Par-
teien, die die Fünf-Prozent-Hürde überwunden hätten, aus-

Sinne, nicht zu. Hier könne auf die vom Wahlprüfungsaus-
schuss bereits gemachten Ausführungen zu den Befugnissen
des Europäischen Parlaments verwiesen werden, wobei ins-
sprechenden Vorschriften übernationalen, insbesondere
europäischen Rechts.

Bei der Europawahl am 7. Juni 2009 seien 10,7 Prozent der
abgegebenen gültigen Stimmen in der Bundesrepublik
Deutschland auf Wahlvorschläge entfallen, welche an der
Fünf-Prozent-Sperrklausel gescheitert seien. Dadurch hätten
andere Parteien 10,7 Prozent mehr Sitze im Europäischen
Parlament erhalten, als ihnen nach den abgegebenen Stim-
men zustehe. Das verletze das für Europawahlen vorge-
schriebene Verhältniswahlrecht. Dieses besage, dass jede
Partei genau soviel Prozent an Sitzen erhalte, wie sie Prozent
an Stimmen erhalten habe.

Die Wähler, die eine auf dem Stimmzettel aufgeführte Partei
gewählt hätten, welche an der Fünf-Prozent-Sperrklausel ge-

destagsdrucksachen 15/4250, Anlage 18 und 15/4750, Anla-
gen 20 bis 22), weiterhin aktuell sei.
Aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur
Fünf-Prozent-Klausel bei Kommunalwahlen in Schleswig-
Holstein vom 13. Februar 2008 ergebe sich keine andere
Sichtweise. Das Bundesverfassungsgericht habe in dem Ur-
teil unter Hinweis auf frühere Entscheidungen festgestellt,
dass es sich bei Gemeindevertretungen und Kreistagen nicht
um Parlamente im Rechtssinn handele. Zur Begründung sei
angeführt worden, dass ihnen in erster Linie verwaltende Tä-
tigkeiten anvertraut seien, ihnen keine Gesetzgebungsfunk-
tion zustünde, sie keine Regierung oder ein vergleichbares
Gremium wählten und ihre Entscheidungen der Rechtsauf-
sicht unterlägen (BVerfGE 120, 82, 120). All dies treffe für
das Europäische Parlament, auch in einem entsprechenden
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101 – Drucksache 17/2200

Anlage 23

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

der Frau M. v. W., 80638 München
– Az.: EuWP 48/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 7. Juni 2009
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 10. Juni 2010 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem per Telefax übermittelten Schreiben vom 6. Au-
gust 2009, das beim Wahlprüfungsausschuss am 7. August
2009 eingegangen ist, hat die Einspruchsführerin gegen die
Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen
Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 7. Juni
2009 Einspruch eingelegt.

Mit ihrem Einspruch macht die Einspruchsführerin geltend,
die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei der Wahl der Abgeordne-
ten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland gemäß § 2 Absatz 7 des Europawahlgesetzes
(EuWG) verstoße gegen das Grundgesetz (GG) sowie gegen
internationales, insbesondere europäisches Recht.

Sie ist der Auffassung, die 7. Direktwahl des Europäischen
Parlaments und die Zuteilung der 99 Sitze für Abgeordnete
aus der Bundesrepublik Deutschland verletze den Grundsatz
der Stimmengleichheit gemäß Artikel 38 Absatz 1 Satz 1
GG, außerdem verstoße sie gegen den allgemeinen Gleich-
heitsgrundsatz des Artikels 3 Absatz 1 Satz 1 GG, gegen die

rechtigten in gleicher Weise ihre Stimme auch beim ent-
scheidenden Teil einer Wahl abgeben können, nämlich bei
der Bestimmung der Abgeordneten derjenigen Parteien, die
die Sperrklausel überwinden. Dies sei nicht nur durch einen
– aufwändigen – zweiten Wahlgang möglich, sondern auch
durch die bereits seit langem diskutierte Einführung einer
Ersatz- oder Eventualstimme.

Schließlich sei die Sperrklausel auch deshalb verfassungs-
widrig, weil sie nicht von allen EU-Mitgliedstaaten einge-
führt worden sei und sich angesichts der unterschiedlichen
Stärke der von den Mitgliedstaaten ins Europäische Parla-
ment entsandten Abgeordneten unterschiedlich auswirke.
Sie verstoße damit gegen den Grundsatz der Chancengleich-
heit der Parteien.

Zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel in § 2 Absatz 7 EuWG hat das Bundesministe-
rium des Innern Stellung genommen und mitgeteilt, dass aus
seiner Sicht die anlässlich von Entscheidungen über Ein-
sprüche gegen die 6. Direktwahl des Europäischen Parla-
ments im Jahr 2004 vertretene Rechtsauffassung des Wahl-
geschlossen worden. Das verletze den Grundsatz der Wahl-
gleichheit. Wenn der Gesetzgeber schon eine Sperrklausel
einführe, so müsse er auch sicherstellen, dass alle Wahlbe-

besondere hervorzuheben sei, dass das Mitentscheidungs-
verfahren gemäß Artikel 251 des EG-Vertrages (EGV) das
Europäische Parlament in den meisten Bereichen der ge-

Drucksache 17/2200 – 102 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

meinschaftsrechtlichen Rechtsetzung neben dem Rat zum
gleichberechtigten Gesetzgeber der Europäischen Union
mache und das Europäische Parlament der Ernennung des
Präsidenten und der übrigen Mitglieder der Kommission zu-
stimmen müsse (Artikel 214 Absatz 2 Satz 1 EGV) sowie
die Kommission durch ein Misstrauensvotum zum Rücktritt
zwingen könne (Artikel 201 EGV). Über die vom Bundes-
verfassungsgericht genannten Kriterien hinaus sei noch
anzumerken, dass die Abgeordneten des Europäischen Par-
laments Immunität genössen (Artikel 6 Absatz 2 des Direkt-
wahlakts), wie auch die Abgeordneten des Deutschen Bun-
destages (Artikel 46 GG) und der Landtage, den Mitgliedern
kommunaler Volksvertretungen dieses Recht jedoch nicht
zustehe.
Das Bundesverfassungsgericht habe in dieser Entscheidung
zudem darauf hingewiesen, dass bei Differenzierungen der
Wahlrechtsgleichheit wie einer Fünf-Prozent-Klausel auch
auf die Eingriffsintensität abgestellt werden müsse
(BVerfGE 120, 82, 107). Es habe damit ein Argument bestä-
tigt, das es bei seiner Entscheidung im Jahr 1979 zur Recht-
fertigung der Fünf-Prozent-Klausel bei Europawahlen ange-
führt habe. Damals habe das Bundesverfassungsgericht
darauf verwiesen, dass wegen der jeweiligen Anzahl zu wäh-
lender Abgeordneter die Sperrklausel bei Europawahlen ei-
nen weniger intensiven Eingriff darstelle als bei einer Bun-
destagswahl (BVerfGE 51, 222, 255). Bei der gegenwärtigen
Größe des Deutschen Bundestages habe die Sperrklausel zur
Folge, dass bis zu 30 Bewerbern einer Partei der Einzug in
das Parlament verwehrt werde. Bei den Wahlen zum Euro-
päischen Parlament könne die Sperrklausel nur verhindern,
dass Gruppierungen von höchstens vier Abgeordneten in das
Europäische Parlament gelangten.
Schließlich habe das Bundesverfassungsgericht ausgeführt,
dass bei Eingriffen in die Gleichheit der Wahl eine gefestigte
Rechtsüberzeugung und Rechtspraxis Beachtung finden
könne (BVerfGE 120, 82, 107). In der Bundesrepublik
Deutschland gebe es bei Bundestags- und Landtagswahlen
traditionell eine Fünf-Prozent-Sperrklausel. Damit gelte die-
se Klausel seit Gründung der Bundesrepublik bei überregio-
nalen Wahlen, d.h. bei Wahlen eines Parlaments im Rechts-
sinn. Die Sperrklausel sei damit den Bundesbürgern als
Element demokratischer Wahlen bekannt und vertraut, so
dass sich eine gefestigte Rechtsüberzeugung und Rechtspra-
xis gebildet habe. Für das Europawahlgesetz habe sich der
Bundesgesetzgeber insoweit an das Bundestagswahlrecht
angelehnt, das in der Bevölkerung eine hohe Akzeptanz ge-
nieße.
Abgesehen davon, dass das Europäische Parlament eher mit
einem nationalen Parlament als einer kommunalen Volksver-
tretung zu vergleichen sei, müsse bei der Beurteilung der Si-
cherung seiner Funktionsfähigkeit durch eine Fünf-Prozent-
Klausel im Europawahlgesetz vorrangig auf das nationale
Kontingent der Abgeordneten aus der Bundesrepublik
Deutschland abgestellt werden.
Die Sperrklausel ermögliche in erster Linie die Rückkopp-
lung der deutschen Abgeordneten im Europäischen Parla-
ment mit den tragenden politischen Kräften in Deutschland,
die ihrerseits auf den Rat und die Kommission einwirken
könnten (BVerfGE 51, 222, 235).
Das Europäische Parlament habe eine große Bandbreite an
legislativen Aufgaben zu bewältigen. Auch in Bereichen, in

bedeutende Rolle als Kontrollinstanz von Rat und Kommis-
sion. Der einzelne Abgeordnete sei bei seinen Entscheidun-
gen vielfältigen Einflussnahmen von Lobbyorganisationen
ausgesetzt. Um eigenständig fundierte Entscheidungen tref-
fen zu können, bedürfe er eines „logistischen Rückhalts“.
Diesen finde er z. T. in den Einrichtungen des Europäischen
Parlaments. In zahlreichen Fällen benötigten die Abgeord-
neten allerdings Kenntnisse über die Rechtslage und tatsäch-
liche Situation in ihrem Heimatstaat und die möglichen
Auswirkungen einer bestimmten Rechtsetzung der Gemein-
schaft auf die Situation in ihrem Land. Würden auf diese
Weise die Erkenntnisse aus allen Mitgliedstaaten zusam-
mengeführt, könnten die Abgeordneten fundierte Ent-
scheidungen treffen, die die Auswirkungen europäischer
Gesetzgebung auf die Situation in den Mitgliedstaaten be-
rücksichtigen. Für diese Rückkopplung könnten sich die Ab-
geordneten in erster Linie der nationalen Parteien und Parla-
mente bedienen. Bei Kleinstparteien fehle hierfür nicht nur
der notwendige Apparat, sondern auch die Rückkopplung
über das nationale Parlament, in dem diese Parteien in
Deutschland wegen der bei Bundestagswahlen geltenden
Fünf-Prozent-Klausel nicht vertreten seien. Umgekehrt sei
auch der Deutsche Bundestag für die Wahrnehmung seiner
fortlaufenden Integrationsverantwortung in europapoliti-
schen Angelegenheiten auf die Rückmeldung der deutschen
Abgeordneten des Europaparlaments angewiesen. Soweit es
sich um Materien handele, die in die Gesetzgebungszustän-
digkeit der Länder fielen, oder um Gegenstände, die für ein
Land von besonderem Interesse seien, gelte Gleiches für die
Rückkopplung zwischen den Abgeordneten des Europäi-
schen Parlaments und der Landtage.
Die Zusammenarbeit der Parlamente untereinander spiele ei-
ne wesentliche Rolle für den europäischen politischen Pro-
zess und sei auch institutionell verankert: So enthalte die Ge-
schäftsordnung des Europäischen Parlaments einen eigenen
Abschnitt über die Beziehungen zu den nationalen Parla-
menten (Titel VI Artikel 130 bis 132). In der Geschäftsord-
nung des Deutschen Bundestages (GO-BT) regele § 93a,
dass die Ausschüsse Mitglieder des Europäischen Parla-
ments zu ihren Beratungen in Europaangelegenheiten hinzu-
ziehen und Unionsdokumente gemeinsam mit Ausschüssen
des Europäischen Parlaments gleicher Zuständigkeit beraten
könnten. § 93b GO-BT sehe vor, dass zu den Sitzungen des
Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen
Union deutsche Mitglieder des Europäischen Parlaments Zu-
tritt erhielten. Sie seien vom Präsidenten des Deutschen Bun-
destages auf Vorschlag der Fraktionen des Deutschen Bun-
destages, aus deren Parteien deutsche Mitglieder in das
Europäische Parlament gewählt worden sind, berufen wor-
den. Die berufenen Mitglieder des Europäischen Parlaments
seien befugt, die Beratung von Verhandlungsgegenständen
anzuregen sowie Auskünfte zu erteilen und Stellung zu
nehmen. Diese wechselseitigen Informationsflüsse und
Verflechtungen zwischen nationalen Parlamenten und dem
Europäischen Parlament könnten nur von solchen Abgeord-
neten effektiv genutzt werden, deren Parteien in beiden Par-
lamenten vertreten seien.
Die Sperrklausel diene daneben, wenn auch nach Auffas-
sung des Bundesverfassungsgerichts nicht vorrangig, der Si-
cherung einer wirksamen Vertretung des deutschen Volkes
im Europäischen Parlament (BVerfGE 51, 222, 249).
denen das Parlament lediglich ein Anhörungsrecht habe, wie
z. B. im Bereich der Innen- und Justizpolitik, spiele es eine

Die Regelungen des Europawahlgesetzes bezögen sich aus-
schließlich auf die Wahl der Abgeordneten aus der Bundes-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 103 – Drucksache 17/2200

republik Deutschland. Diese stellten nur einen Teil der Ab-
geordneten des Europäischen Parlaments dar. Es sei da-
her folgerichtig, bei der Frage der Rechtfertigung einer
Beschränkung der Wahlrechtsgleichheit durch eine Fünf-
Prozent-Klausel in erster Linie nicht das Gesamtparlament,
sondern den von Deutschland aus gewählten Teil der Ab-
geordneten zu betrachten.
Dieser Aspekt werde sowohl durch den Direktwahlakt als
auch durch den EG-Vertrag in der Fassung des Vertrags von
Nizza unterstützt.
Nach Artikel 3 des Direktwahlakts könnten die Mitglied-
staaten eine Mindestschwelle festlegen, die jedoch landes-
weit nicht mehr als 5 Prozent der abgegebenen Stimmen
betragen dürfe. Europarechtlich sei die Fünf-Prozent-Sperr-
klausel daher als zulässig anerkannt. Zahlreiche Mitglied-
staaten der Europäischen Union wie Frankreich, Italien,
Lettland, Litauen, Österreich, Polen, Rumänien, Schweden,
die Slowakei, die Tschechische Republik und Ungarn hätten
von der Möglichkeit der Einführung einer Mindestschwelle
Gebrauch gemacht. Insbesondere habe die Mehrzahl der
größeren Länder eine Sperrklausel eingeführt. So gebe es in
Deutschland (99 Abgeordnete), Frankreich (72 Abgeord-
nete) und in Polen (50 Abgeordnete) eine Sperrklausel von
5 Prozent, in Italien (72 Abgeordnete) eine Sperrklausel von
4 Prozent. Von den großen Ländern hätten nur Großbritan-
nien mit 72 Abgeordneten und Spanien mit 40 Abgeordneten
keine Sperrklausel. Kleinere Länder bräuchten schon des-
halb z. T. keine Mindestschwelle, weil die für ein Mandat be-
nötigten prozentualen Stimmenanteile die höchstzulässige
Mindestschwelle von 5 Prozent bereits überschritten.
Artikel 3 des Direktwahlakts ermögliche den Mitgliedstaa-
ten in erster Linie dafür zu sorgen, dass das nationale
Abgeordnetenkontingent nicht aus zahlreichen kleineren
Splittergruppen bestehe, sondern aus Abgeordneten, deren
Parteien auch auf nationaler Ebene eine gewisse Bedeutung
hätten. Dies stärke die Handlungsfähigkeit als nationales
Kontingent.
Gleiches ergebe sich durch die Auslegung des EG-Vertrags
in der Fassung des Vertrags von Nizza, der gemeinschafts-
rechtlichen Grundlage für die 7. Direktwahl des Europäi-
schen Parlaments.
Das Europäische Parlament bestehe danach aus Vertretern
der Völker der in der Gemeinschaft zusammengeschlosse-
nen Staaten (Artikel 189 EGV). Zwar sei die Binnenorgani-
sation durch die transnationale Zusammensetzung der Frak-
tionen gekennzeichnet. Auch im Wahlverfahren gebe es
transnationale Elemente wie z. B. die Wahlberechtigung der
Personen mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, gemäß Artikel 18
Absatz 1 EGV. Dies ändere aber nichts daran, dass der Ver-
trag von Abgeordneten ausgehe, die Vertreter der Völker der
in der Gemeinschaft zusammengeschlossenen Staaten seien,
und eben nicht Vertreter von Parteien oder länderübergrei-
fenden Parteibündnissen oder ausschließlich Vertreter eines
europäischen Gedankens.
Die Anbindung der Abgeordneten an ihre Heimatländer sei
demnach in Artikel 189 EGV angelegt. Im Gegensatz zu den
Abgeordneten des Deutschen Bundestages, die das ganze
Volk verträten (Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 erster Halbsatz
GG), verträten die Abgeordneten des Europäischen Parla-
ments nicht ein „Unionsvolk“, das es mangels Eigenstaat-

daher ein – nach den Verträgen zulässiges – Interesse daran
haben, dass ihre Belange möglichst effektiv vertreten wür-
den, und in Verfolgung dieses Interesses eine Sperrklausel
festlegen. Tatsächlich komme es innerhalb der deutschen
Abgeordnetengruppe häufig vor, dass nationale Interessen
bei Abstimmungen vordringlich berücksichtigt würden. Be-
sondere Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit seien die
Arbeitszeitrichtlinie, die CO2-Pkw-Richtlinie oder die Rück-
führungsrichtlinie.
Eine effektive Vertretung des deutschen Volkes, zu der die
Abgeordneten im Europäischen Parlament berufen seien, sei
mit einer Größe einer Abgeordnetengruppe von einem bis
vier Abgeordneten kaum möglich. Daran ändere auch die
Möglichkeit nichts, sich Fraktionen im Europäischen Parla-
ment anzuschließen. Der Zusammenschluss zu Fraktionen
gewährleiste nämlich lediglich, dass die Politik der jeweili-
gen Parteien im Parlament vertreten werde, nicht aber, dass
die einzelnen Abgeordneten einen effektiven Beitrag zur
Vertretung der Interessen ihrer Nation im Parlament leiste-
ten. Im Übrigen sei nicht sicher, dass alle Abgeordneten von
Splitterparteien eine Fraktion fänden, der sie sich anschlie-
ßen könnten. Zwar gehörten die meisten Abgeordneten im
Europäischen Parlament einer Fraktion an; dennoch seien in
der laufenden 7. Wahlperiode zurzeit 27 Mitglieder des
Europäischen Parlaments fraktionslos. Zum Vergleich hierzu
habe der Deutsche Bundestag im Regelfall nur ein bis zwei
fraktionslose Abgeordnete. Gerade Splitterparteien, die sich
nur zu einem eng begrenzten Themenkreis politisch positio-
nierten, könnten nicht ohne Weiteres eine Fraktion finden,
der sie sich anschließen können.
Mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon gelte das Vorste-
hende erst recht. Das Europäische Parlament sei auch nach
der Neuformulierung in Artikel 14 Absatz 2 des EU-Ver-
trags (EUV) kein Repräsentationsorgan eines souveränen
europäischen Volkes, sondern eine Vertretung der Völker der
Mitgliedstaaten. Dies spiegele sich darin, dass es, wie das
Bundesverfassungsgericht festgestellt habe, als Vertretung
der Völker in den jeweils zugewiesenen nationalen Kontin-
genten von Abgeordneten und nicht als Vertretung der
Unionsbürger nach dem Prinzip der Wahlgleichheit angelegt
sei.
Auch die gestiegene Bedeutung der wechselseitigen Rück-
kopplung von Europäischem Parlament und nationalen Par-
lamenten finde im Vertrag von Lissabon ihren Niederschlag:
So etwa in Artikel 12 EUV, der den aktiven Beitrag der na-
tionalen Parlamente zur guten Arbeitsweise der Union wür-
dige und ihnen zahlreiche Rechte einräume, und im Proto-
koll Nr. 1 über die Rolle der nationalen Parlamente in der
Europäischen Union.
Mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon werde das Euro-
päische Parlament in 95 Prozent der Gesetzgebung zum
gleichberechtigten Gesetzgeber neben dem Rat. Darunter
fielen auch Bereiche, die nach der Rechtsprechung des Bun-
desverfassungsgerichts in besonderer Weise auf den inner-
staatlichen politischen Diskurs angewiesen seien, und in
denen dem Deutschen Bundestag Aufgaben von substanziel-
lem Gewicht verbleiben müssten, wie etwa das Strafrecht
und das Strafverfahren. Unter diesem Gesichtspunkt komme
der Rückkopplung der Abgeordneten des Europäischen Par-
laments an die politischen Meinungen in den Fraktionen des
Deutschen Bundestages noch mehr Bedeutung als bisher zu.
lichkeit der EU nicht gebe, sondern das Volk des Mitglied-
staates, das sie gewählt habe. Die Mitgliedstaaten könnten

Dasselbe gelte im Gegenzug für die Unterrichtung des Deut-
schen Bundestages über die Beratungen im Europäischen

Drucksache 17/2200 – 104 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Parlament, die entsprechend seiner Geschäftsordnung durch
die von den Fraktionen benannten Abgeordneten des Euro-
päischen Parlaments erfolge. Abgeordnete von Kleinstpar-
teien, die im Deutschen Bundestag oder in den Landtagen
kein Pendant fänden, könnten diese Rückkopplung nicht ge-
währleisten.
Die Fünf-Prozent-Sperrklausel in § 2 Absatz 7 EuWG diene
demnach legitimen Zielen und sei zur Erreichung dieser Zie-
le geeignet, erforderlich und angemessen.

Der Einspruchsführerin ist die Stellungnahme bekannt gege-
ben worden. Sie hat sich hierzu nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Der Vortrag der Einspruchsführerin, die Fünf-Prozent-Sperr-
klausel gemäß § 2 Absatz 7 EuWG verstoße gegen das
Grundgesetz sowie internationales, insbesondere europäi-
sches Recht, lässt keinen Verstoß gegen wahlrechtliche Vor-
schriften erkennen.

Diesbezüglich ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der
Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in
ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens
die Verfassungsmäßigkeit von Wahlrechtsvorschriften nicht
überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundes-
verfassungsgericht vorbehalten worden (vgl. bereits Bundes-
tagsdrucksachen I/2811; zuletzt: 16/1800, Anlagen 26 bis 28;
17/1000, Anlagen 5 und 11 mit weiteren Nachweisen), das
diese Praxis auch stets bestätigt hat, da dem Bundestag inso-
fern die Verwerfungskompetenz fehle (vgl. BVerfGE 89,
291, 300; 121, 266, 290; 122, 304, 307).

Unabhängig hiervon hat sich der Wahlprüfungsausschuss
ausführlich mit der vom Einspruchsführer angesprochenen
Rechtsfrage befasst. Er hält die Vorschrift des § 2 Absatz 7
EuWG für verfassungsgemäß und bestätigt damit seine be-
reits im Zusammenhang mit Anfechtungen der Europawahl
im Jahr 2004 dargelegte Auffassung (s. Bundestagsdruck-
sachen 15/4250, Anlage 18; 15/4750, Anlagen 5, 9, 20
bis 22).

Wie der Deutsche Bundestag und der Wahlprüfungsaus-
schuss in den genannten Entscheidungen ausgeführt haben,
können die Mitgliedstaaten nach Artikel 3 Absatz 1 des Di-
rektwahlakts eine Mindestschwelle für die Sitzvergabe ein-
führen, die jedoch gemäß Artikel 3 Absatz 2 derselben Vor-
schrift landesweit nicht mehr als 5 Prozent der abgegebenen
Stimmen betragen darf. Die Möglichkeit einer Fünf-Prozent-
Hürde ist also im Recht der Europäischen Union ausdrück-
lich vorgesehen, was die Einspruchsführerin verkennt.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung
vom 8. Juni 2004 in einem Organstreitverfahren zur Fünf-
Prozent-Sperrklausel des damaligen § 2 Absatz 6 EuWG
(2 BvE 1/04), in dem die diesbezügliche Organklage der
NPD wegen Nichteinhaltung der Frist gemäß § 64 Absatz 3
des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (BVerfGG) als un-
zulässig verworfen worden ist, auf die entsprechende Ergän-
zung des Direktwahlaktes im Jahr 2002 hingewiesen und
hierzu ausgeführt, dass der Gesetzgeber mit dem am 21. Au-
gust 2003 verkündeten Vierten Gesetz zur Änderung des Eu-

habe, dass er an der Fünf-Prozent-Sperrklausel festhalten
möchte. Er habe sich dabei – so das Bundesverfassungsge-
richt – auf die Ermächtigung der Mitgliedstaaten im Be-
schluss des Rates der Europäischen Union stützen können,
eine Sperrklausel zu erlassen. Der Rat der Europäischen
Union hat nach Zustimmung des Europäischen Parlaments
mit Beschlüssen vom 25. Juni und 23. September 2002
(BGBl. 2003 II S. 811) den Direktwahlakt geändert, damit
die Wahlen zum Europäischen Parlament „gemäß den allen
Mitgliedstaaten gemeinsamen Grundsätzen stattfinden kön-
nen, die Mitgliedstaaten zugleich aber die Möglichkeit erhal-
ten, für Aspekte, die nicht durch diesen Beschluss geregelt
sind, ihre jeweiligen nationalen Vorschriften anzuwenden“.
Dieser Änderung des Direktwahlakts hat der deutsche Ge-
setzgeber mit Artikel 1 des Zweiten Gesetzes über die Zu-
stimmung zur Änderung des Direktwahlakts vom 15. August
2003 (BGBl. 2003 II S. 810) zugestimmt. Zwar kann, wor-
auf der Wahlprüfungsausschuss schon in den genannten
Entscheidungen hingewiesen hat, in dieser im Recht der
Europäischen Union nunmehr ausdrücklich verankerten
Ermächtigung zum Erlass einer Fünf-Prozent-Sperrklausel
durch den Direktwahlakt nicht unmittelbar die Verfassungs-
mäßigkeit einer solchen Sperrklausel nach dem deutschen
Verfassungsrecht abgeleitet werden. Der Wahlprüfungsaus-
schuss sieht sie jedoch weiterhin als starkes Indiz dafür, dass
§ 2 Absatz 7 EuWG nicht gegen das Grundgesetz verstößt.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung
vom 22. Mai 1979 die Fünf-Prozent-Sperrklausel für Wahlen
zum Europäischen Parlament einstimmig für grundgesetz-
konform angesehen, weil sie an dem durch besondere,
zwingende Gründe gerechtfertigten Ziel, einer übermäßigen
Parteienzersplitterung im Europäischen Parlament entgegen-
zuwirken, orientiert sei und das Maß des zur Erreichung die-
ses Ziels Erforderlichen nicht überschreite (BVerfGE 51,
222, 233). Bereits in dieser Entscheidung hat sich das Bun-
desverfassungsgericht ausdrücklich mit den Spezifika des
Europäischen Parlaments auseinandergesetzt, dessen Aufga-
benkreis mit dem der Parlamente der Mitgliedstaaten nur be-
dingt vergleichbar sei. Im Vordergrund sah das Bundesver-
fassungsgericht die Ausübung der vertraglich verbürgten
Beratungs- und Kontrollfunktionen. Dagegen seien von den
klassischen Aufgaben der Parlamente das Recht, die Regie-
rung zu wählen und die gesetzgeberischen Funktionen nur in
ersten Ansätzen vorhanden (a. a. O., S. 240 ff.). Hingegen
nehme es als Vertretung der Völker eine wichtige politische
Integrationsverantwortung wahr. Organisation und Arbeits-
weise unterschieden sich nicht wesentlich von derjenigen
der nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten. Das Bundes-
verfassungsgericht betont, dass der dem Europäischen Parla-
ment im Verfassungsgefüge der Europäischen Gemeinschaf-
ten zugewiesene Aufgabenkreis und die ihm auf dem Wege
zu einem immer engeren Zusammenschluss der europäi-
schen Völker zugedachte Rolle ein handlungsfähiges Organ
erforderten. Das Europäische Parlament könne die ihm ge-
stellten Aufgaben nur dann wirksam bewältigen, wenn es
durch eine, den vielschichtigen Spezialmaterien angemesse-
ne, interne Arbeitsteilung all seinen Mitgliedern die notwen-
dige Sachkenntnis verschaffe und zu einer überzeugenden
Mehrheitsbildung in der Lage sei. Beides könne gefährdet
werden, wenn die durch die große Zahl der Mitgliedstaaten
ropawahlgesetzes und Neunzehnten Gesetz zur Änderung
des Europaabgeordnetengesetzes zum Ausdruck gebracht

ohnehin nicht vermeidbare Aufgliederung des Parlaments in
viele Gruppen ein Ausmaß annehme, das dessen Funktions-

len Vertretungen sind, wie das Bundesverfassungsgericht
feststellt, Organe der Verwaltung, denen in erster Linie ver-
waltende Tätigkeiten anvertraut sind (a. a. O., S. 112). Da-
mit haben sie einen völlig anderen Charakter als das Europä-
ische Parlament als ein unmittelbar von den Unionsbürgern
gewähltes Vertretungsorgan der Völker in einer supranatio-
nalen Gemeinschaft (vgl. BVerfGE 123, 267, 368). Dieses
ist, wie das Bundesministerium des Innern beispielhaft dar-
legt, mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon bei
95 Prozent der europäischen Gesetzgebung zum gleichbe-
rechtigten Gesetzgeber neben dem Rat geworden, übt ge-
meinsam mit ihm die Haushaltsbefugnisse aus, erfüllt Auf-
gaben der politischen Kontrolle und Beratungsfunktionen
und wählt den Präsidenten der Kommission (vgl. Artikel 14
EUV).

Auch die auf das Europäische Parlament bezogenen Ausfüh-
rungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom
30. Juni 2009 zum Vertrag von Lissabon (BVerfGE 123, 267,
364, 370 ff.) nehmen in keiner Weise Stellung zu der Zuläs-
sigkeit einer Sperrklausel und bieten auch keine anderweiti-
gen Anhaltspunkte für eine notwendige Neubewertung der
Verfassungsmäßigkeit von § 2 Absatz 7 EuWG.

Bundesrepublik Deutschland und in anderen Mitgliedstaaten
geltend macht, weil manche Mitgliedstaaten von der Er-
mächtigung zur Einführung einer Sperrklausel keinen Ge-
braucht gemacht hätten und sich Sperrklauseln zudem in den
verschiedenen Mitgliedstaaten unterschiedlich auswirkten,
ist darauf zu verweisen, dass Prüfungsmaßstab für die Ver-
fassungsmäßigkeit des EuWG allein die Wahlgleichheit zwi-
schen den Wahlberechtigten, die die Abgeordneten aus der
Bundesrepublik Deutschland wählen, sein kann. Auch das
Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zum Vertrag
von Lissabon festgestellt, dass die Zusammensetzung des
Europäischen Parlaments nicht in der Weise gleichheitsge-
recht sein müsse, dass auf Unterschiede im Stimmgewicht
der Unionsbürger in Abhängigkeit von der Bevölkerungs-
zahl verzichtet werde (BVerfGE 123, 267, 371).

Die Vorschläge der Einspruchsführerin zur Einführung eines
zweiten Wahlgangs oder einer Ersatz- oder Eventualstimme
bei der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parla-
ments aus der Bundesrepublik Deutschland zielen auf eine
Änderung der Gesetzgebung und können nicht Gegenstand
des auf die Prüfung der Gültigkeit der Wahl gerichteten
Wahlprüfungsverfahrens sein.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105 – Drucksache 17/2200

fähigkeit ernsthaft in Frage stelle. Dies sei ein zwingender
Grund, der Vorkehrungen gegen eine übermäßige Parteien-
zersplitterung zu rechtfertigen vermöge (a. a. O., S. 246 f.).

Aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom
13. Februar 2008, der zufolge die Fünf-Prozent-Sperrklausel
bei Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein gegen die
Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit verstößt
(BVerfGE 120, 82), ergibt sich keine Neubewertung der Zu-
lässigkeit der Sperrklausel bei der Europawahl, wie das Bun-
desministerium des Innern in seiner Stellungnahme, der sich
der Wahlprüfungsausschuss in dieser Hinsicht anschließt,
zutreffend dargelegt hat. Dasselbe gilt für weitere kommu-
nalrechtliche Entscheidungen von Landesverfassungsge-
richten (vgl. die Übersicht über die Rechtslage in den Bun-
desländern im Urteil des Staatsgerichtshofs der Freien
Hansestadt Bremen vom 14. Mai 2009 – St 2/08, Rn. 30 ff.).
Denn die in diesen Entscheidungen betroffenen kommuna-

Der Wahlprüfungsausschuss sieht die vom Bundesverfas-
sungsgericht bereits 1979 deutlich angesprochene Gefahr
der Zersplitterung durch die gestiegene Anzahl der im Euro-
päischen Parlament vertretenen Abgeordneten und Parteien
heute eher noch verstärkt. Diese ist zwar in erster Linie der
erheblich angewachsenen Zahl der Mitgliedstaaten geschul-
det. Vor dem Hintergrund der beständig erweiterten und mit
Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon weiter anwachsen-
den Kompetenzen des Europäischen Parlaments hält der
Wahlprüfungsausschuss es daher für geboten, dieser Zer-
splitterung im Rahmen des dem deutschen Gesetzgeber
Möglichen entgegenzuwirken. Deshalb besteht aus seiner
Sicht die verfassungsrechtliche Rechtfertigung für die Fünf-
Prozent-Sperrklausel bei der Wahl der Abgeordneten des
Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutsch-
land gemäß § 2 Absatz 7 EuWG fort.

Soweit die Einspruchsführerin weiterhin eine Verletzung der
Wahlrechtsgleichheit zwischen Wahlberechtigten in der

sungsgerichts (BVerfGE 51, 222) angeführte Begründung
für die Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel diese nicht
mehr rechtfertigen könne. Die Sperrklausel sei nicht geeig-

Holstein vom 13. Februar 2008 ergebe sich keine andere
Sichtweise. Das Bundesverfassungsgericht habe in dem Ur-
Der Einspruchsführer nennt insgesamt acht Mitglieder des
Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutsch-
land, die seiner Ansicht nach ihr Mandat unter Verletzung

meinschaftsrechtlichen Rechtsetzung neben dem Rat zum
gleichberechtigten Gesetzgeber der Europäischen Union
mache und das Europäische Parlament der Ernennung des
net, das Europäische Parlament vor Zersplitterung zu bewah-
ren. Denn gemäß § 30 Absatz 2 der Geschäftsordnung des
Europäischen Parlaments müssten einer Fraktion Mitglieder
angehören, die in mindestens einem Viertel der Mitgliedstaa-
ten gewählt wurden. Zur Bildung einer Fraktion bedürfe es
der Geschäftsordnung zufolge mindestens 25 Mitglieder.
Daher sage ein unter fünf Prozent der gültigen Stimmen in
der Bundesrepublik Deutschland liegendes Wahlergebnis
nichts über die Möglichkeit der Einbindung einer deutschen
Partei oder möglicherweise sogar einer europäischen Partei
in eine Fraktion des Europäischen Parlaments aus. Zugleich
könne selbst eine Partei mit einer absoluten Mehrheit der
Stimmen in der Bundesrepublik Deutschland allein keine
Fraktion bilden.

teil unter Hinweis auf frühere Entscheidungen festgestellt,
dass es sich bei Gemeindevertretungen und Kreistagen nicht
um Parlamente im Rechtssinn handele. Zur Begründung sei
angeführt worden, dass ihnen in erster Linie verwaltende Tä-
tigkeiten anvertraut seien, ihnen keine Gesetzgebungsfunk-
tion zustünde, sie keine Regierung oder ein vergleichbares
Gremium wählten und ihre Entscheidungen der Rechtsauf-
sicht unterlägen (BVerfGE 120, 82, 120). All dies treffe für
das Europäische Parlament, auch in einem entsprechenden
Sinne, nicht zu. Hier könne auf die vom Wahlprüfungsaus-
schuss bereits gemachten Ausführungen zu den Befugnissen
des Europäischen Parlaments verwiesen werden, wobei
insbesondere hervorzuheben sei, dass das Mitentscheidungs-
verfahren gemäß Artikel 251 des EG-Vertrags (EGV) das
Europäische Parlament in den meisten Bereichen der ge-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 107 – Drucksache 17/2200

Anlage 24

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn M. C., 22089 Hamburg
– Az.: EuWP 50/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 7. Juni 2009
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 10. Juni 2010 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 7. August 2009, das beim Wahlprüfungs-
ausschuss am selben Tag eingegangen ist, hat der Ein-
spruchsführer gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordne-
ten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland am 7. Juni 2009 Einspruch eingelegt.

Mit seinem Einspruch macht der Einspruchsführer geltend,
die Fünf-Prozent-Sperrklausel gemäß § 2 Absatz 7 des Euro-
pawahlgesetzes (EuWG) verletze den Grundsatz der glei-
chen Wahl und sei daher verfassungswidrig.

Der Einspruchsführer trägt vor, dass sich bei gleicher Be-
rücksichtigung aller gültigen Stimmen eine andere Sitzver-
teilung ergeben hätte, wodurch insbesondere sieben weitere
Parteien oder politische Vereinigungen jeweils bis zu zwei
Sitze im Europäischen Parlament erzielt hätten. § 2 Absatz 7
EuWG verletze daher die sich bei einer Verhältniswahl aus
der Wahlgleichheit ergebende Erfolgswertgleichheit der
Wählerstimmen. Der Einspruchsführer ist der Auffassung,
dass die in einer früheren Entscheidung des Bundesverfas-

FREIE WÄHLER, eine Kandidatin der Bundesliste REP, ein
Kandidat der Bundesliste Die Tierschutzpartei, ein Kandidat
der Bundesliste FAMILIE, ein Kandidat der Bundesliste DIE
PIRATEN, ein Kandidat der Bundesliste RENTNER und ein
Kandidat der Bundesliste ödp als gewählt hätten festgestellt
werden müssen.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags des Einspruchsführers
wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel in § 2 Absatz 7 EuWG hat das Bundesministe-
rium des Innern Stellung genommen und mitgeteilt, dass aus
seiner Sicht die anlässlich von Entscheidungen über Ein-
sprüche gegen die 6. Direktwahl des Europäischen Parla-
ments im Jahr 2004 vertretene Rechtsauffassung des Wahl-
prüfungsausschusses, die Fünf-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz sei verfassungsrechtlich zulässig (Bun-
destagsdrucksachen 15/4250, Anlage 18 und 15/4750, Anla-
gen 20 bis 22), weiterhin aktuell sei.
Aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur
Fünf-Prozent-Klausel bei Kommunalwahlen in Schleswig-
der Erfolgswertgleichheit erhalten hätten. Er ist der Auffas-
sung, dass stattdessen zwei Kandidaten der Bundesliste FW

Präsidenten und der übrigen Mitglieder der Kommission zu-
stimmen müsse (Artikel 214 Absatz 2 Satz 1 EGV) sowie

Drucksache 17/2200 – 108 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

die Kommission durch ein Misstrauensvotum zum Rücktritt
zwingen könne (Artikel 201 EGV). Über die vom Bundes-
verfassungsgericht genannten Kriterien hinaus sei noch
anzumerken, dass die Abgeordneten des Europäischen Par-
laments Immunität genössen (Artikel 6 Absatz 2 des Direkt-
wahlakts), wie auch die Abgeordneten des Deutschen Bun-
destages (Artikel 46 des Grundgesetzes) und der Landtage,
den Mitgliedern kommunaler Volksvertretungen dieses
Recht jedoch nicht zustehe.
Das Bundesverfassungsgericht habe in dieser Entscheidung
zudem darauf hingewiesen, dass bei Differenzierungen der
Wahlrechtsgleichheit wie einer Fünf-Prozent-Klausel auch
auf die Eingriffsintensität abgestellt werden müsse
(BVerfGE 120, 82, 107). Es habe damit ein Argument bestä-
tigt, das es bei seiner Entscheidung im Jahr 1979 zur Recht-
fertigung der Fünf-Prozent-Klausel bei Europawahlen ange-
führt habe. Damals habe das Bundesverfassungsgericht
darauf verwiesen, dass wegen der jeweiligen Anzahl zu wäh-
lender Abgeordneter die Sperrklausel bei Europawahlen
einen weniger intensiven Eingriff darstelle als bei einer Bun-
destagswahl (BVerfGE 51, 222, 255). Bei der gegenwärtigen
Größe des Deutschen Bundestages habe die Sperrklausel zur
Folge, dass bis zu 30 Bewerbern einer Partei der Einzug in
das Parlament verwehrt werde. Bei den Wahlen zum Euro-
päischen Parlament könne die Sperrklausel nur verhindern,
dass Gruppierungen von höchstens vier Abgeordneten in das
Europäische Parlament gelangten.
Schließlich habe das Bundesverfassungsgericht ausgeführt,
dass bei Eingriffen in die Gleichheit der Wahl eine gefestigte
Rechtsüberzeugung und Rechtspraxis Beachtung finden
könne (BVerfGE 120, 82, 107). In der Bundesrepublik
Deutschland gebe es bei Bundestags- und Landtagswahlen
traditionell eine Fünf-Prozent-Sperrklausel. Damit gelte die-
se Klausel seit Gründung der Bundesrepublik bei überregio-
nalen Wahlen, d. h. bei Wahlen eines Parlaments im Rechts-
sinn. Die Sperrklausel sei damit den Bundesbürgern als
Element demokratischer Wahlen bekannt und vertraut, so
dass sich eine gefestigte Rechtsüberzeugung und Rechts-
praxis gebildet habe. Für das Europawahlgesetz habe sich
der Bundesgesetzgeber insoweit an das Bundestagswahl-
recht angelehnt, das in der Bevölkerung eine hohe Akzep-
tanz genieße.
Abgesehen davon, dass das Europäische Parlament eher mit
einem nationalen Parlament als einer kommunalen Volksver-
tretung zu vergleichen sei, müsse bei der Beurteilung der Si-
cherung seiner Funktionsfähigkeit durch eine Fünf-Prozent-
Klausel im Europawahlgesetz vorrangig auf das nationale
Kontingent der Abgeordneten aus der Bundesrepublik
Deutschland abgestellt werden.
Die Sperrklausel ermögliche in erster Linie die Rückkopp-
lung der deutschen Abgeordneten im Europäischen Parla-
ment mit den tragenden politischen Kräften in Deutschland,
die ihrerseits auf den Rat und die Kommission einwirken
könnten (BVerfGE 51, 222, 235).
Das Europäische Parlament habe eine große Bandbreite an
legislativen Aufgaben zu bewältigen. Auch in Bereichen, in
denen das Parlament lediglich ein Anhörungsrecht habe, wie
z. B. im Bereich der Innen- und Justizpolitik, spiele es eine
bedeutende Rolle als Kontrollinstanz von Rat und Kommis-
sion. Der einzelne Abgeordnete sei bei seinen Entscheidun-
gen vielfältigen Einflussnahmen von Lobbyorganisationen

Diesen finde er z. T. in den Einrichtungen des Europäischen
Parlaments. In zahlreichen Fällen benötigten die Abgeordne-
ten allerdings Kenntnisse über die Rechtslage und tatsäch-
liche Situation in ihrem Heimatstaat und die möglichen
Auswirkungen einer bestimmten Rechtsetzung der Gemein-
schaft auf die Situation in ihrem Land. Würden auf diese
Weise die Erkenntnisse aus allen Mitgliedstaaten zusam-
mengeführt, könnten die Abgeordneten fundierte Entschei-
dungen treffen, die die Auswirkungen europäischer Ge-
setzgebung auf die Situation in den Mitgliedstaaten
berücksichtigen. Für diese Rückkopplung könnten sich die
Abgeordneten in erster Linie der nationalen Parteien und
Parlamente bedienen. Bei Kleinstparteien fehle hierfür nicht
nur der notwendige Apparat, sondern auch die Rückkopp-
lung über das nationale Parlament, in dem diese Parteien in
Deutschland wegen der bei Bundestagswahlen geltenden
Fünf-Prozent-Klausel nicht vertreten seien. Umgekehrt sei
auch der Deutsche Bundestag für die Wahrnehmung seiner
fortlaufenden Integrationsverantwortung in europapoliti-
schen Angelegenheiten auf die Rückmeldung der deutschen
Abgeordneten des Europaparlaments angewiesen. Soweit es
sich um Materien handele, die in die Gesetzgebungszustän-
digkeit der Länder fielen, oder um Gegenstände, die für ein
Land von besonderem Interesse seien, gelte Gleiches für die
Rückkopplung zwischen den Abgeordneten des Europäi-
schen Parlaments und der Landtage.
Die Zusammenarbeit der Parlamente untereinander spiele ei-
ne wesentliche Rolle für den europäischen politischen Pro-
zess und sei auch institutionell verankert: So enthalte die Ge-
schäftsordnung des Europäischen Parlaments einen eigenen
Abschnitt über die Beziehungen zu den nationalen Parla-
menten (Titel VI Artikel 130 bis 132). In der Geschäftsord-
nung des Deutschen Bundestages (GO-BT) regele § 93a,
dass die Ausschüsse Mitglieder des Europäischen Parla-
ments zu ihren Beratungen in Europaangelegenheiten hinzu-
ziehen und Unionsdokumente gemeinsam mit Ausschüssen
des Europäischen Parlaments gleicher Zuständigkeit beraten
könnten. § 93b GO-BT sehe vor, dass zu den Sitzungen des
Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen
Union deutsche Mitglieder des Europäischen Parlaments
Zutritt erhielten. Sie seien vom Präsidenten des Deutschen
Bundestages auf Vorschlag der Fraktionen des Deutschen
Bundestages, aus deren Parteien deutsche Mitglieder in das
Europäische Parlament gewählt worden sind, berufen wor-
den. Die berufenen Mitglieder des Europäischen Parlaments
seien befugt, die Beratung von Verhandlungsgegenständen
anzuregen sowie Auskünfte zu erteilen und Stellung zu
nehmen. Diese wechselseitigen Informationsflüsse und
Verflechtungen zwischen nationalen Parlamenten und dem
Europäischen Parlament könnten nur von solchen Abgeord-
neten effektiv genutzt werden, deren Parteien in beiden Par-
lamenten vertreten seien.
Die Sperrklausel diene daneben, wenn auch nach Auf-
fassung des Bundesverfassungsgerichts nicht vorrangig, der
Sicherung einer wirksamen Vertretung des deutschen Volkes
im Europäischen Parlament (BVerfGE 51, 222, 249).
Die Regelungen des Europawahlgesetzes bezögen sich aus-
schließlich auf die Wahl der Abgeordneten aus der Bundes-
republik Deutschland. Diese stellten nur einen Teil der Ab-
geordneten des Europäischen Parlaments dar. Es sei daher
folgerichtig, bei der Frage der Rechtfertigung einer Be-
ausgesetzt. Um eigenständig fundierte Entscheidungen tref-
fen zu können, bedürfe er eines „logistischen Rückhalts“.

schränkung der Wahlrechtsgleichheit durch eine Fünf-Pro-
zent-Klausel in erster Linie nicht das Gesamtparlament,

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 109 – Drucksache 17/2200

sondern den von Deutschland aus gewählten Teil der Abge-
ordneten zu betrachten.
Dieser Aspekt werde sowohl durch den Direktwahlakt als
auch durch den EG-Vertrag in der Fassung des Vertrags von
Nizza unterstützt.
Nach Artikel 3 des Direktwahlakts könnten die Mitglied-
staaten eine Mindestschwelle festlegen, die jedoch landes-
weit nicht mehr als 5 Prozent der abgegebenen Stimmen
betragen dürfe. Europarechtlich sei die Fünf-Prozent-Sperr-
klausel daher als zulässig anerkannt. Zahlreiche Mitglied-
staaten der Europäischen Union wie Frankreich, Italien,
Lettland, Litauen, Österreich, Polen, Rumänien, Schweden,
die Slowakei, die Tschechische Republik und Ungarn hätten
von der Möglichkeit der Einführung einer Mindestschwelle
Gebrauch gemacht. Insbesondere habe die Mehrzahl der
größeren Länder eine Sperrklausel eingeführt. So gebe es in
Deutschland (99 Abgeordnete), Frankreich (72 Abgeordne-
te) und in Polen (50 Abgeordnete) eine Sperrklausel von
5 Prozent, in Italien (72 Abgeordnete) eine Sperrklausel von
4 Prozent. Von den großen Ländern hätten nur Großbritan-
nien mit 72 Abgeordneten und Spanien mit 40 Abgeordneten
keine Sperrklausel. Kleinere Länder bräuchten schon des-
halb z. T. keine Mindestschwelle, weil die für ein Mandat be-
nötigten prozentualen Stimmenanteile die höchstzulässige
Mindestschwelle von 5 Prozent bereits überschritten.
Artikel 3 des Direktwahlakts ermögliche den Mitgliedstaa-
ten in erster Linie dafür zu sorgen, dass das nationale
Abgeordnetenkontingent nicht aus zahlreichen kleineren
Splittergruppen bestehe, sondern aus Abgeordneten, deren
Parteien auch auf nationaler Ebene eine gewisse Bedeutung
hätten. Dies stärke die Handlungsfähigkeit als nationales
Kontingent.
Gleiches ergebe sich durch die Auslegung des EG-Vertrags
in der Fassung des Vertrags von Nizza, der gemeinschafts-
rechtlichen Grundlage für die 7. Direktwahl des Europäi-
schen Parlaments.
Das Europäische Parlament bestehe danach aus Vertretern
der Völker der in der Gemeinschaft zusammengeschlosse-
nen Staaten (Artikel 189 EGV). Zwar sei die Binnenorgani-
sation durch die transnationale Zusammensetzung der Frak-
tionen gekennzeichnet. Auch im Wahlverfahren gebe es
transnationale Elemente wie z. B. die Wahlberechtigung der
Personen mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen
Staatsangehörigkeit sie nicht besäßen, gemäß Artikel 18
Absatz 1 EGV. Dies ändere aber nichts daran, dass der Ver-
trag von Abgeordneten ausgehe, die Vertreter der Völker der
in der Gemeinschaft zusammengeschlossenen Staaten seien,
und eben nicht Vertreter von Parteien oder länderübergrei-
fenden Parteibündnissen oder ausschließlich Vertreter eines
europäischen Gedankens.
Die Anbindung der Abgeordneten an ihre Heimatländer sei
demnach in Artikel 189 EGV angelegt. Im Gegensatz zu den
Abgeordneten des Deutschen Bundestages, die das ganze
Volk verträten (Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 erster Halbsatz
GG), verträten die Abgeordneten des Europäischen Parla-
ments nicht ein „Unionsvolk“, das es mangels Eigenstaat-
lichkeit der EU nicht gebe, sondern das Volk des Mitglied-
staates, das sie gewählt habe. Die Mitgliedstaaten könnten
daher ein – nach den Verträgen zulässiges – Interesse daran
haben, dass ihre Belange möglichst effektiv vertreten wür-
den, und in Verfolgung dieses Interesses eine Sperrklausel

bei Abstimmungen vordringlich berücksichtigt würden. Be-
sondere Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit seien die
Arbeitszeitrichtlinie, die CO2-Pkw-Richtlinie oder die Rück-
führungsrichtlinie.

Eine effektive Vertretung des deutschen Volkes, zu der die
Abgeordneten im Europäischen Parlament berufen seien, sei
mit einer Größe einer Abgeordnetengruppe von einem bis
vier Abgeordneten kaum möglich. Daran ändere auch die
Möglichkeit nichts, sich Fraktionen im Europäischen Parla-
ment anzuschließen. Der Zusammenschluss zu Fraktionen
gewährleiste nämlich lediglich, dass die Politik der jeweili-
gen Parteien im Parlament vertreten werde, nicht aber, dass
die einzelnen Abgeordneten einen effektiven Beitrag zur
Vertretung der Interessen ihrer Nation im Parlament leiste-
ten. Im Übrigen sei nicht sicher, dass alle Abgeordneten von
Splitterparteien eine Fraktion fänden, der sie sich anschlie-
ßen könnten. Zwar gehörten die meisten Abgeordneten im
Europäischen Parlament einer Fraktion an; dennoch seien in
der laufenden 7. Wahlperiode zurzeit 27 Mitglieder des
Europäischen Parlaments fraktionslos. Zum Vergleich hierzu
habe der Deutsche Bundestag im Regelfall nur ein bis zwei
fraktionslose Abgeordnete. Gerade Splitterparteien, die sich
nur zu einem eng begrenzten Themenkreis politisch positio-
nierten, könnten nicht ohne Weiteres eine Fraktion finden,
der sie sich anschließen können.

Mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon gelte das Vorste-
hende erst recht. Das Europäische Parlament sei auch nach
der Neuformulierung in Artikel 14 Absatz 2 des EU-Ver-
trags (EUV) kein Repräsentationsorgan eines souveränen
europäischen Volkes, sondern eine Vertretung der Völker der
Mitgliedstaaten. Dies spiegele sich darin, dass es, wie das
Bundesverfassungsgericht festgestellt habe, als Vertretung
der Völker in den jeweils zugewiesenen nationalen Kon-
tingenten von Abgeordneten und nicht als Vertretung der
Unionsbürger nach dem Prinzip der Wahlgleichheit angelegt
sei.

Auch die gestiegene Bedeutung der wechselseitigen Rück-
kopplung von Europäischem Parlament und nationalen Par-
lamenten finde im Vertrag von Lissabon ihren Niederschlag:
So etwa in Artikel 12 EUV, der den aktiven Beitrag der na-
tionalen Parlamente zur guten Arbeitsweise der Union wür-
dige und ihnen zahlreiche Rechte einräume, und im Proto-
koll Nr. 1 über die Rolle der nationalen Parlamente in der
Europäischen Union.

Mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon werde das Euro-
päische Parlament in 95 Prozent der Gesetzgebung zum
gleichberechtigten Gesetzgeber neben dem Rat. Darunter
fielen auch Bereiche, die nach der Rechtsprechung des Bun-
desverfassungsgerichts in besonderer Weise auf den inner-
staatlichen politischen Diskurs angewiesen seien, und in
denen dem Deutschen Bundestag Aufgaben von substanziel-
lem Gewicht verbleiben müssten, wie etwa das Strafrecht
und das Strafverfahren. Unter diesem Gesichtspunkt komme
der Rückkopplung der Abgeordneten des Europäischen Par-
laments an die politischen Meinungen in den Fraktionen des
Deutschen Bundestages noch mehr Bedeutung als bisher zu.
Dasselbe gelte im Gegenzug für die Unterrichtung des Deut-
schen Bundestages über die Beratungen im Europäischen
Parlament, die entsprechend seiner Geschäftsordnung durch
die von den Fraktionen benannten Abgeordneten des Euro-
festlegen. Tatsächlich komme es innerhalb der deutschen
Abgeordnetengruppe häufig vor, dass nationale Interessen

päischen Parlaments erfolge. Abgeordnete von Kleinstpar-
teien, die im Deutschen Bundestag oder in den Landtagen

Drucksache 17/2200 – 110 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

kein Pendant fänden, könnten diese Rückkopplung nicht ge-
währleisten.
Die Fünf-Prozent-Sperrklausel in § 2 Absatz 7 EuWG diene
demnach legitimen Zielen und sei zur Erreichung dieser Zie-
le geeignet, erforderlich und angemessen.

Dem Einspruchsführer ist die Stellungnahme bekannt gege-
ben worden. Er hat sich hierzu nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Der Vortrag des Einspruchsführers, die Fünf-Prozent-Sperr-
klausel gemäß § 2 Absatz 7 EuWG verstoße gegen das
Grundgesetz, lässt keinen Wahlfehler erkennen.

Diesbezüglich ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der
Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in
ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens
die Verfassungsmäßigkeit von Wahlrechtsvorschriften nicht
überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundes-
verfassungsgericht vorbehalten worden (vgl. bereits Bundes-
tagsdrucksachen I/2811; zuletzt: 16/1800, Anlagen 26 bis 28;
17/1000, Anlagen 5 und 11 mit weiteren Nachweisen), das
diese Praxis auch stets bestätigt hat, da dem Bundestag inso-
fern die Verwerfungskompetenz fehle (vgl. BVerfGE 89,
291, 300; 121, 266, 290; 122, 304, 307).

Unabhängig hiervon hat sich der Wahlprüfungsausschuss
ausführlich mit der vom Einspruchsführer angesprochenen
Rechtsfrage befasst. Er hält die Vorschrift des § 2 Absatz 7
EuWG für verfassungsgemäß und bestätigt damit seine
bereits im Zusammenhang mit Anfechtungen der Europa-
wahl im Jahr 2004 dargelegte Auffassung (s. Bundes-
tagsdrucksachen 15/4250, Anlage 18; 15/4750, Anlagen 5,
9, 20 bis 22).

Wie der Deutsche Bundestag und der Wahlprüfungsaus-
schuss in den genannten Entscheidungen ausgeführt haben,
können die Mitgliedstaaten nach Artikel 3 Satz 1 des Direkt-
wahlakts eine Mindestschwelle für die Sitzvergabe fest-
legen. Diese Schwelle darf jedoch nach Satz 2 dieser
Vorschrift landesweit nicht mehr als 5 Prozent der abgegebe-
nen Stimmen betragen. Das Bundesverfassungsgericht hat in
seiner Entscheidung vom 8. Juni 2004 in einem Organstreit-
verfahren zur Fünf-Prozent-Sperrklausel des damaligen § 2
Absatz 6 EuWG (2 BvE 1/04), in dem die diesbezügliche
Organklage der NPD wegen Nichteinhaltung der Frist ge-
mäß § 64 Absatz 3 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes
(BVerfGG) als unzulässig verworfen worden ist, auf die ent-
sprechende Ergänzung des Direktwahlakts im Jahr 2002 hin-
gewiesen und hierzu ausgeführt, dass der Gesetzgeber mit
dem am 21. August 2003 verkündeten Vierten Gesetz zur
Änderung des Europawahlgesetzes und Neunzehnten Gesetz
zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes zum Aus-
druck gebracht habe, dass er an der Fünf-Prozent-Sperrklau-
sel festhalten möchte. Er habe sich dabei – so das Bundesver-
fassungsgericht – auf die Ermächtigung der Mitgliedstaaten
im Beschluss des Rates der Europäischen Union stützen kön-
nen, eine Sperrklausel zu erlassen. Der Rat der Europäischen
Union hat nach Zustimmung des Europäischen Parlaments
mit Beschluss vom 25. Juni und 23. September 2002

Mitgliedstaaten gemeinsamen Grundsätzen stattfinden kön-
nen, die Mitgliedstaaten zugleich aber die Möglichkeit erhal-
ten, für Aspekte, die nicht durch diesen Beschluss geregelt
sind, ihre jeweiligen nationalen Vorschriften anzuwenden“.
Dieser Änderung des Direktwahlakts hat der deutsche Ge-
setzgeber mit Artikel 1 des Zweiten Gesetzes über die Zu-
stimmung zur Änderung des Direktwahlakts vom 15. August
2003 (BGBl. 2003 II S. 810) zugestimmt. Zwar kann, wor-
auf der Wahlprüfungsausschuss schon in den genannten
Entscheidungen hingewiesen hat, in dieser nunmehr aus-
drücklich verankerten Ermächtigung zum Erlass einer Fünf-
Prozent-Sperrklausel durch den Direktwahlakt nicht unmit-
telbar die Verfassungsmäßigkeit einer solchen Sperrklausel
nach dem deutschen Verfassungsrecht abgeleitet werden.
Der Wahlprüfungsausschuss sieht sie jedoch weiterhin als
starkes Indiz dafür, dass § 2 Absatz 7 EuWG nicht gegen das
Grundgesetz verstößt.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung
vom 22. Mai 1979 die Fünf-Prozent-Sperrklausel für Wahlen
zum Europäischen Parlament einstimmig für grundgesetz-
konform angesehen, weil sie an dem durch besondere, zwin-
gende Gründe gerechtfertigten Ziel, einer übermäßigen Par-
teienzersplitterung im Europäischen Parlament entgegen-
zuwirken, orientiert sei und das Maß des zur Erreichung
dieses Ziels Erforderlichen nicht überschreite (BVerfGE 51,
222, 233). Bereits in dieser Entscheidung hat sich das Bun-
desverfassungsgericht ausdrücklich mit den Spezifika des
Europäischen Parlaments auseinandergesetzt, dessen Aufga-
benkreis mit dem der Parlamente der Mitgliedstaaten nur
bedingt vergleichbar sei. Im Vordergrund sah das Bundesver-
fassungsgericht die Ausübung der vertraglich verbürgten
Beratungs- und Kontrollfunktionen. Dagegen seien von den
klassischen Aufgaben der Parlamente das Recht, die Regie-
rung zu wählen und die gesetzgeberischen Funktionen nur in
ersten Ansätzen vorhanden (a. a. O., S. 240 ff.). Hingegen
nehme es als Vertretung der Völker eine wichtige politische
Integrationsverantwortung wahr. Organisation und Arbeits-
weise unterschieden sich nicht wesentlich von derjenigen der
nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten. Das Bundesver-
fassungsgericht betont, dass der dem Europäischen Parla-
ment im Verfassungsgefüge der Europäischen Gemeinschaf-
ten zugewiesene Aufgabenkreis und die ihm auf dem Wege
zu einem immer engeren Zusammenschluss der europäischen
Völker zugedachte Rolle ein handlungsfähiges Organ erfor-
derten. Das Europäische Parlament könne die ihm gestellten
Aufgaben nur dann wirksam bewältigen, wenn es durch eine,
den vielschichtigen Spezialmaterien angemessene, interne
Arbeitsteilung all seinen Mitgliedern die notwendige Sach-
kenntnis verschaffe und zu einer überzeugenden Mehrheits-
bildung in der Lage sei. Beides könne gefährdet werden,
wenn die durch die große Zahl der Mitgliedstaaten ohnehin
nicht vermeidbare Aufgliederung des Parlaments in viele
Gruppen ein Ausmaß annehme, das dessen Funktionsfähig-
keit ernsthaft in Frage stelle. Dies sei ein zwingender Grund,
der Vorkehrungen gegen eine übermäßige Parteienzersplitte-
rung zu rechtfertigen vermöge (a. a. O., S. 246 f.).

Aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom
13. Februar 2008, der zufolge die Fünf-Prozent-Sperrklausel
bei Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein gegen die
Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit verstößt
(BGBl. 2003 II S. 811) den Direktwahlakt geändert, damit
die Wahlen zum Europäischen Parlament „gemäß den allen

(BVerfGE 120, 82), ergibt sich keine Neubewertung der Zu-
lässigkeit der Sperrklausel bei der Europawahl, wie das Bun-

Deutscher Bundestag – 17. rucksache 17/2200
Wahlperiode – 111 – D

desministerium des Innern in seiner Stellungnahme, der sich
der Wahlprüfungsausschuss in dieser Hinsicht anschließt,
zutreffend dargelegt hat. Dasselbe gilt für weitere kommu-
nalrechtliche Entscheidungen von Landesverfassungsge-
richten (vgl. die Übersicht über die Rechtslage in den Bun-
desländern im Urteil des Staatsgerichtshofs der Freien
Hansestadt Bremen vom 14. Mai 2009 – St 2/08, Rn. 30 ff.).
Denn die in diesen Entscheidungen betroffenen kommuna-
len Vertretungen sind, wie das Bundesverfassungsgericht
feststellt, Organe der Verwaltung, denen in erster Linie ver-
waltende Tätigkeiten anvertraut sind (a. a. O., S. 112). Da-
mit haben sie einen völlig anderen Charakter als das Europä-
ische Parlament als ein unmittelbar von den Unionsbürgern
gewähltes Vertretungsorgan der Völker in einer supranatio-
nalen Gemeinschaft (vgl. BVerfGE 123, 267, 368). Dieses
ist, wie das Bundesministerium des Innern beispielhaft dar-
legt, mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon bei
95 Prozent der europäischen Gesetzgebung zum gleichbe-
rechtigten Gesetzgeber neben dem Rat geworden, übt ge-
meinsam mit ihm die Haushaltsbefugnisse aus, erfüllt Auf-
gaben der politischen Kontrolle und Beratungsfunktionen
und wählt den Präsidenten der Kommission (vgl. Artikel 14
EUV).

Auch die auf das Europäische Parlament bezogenen Ausfüh-
rungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom
30. Juni 2009 zum Vertrag von Lissabon (BVerfGE 123, 267,
364, 370 ff.) nehmen in keiner Weise Stellung zu der Zuläs-
sigkeit einer Sperrklausel und bieten auch keine anderweiti-
gen Anhaltspunkte für eine notwendige Neubewertung der
Verfassungsmäßigkeit von § 2 Absatz 7 EuWG.

Der Wahlprüfungsausschuss sieht die vom Bundesverfas-
sungsgericht bereits 1979 deutlich angesprochene Gefahr
der Zersplitterung durch die gestiegene Anzahl der im Euro-
päischen Parlament vertretenen Abgeordneten und Parteien
heute eher noch verstärkt. Diese ist zwar in erster Linie der
erheblich angewachsenen Zahl der Mitgliedstaaten geschul-
det. Vor dem Hintergrund der beständig erweiterten und mit
Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon weiter anwachsen-
den Kompetenzen des Europäischen Parlaments hält der
Wahlprüfungsausschuss es daher für geboten, dieser Zer-
splitterung im Rahmen des dem deutschen Gesetzgeber
Möglichen entgegenzuwirken. Deshalb besteht aus seiner
Sicht die verfassungsrechtliche Rechtfertigung für die Fünf-
Prozent-Sperrklausel bei der Wahl der Abgeordneten des
Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutsch-
land gemäß § 2 Absatz 7 EuWG fort.

ber Verstoß gegen das Wahlrecht, das Parteiengesetz und das
Strafrecht. Der Einspruchsführer habe den Bundeswahlleiter

Personen (Bedrohung, Verleumdung, Fälschungen) began-
gen worden seien. Inwieweit konkret für die Zulassung des
Ergänzend hat der Einspruchsführer die Ablichtung einer
von einem Rechtsanwalt verfassten Klageschrift übersandt,
mit der er sich gegen die Wirksamkeit seines Ausschlusses

sei unverzichtbare Voraussetzung eines ordnungsgemäßen
Wahlvorschlages. Außerdem sei der Einspruchsführer da-
rüber informiert worden, dass das Formblatt für eine Unter-
über die Vorgänge informiert. Dieser sei jedoch der Auffas-
sung gewesen, es handele sich um rein parteiinterne Vorgän-
ge. Auch der Bundeswahlausschuss sei den Vorwürfen nicht
ausreichend nachgegangen; zudem hätten ihm offenbar die
für die Prüfung erforderlichen Unterlagen nicht vorgelegen,
da sie vorgetragen werden mussten. Der Einspruchsführer ist
daher der Auffassung, dass der Bundeswahlausschuss die
Bundesliste der PBC nicht zur Europawahl hätte zulassen
dürfen, da sie nicht gültig gewesen sei.

Der Einspruchsführer rügt außerdem, dass das Formular für
Unterstützungsunterschriften für den Wahlvorschlag nicht,
wie in den vergangenen Jahren, vom Bundeswahlleiter un-
terschrieben gewesen sei.

Wahlvorschlags relevante Verstöße gegen die einschlägigen
Vorschriften des Europawahlrechts vorgelegen hätten, sei
vom Einspruchsführer in diesen Schreiben nicht dargelegt
worden. Daher sei der Einspruchsführer darüber unterrichtet
worden, dass bei parteiinternen Streitigkeiten über das Auf-
stellungsverfahren gegebenenfalls das zuständige Schieds-
gericht der Partei angerufen werden könne. Darüber hinaus
sei er darüber informiert worden, dass aus dem Grundsatz
der innerparteilichen Demokratie gemäß Artikel 21 Absatz 1
Satz 3 des Grundgesetzes folge, dass die Aufstellung von
Kandidaten für Europawahlen sich nach bestimmten Min-
destregeln einer demokratischen Wahl vollziehen müsse.
§ 10 EuWG normiere diesen Kernbestand an Verfahrens-
grundsätzen für die Aufstellung der Bewerber von politi-
schen Vereinigungen und der Landeslisten; seine Beachtung
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 113 – Drucksache 17/2200

Anlage 25

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn U. K., 09127 Chemnitz
– Az.: EuWP 51/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 7. Juni 2009
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 10. Juni 2010 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem per Telefax übermittelten Schreiben, das beim
Deutschen Bundestag am 7. August 2009 eingegangen ist,
hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus
der Bundesrepublik Deutschland am 7. Juni 2009 eingelegt.

Der Einspruchsführer macht die Rechtswidrigkeit der Kan-
didatenaufstellung der Partei Bibeltreuer Christen (PBC) so-
wie eine unzureichende Prüfung des Wahlvorschlags der
PBC durch den Bundeswahlausschuss geltend.

Er trägt im Wesentlichen vor, er habe sich als Kandidat der
PBC zur Europawahl aufstellen lassen wollen. Er sei jedoch
durch den Landesvorstand, der hierfür gleichzeitig als
Schiedsgericht agiert habe, unter Verletzung geltenden
Rechts aus der Partei ausgeschlossen worden, wobei ihm zu-
gleich das Rederecht, das Stimmrecht und die Kandidatur
verboten worden seien. Dabei hätten die Mitglieder dieses
Gremiums sich selbst zur Wahl gestellt. Einsprüche seien
nicht zu Protokoll genommen worden. Hierin liege ein gro-

Das Landgericht Karlsruhe hat auf Nachfrage des Sekreta-
riats des Wahlprüfungsausschusses mit Schreiben vom
1. April 2010 mitgeteilt, dass es in einem Urteil vom
25. März 2010 festgestellt habe, dass der Ausschluss des
Einspruchsführers unwirksam sei, da Vorschriften über das
Verfahren nicht eingehalten worden seien.

Zu dem Wahleinspruch hat der Bundeswahlleiter wie folgt
Stellung genommen:

Der Einspruch sei unbegründet. Die Zulassung des Wahlvor-
schlags der PBC sei gemäß § 9 ff. des Europawahlgesetzes
(EuWG) i. V. m. § 32 ff. der Europawahlordnung (EuWO)
erfolgt. Dabei seien die Hinweise des Einspruchsführers
auch Gegenstand der Sitzung des Bundeswahlausschusses
am 10. April 2009 gewesen. Im Rahmen der Prüfung des
Wahlvorschlags habe der Bundeswahlleiter den Bundes-
wahlausschuss darüber unterrichtet, dass der Einspruchsfüh-
rer ihm mit zwei Schreiben im Oktober 2008 mitgeteilt habe,
dass es u. a. bei der Aufstellung der Bundesliste zur Europa-
wahl Verschwörungen gegen ihn gegeben habe und in die-
sem Zusammenhang eine Reihe von Straftaten von mehreren
aus der PBC durch Entscheidung des Landesvorstands Sach-
sen als Landesschiedsgericht vom 10. Oktober 2008 wendet.

stützungsunterschrift gemäß § 9 Absatz 5 EuWG, § 32
Absatz 3 EuWO nach Anlage 14 zur EuWO vom Bundes-

Drucksache 17/2200 – 114 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

wahlleiter ohne Unterschrift, aber mit Dienstsiegel sowie
Angabe des Ausstellungsortes und -datums ausgegeben wer-
de und in dieser Form gültig sei.

Die Wahlausschüsse müssten im Rahmen der Prüfung des
Wahlvorschlags nicht allen nur denkbaren wahlrechtlich re-
levanten Verstößen von sich aus ohne konkreten Anhalt
nachgehen, zumal die Zulassungsentscheidungen gemäß
§ 11 Absatz 1 und § 14 Absatz 1 EuWG in kurzer Zeit zu
treffen seien. Daher beschränke sich die Überprüfung der
Nachweise durch den Bundeswahlausschuss in der Regel
grobrasterartig auf die Einhaltung der formalen Anforderun-
gen des § 10 EuWG und auf die Schlüssigkeit der Erklärun-
gen der Parteien sowie urkundlicher Belegungen. Ergäben
sich bei der Überprüfung der Zulassungsvoraussetzungen
anhand der Nachweise keine Anhaltspunkte für rechtswidri-
ges Verhalten, so könne der Bundeswahlausschuss grund-
sätzlich davon ausgehen, dass die Aufstellung ordnungsge-
mäß erfolgt sei. Die Vorlage der Nachweise solle gerade
eigene Ermittlungen und Prüfungen der Wahlausschüsse ent-
behrlich machen.

Dem Bundeswahlausschuss hätten in der betreffenden Sit-
zung alle Unterlagen vorgelegen. Ein Verstoß gegen die in
§ 10 Absatz 3 Satz 1 bis 3 EuWG festgelegten Grundsätze
des Kandidatenaufstellungsverfahrens sei nach Auffassung
des Bundeswahlausschusses auf der Grundlage der nicht
substanziell dargelegten Beanstandungen nicht erkennbar.
Auch das Vorbringen des Einspruchsführers in seinem Wahl-
einspruch habe keine konkreten Hinweise auf Handlungen
enthalten, die einen Verstoß gegen die genannten Verfah-
rensgrundsätze zur Aufstellung der Bewerber für Europa-
wahlen begründen können.

Die Stellungnahme ist dem Einspruchsführer zur Kenntnis
gegeben worden. In seiner Erwiderung, die am 2. März 2010
beim Wahlprüfungsausschuss eingegangen ist, erklärt er, es
hätten zahlreiche Wahlfehler vorgelegen und nennt, über sei-
nen bisherigen Vortrag hinaus, das Fehlen einer geheimen
Wahl, da die angekreuzten Stimmzettel von einigen Teilneh-
mern hochgehalten worden seien. Er trägt erneut vor, dass er
als Bewerber für die Liste der PBC zur Europawahl habe an-
treten wollen, aber widerrechtlich nicht zur Wahl zugelassen
worden sei. Ein Einspruch zum Wahlparteitag sei innerhalb
der Jahresfrist von der Partei nicht bearbeitet worden. Der
Einspruchsführer bekräftigt seine Ansicht, dass der Bundes-
wahlausschuss nicht ausreichend geprüft habe, da er keine
Protokolle oder Wahleinsprüche bei der Partei oder dem Ein-
spruchsführer angefordert habe. Des Weiteren begehrt er ne-
ben der Erklärung der Ungültigkeit der Europawahl den Er-
lass gesetzlicher Regelungen, die die Wahlprüfung auf allen
Ebenen verschärfen sollen, sowie die Einrichtung einer Be-
ratungsstelle, die im Vorfeld der Wahlen Fehlern und Unre-
gelmäßigkeiten nachgeht.

Der Wahlprüfungsausschuss hat ergänzend die beiden vom
Bundeswahlleiter genannten Schreiben des Einspruchsfüh-
rers von Oktober 2008 sowie die Niederschrift über die Mit-
gliederversammlung zur Aufstellung der Bewerber der PBC
für die Wahl zum Europäischen Parlament vom 1. November
2008 beigezogen.

Diesbezüglich sowie wegen der Einzelheiten des Vortrags

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist teilweise unzulässig, im Übrigen unbe-
gründet.

I.

Soweit der Einspruchsführer angebliche Wahlfehler erstmals
in seiner Erwiderung auf die Stellungnahme des Bundes-
wahlleiters vom 2. März 2010 geltend macht, ist der Ein-
spruch unzulässig. Denn gemäß § 2 Absatz 4 Satz 1 des
Wahlprüfungsgesetzes in Verbindung mit § 26 Absatz 2
EuWG muss der Einspruch binnen einer Frist von zwei Mo-
naten nach dem Wahltag beim Bundestag eingehen; diese
Frist endete für die Europawahl am 7. August 2009. Dies be-
trifft die Behauptung von Verstößen gegen den Grundsatz
der geheimen Durchführung der Wahl.

II.

Soweit der Einspruchsführer geltend macht, er sei zu Un-
recht an der Kandidatur und der Abstimmung bei der Auf-
stellung der gemeinsamen Liste der PBC gehindert worden,
ist der Einspruch unbegründet.

Zwar können auch Maßnahmen von Parteien im Rahmen der
Aufstellung ihrer Bewerber die Gültigkeit von Wahlen be-
rühren (Bundestagsdrucksache 16/3600, Anlage 6). Dabei
kommt allerdings nicht allen Maßnahmen im Zusammenhang
mit der Kandidatenaufstellung wahlrechtliche Bedeutung zu;
vielmehr können im Wahlprüfungsverfahren nur Verstöße ge-
gen elementare Regeln des demokratischen Wahlvorgangs
gerügt werden (Bundestagsdrucksache 15/4750, Anlage 5).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
(BVerfGE 89, 243, 252 f.) zählt hierzu unter anderem die
Beachtung der in § 21 Absatz 1 bis 4 und 6 des Bundeswahl-
gesetzes enthaltenen Vorgaben, denen bei der Europawahl die
Vorschriften des § 10 Absatz 1 bis 4 EuWG entsprechen. Ein
Wahlvorschlag, der unter Verstoß gegen die gesetzlichen
Mindestregeln an eine demokratische Kandidatenaufstellung
zustande gekommen ist, wäre nach Auffassung des Bundes-
verfassungsgerichts vom zuständigen Wahlausschuss zurück-
zuweisen, wobei ohne Belang sei, ob der Verstoß dem Zulas-
sungsorgan bekannt war oder nach zumutbarer Ermittlung
hätte bekannt sein können. Allein der Verstoß gegen die wahl-
rechtlichen Mindestregeln für die Kandidatenaufstellung ma-
che die Zulassungsentscheidung fehlerhaft (BVerfGE 89,
243, 253).

Zunächst ist festzustellen, dass der – nach Feststellung des
Landgerichts Karlsruhe wegen Verstößen gegen Verfahrens-
vorschriften unwirksame – Ausschluss des Einspruchsfüh-
rers aus der PBC allein jedenfalls keinen Wahlfehler dar-
stellt, denn ein Parteiausschluss, auch wenn er in zeitlichem
Zusammenhang mit einer Wahl erfolgt, weist nicht zwin-
gend einen rechtlichen Bezug zu deren Gültigkeit auf.

Sollte der Vortrag des Einspruchsführer zutreffen, er habe
sich fristgerecht als Bewerber für die Bundesliste der PBC
zur Europawahl gemeldet und sei bei der Wahl auch anwe-
send gewesen, ihm seien aber Rederecht, Kandidatur und
Stimmrecht verboten worden, wäre nicht auszuschließen,
dass die Aufstellung der Bewerber für die Liste der PBC un-
ter Verstoß gegen wahlrechtliche Vorschriften zustande ge-
der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genom-
men.

kommen ist. Bei der Aufstellungsversammlung der PBC für
die Europawahl handelte es sich der Niederschrift nach

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 115 – Drucksache 17/2200

Anlage 18 zur EuWO zufolge um eine Versammlung der
Mitglieder im Wahlgebiet. Anhaltspunkte für die vom Ein-
spruchsführer vorgetragenen Begebenheiten ergeben sich
aus der Niederschrift jedoch nicht.

Letztlich kommt es hierauf vorliegend aber auch nicht an.
Selbst wenn ein Wahlfehler anzunehmen wäre, muss der
Einspruch ohne Erfolg bleiben. Denn nach ständiger Praxis
des Wahlprüfungsausschusses und ständiger Rechtspre-
chung des Bundesverfassungsgerichts können nur solche
Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl beeinträchtigen, die auf
die Sitzverteilung von Einfluss sind oder sein können (vgl.
zuletzt Bundestagsdrucksache 17/1000, Anlagen 10, 15, 19,
20; BVerfGE 89, 243, 254). Angesichts der Tatsache, dass
die gemeinsame Liste der PBC für alle Länder bei der Euro-
pawahl 2009 bundesweit einen Stimmenanteil von
0,3 Prozent erzielte und damit deutlich unter der gemäß § 2
Absatz 7 EuWG für eine Berücksichtigung bei der Sitzver-
teilung erforderlichen Schwelle von fünf Prozent der abge-
gebenen Stimmen blieb, wobei sich zugleich ihre Ergebnisse

bei den vorangegangenen Europawahlen 1999 und 2004 von
0,3 Prozent und 0,4 Prozent bestätigten, lässt sich mit an Si-
cherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausschließen, dass
ein möglicher Wahlfehler bei der Aufstellung der Liste der
PBC Einfluss auf die Mandatsverteilung im Europäischen
Parlament gehabt hat.

Soweit der Einspruchsführer die fehlende Unterschrift des
Bundeswahlleiters auf dem Formular für eine Unterstüt-
zungsunterschrift gemäß Anlage 14 zur EuWO rügt, hat der
Bundeswahlleiter in seiner Stellungnahme zutreffend darauf
hingewiesen, dass das Formblatt mit Dienstsiegel und Anga-
be von Ausstellungsort und -datum gültig ist. Eine Unter-
schrift des Bundes- oder Landeswahlleiters ist nicht vorge-
schrieben.

Hinsichtlich der vom Einspruchsführer in seiner Erwiderung
auf die Stellungnahme des Bundeswahlleiters geforderten
gesetzlichen Regelungen ist darauf hinzuweisen, dass dies
nicht Gegenstand des Wahlprüfungsverfahrens sein kann.

Ablauf der Einspruchsfrist am 7. August 2009 hingewiesen
wurde, hat der Einspruchsführer erwidert, es liege ein Irrtum kein Geld bei sich führe, die Situation wegen des auffor-

dernd platzierten Spendentellers als so unangenehm empfin-
Vlotho für ungültig zu erklären, sei das Schreiben nicht an
den Bundestag weitergeleitet worden.

Stadt- und Gemeindewahlleiter darauf hingewiesen, dass sie
verpflichtet seien, für die ordnungsgemäße Ausgestaltung
des Wahllokals zu sorgen. Der Bürgermeister der Stadt Vlo-
vor, denn sein Schreiben datiere von Juni 2009. Bei dem
Schreiben vom 27. Oktober 2009 handele es sich um eine Er-
innerung an den Kreis Herford, der bis dahin untätig geblie-
ben sei.

Auf Nachfrage des Ausschusssekretariats hat der Landrat
des Kreises Herford mitgeteilt, dass der Einspruchsführer
tatsächlich bereits am 9. Juni 2009 ein gleichlautendes
Schreiben per Fax an die Kreiswahlleiterin gesandt habe, die
dieses noch am gleichen Tag per E-Mail an die Landeswahl-
leiterin des Landes Nordrhein-Westfalen weitergeleitet habe.
Die Landeswahlleiterin hat auf Anfrage eingeräumt, das
Schreiben des Einspruchsführers vom 9. Juni 2009 erhalten
zu haben. Da in ihrem Büro jedoch übersehen worden sei,
dass der Einspruchsführer am Schluss seines Schreibens „in
klein gewordener Handschrift“ beantragt habe, die Wahl in

de, dass er das Wahllokal wieder verlasse, ohne zu wählen.
Derartige Irritationen sollten im Wahllokal jedoch unbedingt
vermieden werden. Dieser Ansicht hat sich die Landeswahl-
leiterin angeschlossen.

Der Kreis Herford teilt mit, dass er Maßnahmen getroffen
habe, um für künftige Wahlen sicherzustellen, dass keine
Spendenteller aufgestellt werden. So sollen alle kreisange-
hörigen Städte und Gemeinden rechtzeitig vor den nächsten
Wahlen aufgefordert werden, die Wahlvorstände darüber zu
informieren und darüber eine Bestätigung abzugeben. Au-
ßerdem sollen die Stadt- und Gemeindewahlleiter und die
Wahlvorstände darüber informiert werden, dass am Wahltag
stichprobenartig Wahllokale durch die Kreiswahlleiterin in
Augenschein genommen würden. Schließlich würden die
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 117 – Drucksache 17/2200

Anlage 26

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn K. N., 32049 Herford
– Az.: EuWP 54/09 –

gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland

am 7. Juni 2009
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 10. Juni 2010 beschlossen,

dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird als unzulässig zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem an den Kreiswahlleiter des Kreises Herford ge-
richteten und auf den 27. Oktober 2009 datierten Schreiben,
das am 10. Dezember 2009 beim Deutschen Bundestag ein-
gegangen ist, hat der Einspruchsführer gegen die Gültigkeit
der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland am 7. Juni 2009 Ein-
spruch eingelegt. Er beanstandet unter Bezugnahme auf die
Berichterstattung von „Radio Herford“ die Sammlung von
Spenden zugunsten einer „Kaffeekasse“ für die Wahlhelfer
in einem Wahllokal und beantragt, die Wahl in Vlotho für un-
gültig zu erklären und zu wiederholen.

Das dem Deutschen Bundestag zugegangene handschriftli-
che Schreiben, das mit „1. Erinnerung“ überschrieben ist, ist
vom Einspruchsführer per Telefax an die Kreiswahlleiterin
gesandt worden, der es mit Schreiben vom 7. Dezember
2009 an den Deutschen Bundestag weitergeleitet hat.

Auf die Eingangsbestätigung des Sekretariats des Wahlprü-
fungsausschusses vom 16. Dezember 2009, in der auf den

vom 30. Juni 2009 sowie ein Schreiben des Kreises Herford
vom 17. Juni 2009 beigefügt, die den vom Einspruchsführer
monierten Vorgang zum Gegenstand haben.

Das Innenministerium wertet den Vorgang als Verstoß gegen
die Wahlfreiheit. In einem Wahllokal in Vlotho sei der
Schlitz der Wahlurne mit einem offenen Zigarrenkasten ab-
gedeckt gewesen, in dem sich Geld befunden habe. Auf
Nachfrage sei erklärt worden, dass es sich um eine Kaffee-
kasse für die Wahlhelfer handele. Hierdurch sei die Wahlfrei-
heit beeinträchtigt worden, denn der Wahlberechtigte solle
das Wahllokal frei von Irritationen aufsuchen und dort ent-
sprechend wählen können. Es sei aber denkbar, dass durch
einen Spendenteller unmittelbar auf dem Schlitz der Wahlur-
ne – gerade bei älteren Menschen oder unerfahrenen Wäh-
lern – der Eindruck entstehe, es müsse bezahlt werden, um
wählen zu dürfen, zumal der Wahlvorstand nur auf Nachfra-
ge erläutert habe, dass es sich bei dem Geld um eine freiwil-
lige Aufmerksamkeit gegenüber den Wahlhelfern handele.
Es sei durchaus möglich, dass Wählerinnen und Wähler an-
gesichts der Geldsammlung auf die Teilnahme an der Wahl
verzichtet hätten. Denkbar sei auch, dass ein Wähler, der
Die Landeswahlleiterin hat ihrem Schreiben ein Schreiben
des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen

tho habe bereits versichert, dass das geltende Recht in der
Stadt Vlotho künftig beachtet werde.

Drucksache 17/2200 destag – 17. Wahlperiode
– 118 – Deutscher Bun

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Beteilig-
ten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist wegen Verfristung unzulässig.

Gemäß § 26 des Europawahlgesetzes in Verbindung mit § 2
Absatz 4 Satz 1 des Wahlprüfungsgesetzes müssen Wahlein-
sprüche binnen einer Frist von zwei Monaten nach dem
Wahltag beim Deutschen Bundestag eingehen. Bei der Wahl
der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der
Bundesrepublik Deutschland am 7. Juni 2009 lief diese Frist
am 7. August 2009 ab. Der Einspruch ging jedoch erst am
10. Dezember 2009 beim Deutschen Bundestag ein.

Soweit der Einspruchsführer einwendet, er habe bereits im
Juni 2009 ein Schreiben an den Kreis Herford gerichtet, kann
dies nicht zu einer anderen Entscheidung führen. Das an den
Landkreis gerichtete Schreiben vom 9. Juni 2009 ist für die
fristgerechte Einlegung nicht ausreichend, da der Einspruch
nicht bei der richtigen Stelle eingelegt worden ist. Zwar ist
es aus Sicht des Wahlprüfungsausschusses bedauerlich, dass
die beteiligten Wahlorgane den ihnen zugegangenen Wahl-
einspruch nicht rechtzeitig an den Deutschen Bundestag
weitergeleitet haben, wie dies sonst in der Regel geschieht.
Die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand besteht nach dem Wahlprüfungsgesetz nicht (vgl.
Bundestagsdrucksache 15/1150, Anlage 21). Der Ausschuss
ist jedoch überzeugt, dass es sich um ein Versehen gehandelt
hat, und begrüßt zugleich, dass Maßnahmen ergriffen wor-
den sind, die eine Wiederholung des Vorfalls, der Gegen-
stand des Einspruchs ist, bei zukünftigen Wahlen verhindern
sollen.

EuWP 8/09

Mit einem an den Deutschen Bundestag gerichteten Schrei-
ben vom 8. Juni 2009 beschwert sich der Absender darüber,
dass er und seine Ehefrau die beantragten Briefwahlunter-
lagen für die Europawahl 2009 nicht erhalten hätten. Er er-
kundigt sich, ob das Bezirksamt die Wahl sabotiere.

Das Ausschusssekretariat hat den Absender mit Schreiben
vom 16. Juni und 26. Juni 2009 um Mitteilung gebeten, ob er

Mit einer Zuschrift vom 13. Juni 2009 an den Deutschen
Bundestag hat der Absender mitgeteilt, dass er die von ihm
beantragten Briefwahlunterlagen nicht bekommen habe und
fragt nach den möglichen Ursachen hierfür.

Das Ausschusssekretariat hat den Absender mit Schreiben
vom 29. Juni 2009 um Mitteilung gebeten, ob seine Anfrage
als förmlicher Einspruch gegen die Europawahl 2009 anzu-
sehen sei. Der Absender hat sich nicht wieder gemeldet. Das
Verfahren ist daher einzustellen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 119 – Drucksache 17/2200

Anlage 27

Verfahrenseinstellungen

EuWP 1/09

Mit einem an den Bundestagspräsidenten gerichteten Schrei-
ben vom 21. April 2009 hat der Bundesvorstand einer politi-
schen Vereinigung Einspruch gegen die Entscheidung des
Bundeswahlausschusses vom 10. April 2009 über die Nicht-
zulassung zur Europawahl 2009 eingelegt. Er verlangt die
Zulassung zur Europawahl am 7. Juni 2009 sowie die Zulas-
sung aller Parteien, die sich am 10. April 2009 dem Bundes-
wahlausschuss gestellt hätten.

Das Ausschusssekretariat hat den Absender mit Schreiben
vom 8. Mai 2009 darauf hingewiesen, dass eine Wahlan-
fechtung gemäß § 2 Absatz 4 des Wahlprüfungsgesetzes
(WPrüfG) erst nach – nicht aber vor – dem Wahltag möglich
ist, es ihm aber freistehe, einen fristgerechten Wahleinspruch
bis zum Ablauf der Frist am 7. August 2009 einzulegen. Er
hat sich nicht wieder gemeldet. Das Verfahren ist daher ein-
zustellen.

und seine Frau förmlichen Einspruch gegen die Europawahl
2009 erheben wollten. In diesem Fall müsse bis zum 7. Au-
gust 2009 ein entsprechendes Schreiben beim Deutschen
Bundestag eingehen. Der Absender hat sich nicht wieder ge-
meldet. Das Verfahren ist daher einzustellen.

EuWP 16/09

Der Einspruchsführer beanstandet, dass die Europawahl
2009 durchgeführt worden sei, ohne dass über die Gültigkeit
des Vertrags von Lissabon endgültig entschieden worden sei,
und macht einen Vorschlag zum Zusammenschluss teilneh-
mender Parteien und anderer Wählergruppen, die die Fünf-
Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben. Der Ein-
spruchsführer ist am 8. September 2009 verstorben. Das
Verfahren ist daher einzustellen.

EuWP 18/09

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